Rainer Rau
Das Organkartell
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Inhaltsverzeichnis
Titel
1. Ein Tiger auf Abwegen
2. Leben und sterben lassen
3. Chronik eines Adelsgeschlechts
4. Das Loch in der Wand
5. Sonderseiten in der Zeitung
6. Durch’s offene Tor
7. Das Gruselhaus im Disneyland
8. Beziehungen
9. Gewissensbisse
10. Jahreshauptversammlung
11. Ein verführerisches Versuchsobjekt
12. So sans hoalt, die Bayern
13. Eine neue Niere ist wie ein neues Leben
14. Die Tochter des Präsidenten
15. Reporterin ermittelt
16. Drei Rehe
17. Videos beweisen – nichts
18. Neue Messer schneiden gut
19. Verdorbenes Fleisch fährt durch Polen
20. Katasterpläne
21. Leidensgenossen
22. Rumänin abfangen
23. Der falsche Bruch
24. Erntehelferinnen in Not
25. Tiger sind Feinschmecker
26. Google und andere Satellitenprogramme
27. Abmarsch
28. Die rechte Niere
29. Hoffnung oder hoffnungsloser Fall
30. Recherchen können gefährlich werden
31. Der größte Geheimdienst der USA
32. Vier Frauen – minus eine
33. Uneigennützigkeit
34. Zwei auf einen Streich
35. Matiss auf der Spur
36. Hoher Besuch
37. Warten und genau hinschauen
38. Blutgeruch ruft Brechreiz
39. Ein Abstellwagen
40. Wasserwerfer gegen Beinbiss
41. Bau einer Abschussrampe
42. Des Wasserwerfers kurze Reichweite
43. Jahresbilanz des Organkartells
Personen:
EPILOG
Impressum neobooks
Der Tiger lief in der Mitte der Straße, so als ob er nie etwas anderes gemacht hätte.
Es war ein ausgewachsenes Tier. Wenn er sich auf die Hinterbeine stellte, war er so groß wie ein Mensch.
Er wirkte nicht gehetzt, eher ruhig und keineswegs scheu. Es fuhr zum Glück kein Auto die Straße entlang und so lief er langsam und ungestört im Zickzackkurs von einer Straßenseite zur anderen. Dabei drehte er den Kopf, hob ihn ab und zu etwas an und zog die Luft durch die Nase ein, als ob er etwas suchte. Dabei schnupperte er mal rechts am Laternenmast, mal links am Verteilerkasten der Telekom.
Es war noch früher Vormittag und es versprach ein schöner, sonniger Tag zu werden.
Es war Freitag und alle zwei Wochen wurden am Freitag die Papiermülltonnen abgeholt. Das Müllfahrzeug war meistens früh dran.
Eine Frau schlug die Haustür auf und wollte noch schnell alte Zeitungen zur Tonne bringen, als sie den Tiger sah. Sie erstarrte. Er sah sie ebenso, änderte seine Richtung und ging langsam auf die Frau zu, die einen schrillen Schrei ausstieß, sich aus ihrer kurzzeitigen Ganzkörperlähmung löste, dann auf dem Absatz kehrt machte und wieder im Haus verschwand. Gerade noch konnte sie die Tür schließen, an der der Tiger nun schnupperte.
Er witterte Wasser. Er hatte Durst. Mit seiner Pfote kratzte er an der Tür, die aber geschlossen blieb. Dann drehte er sich plötzlich um und lief weiter der Straße entlang.
Weiter hinten, am Straßenende, tauchte nun ein
VW-Golf auf. Der Fahrer hatte das Tier gesehen, als es seinen Weg fortsetzte, und konnte kaum glauben, was er da sah. Er stoppte sein Fahrzeug und sperrte die Türen hastig mit der Zentralverriegelung zu. Dann schüttelte er den Kopf und sprach leise zu sich selbst.
»Als ob ein Tiger die Autotür öffnen könnte. Ich muss die Polizei anrufen. Anonym! Wenn ich denen erzähle, dass hier ein Tiger auf der Straße rumläuft, veranlassen die eine Blutprobe. Vom Kegelabend gestern habe ich bestimmt noch Restalkohol im Blut. Die nehmen mir dann glatt den Lappen weg!«
Der Tiger unterdessen setzte seinen Suchgang fort. Er hatte Durst. Er hielt weiter Ausschau nach einer Gelegenheit, etwas Wasser zu schlürfen. Doch es hatte seit Tagen nicht geregnet und so war weit und breit keine Pfütze in Sicht.
Als er an dem Haus Nr. 15 vorbei trottete, kam eine Deutsche Dogge aus dem Garten um die Hausecke gelaufen, das Maul fletschender Weise geöffnet und die Zähne freigelegt. Jeder Mensch hätte sich bei diesem Anblick zutiefst erschrocken. Sein wildes Gebell jedoch zeigte beim Tiger keine Reaktion. Ein moderner Eisenstabzaun trennte die beiden.
