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Inhaltsverzeichnis
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Buch
 
Brigitte Hamann unterscheidet anhand von sechs Begriffspaaren sechs zentrale Lebensmuster. Daraus gewinnt sie eine umfassende Typologie, mit der jeder Leser tiefe Einblicke in die Muster, Herausforderungen und Chancen seines Lebens gewinnen kann. Anhand von Fragebögen kann er seinen Typ objektiv und präzise herausfinden und so seinen Lebensthemen auf die
Spur kommen.
Die Polarität von
• Durchsetzung und Kompromissbereitschaft
• Realismus und Idealismus
• Analyse und Synthese
• Subjektivität und Objektivität
• Egozentrik und Exzentrik
• Einordnung und Freiheit
hat sich aus der Praxis astrologischer Erfahrungen entwickelt. Dieses Beschreibungsraster hat sich als extrem aussagekräftig erwiesen für Menschen, die konkrete Hilfe auf dem Weg zu sich selbst suchen. Einfach und dennoch substantiell bietet sie Menschen Orientierung, die wissen wollen, welche Erfahrungen und Motive ihr Leben gestalten und wie sie ihre Talente sinnvoll einsetzen können. Aus dieser Erkenntnis kann der Leser sein persönliches Problemlösungsmuster entwickeln und seiner wahren
Bestimmung näher kommen.

Autorin
Brigitte Hamann ist Dolmetscherin für Englisch, Französisch und Spanisch. Zahlreiche Reisen durch Europa, Amerika und vor allem im asiatischen Raum sowie ein zweijähriger Aufenthalt in Taiwan veranlassten sie zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Mythen der Völker und mit östlicher Philosophie und Kultur. Sie bildete sich weiter mit psychologischen Seminaren und Fortbildungen, insbesondere in Astrologie, Transaktionsanalyse und körperorientierten Therapieverfahren. Seit 20 Jahren arbeitet sie hauptberuflich als Astrologin, Therapeutin und gibt Seminare im ganzen deutschsprachigen Raum.

Für Jochen, meine Liebe, und meine Tochter Susanne, die durch ihre Herzenswärme, Liebe und viele ungewöhnliche Gedanken mein Leben reich gemacht und inspiriert hat.

Wichtig zu wissen
Dieses Buch will Sie nicht in typologische Schablonen stecken. Es möchte Sie darin unterstützen, die Grundthematik Ihres Lebens tiefer zu verstehen, neu zu beleuchten und Ihre eigene Form der Verwirklichung zu finden. Es ist eine Gebrauchsanleitung und zugleich nicht: Dort, wo Ihr eigener, schöpferischer Antrieb beginnt, schreiben Sie Ihr(e) Kapitel auf Ihre eigene Weise weiter.
In den folgenden Kapiteln finden Sie eine Beschreibung der Motive, Erfahrungen und Probleme, die jeden der sechs Typen bewegen, sowie einen Blick darauf, wie Ihr Lebensziel aussehen kann, wenn Sie die Gegensätze, um die sich Ihr Leben dreht, in einer sinnvollen Synthese vereinen.
Jeder Mensch trägt die Lebensthemen aller sechs Typen in sich. Sie werden sich deshalb in abgeschwächter Form auch in den anderen Typen wieder finden. Diejenigen, die nicht Ihrem Haupttypus entsprechen, zeigen zusätzliche Schwerpunkte in einzelnen Lebensbereichen: in der Liebe, der Gesundheit, bei den Finanzen, in der Kommunikation. Der rote Faden Ihres Lebens – das Muster, das sich anhand Ihrer Biografie und Ihrer Erinnerungen erkennen lässt, und das damit verbundene Lebensziel – bilden sich jedoch durch einen bis maximal drei Typen ab, die eine Mischung eingehen.
Niemand ist einem reinen Typus zuzuordnen, denn wir alle sind komplexe Mischungen. Mit Hilfe des Fragebogens können Sie Ihren Haupttyp und Untertypen bestimmen, die Ihre persönliche Mischung ausmachen.
Lesen Sie bitte zunächst die Erläuterung, wie die Texte zu verstehen sind, bevor Sie mit den Kapiteln zu den sechs Typen beginnen. Sie finden sie nach der Auswertung im Anschluss an den Fragebogen.
 
Um die Sprache dieses Buches zu vereinfachen, habe ich in den meisten Fällen die männliche Ausdrucksform gewählt. Dies ist nicht als Diskriminierung der Frauen zu verstehen (ich bin ja selbst eine ☺). Es entspricht dem Sprachgebrauch, die männliche Form als übergeordnete Form zu verwenden, so wie wir von dem »Menschen«, aber nicht von der »Menschin« sprechen.

