Cover

JOACHIM RINGELNATZ

Gesammelte Werke

Gedichte und Erzählungen

Anaconda

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die Gedichte und Erzählungen dieses Bandes sind chronologisch nach den Erstausgaben geordnet. Orthografie und Interpunktion wurden behutsam auf neue deutsche Rechtschreibung umgestellt, grammatische Eigenheiten blieben gewahrt.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

© 2015 Anaconda Verlag,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.

INHALT

GEDICHTE

Kleine Wesen

Was Topf und Pfann’ erzählen kann

Gedichte

Die Schnupftabaksdose

Joachim Ringelnatzens Turngedichte

Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid

Die gebatikte Schusterpastete

Taschen-Krümel

Turngedichte · Neue Gedichte der erweiterten Ausgabe

Kuttel Daddeldu · Neue Gedichte der erweiterten Ausgabe

Geheimes Kinder-Spiel-Buch

Reisebriefe eines Artisten

Allerdings

Flugzeuggedanken

Kinder-Verwirr-Buch

Gedichte dreier Jahre

103 Gedichte · Gedichte, Gedichte von Einstmals und Heute

ERZÄHLUNGEN

Ein jeder lebt’s. Novellen

Die wilde Miss vom Ohio

Das Gute

Zwieback hat sich amüsiert

Auf der Straße ohne Häuser

Vergebens

Sie steht doch still

Gepolsterte Kutscher und Rettiche

Durch das Schlüsselloch eines Lebens

Der tätowierte Apion

Das – mit dem »blinden Passagier«

Das Grau und das Rot

Phantasie

Die Woge. Marine-Kriegsgeschichten

Die Blockadebrecher

Die zur See

Nordseemorgen

Totentanz

Auf der Schaukel des Krieges

Der Freiwillige

Aus dem Dunkel

Flaggenparade

Nach zwei Jahren

Lichter im Schnee

Fahrensleute

Die Zeit

…liner Roma

Nervosipopel. Elf Angelegenheiten

Nervosipopel

Abseits der Geographie

Der arme Pilmartine

Vom Zwiebelzahl

Diplingens Abwesenheit

Vom Baumzapf

Eheren und Holzeren

Das schlagende Wetter

Vom Tabarz

Das halbe Märchen Ärgerlich

Die Walfische und die Fremde

GEDICHTE

 

Kleine Wesen

1910

 

EINLEITUNG

Viel passiert zu allen Zeiten

In der Welt der Kleinigkeiten.

Stimmt bald ernst und stimmt bald heiter. –

So, nun blätt’re, bitte, weiter.

DIE FEDER

Ein Federchen flog über Land;

Ein Nilpferd schlummerte im Sand.

Die Feder sprach: »Ich will es wecken!«

Sie liebte, andere zu necken.

Aufs Nilpferd setzte sich die Feder

Und streichelte sein dickes Leder.

Das Nilpferd öffnete den Rachen

Und musste ungeheuer lachen.

DER FUNKE

Es war einmal ein kleiner Funke.

Das war ein großer Erzhallunke.

Er sprang vom Herd und wie zum Spaß

Gerade in ein Pulverfass.

Das Pulverfass, das knallte sehr;

Da kam sofort die Feuerwehr

Und spritzte dann mit Müh und Not

Das Feuer und das Fünkchen tot.

DER EDELSTEIN

Der gute König Magarone

Trug einen Stein in seiner Krone.

Es war ein schöner Edelstein,

Er funkelte wie Sonnenschein.

Ein böser König kam aus Polen,

Um sich den Edelstein zu holen.

Sie stritten sich fast zehn Minuten,

Der böse König mit dem guten.

Dann kam ein fürchterlicher Krieg.

Der gute König kam zum Sieg.

Und schenkte – weil er sich so freute –

Den Edelstein an arme Leute.

DIE SEIFENBLASE

Es schwebte eine Seifenblase

Aus einem Fenster auf die Straße.

»Ach nimm mich mit dir«, bat die Spinne

Und sprang von einer Regenrinne.

Und weil die Spinne gar nicht schwer,

Fuhr sie im Luftschiff übers Meer.

Da nahte eine böse Mücke,

Sie stach ins Luftschiff voller Tücke.

Die Spinne mit dem Luftschiff sank

Ins kalte Wasser und ertrank.

DAS EI

Es fiel einmal ein Kuckucksei

Vom Baum herab und ging entzwei.

Im Ei da war ein Krokodil;

Am ersten Tag war’s im April.

DER FLOH

Herr Müller hatte einen Floh,

Der stach Herrn Müller irgendwo.

Herr Müller dankte für die Ehre,

Dann nahm er eine lange Schere

Und schnitt ihn in zwei gleiche Teile.

Jedoch, nach einer kurzen Weile,

Da wurden aus dem einen Floh

Zwei neue Flöh’ daraus. – Oho!

Da sprach der eine von den beiden:

»Man muss nicht einen Floh zerschneiden«.

DIE NADEL

Ein Schneider eine Nadel fand,

Die stach den Schneider in die Hand.

Der Schneider sprang entsetzt zurück,

Die Nadel sprach, ich bring’ dir Glück.

Der König hörte Schneiders Leid,

Und er bestellte sich ein Kleid.

Der Schneider nähe dieses gleich;

Am andern Tage war er reich.

So hat die Nadel über Nacht

Dem armen Schneider Glück gebracht.

DAS SAMENKORN

Ein Samenkorn lag auf dem Rücken,

Die Amsel wollte es zerpicken.

Aus Mitleid hat sie es verschont

Und wurde dafür reich belohnt.

Das Korn, das auf der Erde lag,

Das wuchs und wuchs von Tag zu Tag.

Jetzt ist es schon ein hoher Baum

Und trägt ein Nest aus weichem Flaum.

Die Amsel hat das Nest erbaut;

Dort sitzt sie nun und zwitschert laut.

DER WASSERTROPFEN

Ein Wassertropfen fiel vom Himmel;

Es war ein ungezog’ner Lümmel.

Im Grase schlief ein dummer Hase,

Der Tropfen fiel auf seine Nase.

Der Hase dachte sich dabei,

Dass er jetzt totgeschossen sei.

Er sprang in seinem großen Schreck

Aus seinem sicheren Versteck.

Der Jägersmann stand an der Straße

Und schoss ihn wirklich in die Nase.

DER KNOPF

Es war ein Knopf an Fritzens Mütze,

Der machte ungezogne Witze.

Erst strampelte er stundenlang,

Worauf er von der Mütze sprang.

Er fiel auf einen Kieselstein,

Dort schlief er ganz ermüdet ein.

Und eine Schlange sah den Schläfer;

Sie dachte sich, es sei ein Käfer.

Und weil der Käfer ihr gefiel,

So fraß sie ihn mit Stumpf und Stiel.

DER STEIN

Ein kleines Steinchen rollte munter

Von einem hohen Berg herunter.

Und als es durch den Schnee so rollte,

Ward es viel größer als es wollte.

Da sprach der Stein mit stolzer Miene:

»Jetzt bin ich eine Schneelawine«.

Er riss im Rollen noch ein Haus

Und sieben große Bäume aus.

Dann rollte er ins Meer hinein,

Und dort versank der kleine Stein.

DER KLEINE JUNGE

Es war ein kleiner, böser Junge,

Der zeigte jedermann die Zunge,

Ging statt zur Schule auf die Straße

Und drehte allen eine Nase.

Als seine Eltern beide tot,

Kam er in bitterliche Not.

Und lebt nun – weil er sonst nichts kann –

Als armer Leierkastenmann.

DAS KLEINE MÄDCHEN

Es war ein armes kleines Mädchen,

Das stickte nur mit kurzen Fädchen;

Ich glaube, Lina war ihr Name.