Obwohl die Dogge, ein Rüde mit 80 Zentimeter Widerristhöhe, fast genauso groß wie der Tiger war, hätte dieser ihn wohl mit einem Biss erledigt. Der Tiger schaute ihn nur kurz mit einem fast mitleidigen Blick an und kehrte ihm den Rücken.
Beide hätten wohl über den Zaun springen können. Die Dogge gewiss mit Anlauf. Der Tiger sicher aus dem Stand. Aber beide wollten dies anscheinend nicht. Der Hund wohl, weil er wusste, dass ihn der Tiger mit einem Biss in die Kehle hätte töten können. Der Tiger wusste das sicher auch, doch er wollte es nicht. Er hatte keinen Hunger. Er hatte Durst. Und so setzte er seinen Weg auf der Suche nach durststillendem Nass fort.
Zum Glück waren zu solch früher Stunde keine Menschen auf der Straße unterwegs. So sahen den Tiger allerdings auch nur einige Menschen.
Die Sonne stand nun schon hoch am Himmel und es wurde noch heißer.
Der Fahrer des Golfs hatte mittlerweile mit seinem Handy die 110 gewählt.
»Polizeirevier 11. Schneider. Was kann ich für Sie tun?«
»Mein Name ist Peter Hubert. Ich fahre gerade die Bahnhofstraße in Richtung Innenstadt. Hören Sie zu. Ich bin vollkommen nüchtern. Hier läuft ein ausgewachsener Tiger frei herum.«
Er musste es noch zweimal wiederholen, erst dann glaubte ihm der Beamte. Nachdem er noch die genaue Lage durchgegeben hatte und die Personalien notiert waren, wollte man noch wissen, was der Tiger zurzeit mache.
Leicht ungehalten gab der Zeuge seinen Kommentar.
»Ich glaube, er ist auf dem Weg zu Ihnen. Kommen Sie ihm doch etwas entgegen.«
Verärgert klappte er sein Handy zu und ließ seinen Ärger lautstark heraus.
»Was macht der Tiger jetzt? Was soll er schon machen? Er tigert halt so rum. Die glauben es mir wohl nicht!«
Der Tiger setzte unterdessen seinen Weg fort. Nach weiteren hundert Metern witterte der Tiger hinter einer Buchsbaumhecke, vor dem Haus Nr. 38, einen kleinen Teich.
Mit einem Satz sprang er über die halbhohe Hecke und schlich sich an das erfrischende Nass.
Er schaute sich nach allen Seiten um und berührte mit einer Tatze die Wasseroberfläche, so als wolle er testen, ob sich auch keine Falle im Wasser befindet. Dann trank er genüsslich, indem er seine Zunge immer wieder ins Wasser schnellen ließ.
Vom Hause aus wurde er dabei beobachtet. Der vierjährige Sohn der Familie Torschack hatte die Szene beobachtet und kam nun aufgeregt zu seiner Mutter gelaufen, die gerade in der Küche einen Obstboden mit frischen Erdbeeren belegte.
»Mama, Mama, da draußen ist ein Löwe. Der frisst unsere Goldfische!«
»Kevin! Was hat die Mama gesagt? Du sollst nicht so flunkern! Sonst glaubt man dir nicht, wenn wirklich mal ein Löwe bei uns im Garten steht.«
»Aber da ist wirklich ein Löwe!«
»Jetzt aber Schluss mit dem Unsinn, sonst gibt es nachher keine Gutenachtgeschichte! Und außerdem hast du versprochen, den Müllbeutel rauszubringen. Das kannst du jetzt mal gleich erledigen. Ok?«
»Und der Löwe tut mir nichts?«
»Kevin! Nein! Der tut dir nichts, weil er gar nicht da ist.«
Kevin war verunsichert. Hatte er sich getäuscht? Hatte er ein Tier gesehen, was gar nicht da war? Das musste sich ja draußen aufklären. Er wollte nachschauen.
Kevin schnappte sich den Müllbeutel und ging auf den Flur hinaus. Gerade wollte die Haustür öffnen. In diesem Moment kam die 14-jährige Tochter des Hauses die Treppe heruntergestürmt, packte ihren kleinen Bruder und zog ihn zurück in die Küche.
»Mama, da ist ein Tiger in unserem Vorgarten und trinkt Wasser aus dem Teich!«
»Seid ihr noch ganz gesund? Ich backe gerade Kuchen und könnte etwas Hilfe gebrauchen. Ihr habt nichts Besseres zu tun, als mich mit einem Löwen oder T …«
Sie sah an dem entschossenen Gesichtsausdruck der beiden, dass es sich doch um eine ernste Sache handeln musste. Sie lief ins Wohnzimmer und schaute aus dem Fenster. Jetzt war sie aufgeregt und zitterte etwas. Sofort griff sie nach dem Telefon und rief die Polizei an.
Nachdem Vorstellungsritual wollte sie den Grund des Anrufens nennen, doch sie wurde unterbrochen.
