Gottfried Keller

Der Schmied seines Glückes

Novelle

Gottfried Keller

Der Schmied seines Glückes

Novelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-962812-84-3

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Inhaltsverzeichnis

Der Schmied sei­nes Glückes

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Der Schmied seines Glückes

John Ka­bys, ein ar­ti­ger Mann von bald vier­zig Jah­ren, führ­te den Spruch im Mun­de, dass je­der der Schmied sei­nes ei­ge­nen Glückes sein müs­se, sol­le und kön­ne, und zwar ohne viel Ge­zap­pel und Ge­schrei.

Ru­hig, mit nur we­ni­gen Meis­ter­schlä­gen schmie­de der rech­te Mann sein Glück! war sei­ne öf­te­re Rede, wo­mit er nicht etwa die Er­rei­chung bloß des Not­wen­di­gen, son­dern über­haupt al­les Wün­schens­wer­ten und Über­flüs­si­gen ver­stand.

So hat­te er denn als zar­ter Jüng­ling schon den ers­ten sei­ner Meis­ter­strei­che ge­führt und sei­nen Tauf­na­men Jo­han­nes in das eng­li­sche John um­ge­wan­delt, um sich von vorn­her­ein für das Un­ge­wöhn­li­che und Glück­haf­te zu­zu­be­rei­ten, da er da­durch von al­len üb­ri­gen Han­sen ab­stach und über­dies einen an­gel­säch­sisch un­ter­neh­men­den Nim­bus er­hielt.

Da­rauf ver­harr­te er ei­ni­ge Jähr­chen ru­hig, ohne viel zu ler­nen oder zu ar­bei­ten, aber auch ohne über die Schnur zu hau­en, son­dern klug ab­war­tend.

Als je­doch das Glück auf den aus­ge­wor­fe­nen Kö­der nicht an­bei­ßen woll­te, tat er den zwei­ten Meis­ter­schlag und ver­wan­del­te das i in sei­nem Fa­mi­li­enna­men Ka­bis in ein y. Da­durch er­hielt dies Wort (an­der­wärts auch Ka­pes), wel­ches Weiß­kohl be­deu­tet, einen ed­lern und fremd­ar­ti­gern An­hauch, und John Ka­bys er­war­te­te nun mit mehr Be­rech­ti­gung, wie er glaub­te, das Glück.

Al­lein es ver­gin­gen aber­mals meh­re­re Jah­re, ohne dass sel­bi­ges sich ein­stel­len woll­te, und schon nä­her­te er sich dem ein­und­drei­ßigs­ten, als er sein nicht be­deu­ten­des Erbe mit al­ler Mä­ßi­gung und Ein­tei­lung end­lich doch auf­ge­zehrt hat­te. Jetzt be­gann er aber sich ernst­lich zu re­gen und sann auf ein Un­ter­neh­men, das nicht für den Spaß sein soll­te.

Schon oft hat­te er vie­le Seld­wy­ler um ihre statt­li­chen Fir­men be­nei­det, wel­che durch Hin­zu­fü­gen des Frau­en­na­mens ent­stan­den. Die­se Sit­te war einst plötz­lich auf­ge­kom­men, man wuss­te nicht wie und wo­her; aber ge­nug, sie schi­en den Her­ren vor­treff­lich zu den ro­ten Plüschwes­ten zu pas­sen, und auf ein­mal er­klang das gan­ze Städt­chen an al­len Ecken von pom­pö­sen Dop­pel­na­men. Gro­ße und klei­ne Fir­ma­ta­feln, Hau­stü­ren, Glo­cken­zü­ge, Kaf­fee­tas­sen und Tee­löf­fel wa­ren da­mit be­schrie­ben, und das Wo­chen­blatt strotz­te eine Zeit lang von An­zei­gen und Er­klä­run­gen, de­ren ein­zi­ger Zweck das An­brin­gen der Al­lian­ce-Un­ter­schrift war. Ins­be­son­de­re ge­hör­te es zu den ers­ten Freu­den der Neu­ver­hei­ra­te­ten, al­so­bald ir­gend­ein In­se­rat von Sta­pel lau­fen zu las­sen. Da­bei gab es auch man­cher­lei Neid und Är­ger­nis; denn wenn etwa ein schwärz­li­cher Schus­ter oder sonst für ge­ring Ge­ach­te­ter durch Füh­rung sol­chen Dop­pel­na­mens an der all­ge­mei­nen Re­spek­ta­bi­li­tät teil­neh­men woll­te, so wur­de ihm das mit Na­se­rümp­fen übel ver­merkt, ob­gleich er im le­gi­tims­ten Be­sit­ze der an­de­ren Ehe­hälf­te war. Im­mer­hin war es nicht ganz gleich­gül­tig, ob ein oder meh­re­re Un­be­fug­te durch die­ses Mit­tel in das all­ge­mei­ne ver­gnüg­te Kre­dit­we­sen ein­dran­gen, da er­fah­rungs­ge­mäß die ge­schlecht­er­haf­te Na­mens­ver­län­ge­rung zu den wirk­sa­me­ren, doch zar­tes­ten Ma­schi­nen­teil­chen je­nes Kre­dit­we­sens ge­hör­te.