Sie wurde eine schöne Dame,

War fleißig, brav und lernte gerne,

Da kam ein Prinz aus weiter Ferne.

Der sagte: »Liebe gute Lina,

Komm mit mir auf mein Schloss nach China.«

Dort sitzen sie nun alle beide

Auf einem Thron von gelber Seide.

Was Topf und Pfann’ erzählen kann

Ein lustiges Märchen

Text von Hans Bötticher und
Ferdinand Kahn
1910

 

DAS FEUER zischt mit rotem Kopf –

Am Herd – da stehet Topf an Topf.

Drin kocht und siedet dies und das;

Die Köchin geht und holt noch was!

Kaum ist sie fort die Küche leer,

Geht’s auf dem Herd lebendig her!

Das Feuer prasselt – bli! bla! blu! –

Der gute Herd – der brummt dazu.

In Topf und Töpfchen regt es sich

Und zischt und brodelt wunderlich.

Aus jedem tönt ein Stimmchen vor,

Und geht ihr hin und spitzt das Ohr,

Dann hört ihr – ei, das wird ein Spaß! –

Ein jeder Topf erzählt euch was.

Und was noch kochend drinnen liegt,

Weil ihr es erst heut’ mittag kriegt,

Sagt, was erlebt’ es wundersam,

Bevor es in den Kochtopf kam.

Drum kommt und hört – es ist nicht schwer –

Es freut bei Tisch euch sicher sehr,

Dieweil ihr mehr wie alle wisst

Von dem, was man zu Mittag isst!

ES LIEGT in seinem Topfe

Ein Braten feist und schwer

Und sagt mit rotem Kopfe:

»Allhier gefällt mir’s sehr!«

Das gute liebe Feuer

Wärmt mich so wohlig an;

Das freut mich ungeheuer,

Wär’ ich nur näher dran!«

Er hat sich immer näher

Zum Feuer hingewandt,

Da – pff! – ein Schrei, ein jäher,

Schon ist er angebrannt.

Da kommt die Köchin wieder

Und merkt sofort, was los;

Zum Braten schaut sie nieder –

O weh! – der Schreck ist groß! –

Am Fensterbrett zwei Raben,

Die plappern frech und dreist:

»Wer’s gar zu warm möcht’ haben,

Der brennt sich auch zumeist!«

»KENNT IHR die Geschichte vom Hänschen?«

Fragte aus der Pfanne das Gänschen.

»Im Garten promenierte Hänschen,

Um einen Blumenstrauß zu pflücken;

Er traf ein rundes fettes Gänschen

Und kletterte auf seinen Rücken.

›Ha!‹, rief der Hans, ›jetzt kann ich reiten.

Ich reite nach Amerika

Dort gibt es keine Schularbeiten,

In vierzehn Tagen sind wir da!‹

Ein Taschentuch nahm er als Zügel,

Der Sattel war bequem und weich,

Da plötzlich hob die Gans die Flügel

Und flog auf einen großen Teich.

Das Gänschen schwamm durchs Wasser

Hans strampelte und schrie zuletzt;

Das Gänschen tauchte dreimal unter

Und hat ihn dann ans Land gesetzt.

Hans kam nach Hause ohne Zügel

Und war vor Angst und Schrecken blass.

Denn erstens kriegt’ er arge Prügel,

und zweitens war er klitschenass.«

DIE SUPPE sprach mit leisem Mund:

»Die Kinder mach’ ich stark – gesund!

Wenn ihr’s nicht glaubt, so seid jetzt still

Und horcht, was ich erzählen will.

Im Wald, wo Wind und Wetter braust,

Hat eine Hexe einst gehaust,

Die hatte viele Kinderlein,

Die sperrte in den Wald sie ein,

Gab ihnen nichts zu essen mehr;

Die Kinder plagt’ der Hunger sehr.

Doch eine Fee, die wusste dies;

Darum sie Suppe regnen ließ.

Da kamen schnell die Kinderlein

Und fingen sie in Töpfchen ein,

Und wurden groß und kräftig sehr,

Die Hex’ konnt’ sie nicht halten mehr,

Und kamen glücklich in die Stadt –

Die Suppe sie gerettet hat!«

»DAS KOMMT von solcher Prahlerei!«

So schimpfte zornig ein Spiegelei

Und zischte über dem Feuer und wallte

Und brodelte, prustete, spritzte und knallte.

Man fragte es, warum es so zornig sei –

Und da erzählte das Spiegelei:

»Es war zum fröhlichen Osterfest;

Vier Eier lagen in einem Nest,

Das eine aus Schokoladeguss

War braun, als wie eine Haselnuss.

Die andern weißen riefen: ›Wie schade!

Ach, wären wir auch aus Schokolade!‹

›Ja‹, prahlte das braune, ›ihr armen Schlucker,

Ihr seid ja noch nicht einmal aus Zucker!‹

Da riefen die andern Eier: ›Juchhei!‹

Und schlugen einander die Köpfe entzwei.

Nun kroch aus jedem der Eier ein Küken,

Nur aus den haselnussbraunen Stücken

Kam nichts. Die waren ganz hohl und leer;

Da weinten sie nun und schämten sich sehr!«

»ACH, WAS sind die Menschen schlecht!«

jammerte im Topf der Hecht.

»Als ich noch im Fluss geschwommen,

Ist einmal ein schöner junger

Weißfisch mir entgegengekommen,

Da bekam ich großen Hunger.

Und aus Liebe und Behagen

Hab’ ich gleich ihn aufgefressen.

Aber ach! – in seinem Magen

Hat ein Häkchen festgesessen.

An dem Häkchen hing die Angel,

Und die Angel hielt der Bauer,

Und der Bauer lag schon lange

Hinterm Schilfe auf der Lauer.

Bauer packte mich am Kopfe –

Ach! da half kein Zappeln, Beißen,

Und nun koch’ ich in dem Topfe,

Und man wird mich wohl verspeisen.«

Eine Zwiebel sprach zum Hecht:

»Siehst du, das geschieht dir recht!«

»HÖRT!«, RIEF die Kartoffel, »ich weiß eine tolle

Geschichte von einer Zauberknolle,

Die einen Regenwurm in ein Blatt

Und dann in ein Heupferd verwandelt hat!«

Und die Kartoffel wollte beginnen – –

Da war kein Wasser im Topf mehr drinnen.

So platzte ihr schönes Kartoffelkleid.

»Ach!«, jammerte sie, »es tut mir so leid,

Ich würde euch gern die Geschichte erzählen,

Doch ist es zu spät – ich muss mich jetzt schälen.«

So sprach die Kartoffel und drehte sich um

Und blieb von dieser Minute an stumm!

»VERZEIHEN SIE, wenn ich störe!«

Rief ein Apfel aus der Röhre;

»Was ich erlebt, das glaubt man kaum,

Ich hing an einem Apfelbaum;

Der Baum stand dicht vor einem Haus,

Dort wohnt der Bauer Nikolaus.

Da sah ich nachts – beim Mondenschein,

Es stieg ein Dieb zum Fenster ein.

Ich aber, um ihn zu vertreiben,

Fiel ab – und pochte an die Scheiben.

Der Dieb, der dachte sich: ›Oho!‹

Er ließ das Geld im Stich und floh!

So hab’ ich Nikolaus beschützt,

Es hat mir aber nichts genützt.

Mit grober Hand griff mich der Bauer,

Besah mich lang und sagte: ›Sauer!‹ –

Nun muss ich hier im Topfe kochen,

Mir ist das Herz schon fast gebrochen.