»Ja, Frau Torschack. Wir wissen Bescheid. Es sind mittlerweile schon fünf Anrufe eingegangen. Die Kollegen sind unterwegs. Gehen Sie nicht aus dem Haus!«
In der Tat kamen fünf Minuten später nacheinander Polizei, Technisches Hilfswerk und Feuerwehr am Haus Nr. 38 an. Die Straße wurde weitläufig abgeriegelt. Es fanden sich Scharfschützen des LKA ein, die mit ihren automatischen Gewehren mit Präzisionsfernrohr und Laserpoint in Stellung gingen und den Tiger von den Nachbargrundstücken aus ins Visier nahmen.
Dass die Beamten so schnell vor Ort waren, war einem Zufall zu verdanken. In einem Nachbarort, nur zehn Kilometer entfernt, wurde gerade ein Seminar in psychische und psychosomatische Opferbetreuung für eine Sondereinsatzgruppe des LKA abgehalten. Da die Truppe immer einsatzbereit sein muss, waren auch sämtliches Equipment und alle Waffen vor Ort.
Der Tiger betrachtete sich das ganze Treiben um ihn herum und legte sich, alle viere von sich streckend, aufs Gras. Er sah die Menschen um sich herum genau, es erschreckte ihn jedoch nicht. Nun war er nicht mehr durstig. Nun war er müde und wollte sich ausruhen.
Dann, nach endlos langer Zeit erschien ein Tierarzt. Man hatte mit Dr. Kunze einen Experten, der sich mit exotischen Raubkatzen auskannte, schnell übers Internet ausfindig gemacht und angefordert. Dr. Kunze hatte lange Zeit mit seiner Familie in verschiedenen Ländern Afrikas gelebt und sich auf Großkatzen spezialisiert, über die er auch seine Doktorarbeit verfasste. Vor einigen Jahren, als seine Frau an einer seltenen Hautkrankheit litt und die Sonne Afrikas nicht mehr ertrug, waren sie ins weniger sonnenreiche Deutschland zurückgekehrt. Seit dem war er Leiter der stationären Abteilung für Großtiere der örtlichen Veterinärklinik.
Nach einem kurzen Gespräch mit dem ebenfalls erschienen Einsatzleiter der Schutzpolizei des Kommissiariats 11 entschied der Arzt, den Tiger nicht mit einem Betäubungsgewehr, sondern mit einem Blasrohrpfeil zu betäuben, da dieses wesentlich schonender für das Tier sei. Voraussetzung war, dass er nahe genug an das Tier herankam.
Der Einsatzleiter war zwar der Meinung, dass man kein Risiko eingehen sollte, da ihm der Tiger aber recht friedlich erschien, stimmte er dem Arzt schließlich zu.
»Gut Doc. Aber Sie wissen schon, welches Risiko Sie da eingehen!?«
»Ich erkenne am Benehmen der Tiere, ob sie angriffslustig sind oder nicht. Der hier ist friedlich wie ein Reh. Er ist nicht verletzt und egal woher er kommt – er wurde gut behandelt, denn er hat uns registriert und ist nicht im Geringsten aufgeregt. Er ist den Umgang mit Menschen gewohnt.«
»Ok. Dann blasen Sie halt in das Rohr.«
So begab sich Dr. Kunze mit dem Blasrohr, in dem der Pfeil mit einem Cocktail aus schnell wirkenden und nachhaltigen Betäubungsmitteln steckte, auf das Nachbargrundstück.
Mittlerweile erschien ein Übertragungswagen des 3. hessichen Fernsehprogramms. Kurz darauf einer von RTL. Anschließend kamen weitere Ü-Wagen verschiedener Sender. Man hatte wohl einen Insidertipp bekommen, denn die neuen digitalen Funkgeräte der Polizei ließen ein Abhören des Polizeifunks nicht mehr so leicht zu, wie die analogen Geräte.
Der Tierarzt konnte durch einen Spalt in der Hecke vom Nachbargrundstück aus, den Tiger beobachten. Da dieser friedlich im Gras lag, ging der Arzt vorsichtig um die Hecke herum und richtete langsam das zwei Meter lange Blasrohr auf ihn.
Hätte er gewusst, dass der Tiger ihm auch ohne Betäubung in einen Käfig gefolgt wäre, hätte er sich die Mühe mit dem Blasrohr sparen können.
Das Kamerateam nahm Position auf dem Dach des
Ü-Wagens auf. Hierbei stand nicht fehlender Mut der Reporter, sondern einfach eine bessere Sicht auf den Tiger als Entscheidungskriterium im Raume. Gerade als sie die ersten Aufnahmen machten, traf der achtzehn Zentimeter lange Pfeil sein Ziel am Halse des Tigers.
Dieser zuckte erschrocken zusammen. Er hatte den Tierarzt, der bis auf wenige Meter an ihn herangeschlichen war, zwar genau gesehen, jedoch keine Gefahr vermutet.