Die Reise zum Lebensziel – eine neue Typologie der Lebenswege

Der Weg zum Ziel

Am Ende all eueres Suchens werdet ihr zu euerem Ausgangspunkt zurückkehren, und ihr werdet ihn zum ersten Mal sehen.
T. S. Eliot
 
Wir sind immer auf dem Weg zum Ziel. Wir können gar nicht anders. Mit unserer Geburt betreten wir unsere individuelle Lebenslandschaft, in der wir auf unsere Weise, fröhlich oder traurig, aktiv gestaltend oder passiv erlebend, wandern. Der Weg, den wir darin zurücklegen, ist nicht als Strecke zu verstehen, die bei »A« beginnt und bei »Z« endet, sondern als Pfad, der innerhalb dieser Landschaft verläuft. Unser Leben besteht darin, uns den Bedingungen, Herausforderungen und Chancen, die wir unterwegs antreffen, zu stellen. Unsere Lebenslandschaft bietet uns die Möglichkeit, das, was wir in ihr vorfinden, aktiv zu nützen und zu gestalten. Während wir wandern, entdecken wir unterschiedliche Perspektiven. Sie zeigt sich uns hell beleuchtet oder auch düster und dunkel. Indem wir sie selbst immer wieder neu beleuchten – neue Blickwinkel einnehmen -, können wir ihre verschiedenen Aspekte und Möglichkeiten wahrnehmen. Wir sind, mit den Worten von Frances Vaughn, »Künstler mit dem Auftrag, unser Leben zu entwerfen«. Unsere persönliche Lebenslandschaft auf die uns bestmögliche Weise zu gestalten ist unser Lebensziel.
Die Griechen der Antike bezeichneten die Kraft, die unseren Lebensweg bestimmt, als daimon: den Zuteiler unseres Schicksals. Aus diesem Wort entstand später das Wort Dämon, der Geist, der uns treibt. Wir können diesen Geist fatalistisch als unausweichliches Schicksal betrachten wie bei Ödipus, der trotz aller Versuche, seinem Schicksal zu entgehen, schließlich doch seinen Vater tötet und seine Mutter heiratet, oder als Aufgabe wie bei Odysseus, der nach vielen Irrfahrten und Abenteuern schließlich nach Hause zurückkehrt. Auf der »Reise zum Lebensziel« geht es genau darum: »nach Hause« – zurück zu uns selbst und zu unserem wahren Ursprung – zu finden. Der Weg in unserer Lebenslandschaft ist ein Kreis: Wir ziehen aus, um schließlich zu uns zurückzukehren. Wie in dem Wort »Religion« ausgedrückt, das von »religio«, Rückverbindung, kommt, suchen wir die Rückverbindung zu den spirituellen Wurzeln unserer Existenz. In den Augenblicken, in denen wir mit uns selbst eins sind, entdecken wir Gott.

Worum es uns wirklich geht
Nur wenn wir das tun, wozu wir in der Tiefe unserer Seele berufen sind, berühren wir das wirkliche Leben.
Brigitte Hamann