Das eine aber ist mir klar:

Die Menschen sind oft undankbar!«

DIE GELBEN Rüben waren gar,

Darunter auch ein Zwillingspaar,

Und dieses Wurzelzwillingspärchen

Erzählte ein famoses Märchen:

»Es war einmal ein gelbes Rübchen,

Das hatte viele tiefe Grübchen

Und nicht ein einzig grünes Blättchen;

Da ging es ganz betrübt ins Bettchen.

Daneben stand ein Schwammerling,

Das war ein allerliebstes Ding;

Ein Hütchen trug der kleine Pilz

Aus feinstem dunkelbraunem Filz,

Und auch ein Röckchen weiß und nett.

Das Rübchen aber lag im Bett

Und jammerte und weinte sehr:

›Ach, wenn ich so ein Pilz doch wär’!‹

Einst kam vom Berg herab ins Tal

Der gute Erdgeist Rübezahl.

Der sah das arme gelbe Rübchen

Und fragte: ›Ei, wie geht’s, mein Liebchen?‹

Das Rübchen sagte, wie’s ihm ging,

Es sei ein gar so hässlich Ding

Und wäre gern ein Schwammerling.

Herr Rübezahl rief: ›Gut – es sei!‹

Und zählte: Eins und zwei und drei!

Da war das gelbe Rübchen fort,

Ein neuer Schwammerling stand dort!

Der Erdgeist Rübezahl verschwand.

Wohin ist leider unbekannt.

Die Schwammerlinge lachten hell

Und küssten sich und wuchsen schnell.

Da ist ein kleines Mädchen kommen,

Das hat die beiden mitgenommen.

Das kleine Mädchen, das hieß Ilse

Und aß besonders gerne Pilze!«

IN EINEM blauen Blechtopf fing

Das Wasser an zu brummen:

»Das böse Feuer macht mich heiß

Und lässt mich ganz verdummen!

Vom Berg, wo tausend Blumen blüh’n

Im lieben Sonnenscheine,

Da sprang ich einst voll Übermut

Ins Tal von Stein zu Steine.

Ich lief gar froh durch Feld und Au

Und trieb manch Mühlenrädchen;

Nach meinen Fischlein angelt’ oft

Ein Bübchen oder Mädchen.

So kam ich einst auch in die Stadt,

Da sah ich schon von ferne

Ein großes, rundes, schwarzes Loch;

Was drin ist, wüsst’ ich gerne.

Ich lief hinein – o weh, o weh!

Drin lacht kein Sonnenschimmer,

Ich war in einem dunkeln Rohr.

Zurück – das konnt’ ich nimmer!

So lief ich denn geradeaus

Und kam in viele Röhren,

Da schaut’ ich keine Kinder mehr,

Konnt’ keine Vöglein hören.

Doch plötzlich sah ich Licht – und lief

Nach vorne unverdrossen

Und bin aus meinem Brunnenrohr

In diesen Topf geflossen.

So kam ich in der Küche an

Und war schon ganz zufrieden –«

– – – – – – – – – – – – – – – –

Da ging dem Wasser der Atem aus,

Denn es begann zu sieden! –

DORT IM heißen Bad ein Hummer

Brummt erzürnt: »Schockschwerenot!

Diese Hitze färbt mein schönes

Grünes Kleid ganz purpurrot.

Ei, war das ein fröhlich Leben,

Als ich noch im tiefen Schlamm

Mit Frau Kröte, meiner Base,

Friedlich einst im Teiche schwamm.

›Vetter Hummer!‹, rief Frau Base

Da auf einmal mit Gekreisch,

›Schaut, dort unterm Weidenstamme

Schwimmt ein Happen gutes Fleisch!‹

Kaum hört das die Frau Forelle,

Schießt sie zu auf jenes Stück;

Aber ich war grad so schnelle,

Hielt sie fest am Schwanz zurück!

Schwamm dann selber rasch hinüber,

Voller Hunger, voller Gier –

Schwapp! – da lag ich schon im Grase,

Und das Fleisch lag neben mir.

Also hat man mich gefangen,

Niemand hilft mir in der Not.

Schuld an allem ist die Kröte …«

Uff! – da war der Hummer tot!

EIN PUDDING, der hat sich gebrüstet:

»Ich bin doch am besten gerüstet!

Mich schmücken Rosine und Mandel,

Ich habe Schokolade und Kandel.

Mich lieben die Großen und Kinder,

Die Alten – die Jungen nicht minder.

Und Ritter und Nixen und Drachen

Und Fürsten und Könige lachen

Und freuen sich, wenn ich geraten

Und wenn sie zum Essen geladen.

Mich isst man mit höchstem Genusse –

Und darum – drum komm’ ich zum Schlusse,

Denn wär’ ich schon vorher gekommen,

Hätt’ niemand von euch was genommen.«

Kaum hört ihn die Köchin so reden,

Da ist an den Herd sie getreten

Und schüttet die Himbeersauce

Ihm über die Zunge, die lose.

So endet’ des Puddings Geschichte;

Das freute die andern Gerichte!

SO ZISCHT es und brummt es noch allerorten,

Doch plötzlich ist es ganz still geworden,

Denn in der Küche – mit frohen Mienen –

Waren viel’ niedliche Mädchen erschienen

Mit weißen Häubchen auf blonden Zöpfchen,

Die gingen zum Herd und packten die Töpfchen,

Und was die so treulich behütet hatten,

Das legten die Mädchen auf goldene Platten,

Die Gans, den Hummer, den Pudding, den Hecht,

Den Braten, die Eier, die Äpfel erst recht –

Begannen dann eine nach der andern

Mit ihrer Platte ins Zimmer zu wandern.

Dort haben die Mädchen die Speisen serviert;

Der Tisch war mit Blättern und Blüten verziert,

Mit Essgeräten gar freundlich gedeckt,

Und alles hat ganz vorzüglich geschmeckt.

– Drum, wer damals mitgegessen hat,

Der war gewiss noch lange satt!

Gedichte

1910

ICH WERDE nicht enden zu sagen:

Meine Gedichte sind schlecht.

Ich werde Gedanken tragen

Als Knecht.

Ich werde sie niemals meistern

Und doch nicht ruhn.

Soll mich der Wunsch begeistern:

Es besser zu tun.

DER LEIERMANN

Warum sie sich wohl ans Fenster stellen,

Wenn unten der Alte die Leier dreht?

Warum sie Verstummen und mancher ergriffen

Mit glänzenden Augen vorübergeht?

Sie wissen es selbst nicht, warum sie lauschen.

Die Brust wird ihnen plötzlich so weit.

Sie lassen sich durch die Seele rauschen

Das alte Lied ihrer Jugendzeit.

SCHÖNE MUSIK

Über die Saiten gleitet der Fidelbogen,

Weckt die trüben Gedanken aus gütigem Schlummer.

Rauschende Feste sind mir vorübergezogen,

Und aus rauschenden Festen wuchs mir der Kummer.

Sing nur dein klagendes Lied, du Fidelbogen,

Sing und erzähle mir wieder die alte Geschichte,

Brauset ihr Töne in wilden, grausigen Wogen. –

Trunkene Falter schwärmen am sengenden Lichte.

WENN DIR Melodien

Liebe Stunden wiederbringen,

Lass mit freien Schwingen

Deine Sehnsucht ziehn.

Nimm das Glück wie einst,

Das dir Träume gütig spinnen,

Lass die Tränen rinnen,

Wenn du weinst.

Birg nicht Lust noch Gram.

Nur der Reine fühlt aufs Neue.

Steht doch Herzenstreue

Über aller Scham.

DORTHIN GEH, wo die andern nicht sind,

Weit hinaus in die freie Einsamkeit,

Wo dir Wolken, Berge, Bäume und Wind

Großes reden von Später und Ewigkeit.