Er stützte sich auf die Vorderbeine und wollte sich erheben. Das Betäubungsmittel wirkte aber schon und so legte er sich wieder hin und schlief ein.
Der Einsatzleiter war zufrieden. Es ging nun keine Gefahr mehr von der Raubkatze aus und er konnte den Einsatz abbrechen.
Er wurde sofort von einem Reporter befragt.
»Herr Hauptkommissar Kleber, wie erklären Sie sich die Anwesenheit eines ausgewachsenen Tigers in einem dicht besiedelten Wohngebiet?«
»Nun, darüber können wir zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Möglich ist es aber, dass er aus einem Wanderzirkus ausgebrochen ist.«
»Was geschieht nun mit ihm?«
»Wir werden ihn sofort nach Frankfurt in den Zoologischen Garten bringen. Dort kann man ihn artgerecht unterbringen, bis wir den Halter ermittelt haben. Ein Tierarzt mit Wildkatzenerfahrung wird ihn dorthin begleiten.«
Wie auf Kommando fuhr ein Wagen mit einem Pferdeanhänger vor und der Tiger, der vom Tierarzt noch kurz untersucht wurde, wurde auf einer Zeltplane, von den Helfern der Feuerwehr hinein getragen.
Dies trug dazu bei, dass der kleine Kevin sich traurig auf Mamas Schoß setzte.
»Können wir den Löwen nicht behalten?«
»Nein Kevin. Erstens ist das ein Tiger und zweitens sind die sehr gefährlich. Mit wilden Tieren kann man nicht spielen.«
»Warum nicht?«
»Wie die zu jeder Zeit zubeißen können.«
»Warum tun die das denn?«
Die Antwort kam nun schnell von Kevins Schwester.
»Weil kleine Brüder immer nervige Fragen stellen.«
»Mama. Stimmt das?«
Während dieser Dialog noch eine Weile so weiter ging, befand sich der Tiger auf dem Weg zur Autobahn und traf eine Stunde später im Zoo Frankfurt ein.
Hauptkommissar Kleber ließ, in der Dienststelle angekommen, seine Beamten nach einem Wanderzirkus suchen.
Schnell wurde jedoch allen klar, dass im Radius von fünfzig Kilometern kein Zirkus sein Domizil aufgeschlagen hatte. Es gab zurzeit lediglich einen einzigen großen Zirkus, der in der Manege Tiger durch Feuerreifen springen ließ. Der hatte sein Domizil in Süddeutschland aufgeschlagen. Ein Anruf beim Direktor ergab, dass es keinen Fehlbestand im Zirkus gab. Die Nachfrage nach einem entlaufenen Tiger ging per
E-Mail an alle Zoologischen Gärten in Deutschland und wurde von diesen sofort negativ beantwortet.
Kleber fluchte.
»Wenn der aus einer illegalen, privaten Haltung entflohen ist, finden wir den Besitzer wahrscheinlich nie. Der wird sich auch nicht bei uns melden, denn erstens bekommt der eine saftige Strafe und zweitens sieht der den Tiger nicht wieder.«
Ein Beamter gab seinen Senf dazu.
»Schade, dass die Katze nicht reden kann. Wer sich illegal eine Wildkatze hält und sie dann auch noch entkommen lässt, ist doch gemeingefährlich.«
Sein Kollege meinte, dass die Katze selbst doch wohl eher gefährlich wäre.
»Obwohl, so gefährlich war sie gar nicht. Ich hatte den Eindruck, sie war eher zahm.«
»Stimmt. Hat nicht mal wie ein Löwe gebrüllt.«
»Tiger brüllen nicht wie Löwen. Eher wie Tiger.«
»Ich glaube, der wurde schon von Geburt an von
Menschen großgezogen und war wirklich zahm.«
»Prima. Jetzt brauchen wir nur einen reichen,
egozentrischen Großwildkatzenfreund mit einem geeigneten Anwesen zur Haltung solcher Tiere zu suchen.«
»Genau. Davon dürfte es aber mehrere Hunderte in Deutschland geben.«
Auf dem Tisch lag eine zweiundzwanzigjährige junge Frau. Sie war nackt und ihre Haare waren noch nass.
Sie zitterte. Sie hatte vor fünf Minuten noch unter der Dusche gestanden und hatte sich, wie ihr befohlen wurde, gründlich mit Seife und Shampoo gereinigt.
Maria Conzales hatte sich freiwillig vor den Augen des Doktors geduscht. Sie hatte sich auch freiwillig auf den OP-Tisch gelegt. Er hatte sie lange auf diesen Moment
vorbereitet. Sie glaubte nun, es werde ihr eine Niere entfernt und anschließend fände die lange Zeit der Gefangenschaft ein Ende und sie könnte wieder nach Hause gehen. Sie war aufgeregt. Einerseits erfreut, dass ihre Gefangenschaft in dem Kellergewölbe nun bald zu Ende war, andererseits wusste sie nicht, was gerade auf sie zukam.