Über die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs »Sünde«

Alles, was wir fühlen und tun, ist der Versuch, unser Lebensmotiv auszudrücken: den Grund, warum wir geboren wurden. Wir können dies auf unterschiedliche Weise tun – mehr oder weniger deutlich, bewusst oder unbewusst, in einer beglückenden oder dramatischen Form. Wir können mehr von dem ausschöpfen, was in uns liegt, oder weniger. Aber immer sind wir auf unserer Lebensbahn.
Das Wort »Sünde« geht auf das hebräische Wort chata zurück, welches das Ziel verfehlen oder auch sich verfehlen bedeutet. Adam wurde ein Sterblicher, weil er das göttliche Ziel verfehlte. Und in eben diesem Sinne sprechen wir davon, wir seien vom »rechten Weg abgekommen«, wenn wir etwas getan haben, das uns falsch erscheint. Wir sprechen auch davon, dass Menschen vom rechten Weg abgekommen sind, wenn sie etwas tun, das sich schädlich auswirkt und sie selbst und andere unglücklich macht. Auf dem rechten Weg zu sein bedeutet nicht, dass immer alle Dinge reibungslos laufen oder wir nur noch glücklich sind. Es bedeutet, dass wir, wenn wir in uns nachspüren, ein Gefühl von Stimmigkeit und Heilsein entdecken, zu dem wir auch nach Augenblicken des Zweifels oder der Sorge wieder zurückkehren.
Auch wenn wir »sündigen«, bewegen wir uns innerhalb unserer Lebenslandschaft. Wie hilfreich oder schrecklich die Auswirkungen unseres Tuns auch sein mögen, wir können nichts anderes sein als das, was im Kern unseres Wesens angelegt ist und was am Ursprung unserer Existenz steht. Die Worte von Karl Geyer helfen uns, das zu verstehen: »Letzten Endes ist jede Sünde der Versuch des Geschöpfes, eine echte Sehnsucht auf falschem Weg oder mit falschen Mitteln zu befriedigen«. Unsere echte Sehnsucht – nicht das, was wir oft dafür halten – ist der Ausdrucks unseres Lebensmotivs.
Der systemische Therapeut Klaus Mücke drückt einen ähnlichen Gedanken mit den folgenden Worten aus: »Probleme sind Lösungen«, was nichts anderes bedeutet, als dass unsere Probleme Lösungsversuche darstellen. Wir können nicht wirklich vom Weg abkommen, denn unser Weg führt, wie alle Wege in den sechs Lebenslandschaften, mehr oder weniger direkt, auf Umwegen, über Berge und Täler, zum Ziel: der Wiedervereinigung mit dem Ursprung alles Seins, aus dem wir hervorgegangen sind. Ungeeignete Lösungen führen zu Zuständen, die wir als problematisch erleben. Es scheint, als seien wir vom Weg abgekommen, aber jede »Sünde« zeigt uns letztlich, dass die von uns eingeschlagene Abzweigung unsere Sehnsucht nicht wirklich stillen kann. In diesem Sinn ist es richtig, eine bestimmte Abzweigung genommen zu haben, denn wir lernen, indem wir Dinge ausprobieren.
Entwicklung bedeutet sowohl, unser wahres Ziel hinter all den vermeintlichen, denen wir nachjagen, zu finden, wie auch Lebensformen und Lösungen zu entwickeln, die uns mehr mit diesem Ziel in Einklang bringen.

Quelle und Flussbett
Jedes Schöne, das empfindsame Menschen hier unten sehen, gleicht mehr als alles andere jenem himmlischen Ursprung, aus dem wir alle kommen.
Michelangelo
 
Allem Sein liegt ein Motiv zu Grunde, das Gestalt annehmen will. Wir geben ihm durch unsere Art zu leben erst eine konkrete Form. Wir tun dies mehr oder weniger bewusst. Unser Lebensmotiv, die Triebkraft in uns, die sich manifestieren will, strebt einem prinzipiellen Ziel zu, das sich in unterschiedlichen konkreten Lebensformen ausdrücken kann. Unser Lebensziel ist immateriell und kann auf eine Vielzahl von Arten verwirklicht werden, in verschiedenen Berufen, Beziehungen und Lebensstilen und an unterschiedlichen Orten. Nur die grundsätzliche Richtung, in die es weist, ist vorgegeben.
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ABB 1: Lebensmotiv und Lebensziel
Wir können unser Leben mit einer Quelle und ihrem Flussbett vergleichen: Wenn eine Quelle zu sprudeln beginnt, sucht sie sich eine Richtung. In gewisser Weise ist diese Richtung durch ihren Ausgangspunkt und die Bedingungen des Bodens, auf den sie fällt, vorgegeben. Ihr Flussbett muss sie sich jedoch erst graben, um Gestalt anzunehmen. Ebenso sucht sich unsere innere Quelle ihre Lebensform. Die Form des Flussbettes wird von Umweltbedingungen mitbestimmt: von Wind und Wetter und der Beschaffenheit des Bodens. Das Gleiche gilt für unsere Lebensquelle. Entscheidend ist jedoch ihre Kraft, die wir mit unserem Willen, unser Leben zu gestalten, vergleichen können. Mehr Klarheit darüber, in welcher Form dieser Gestaltungswille ausgedrückt werden kann, bekommen wir, wenn wir bereit sind, das uns innewohnende Lebensmotiv zu entdecken und es anzunehmen, auch wenn es den offensichtlichen Motiven unserer Alltagspersönlichkeit entgegenzustehen scheint, und es mit all unseren Möglichkeiten umzusetzen.
Im Laufe unseres Lebens kann unsere Quelle immer reiner und kräftiger sprudeln: Wir haben die Chance, mit dem, was wir fühlen und denken und wie wir handeln, immer mehr mit uns selbst in Einklang zu stehen, so dass ein Gefühl von Richtigkeit entsteht. Zu Beginn unseres Lebens ist die Gestalt unserer inneren Persönlichkeit nur eine schattenhafte Form. Wie das Wasser der Quelle ist sie noch nicht klar definiert. Unser Lebensziel ist, dieser Form immer deutlichere Konturen zu verleihen. Indem wir unsere Quelle, das heißt unser Lebensmotiv erkennen, finden wir konkrete Formen, wie wir dieses Motiv in unseren Beziehungen, im Beruf und im Alltag ausdrücken können. Einen Sinn im Leben finden bedeutet genau das: sich mit dem ursprünglichen Motiv verbinden und Formen zu finden, wie wir dieses Motiv durch unsere Persönlichkeit und unsere Tätigkeiten in die Welt einbringen können. Darin liegt unser Beitrag, den wir zum Leben leisten. Dieser Beitrag findet ebenso in den kleinen, alltäglichen Dingen wie in den großen Taten statt. Er zeigt sich in unserer Einstellung zum Leben und zu anderen Menschen ebenso wie in jeder kleinen und großen Tätigkeit, die wir aus dem Herzen heraus tun. Wie sich unser individuelles Lebensmotiv ausdrückt, hängt von unserer Einstellung ab. Die Basis für das, was wir aus uns machen, liegt in unserer inneren Haltung begründet.
Aus ihr heraus bewerten und entscheiden wir, und sie ist die Grundlage all unseres Handelns. Wie wir das Verhalten anderer Menschen und die Ereignisse des Lebens deuten, entscheidet darüber, was wir erleben. Eine liebevolle Einstellung zu anderen Menschen wie zu uns selbst wird andere Ergebnisse nach sich ziehen als eine, die stark ausgrenzend ist. Eine einfache Frage genügt, um einen ethischen und liebevollen Maßstab zu finden: Würde ich in einer Welt leben wollen, in der alle so handeln wie ich?