Und dort schöpfe, fasse und füll dir die Brust,

Dass – kommt einst die Stille zu dir als Braut –

Dass du die Hand ihr gibst in tiefster Lust,

Weil du schon lange mit ihr vertraut.

STIMMUNGEN

Machtlos, ein Grashalm, blick ich manchmal gen oben

Zu den Höhen der Menschheit und suche vergebens

Klarheit in dem ewigen Brausen und Toben

Und den unbegreiflichen Kämpfen des Lebens.

Neben mir raschelt der Tod, der lauernd und kalt

Unter vermoderten Blättern grinst. – –

Meiner Wünsche flehendes Lied verhallt

Im Nebelgespinst.

Manchmal steh ich, ein Eichbaum, über der Erden,

Blicke hinab auf die tausenden Ärmlichkeiten,

Folge lächelnd dem endlosen Schwinden und Werden

Und der winzigen Menschheit kleinlichem Streiten.

Und dann ist mir, als ob ein kraftvoller Tau

Morgenkühl meine Adern durchdringt. – –

Meine Hoffnung steigt froh ins Wolkenblau,

Wo die Lerche singt.

CHTE, IN DENEN WIR VIEL VERLOREN

Nächte gab es, die höhnend entwichen,

Die wir im trunkenen Taumel verkannt,

Die wir mit hohlen Namen benannt,

Nächte, die schweren Träumen glichen.

Da wir an sprühenden Feuern gefroren,

Da wir mit ernstem Herzen gelacht,

Haben Tränen für uns gewacht, – – –

Nächte, in denen wir viel verloren.

MANDOLINENKLÄNGE

Hör ich der Mandoline Klänge

Ist mir’s, als sähe ich eine der süßen,

Netten Grisetten

Freundlich mich grüßen.

Kirschen trägt sie als Ohrgehänge.

Barfuß kommt sie und lacht und lacht,

Schüttelt kindisch die blonde Mähne

Und zeigt dabei ihrer Zähne

Zartschneeige Pracht.

Und dann

Dreht sie sich um und läuft, was sie kann,

Den wirren, langen,

Steinigen Zickzackweg zurück,

Den mein Leben gegangen,

Sammelt dabei die paar verstreuten

Freundlichen Blumen, die mich erfreuten,

Bis sie ein buntes Dutzend gefunden.

Die bringt sie mir zierlich gebunden.

Ich aber küsse die Kleine,

Küsse die Blumen und lache und weine,

Bis alles verschwunden

Und die Mandoline schweigt.

BIST DU nie durch verschneite Nächte gegangen,

Durch Wald, über Land,

Allein mit dem Stock in deiner Hand?

Du bist es und bist es mit heiligem Bangen.

Wo zitternde Äste, eisig behangen,

Dir eine Kirchenstunde gaben,

Ist dein Lachen gestorben.

Da hast du dein Bestes, unverdorben,

Aus deinen tiefsten Tiefen gegraben. – – –

Auf den weiten Feldern lag schwerer Schnee.

Du schienst dir, verschollen auf hoher See,

Den menschlichen Küsten fern zu sein.

Stille lag über dem Schnee. – – –

Du warst allein, allein – ganz allein.

Flimmernde Flämmchen sahst du fliegen.

Hast du nicht viel gedacht?

Ist nicht dein Blick emporgestiegen

In die wunderdurchfunkelte Nacht,

Bis ihn unendliche Weite verwirrt?

Und ein Schatten lief still mit dir um die Wette.

Und der Schatten hat mit der endlosen Kette

Ewiger Fragen geklirrt.

Du hast dich bezwungen.

Du hast vielleicht deinen Stock geschwungen,

Du hast vielleicht ein Liedchen gesungen,

Aber das Liedchen klang nicht wie Hohn,

Und du darfst es bekennen:

Du bist voll Angst vor dem grausen Scharten geflohn,

Den wir Wahnsinn nennen.

WANDLE TRÄUMEND JEDER FÜR SICH

Meisters Violinenklänge

Führten mich aus der stieren Menge

Hoch in himmlische Fernen empor.

Wo sich im rosigen Wolkengehänge

Jeder menschliche Odem verlor,

Grüßten mich Engel im lachenden Chor.

Und auf weißem Schwanengefieder,

Weich gebettet, fand ich mich wieder,

Dort, wo die Träumenden glücklich sind.

Köstlichen Weihrauch, Lorbeer und Flieder,

Labend, lobend, liebend und lind,

Brachte in duftigen Wogen der Wind.

Und mein Mädchen, als ich erwachte,

Frug mich verwundert, woran ich dachte,

Dass mir so ganz ihre Nähe entwich.

Doch ich küsste ihr Mündchen und lachte,

Und ich log: »Ich dachte an Dich.«

Wandle träumend jeder für sich.

TODGEWEIHT

»Lache!«, ruft sie, »Unser ist das Leben!«

Und mir ist, als ob mein Blut erstarrt.

Durch den Sonnenschein der Gegenwart

Hör ich dumpfe Totenglocken beben.

Wenn sie nächtlich unterm Kranz der Sterne

Unbelauscht in ihrem Ernst sich glaubt,

Folg ich ihrem Blick, der, weltenferne,

Ihr den Frieden weist und mir ihn raubt.

Dieser seltsam tiefe Glanz im Grunde

Kündet es: Sie darf nicht lang verweilen.

Zitternd seh ich Stund um Stunde

Grauenvoll vorübereilen.

TROST

Mir wuchs aus Sorgen und Schmerzen

In Kummers Nacht

Ein Reis. Das hat meinem Herzen

Die Ruhe wiedergebracht.

Der Kummer wird wie ein Feuer

Allmählich verglühn –

Kommt dann vielleicht ein neuer –

Aber das Reis wird nimmer verblühn.

KOMMT KEINER herbei?

Soll ich mich einsam verquälen?

In verödeten Sälen

Irrt mein Schrei.

Riegel umspannen mich kalt.

Spinnweb grübelt an Gittern.

Tod und Hunger wittern

Aus jedem Spalt.

Als ich zum Fenster hetzte,

Sah ich: Ritt einer von dannen,

Einer von meinen Mannen,

Der letzte!!

DA WIR beisammen recht lustig gewesen,

War es mir oft, als wär ich allein.

Haben nur wenige meine Pein

Aus den lachenden Augen gelesen.

Hab wie ein Fremder bei Freunden gesessen. –

Ach, sie können nicht glücklich sein,

Die in der Freunde jubelnden Reih’n

Nimmer das Einst und das Später vergessen.

MIR IST, als bräch aus meinem Herz

Ein Strom durchglühter Lavafluten.

Ach wüsstest du, wie hinter Scherz

So oft die tiefsten Wunden bluten.

Wenn ich mit Lachen von dir schied,

Wie Blütengelb war das zerstäubt,

Und wilder klang das wilde Lied,

Das deine Heiterkeit betäubt.

Das wilde Lied klang fort und fort,

Und nichts von jenem Lachen blieb,

Bis ich es fand das milde Wort.

Du sagtest einst: »Ich hab dich lieb!«

DIE FREUNDE winken und lassen mich leben.

Ich will mich glücklich zum Danke erheben.

Da würgt mich ein Taumel und raubt mir die Luft.

Ich spüre verwelkter Kränze Duft.

Ein rasches Gleiten – – ein stumpfes Scharren – –

Der dumpfe Fall von erdenen Schollen.

Und stiller wird es. – – Nur fern ein Tollen,

Ein Lachen. – – – Freunde sind es und Narren.

HINAUS an den Strand will ich gehen,

Wenn keiner wacht,

Das wilde Meer zu sehen

Und die heilige Nacht.