Sie wurde nun schon seit zwei Monaten gefangen gehalten und war mit ihren Nerven am Ende.
Am Anfang hatte sie gebeten und gebettelt, man möge sie doch freilassen. Dann war sie wütend geworden und hatte den Teller mit der warmen Suppe, den man ihr auf den Tisch in ihrem kleinen Verlies gestellt hatte, gegen die Wand geschleudert. Das hatte zur Folge, dass sie zwei Tage lang hungern musste.
Sie hatte geschrien und getobt und dafür auch Schläge kassiert. Nach einigen Tagen ergab sie sich in ihr Schicksal und wurde ruhiger. Dann bekam sie auch Antworten auf ihre Fragen, die ihr Doc Matiss bereitwillig gab.
»Warum bin ich hier? Warum haben Sie mich entführt?«
»Nun, Maria. Sehen Sie, ich werde Ihnen kein Haar krümmen. Aber ich brauche etwas von Ihnen. Wenn Sie sich noch ein paar Wochen gedulden, verspreche ich Ihnen, dass Sie wieder freikommen.«
»Was wollen Sie denn von mir? Ich besitze doch nichts.«
»Doch Maria. Sie besitzen etwas, was jemand anderes dringend braucht. Auch eine junge Frau, wie Sie. Sonst stirbt sie. Das wollen Sie doch nicht, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Aber was wollen Sie von mir?«
»Wir brauchen eine Ihrer Nieren.«
Maria Conzales erschrak zutiefst. Das war ein gewaltiger Schock und ihr Herz raste vor Aufregung. Man wollte ein Organ von ihr. Das durfte nicht sein!
»Nein! Damit bin ich nicht einverstanden! Nie!«
»Sehen Sie, Maria. Es geht kein Weg daran vorbei. Ich werde Ihnen eine Niere entfernen, dann erholen Sie sich etwas und anschließend fahren Sie mit dem Zug nach Hause.«
»Sie sind Arzt! Das sind Sie doch, wenn Sie mich operieren wollen! Oder? Sie haben doch so einen Eid geschworen! Sie dürfen das nicht tun!«
»Ach, das sehe ich etwas anders. Ich helfe doch damit Menschen, die sonst sterben würden. Und das ist doch mehr wert als ein hippokratischer Eid.«
»Es sind mehrere Menschen?«
»Ja. Es gibt auch mehrere Organspender wie Sie.«
Maria Conzales ahnte, dass sie keine Chance hatte, um
aus der Sache heil herauszukommen. Sie zwang sich, die Sache nüchtern zu betrachten.
»Wann wollen Sie mir die Niere entfernen?«
»Sobald die Frau, die sie bekommen wird, bereit ist für die Übertragung. In der Zwischenzeit möchte ich Ihnen den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich machen. Was kann ich Ihnen besorgen? Nur Mut. Wünschen Sie sich etwas.«
Maria konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sie stand immer noch unter Schock. So antwortete sie automatisch.
»Zigaretten, Radio, Telefon, Fernseher.«
»Ok. Radio und Fernseher sind ok. Zigaretten können Sie bis nach der Operation vergessen. Das verengt die Aterien und wir wollen doch dabei keine Komplikationen. Ein Telefon bekommen Sie natürlich auch nicht. Wenn Sie mir versprechen, ab sofort schön brav zu sein, bringe ich Ihnen das Fernsehgerät morgen.«
»Ich bin aber Raucherin. Ich brauche meine Packung Zigaretten.«
»Nein. Nein. Das Rauchen haben Sie sich, seit Sie hier sind, abgewöhnt. Ist ungesund.«
»Aber warum denn? Sie wollen mir doch eine Niere entnehmen und nicht die Lunge?«
Das Gespräch verlief nicht im Sinne von Matiss. Er erhob sich ruckartig und verließ den Raum. Er wollte sich nicht verplappern und sie beunruhigen. Er wollte sie bei Laune halten. Hätte er ihr die Wahrheit gesagt, wäre der Aufenthalt bis zur Operation nicht so ruhig verlaufen. Dann hätte er ihr wahrscheinlich sehr hoch dosierte Beruhigungsmittel spritzen müssen und dabei wäre ein Versagen eines Organes nicht ausgeschlossen gewesen.
In den nächsten zwei Monaten fragte sie immer wieder nach dem OP-Termin, und immer wieder wurde sie vertröstet. Sie wartete ungewöhnlich lange auf ihre Operation.
Matiss kümmerte sich jedoch fast liebevoll um seine Gefangene. Schon nach der ersten Woche hatte er sie zu einem Spaziergang ermutigt.
Maria war sofort bereit und sprang auf. Sie hoffte insgeheim, entkommen zu können. Als sie aber die Raubkatze an der Seite des Doktors sah, schwanden ihre Hoffnungsgedanken dahin. Sie hatte Angst. Angst, sich zu schnell zu bewegen und damit den Jagdinstinkt des Tigers zu wecken. Sie hatte Angst, mit dem Tiger alleine zu sein.