Für John Ka­bys aber konn­te der Er­folg ei­ner sol­chen Haupt­ver­än­de­rung nicht zwei­fel­haft sein. Die Not war jetzt ge­ra­de groß ge­nug, um die­sen lang auf­ge­spar­ten Meis­ter­streich zur rech­ten Stun­de zu füh­ren, wie es ei­nem al­ten Schmied sei­nes Glückes ge­ziemt, der da nicht in den Tag hin­ein häm­mert, und John sah dem­ge­mäß nach ei­ner Frau aus, still, aber ent­schlos­sen. Und sie­he! schon der Ent­schluss schi­en das Glück end­lich her­auf­zu­be­schwö­ren; denn noch in der­sel­ben Wo­che lang­te an, wohn­te in Seld­wy­la mit ei­ner mann­ba­ren Toch­ter eine äl­te­re Dame und nann­te sich Frau Oli­va, die Toch­ter Fräu­lein Oli­va. Ka­bys-Oli­va! klang es so­gleich in Johns Ohren und wi­der­hall­te es in sei­nem Ge­mü­te! Mit ei­ner sol­chen Fir­ma ein be­schei­de­nes Ge­schäft be­grün­det, muss­te in we­nig Jah­ren ein großes Haus dar­aus wer­den. So mach­te er sich denn weis­lich an die Sa­che, aus­ge­rüs­tet mit al­len sei­nen At­tri­bu­ten.

Die­se be­stan­den in ei­ner ver­gol­de­ten Bril­le, in drei email­lier­ten Hem­de­knöp­fen, durch gol­de­ne Kett­chen un­ter sich ver­bun­den, in ei­ner lan­gen gol­de­nen Uhr­ket­te, wel­che eine ge­blüm­te Wes­te über­kreuz­te, mit al­ler­lei An­hängseln, in ei­ner ge­wal­ti­gen Bu­sen­na­del, wel­che als Mi­nia­tur­ge­mäl­de eine Dar­stel­lung der Schlacht von Wa­ter­loo ent­hielt, fer­ner in drei oder vier großen Rin­gen, ei­nem großen Rohr­stock, des­sen Knopf ein klei­ner Opern­gu­cker bil­de­te in Ge­stalt ei­nes Perl­mut­ter­fäss­chens. In den Ta­schen trug, zog her­vor und leg­te er vor sich hin, wenn er sich setz­te: ein großes Fut­te­ral aus Le­der, in wel­chem eine Zi­gar­ren­spit­ze ruh­te, aus Meer­schaum ge­schnitzt, dar­stel­lend den aufs Pferd ge­bun­de­nen Ma­zeppa; die­se Grup­pe rag­te ihm, wenn er rauch­te, bis zwi­schen die Aug­brau­en hin­auf und war ein Ka­bi­netts­stück; fer­ner eine rote Zi­gar­ren­ta­sche mit ver­gol­de­tem Schloss, in wel­cher schö­ne Zi­gar­ren la­gen mit kirsch­rot und weiß ge­ti­ger­tem Deck­blatt, ein aben­teu­er­lich ele­gan­tes Feu­er­zeug, eine sil­ber­ne Ta­baks­do­se und eine ge­stick­te Schreib­ta­fel. Auch führ­te er das kom­pli­zier­tes­te und zier­lichs­te al­ler Geld­täsch­chen mit un­end­lich ge­heim­nis­vol­len Ab­tei­lun­gen.

Die­se sämt­li­che Aus­rüs­tung war ihm die Idealaus­stat­tung ei­nes Man­nes im Glücke; er hat­te die­sel­be, als kühn ent­wor­fe­nen Le­bens­rah­men, im vor­aus an­ge­schafft, als er noch an sei­nem klei­nen Ver­mö­gen ge­knab­bert, aber nicht ohne einen tiefern Sinn. Denn sol­che An­häu­fung war jetzt nicht so­wohl das Be­hän­ge ei­nes ge­schmack­lo­sen eit­len Man­nes als viel­mehr eine Schu­le der Übung, der Aus­dau­er und des Tros­tes zur Zeit des Uns­terns so­wie eine wür­di­ge Be­reit­hal­tung für das end­lich ein­keh­ren­de Glück, wel­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­