Und wieder fasst mich das alte Weh –

Am Strand tanzt ein Boot.

Das lockt mich hinaus in die tosende See,

Fort, fort für immer von Hass und Not,

In die See, in die Nacht, in das Glück, in den Tod.

Ich löse das Tau,

Und die Freiheit lacht

Hinter Nebel und Grau.

Und ich fahre jubelnd hinaus in die Nacht,

Das Elend fliehend zu Tod und Glück.

Einmal nur blick ich zurück.

Da winkt am Land

Eine Freundeshand –

Und wie ich das seh,

Da hab ich vergessen all Hass und Not.

Es fasst mich wieder das alte Weh.

Ich wende das Boot

Zurück zum Land

Und küsse die treue Freundeshand.

DAS DUNKLE BILD

Ein Bild geschwärzt durch Rauch und Zeit.

Die meisten wohl verstanden es nicht:

Ein Tannenwald vereist und verschneit.

Aus fernem Dunkel schimmert ein Licht.

Mir kommt ein heiß Verlangen,

Dem Lichtschein nachzugehen,

Um dann mit erglühenden Wangen

Still durchs Fenster zu sehen.

Ein Freundeskreis zu später Stund,

Umglüht von dämmerndem Ampelschein,

Und blonde Frauen in diesem Bund.

Lachende Jugend bei goldenem Wein.

Und bärtige Männer geigen

Lieder aus fremden Ländern.

Süß lockt aus buntem Reigen

Das Rauschen von Gewändern.

Taufrische Blüten duften mild

Und sprühen in Farben wie Geschmeid,

Und Augen erzählen trunken wild

Von Liebe, Treue und tiefem Leid.

In Farb und Klang verweben

Sich Bilder, zerfließen, zerschäumen,

Bilder aus meinem Leben,

Bilder aus meinen Träumen.

WESTINDISCHE NÄCHTE

Füll mir den Becher mit jenem purpurnen Weine.

Aus der Erinnerung tiefgegrabenen Schächten

Fördert er köstliches Gold und Edelsteine

Und erzählt von schönen, westindischen Nächten.

Schauernd mit herzergreifendem Grausen

Hör ich das Meer, den Sturm und des Urwalds Brausen, –

Niebeschriebene Töne, Bilder, Gefühle.

Heimlicher Liebe paradiesische Schwüle,

Schweigendes Dunkel, trauliche Lagerfeuer,

Sternengefunkel, trunkene Abenteuer,

Sorgloses Lachen, lustige Banjoklänge,

Unvergessliche, seltsame, ernste Gesänge,

Wallender Dunkelhaare bläuliches Schimmern,

Fremder Stimmen fernes Schreien und Wimmern,

Scheidender Schiffe heimwehweckende Grüße,

Duftender Blüten heiße berauschende Süße,

Krachende Zweige, Mondschein, fliehendes Wild – –

Und dazwischen sei ich ein schmerzliches Bild.

Muss ich der schönsten aller Kreolenfrauen

Einmal noch in die brechenden Augen schauen.

Sehe sie wortlos in meinen Armen sterben. –

Oh wie grausam seid ihr himmlischen Mächte! – –

Freund verzeih, ich warf wohl den Becher zu Scherben.

Ach ich dachte wilder, westindischer Nächte.

DIE FRAU MIT DER REIHERFEDER

Ich weiß nicht genau,

Warum ich so oft an die bleiche Frau

Mit der weißen Reiherfeder denke,

Mich immer in den Gedanken versenke:

Wie könnte es werden, wie würde es sein,

Wäre sie dein. – –

Ich weiß es nicht und frage vergebens.

Sie ist auf dem bunten Wege des Lebens

Irgendwo still mir vorübergegangen,

Die schöne Frau mit den bleichen Wangen.

Sie hat mich mit kalten Blicken gemessen;

Wir haben kein einziges Wort getauscht,

Doch sie hat mich mit fremdem Zauber berauscht,

Dass ich sie nimmer werde vergessen.

Etwas wie sehnende, nagende Glut

Will mir das pochende Herz zerreißen,

Denk ich der bleichen Frau mit der weißen,

Wehenden Reiherfeder am Hut.

FRESIA

Fresia heißt eine blasse Blüte

Vornehmer, feiner Art.

Ihre Linien sind weich und zart.

Auf dem Seidengelb prangen erglühte

Rosige Schatten.

Fresia füllt mit liebesmatten,

Schweren, süßen Wolken die Luft,

Haucht einen heißen, sündigen Duft,

Der dir indische Märchen erzählt,

Der, vom Winde zerstäubt,

Dich lange noch quält,

Der dich belügt und dich schmeichelnd betäubt.

Ihre Schönheit birgt kein Gemüt.

Du lernst sie hassen.

Fresia musst du rau befassen.

Musst sie töten, eh sie verblüht.

Ihre Schwäche und Güte

Werden von vielen verkannt. - –

Fresia heißt die Blüte. – – –

Fresia ist auch ein Mädchen,

Das ich nach dieser Blüte benannt.

EIN TRAUM

Es war nur ein Traum, doch es war eine Pracht!

Ich glaubte in mondscheinsilberner Nacht

Auf schwellendem Rasen zu liegen.

Ein glänzendes Schloss erhob sich kühn,

Und ich sah aus dem Fenster epheugrün

Ein Märchenkind lauschend sich biegen.

Ein Mädchengesicht, so lieb, so traut,

Wie ich es nimmer zuvor geschaut.

Gleich flüssigem Golde erglänzte ihr Haar,

Und ich las in dem dunklen Augenpaar

Ein wehmütig banges Erwarten.

Ein leiser Wind erquickte die Luft

Und trug einen süßen, berauschenden Duft

Vom Holunderbusch durch den Garten.

Dort saß an des Springbrunns Sprudelquell

Geigend ein müder Wandergesell.

Und als dann – und das war so schön in dem Traum –

Eine Nachtigall hoch im Lindenbaum

Mit einstimmte in seine Lieder

Und schluchzend sang, wie von Schmerz und Lust,

Da war es, als fiele auf meine Brust

Das Glück wie ein Morgentau nieder. – –

Die alten Linden seufzten im Wind.

Im Schlosse weinte das Märchenkind.

Da flog aus dem Schatten gespenstig vom Dach

Eine Fledermaus auf. Da wurde ich wach,

Und alles war plötzlich verschwunden.

Ödes Erwachen. Wie leerer Schaum

Zerronnen war alles, was ich im Traum

So selig geschaut und empfunden. – –

Doch wie ein Trost kam’s über mich dann:

O glücklich, wer noch so träumen kann!

BIN WIE ein Dieb durchs Fenster gestiegen.

Sah das Mädchen in seiner Jugendpracht

Nackt auf dem seidenen Bettchen liegen,

Wie ein Wunder aus einer Zaubernacht.

Und sie schlief von kindlichen Träumen belogen,

Die ein Lächeln auf ihre Lippen hauchten,

Während die Sonnenstrahlen in flimmernden Wogen

Spielend ihr Kraushaar in goldene Lava tauchten.

Mir aber pochte das Herz, und als ich verwegen

Über die schneeigen Glieder mich leise gebückt,

Hat eine Rose verwelkt am Boden gelegen,

Eine Knospe, die sie im Garten gepflückt.

Sah die welke Knospe am Boden liegen,

Sah im Bettchen das süße, schlummernde Wesen. –

Leise bin ich durchs Fenster zurückgestiegen.

Und mir war, als hätt ich ein Märchen gelesen.

KLÄNGE AUS ZWEI WELTEN

Weiche Finger auf den Tasten

Spielten traumverloren.

Brausend wogten aus dem Kasten

Walzerstimmen, lustgeboren.