»Du kannst dich frei bewegen. Aber geh nicht zu weit weg. Kimba holt dich schneller ein, als du glaubst. Und dann kann ich dir auch nicht mehr helfen. Ach, und noch was, drehe den Tigern nie den Rücken zu. Man kann nie wissen!«
Wie auf Befehl riss der Sumatratiger sein Maul auf und zeigte seine Zähne.
Maria zitterte vor Angst. Sie wollte wieder in ihre Zelle.
Dr. Matiss hielt sein Versprechen und fügte ihr keine physischen Schmerzen zu. Von seinem Gehilfen jedoch wurde sie mehrmals vergewaltigt und geschlagen.
Als sie nach der ersten Vergewaltigung die Sache dem Doktor berichtete, spielte dieser das Ganze herunter.
»Maria, du bist eine ganze Weile hier und sicher sehr einsam. Wenn Josef dir etwas Liebe zukommen lässt, solltest du ihm dankbar sein. Sei doch froh, dass er dir die Zeit etwas vertreibt. Du bist ein sehr schönes Mädchen. Wärest du nicht hier, hättest du doch sicher auch einen Freund, der mit dir schlafen würde. Also wehr dich nicht. Die Zeit wird kommen, wo du hier wieder raus sein wirst. Und dann vergisst du das alles.«
Damit war die Sache abgetan und Maria erzählte es ihm nicht mehr, wenn sie mal wieder vergewaltigt worden war. Sie hatte Angst, dass der Doktor ihr nicht glaubte und ihre Privilegien dann streichen würde. Freitags bekam sie frische Erdbeeren. Samstags Eis und am Sonntag sogar ein Stück Kuchen.
Dass der Doktor sich die Vergewaltigungen über eine Minikamera in ihrer Zelle, auf dem Computer ansah, ahnte sie nicht. So ahnte sie auch nicht, dass es dem Doktor egal war, was mit ihr geschah. Sie wusste nicht, dass ihr Wert lediglich mit achtzigtausend Euro gemessen wurde.
Jetzt, nach über zwei Monaten der Gefangenschaft, hatte sie am Morgen erfahren, dass sie heute operiert werden sollte.
Sie war aufgeregt. Sie hatte am Morgen nichts zu essen bekommen und musste ein starkes Abführmittel trinken. Es führte zu Magenschmerzen und Darmkrämpfen. Nachdem sich ihr Darm entleert hatte, ging es ihr besser und sie bekam ein Beruhigungstee und wurde zum Duschen ins Bad neben dem Operationsraum, der diesen Namen im Grunde nicht verdiente, geführt.
Nun lag sie nackt auf dem kalten Edelstahltisch und zitterte. Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen und Beinen stellten sich auf. Maria bemerkte nicht, dass dies gar kein OP-Tisch für Menschen war, sondern zur Behandlung und vor allem dem Ausweiden von Tieren diente.
Nun gab ihr der Mann, der sich Doktor Matiss nannte, eine Spritze in die rechte Armvene.
Matiss sah der Frau in die Augen, streichelte ihre Wangen und sprach mit ihr.
»Nun, Maria. Jetzt hast du es gleich überstanden. Sobald du dich nach dem kleinen Eingriff erholt hast, werden wir dich in deine Heimat bringen. Dann musst du uns aber schnell vergessen, wie du es versprochen hast!«
»Ja. Ja. Das werde ich. Ich verspreche es.«
Sie dämmerte langsam in die Bewusstlosigkeit und schloss die Augen.
Matiss nahm an, dass sie schon narkotisiert wäre, und änderte sein Benehmen nun schlagartig.
Er ließ ihren Kopf los und sprach zu sich selbst.
»Ach, du armes Geschöpf. Du wachst nie mehr auf.«
Maria hörte diese letzten Worte zwar noch, konnte aber darauf nicht mehr reagieren. Nun war sie in tiefer traumloser, empfindungsloser Bewusstlosigkeit.
Sie würde nicht mehr aufwachen, denn ohne Nieren, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Herz lebt man nun mal nicht mehr.
Sie war vor 18 Monaten von Spanien nach Deutschland gekommen, um bei einer Frankfurter Familie als Aupair-Mädchen zu arbeiten. Ein Jahr lang betreute sie die beiden kleinen Kinder der Familie und frischte so ihre Deutschkenntnisse auf. In Katalonien lebte sie mit ihrer Mutter und zwei Brüdern in Esparreguera, nur 50 Kilometer von Barcelona entfernt. Als sie nun nach einem Jahr nicht wieder zuhause ankam, wie es verabredet war, wurde sie von ihrer Mutter als vermisst gemeldet. Da sie kurz vor ihrer Abreise noch mit ihr telefoniert hatte, vermutete man, dass sie in Spanien eingetroffen war und hier verschwand. Man fand auf einem Rastplatz, nicht weit hinter der Grenze zu Frankreich, eine Tasche und einen kleinen Koffer mit ihren Sachen, Geschenke für Mutter und Brüder sowie ihrem Ausweis.