Und am Straßeneck, wo leise

Wort und Ton im Wind verklingt,

Sang ein Gassenbub die Weise,

Wie das Volk sie singt.

Abseits hielt ich still und lauschte

Beiden Melodien,

Dass mir’s, als das Spiel verrauschte,

Wie ein Traum erschien.

Und sie haben nichts gespürt

Von dem fremden Wandersmann,

Dem ihr Lied das Herz gerührt,

Bis ihm Trän um Träne rann.

DRAUSSEN UND DRINNEN

In der Villa am Berg, die ob ihrer Pracht

Im Dorf als »das reiche Schloss« bekannt,

Da hat man die Nacht durchjubelt, durchlacht

Und an geistreichen Reden, an Speise und Trank

Das kostbarste, edelste dargebracht;

Da haben hundert Kerzen gebrannt;

Da haben die Gläser geklungen;

Da hat am Flügel ein blondes Kind

Ein tiefergreifendes Lied gesungen. – –

Und während denen, die dort vereint,

Die Stunden traumhaft verronnen sind,

Hat – draußen am schneeverwehten Tor –

Ein armer Wanderbursch gelauscht

Und – – bitter geweint.

DER VERSCHMÄHTE

Hell strahlen die festlichen Wände,

Fanfaren schmettern laut.

Es reichen sich selig die Hände

Bräutigam und Braut.

Es schwelgen im rauschenden Glanze

Frohe Damen und Herrn

Und wiegen sich lachend im Tanze. – –

Nur einer steht fern.

Der schluchzt an der Tür wie ein Knabe.

Hochzeit feiern sie laut,

Ihm tragen sie heute zu Grabe

Des anderen Braut.

TIEFE STUNDEN verrannen.

Wir rührten uns nicht.

In den alten Tannen

Schlief ein Gedicht.

Stieg ein Duft aus dem Heu,

Wie ihn die Heimat nur haucht. – –

Sahst du das Reh, das scheu

Dort aus dem Duster getaucht?

Wie es erst fremd und bang

Sich die Stille beschaute,

Leise sich näher getraute

Und jäh entsprang – –!

Weißt du, wir schwiegen und sannen:

Kommt es wohl wieder?

Und wir senkten die Lider.

Tiefe Stunden verrannen.

NACHTWANDERUNG

Ich geh durch das schlafende Dorf bei Nacht.

Trüb flackert die alte Laterne.

Ein Fenster nur hell, wo die Liebe noch wacht,

Und über mir blinzeln die Sterne.

Noch stehen die Nelken im Blumentopf

Mit rosa Manschetten umwunden.

Ich glaube, ein schwarzbrauner, lachender Kopf

Ist eben dahinter verschwunden.

Ach nein, das Fenster ist dunkel und leer,

Wo ich so oftmals gesessen.

Das schwarzbraune Mädchen wohnt dort nicht mehr

Und hat mich wohl lang schon vergessen.

Mein Schatten ruft höhnisch: Bist alt! Bist alt!

Die Liebe gehört nur den Jungen. – – –

Ich wandere weiter. Mein Liedchen verhallt,

Wie meine Jugend verklungen.

NACHTSCHWÄRMEN

Die alte Pappel schauert sich neigend,

Als habe das Leben sie müde gemacht.

Ich und mein Lieb – hier ruhen wir schweigend –

Und vor uns wallt die drückende Nacht.

Bis sich zwei schöne Gedanken begegnen, –

Dann löst sich der bleierne Wolkenhang.

Goldene, sprühende Funken regnen

Und füllen die Welt mit lustigem Klang.

Ein trüber Nebel ist uns zerronnen.

Ich lege meine in deine Hand.

Mir ist, als hätt ich dich neu gewonnen. – –

Und vor uns schimmert ein goldenes Land.

DER GELIEBTEN

Such nicht der Sorge mattes Grau.

Ist nicht die Jugend ein funkelnder Tau?

Gleichen nicht schöne Gedanken

Roten Rosen an wilden Ranken?

Ist nicht die Hoffnung bunt und reich,

Weiten, blumigen Wiesen gleich?

Wir flechten uns Lauben aus Ranken und Rosen

Auf taufrischen Wiesen zum Küssen, zum Kosen.

Dort wollen wir wandeln, wir ganz allein.

Dort wollen wir König und Königin sein.

MELANCHOLIE

Von weit her Hundebellen

Klingt durch die nächtliche Ruh.

Es spülen die schwarzen Wellen

Mein Boot dem Ufer zu.

Die blauen Berge der Ferne

Winken am Himmelssaum.

Auf in den Lichtbann der Sterne

Trägt mich ein Traum.

Stumm ziehen wilde Schwäne

Über das Wasser hin.

Mir kommt eine müde Träne.

Ich weiß nicht, warum ich so bin.

AUF DEM KIRCHHOF

Dort ruhen sie unter den bunten Hügeln.

Unsere Augen sehen sie nimmer erwachen.

Auf der Mauer hockt mit gebrochenen Flügeln

Das Lachen.

Fern in den Wolken verhallt die Klage.

Bittere Tränen trocknet der Wind,

Und aus Kränzen stiehlt sich die zitternde Frage:

Wohin sie gegangen sind.

DER SÄNGERIN

Ich werde die Stunde nie vergessen,

Die wie ein Sternfall meiner Nacht erschien.

Ein lauschender Toter, hab ich vor dir gesessen

Um deiner Lieder schwelgende Melodien.

Sie haben bunte Kränze mir gewunden,

Wie ich sie flocht in frohen Kindertagen

Und wie ich sie nach still verhärmten Stunden

Zum Grabeshügel meiner Braut getragen.

Ich danke dir. Dein Lied wird weiterschwingen,

Wird mich durch fremde Wunderländer führen

Und meiner Seele reinste Saiten rühren.

Und seine Klänge werden nie verklingen.

FREUDE

Freude soll nimmer schweigen.

Freude soll offen sich zeigen.

Freude soll lachen, glänzen und singen.

Freude soll danken ein Leben lang.

Freude soll dir die Seele durchschauern.

Freude soll weiterschwingen.

Freude soll dauern

Ein Leben lang.

DIE SONNIGE KINDERSTRASSE

Meine frühe Kindheit hat

Auf sonniger Straße getollt;

Hat nur ein Steinchen, ein Blatt

Zum Glücklichsein gewollt.

Jahre verschwelgten. Ich suche matt

Jene sonnige Straße heut,

Wieder zu lernen, wie man am Blatt,

Wie man am Steinchen sich freut.

WEIHNACHTEN

Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,

Mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit,

Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle

Schöne Blumen der Vergangenheit.

Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,

Und das alte Lied von Gott und Christ

Bebt durch Seelen und verkündet leise,

Dass die kleinste Welt die größte ist.

AM STERBEBETTE

Bang zittert in ihren Zügen

Ein letztes Lied, das ernst verklingt.

Ihr Auge dankt lächelnd den Lügen,

Die meine Ohnmacht ihr tröstend bringt.

Ich sehe die Hütte wanken

Und wollte, dass alles vorüber sei. – –

Große, tiefe Gedanken

Wallen an meiner Seele vorbei.

DAS ANDENKEN

Es hängt an meiner Zimmerwand

Ein welker Strauß an verblasstem Band.

Den Strauß hat deine liebe Hand

Dereinst, als ich im Garten schlief,

Für mich gepflückt.

Das Band

Schlang sich um einen Abschiedsbrief,

Der mir dein Herz so weit entrückt. – –

Und wie ich lang hinüberseh,

Fasst mich ein seltsam Glück und Weh.

Es hängt an meiner Zimmerwand

Ein Strauß, frischblühend und ohne Band.

HERZENSTREUE

»Und seid ihr glücklich?« – hab ich dann gefragt. –

Mir ist das leise Zittern nicht entgangen.

Und lachend, wie das »Ja«, das du gesagt,

Ist eine Stunde uns vorübergangen.

Doch was mich glühend dir zu Füßen trieb,

Vor deinem Lachen starb es hin in Reue,

Nur eine grenzenlose Achtung blieb

Vor solcher tränenschönen Herzenstreue.

SIEH, ICH war so oft allein,

Und ich lernte gleich den Zweigen,

Gleich dem Stein,

Träume wachen, Worte schweigen.

Denke, dass ich Dichter bin.

Eure Sonne ist nicht meine.

Nimm als Freund mich hin,

Wenn ich dir auch fremd erscheine.

Lass mich lauschen aus der Ferne,

Wenn ihr tanzend schwebt,

Dass auch ich das Schwere lerne:

Wie man narrenglücklich lebt.

ABEND AM STRAND

Abendglühgold zittert auf träumender See.

Eine Möwe zieht ihre einsamen Kreise.

Auf dem Wasser treibend, ein Boot. Und leise, leise

Bringt mir der Wind eine müde Weise. – –

Närrisches Herz, was stimmt dich so weh?

ES IST BESSER SO

Es ist besser so.

Reich mir die Hand. Wir wollen froh

Und lachend voneinandergehn.

Wir würden uns vielleicht nach Jahren

Nicht mehr so gut wie heut verstehn.

So lass uns bis auf Wiedersehn

Ein reines, treues Bild bewahren.

Du wirst in meiner Seele lesen,

Wie mich ergreift dies harte Wort.

Doch unsre Freundschaft dauert fort.

Und ist kein leerer Traum gewesen,

Aus dem wir einst getäuscht erwachen.

Nun weine nicht; wir wollen froh

Noch einmal miteinander lachen. – – –

Es ist besser so.

image

MEINE GEDANKEN trafen dich still allein

Spät in der Nacht in deinem Kämmerlein,

Sahen dich kindlich vor meinem Bildnis beten.

Meine Gedanken sind leise beiseite getreten,

Und sie sprachen voll Sehnsucht: Ach wenn sie doch wüsste,

Dass ich ihr Bild zur selben Stunde küsste.

LIEBESBRIEF

»Rösl, morgen Abend um zehne

Unter dem Standbild der Pallas Athene,

Wo wir uns doch so oft schon getroffen,

Beide die Brust voll Bangen und Hoffen,

Immer so froh. Sind gewandert nach irgendwo,

Sind gewandert durch Nacht und Tau

Bis in das schüttelnde Morgengrau. – –

Busseln und Lieben!! –

Weiß nicht, was wir getrieben,

Weiß nicht, wo all die Stunden geblieben.

Und dann immer das alte Lied:

Jeder wollte scheiden und keiner schied.

Und dann gingst du doch, –

Aber ich stand und lauschte noch,

Lauschte, bis ferne dein Schritt verhallt.

Rösl, ich mag dich so leiden!!

Gelt Rösl, wir beiden

Werden nimmer alt?«

GARTENBÄUME UND WEGBLUMEN

Quäle dich nicht, wer ich bin,

Denn du siehst mich nimmer wieder,

Frage nicht woher? Wohin?

Sing mir eines deiner Lieder.

Glaube, dass ich gerne bliebe,

Wie es stumm dein Auge spricht.

Nimm mein Gold für deine Liebe,

Nur von morgen sprich mir nicht.

Lass uns Wang an Wange glühen

Und dann auseinandergehn,

Bäume, die im Garten blühen,

Blumen, die am Wege stehn.

ICH HABE an deiner Brüste Altar

Die Nacht bei dir durchsonnen.

Ich träumte unendliche Wonnen

Im Zauberdufte aus deinem Haar.

Den Blütenstaub der Jugend am Leib,

Lagst du mit fiebernder Stirne

Als Fremde bei mir – – eine Dirne,

Und warst ein halberblühtes Weib.

Und Tränen sah ich, so heimatfremd,

So sündenschön verrinnen.

Sie netzten ein schneeiges Linnen.

Das glich einem Totenhemd.

VERLOCKUNG

Ich sitze fast einsam im warmen Raum.

Die graue Katze hat sich zu mir gesellt.

Irgend jemand – ich sah es kaum –

Hat mir den Wein auf den Tisch gestellt.

Ein schmeichelndes Fell streicht meine Hand,

Die so verwöhnt in diesem Haus.

Der Ampelschatten an der Wand

Streckt lange Spinnenbeine aus.

Aus trübem Glase blinzelt ein Licht.

Es tickt die Uhr, verträumt, verjährt,

Noch ist die schwüle Stunde nicht,

Da hier die Freude schäumt und gärt.

Im Nebenraum erwachen weiche Lieder.

Ich will von dieser Stimme heut nichts wissen,

Und doch – – – Ich denke an verbuhlte Kissen,

An weiße Spitzen, an ein schlankes Mieder.

Ich stehe, – gehe, – kämpfend, zweifelnd, – lauschend – – –

Vorbei! – – Und hinter mir rauscht die Portiere.

Mit einem Duft von indisch süßer Schwere

Küsst mich der Wollust holdes Gift berauschend.

DER LETZTE WEG

»Ich gehe ins Wasser«, sagte sie leis,

»Ade!

Du hast es gut mit mir gemeint.

So weiß ich einen, der um mich weint.

Hab Dank!«

Ich aber sah ihr tiefes Weh

Und küsste sie, die arm und krank,

Und sagte: »Geh!«

EINE VON DENEN

Du weißt, dass sie mit Fingern auf dich zeigen.

Du hörst sie flüstern: »Eine nur von denen

Und willst mir doch dein großes Leid verschweigen

Und dieses hoffnungsferne, wilde Sehnen.

Die bleichen Wangen werden dir Verräter,

Die hohlen Augen nennen dich verbittert:

Es ist das bange Grausen vor dem »Später«,

Das hinter jedem deiner Worte zittert.

Nimm hin dein Geld. Ich will, du sollst dich freuen,

Und will dir deine welken Rosen schenken.

Du wirst so manche Stunde noch bereuen

Und dieser einen einmal warm gedenken.

DAS LORELEY-LIED

Du hast so oft das deutsche Herz gerührt

Und aus des Tages arbeitstrockner Schwüle

Hinauf, ins grenzenlose, gnadenkühle,

Ins unbestimmte Wunderland geführt.

Komm oft zu mir, du schlichte Melodie,

Und gräm dich nicht, wo Dünkel dich verlacht.

Mir ist es stets, als ob die Poesie

Vor deinem Zauber neu im Volk erwacht.

ABNORME

Mitten im Strudel der andern

Bleiben sie still und bedacht.

Ihre Gedanken wandern

In hässliche, wilde, glühende Nacht.

Sie stehen vor eisernen Gittern

Um ein verbotenes Land.

Die kalten Stangen zittern

Unter ihrer bebenden Hand.

Sie schließen die Augen und meiden

Das Gitter, verkannt und verlacht,

Und träumen, indem sie leiden,

Von hässlicher, wilder, glühender Nacht.

EINER UNGLÜCKLICHEN

Ich kenne die harten Züge

Und den trocknen Durst am Mund,

Und wäre beides nur Lüge,

Gäb es dein Auge kund.

Ich horche an deinem Herzen,

Was zehrendes Fieber spricht,

Und lese in deinen Schmerzen

Das Wort: Ich darf ja nicht.

Ich kann dir die Ruhe nicht geben,

Doch hab ich dich lieb, mein Kind,

Wie alle, die so im Leben

Klagelos einsam sind.

AN B. F.