Ihre Mutter spürte instinktiv, dass sie ihre Tochter nicht wiedersehen würde und ergab sich sehr schnell in ihr Schicksal. In ihrer Trauer gab sie der Tochter eine Mitschuld an ihrem Verschwinden. Hatte sie nicht immer wieder gesagt, sie solle nicht trampen, sondern mit der Bahn fahren. Aber nein, die Bahnkarte wolle sie sparen, war die Antwort. Nun war es geschehen und sie würde ihre Tochter nie mehr sehen.
Das wusste sie genau! Sie spürte, dass ihr etwas zugestoßen war!
Sie konnte jedoch nicht ahnen, was genau mit ihrer Tochter geschehen war.
Dr. Frank Matiss verfügte zeitweise über einen kleinen Kreis von bezahlten Helfern, die allerdings über seine Tätigkeiten nicht im Detail informiert waren. Lediglich sein engster Freund und Weggefährte wusste über die grauenhaften Geschehnisse Bescheid, die von Matiss ausgingen der von ihm verlangt wurden.
Dieser war im Gegensatz zu Matiss nicht besonders schlau, verfügte aber über ein enormes Potenzial an Gewalttätigkeit. Außerdem war er in höchstem Maße seinem Herrn hörig und erledigte alles, was dieser ihm auftrug.
Josef Bergmann wurde einst von Matiss aus einer, für ihn ausweglosen Situation befreit und dankte es ihm uneingeschränkt. Dazu trug allerdings auch der Umstand bei, dass er nicht schlecht für seine Dienste entlohnt wurde. Was aber für ihn wichtiger war als Geld, war die Tatsache, eine Bleibe auf Lebenszeit gefunden zu haben. Eine Art Heimat- oder Familiengefühl zu haben, was ihm seit frühester Kindheit fehlte, führte zu bedingungslosem Gehorsam seinem Herrn gegenüber.
Ursprünglich war er als Tierpfleger tätig und erledigte vorrangig alle Arbeiten, die im Umgang mit Tigern anfielen. Allerdings wurde sein Betätigungsfeld bald ausgeweitet. Er kümmerte sich auch um die Menschen, die im Steinbruch auf ihre unfreiwillige Organspende warteten. Bergmann war ein, eher hässlicher, großklotziger, unangenehmer Bursche, in dessen Arme wohl so leicht keine Frau gesunken wäre. Dies brauchte auch keine, denn Bergmann verging sich ab und zu an den jungen Frauen, die Matiss oftmals wochen-, in Einzelfällen schon mal monatelang, gefangen hielt.
Dr. Matiss wusste von diesen Vergewaltigungen, ließ es geschehen und sah ab und zu auf dem Monitor, die zur Überwachung der Gefangenen dienten, dem Geschehen zu. Es berührte ihn nicht. Es machte ihn auch nicht an. Er sah eher teilnahmslos zu. Matiss hatte kein Sexualleben.
Zwar hatte er mal für kurze Zeit eine Jugendfreundin, als sie von ihm jedoch mehr als ein paar Küsse wollte und sich vor ihm auszog, ihm die Hose öffnete und mit ihrer Hand begann, ihn zu stimmulieren, stieß er sie abrupt weg. Er drehte sich um, ließ sie einfach stehen und ging aus ihrem Mädchenzimmer raus. Es war ihm unangenehm und er sah sie nie wieder. Matiss war nicht impotent, er hatte lediglich keinen Spaß am Sex. Er konnte sich nur selbst in höchste Glücksgefühle versetzen, wenn er einem Vogel oder einer Katze den Bauch aufschnitt und das Herz herausholte. In solchen Momenten schlug sein Herz schneller und sein Blut kochte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es eine größere Befriedigung geben könne.
Dr. Matiss war zwar Tierarzt, hatte aber nicht promoviert und eignete sich den Titel zu Unrecht an. Allerdings trug er ihn auch nur bei seinen engsten Mitarbeitern, von welchen er sich gerne mit Doc anreden ließ.
Frank Matiss stammte zwar aus einem alten Adelsgeschlecht, von Matiss aber hatten sich seit dem 20. Jahrhundert keiner seiner Ahnen genannt. Matiss fand späterzwar in der Familienchronik nichts geschrieben, dass das Adelsprädikat von aberkannt wurde, jedoch wurden alte Kaufverträge um 1900 von der Witwe eines Barons in seiner Ahnengalerie nicht mehr mit dem Zusatz von unterschrieben. Matiss war über alle Maßen eitel und hätte sich gerne mit diesem Titel geschmückt. Er fand aber nichts über die Hintergründe in der Vergangenheit heraus.