Du musst es doch verstanden haben,

Wie ich mich sehnte, dir ein Freund zu sein.

Doch du besannst dich deiner reichen Gaben

Und dachtest: Nein.

Du lässt mich’s ahnen ohne Blick und Geste

Und weißt es nicht, wie tief mich das geschmerzt.

Du hast das Edelste und Beste,

Hast eine Freundestreue dir verscherzt.

AM ALTEN PLATZ

Ihr seid es! Ich sehe euch wieder,

Ihr Tannen dunkelgrün,

Du alte Bank unterm Flieder.

Und aus des Brunnens Karfunkelsprühn

Klingen vergessene Lieder.

Wo einst wir süßes Gelüsten

Liebend und hoffend versäumt,

Wo wir uns tausendmal küssten,

Rauschen die Bäume, verhärmt und verträumt,

Als ob sie alles wüssten.

Ich höre die Vögel singen

Von einem toten Kind

Und silberne Glocken klingen.

Mir ist, als müsste der Blütenwind

Ein Lächeln von ihr mir bringen.

ZWEI FRAUEN

Es sitzen im schwülen Dämmerlicht

Zwei blühende Frauen

Und regen sich nicht.

Sie schauen sich an und schauen

Und schauen mit sengender Augenglut

In sengende, glühende Augen,

So tief, so wild, als gälte es Blut

Mit Blicken aus Blicken zu saugen.

Da ringt unter wogenden Brüsten

Ein irres, fremdes Gelüsten

Mit bangem, ruhlosen Leiden. – – – –

Ein schillerndes, schuppiges Schlangengetier

Kriecht aus dem Dunkel in hastiger Gier,

Schlingt seinen Leib um die beiden

Und dehnt sich schleimig, duckt sich und spuckt

Und bäumt sich lautlos und züngelt und zuckt.

Das ist die Schlange, vor der uns graut,

Wenn uns ihr bannendes Auge trifft.

Sie trägt ein langsam tötendes Gift,

Aus unergründlichen Rätseln gebraut.

DIE SCHIFFBRÜCHIGEN

»Peter, seht Ihr kein Licht?

Winkt uns kein Land?

Gebt Eure Hand.

Das Leben ist Dreck und Tand,

Und Gott verdamme mich diese Nacht!!

Hört Ihr, wie er lacht? – –

Seht – er verfolgt unser Boot,

Aber was ist daran gelegen.

Springen wir ihm entgegen –

Ich meine – dem Tod. – –«

»Steuermann, Ihr sprecht wie ein Kind.

Tut Eure Pflicht.

Wir fürchten uns nicht

Vor Wasser und Wind.

Gebt Eure Hand.

Wir suchen das Land,

Und zeigt es sich nicht

Und steuern wir ins Verderben – – –

Steuermann – – –

Nun dann – – – –«

»Schwatzt nicht vom Sterben –

Ich sehe ein Licht!!«

DIE LANGE NASE
(Eine Parabel)

Hans wird der Nasenkönig genannt,

Denn er hat eine lange Nase.

Sie rufen’s ihm nach auf der Straße.

Hans lässt sie rufen; er macht sich nichts draus,

Die Eltern und Bruder und Schwester zu Haus,

Sie lachen ja alle so oft ihn aus

Und spotten über die Nase.

Hans kommt in die Schule. Er hört, dass man lacht,

Dass man sich über ihn lustig macht,

Dass man vom Nashorn, vom Rüsseltier spricht

Und von der Gurke in seinem Gesicht. –

So folgt ihm der Ulk auf Schritt und Tritt,

Und Hans lacht mit.

Er wird ein Soldat. Er wird ein Mann,

Und überall trifft er den Spottvogel an.

Der pfeift und singt und lässt keine Ruh.

Hans lacht dazu.

Hans lacht dazu, wenn man witzelt und höhnt,

Er hat mit der Zeit sich daran wohl gewöhnt.

Hans freite des Nachbars Liesel so gern

Da drüben über der Straße.

Und er fragt ganz schüchtern mal bei ihr an,

Da sagt ihm die Liesel: Sie mag keinen Mann

Mit einer so langen Nase. – –

In der Nacht, im Garten vorm Rasenplatz,

Da küsst sich die Liesel mit ihrem Schatz.

Sie tanzen, sie springen, sie singen vereint,

Und drüben, über der Straße,

Im Stübchen, wo noch die Lampe scheint,

Sitzt Hans vorm Spiegel und weint und weint

Über die lange Nase.

DIE DÜNENWÄLDER BEI RIGA

Die Kiefernwälder meiner Heimat

Rauschen ein ernstes, ergreifendes Lied

Von Einsamkeit und Ewigkeit.

Dort habe ich oft meine kindlichen Sorgen

Still in das traumvolle Moos geweint.

Wenn die Sonne scheint, dann flammt und flutet

Über die Dünen das Abendrot,

So goldig, so brennend wie die Sehnsucht,

Die mich nach fernen Gestaden gelockt.

Dann ist es, als wären die Bäume

In leuchtendes Blut getaucht,

So rot, so glühend

Wie das Heimweh, das mich zurückruft,

Dem Liede zu lauschen

Von Einsamkeit und Ewigkeit.

DER WEIHNACHTSBAUM

Es ist eine Kälte, dass Gott erbarm!

Klagte die alte Linde,

Bog sich knarrend im Winde

Und klopfte leise mit knorrigem Arm

Im Flockentreiben

An die Fensterscheiben.

Es ist eine Kälte! Dass Gott erbarm!

Drinnen im Zimmer war’s warm.

Da tanzte der Feuerschein so nett

Auf dem weißen Kachelofen Ballett.

Zwei Bratäpfel in der Röhre belauschten,

Wie die glühenden Kohlen

Behaglich verstohlen

Kobold- und Geistergeschichten tauschten.

Dicht am Fenster im kleinen Raum

Da stand, behangen mit süßem Konfekt,

Vergoldeten Nüssen und mit Lichtern besteckt,

Der Weihnachtsbaum.

Und sie brannten alle, die vielen Lichter,

Aber noch heller strahlten am Tisch

(Es lässt sich wohl denken

Bei den vielen Geschenken)

Drei blühende, glühende Kindergesichter. –

Das war ein Geflimmer

Im Kerzenschimmer!

Es lag ein so lieblicher Duft in der Luft

Nach Nadelwald, Äpfeln und heißem Wachs.

Tatti, der dicke Dachs,

Schlief auf dem Sofa und stöhnte behaglich.

Er träumte lebhaft, wovon, war fraglich,

Aber ganz sicher war es indessen,

Er hatte sich schon (die Uhr war erst zehn)

Doch man musste ’s gestehn,

Es war ja zu sehn,

Er hatte sich furchtbar überfressen. –

Im Schaukelstuhl lehnte der Herzenspapa

Auf dem nagelneuen Kissen und sah

Über ein Buch hinweg auf die liebe Mama,

Auf die Kinderfreude und auf den Baum.

Schade, nur schade,

Er bemerkte es kaum,

Wie schnurgerade

Die Bleisoldaten auf dem Baukasten standen

Und wie schnell die Pfefferkuchen verschwanden.

– Und die liebste Mama? – Sie saß am Klavier.

Es war so schön, was sie spielte und sang,

Ein Weihnachtslied, das zu Herzen drang.

Lautlos horchten die andern Vier.

Der Kuckuck trat vor aus der Schwarzwälderuhr,

Als ob auch ihm die Weise gefiel. – –

Leise, ergreifend verhallte das Spiel.

Das Eis an den Fensterscheiben taute,

Und der Tannenbaum schaute

Durchs Fenster die Linde

Da draußen, kahl und beschneit

Mit ihrer geborstenen Rinde.