Seine Vorfahren waren bis zum 2. Weltkrieg wohlhabend. Auf eigenem Grund und Boden wurde Eisenerz abgebaut, welches zeitweise für die Rüstung der Nazis gebraucht wurde. So mangelte es in dieser Zeit, vor und während des Krieges nicht an Arbeitskräften, die von der Gauleitung zugewiesen wurden. Für Matiss Großvater Adolf, der über 60 Prozent der Bergwerksanteile besaß, war der Bergbau alles. Er war ein Nazi und Sadist gleichermaßen. Er war täglich vor Ort und ließ es sich nicht nehmen, auch ab und zu mit unter Tage zu fahren. Zwar legte er am Arbeitsgeschehen nicht wirklich Hand an, trieb aber die gefangenen Zwangsarbeiter und später die Kriegsgefangenen zur Höchstleistung an. Dabei bediente er sich oft einer kleinen Lederpeitsche, die er immer in seinem Stiefel stecken hatte. Besonders schmerzhaft waren die Schläge durch die Knoten an den Enden der fünf Lederstreifen.
Als es zu einem Ausbruch kam, an dem dreizehn Gefangene beteiligt waren, ließ er die zwei Seiten des Steinbruchs, die nicht durch hohe Steinwände gesichert waren, mit tonnenschweren Gesteinsblöcken absichern. Die ohnehin schon ausgemergelten Gefangenen mussten die schweren Felsblöcke mit Seilwinden aufeinander stapeln. Nun konnte das riesige Gelände vor dem eigentlichen Stolleneingang nur noch durch ein kleines Tor, durch das gerade mal ein LKW passte, befahren werden. Das Gelände war ausbruchsicher. Ein neues Bürogebäude mit Ausblick auf das Areal, wurde ebenfalls errichtet. Untergebracht hatte man in diesem Gebäude auch gleich eine Krankenstation und Arrestzellen für aufsässige und arbeitsunwillige Gefangene.
Als es im März 1943 zu einem Stolleneinbruch kam, wurde Adolf Wilhelm Matiss, der wieder einmal unter Tage weilte, um seine Arbeiter anzutreiben, von Steinen erschlagen. Unter den Gefangenen herrschte eine tiefe Zufriedenheit. Es konnte nicht geklärt werden, ob er nicht doch von ihnen umgebracht wurde, zumal dies einige Aufseher vermuteten. Auf seiner Leiche bildeten sich unzählige Hämatome, von Steinen verursacht, ab. Der Hausarzt der Familie stellte fest, dass es mehr Hämatome gab, als Steine um die Leiche lagen.
Sein Sohn Helmut Matiss übernahm die Firma und führte den Steinbruch zunächst weiter. Kurz vor Kriegsende wurde die Erzausbeute immer geringer. Nur den guten Kontakten zu einigen Nazigrößen, an der Spitze Reichsmarschall Hermann Göring, sowie Heß und Ribbentrop war es zu verdanken, dass man ihn nicht fallen ließ. Als dann der Krieg zu Ende war, wollte man ihn, aufgrund seiner Beziehungen zu diesen Nazigrößen und den Verbrechen an Kriegsgefangenen, verhaften. Helmut Matiss entzog sich dieser Verhaftung, indem er sich mit seinem doppelläufigen Jagdgewehr gleich zwei Ladungen gleichzeitig in den Kopf schoss, von dem nicht viel übrig blieb, da er den Lauf am Kehlkopf angesetzt hatte. Somit rissen beide Schrotpatronen, die er mit dem Zwillingsabzug durch die Gewehrläufe jagte, ihm die obere, hintere Hälfte des Kopfes weg. Sein restlicher Kopf wurde vom Gewehr in der Kehle aufgespießt und stützte seinen Körper, sodass er nicht umfiel. Als man ihn fand, saß er auf sein Gewehr gestützt, als ob er gerade eingeschlafen wäre. Lediglich die hintere Hälfte seines Kopfes klebte mit Haut und Haar und der Hirnmasse an der Wand.
Im Rahmen der Nürnberger Prozesse (von Nov. 1945 bis April 1949) kam auch die Sprache auf die Familie Matiss, da jedoch erstens kein Barvermögen vorhanden war und zweitens nur noch die junge Ehefrau des letzten Steinbruchbesitzers lebte, legte man keinen Wert auf eine weitere Verfolgung der Sache und überließ ihr den wertlosen Grund und Boden. Allerdings wurden die Villa und zwei weitere Häuser konfisziert und gingen in Staatseigentum über.
Catarine Maria Matiss war somit rechtliche Besitzerin des einstigen Steinbruchs. Sie musste nun in das Büro- und Gefängnisgebäude im Areal des Steinbruchs ziehen. Hier wohnte sie mit dem ehemaligen Vorarbeiter Josef Kopples, der schon nicht mehr die Berufsbezeichnung Steiger führte, da ja nicht mehr eingefahren wurde.
Es fuhr auch schon lange kein Güterzug mehr auf das Gelände und so wurden die Gleise abgebaut. Man brauchte Eisen füß