Wo fiel Ihr Stein ins Wasser?
Ich lebe das Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehen. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Rainer Maria Rilke

Wie unser Weltbild entsteht

Unser Lebensmotiv nimmt schon sehr früh Gestalt an. Vollziehen wir einmal nach, was geschieht, wenn ein Kind gezeugt wird und auf die Welt kommt. Der Typologie »Reise zum Lebensziel« liegt dabei die Annahme zugrunde, dass weder die Zeugung selbst noch der Zeitpunkt der Geburt Zufall ist, sondern dass es zu der Zeugung kommt, weil dieses Kind eine Aufgabe in der Welt hat. Der Zeitpunkt der Geburt stellt dabei die die Richtung gebende Initialzündung dar. Das bedeutet, dass es auf seine Weise zu dem großen Muster beiträgt, das das Leben webt, auch wenn wir manchmal die Zusammenhänge mit unserem begrenzten Verstand und Vorstellungsvermögen nicht verstehen können.
Ein Kind wächst im Mutterleib heran und macht erste Erfahrungen. Es entsteht ein elementares Erleben und Deuten dessen, was für ein Ort die Welt ist, was dort vor sich geht und was sie bereithält. Diese Eindrücke sind sehr intensiv, weil das Ungeborene noch sehr offen ist. Es hat außer dem, was es an Anlagen mitbekommen hat, noch keine Prägungen erfahren. Der Geburtsvorgang selbst stellt eine weitere Prägung dar. Er beeinflusst das Grundgefühl des Kindes bezüglich der Frage, wie es in die Welt hinausgehen, sich dort behaupten und sein Leben gestalten kann. Das frisch Geborene hat also bereits ein grundsätzliches, noch nicht ausgeformtes Bild davon, was Leben für es bedeutet. Dieses Bild hat nichts mit konkreten Vorstellungen und Denkvorgängen zu tun, denn das Baby ist dazu noch gar nicht in der Lage. Es handelt sich vielmehr um Gefühlszustände, ein noch vages, aber bereits in eine Richtung weisendes Erleben.
Im Mutterleib und in den ersten Wochen und Monaten ist die Mutter oder die Mutterfigur gleichbedeutend mit der gesamten Welt. Das Kind kennt nichts anderes, und deshalb entsteht aus diesen ersten Eindrücken sein zentrales Lebensgrundgefühl. Die Erfahrungen, die wir mit unserer Mutter und dem Mütterlichen in unserer ersten Lebenszeit machen, bilden die Wurzel unseres Lebens. In Wechselwirkung mit seinen eigenen Anlagen, durch die jedes Baby seine Erfahrungen auf seine individuelle Weise deutet, werden diese Eindrücke zur Grundlage seines Weltbildes. Es entsteht, wie das Wort bereits ausdrückt, ein »Bild von der Welt« und entsprechend eine Vorstellung darüber, wie diese Welt beschaffen ist, was in ihr geschieht und welche Möglichkeiten dem Kind dort offen stehen. Elementare Prägungen aus dieser Zeit wie die Erfahrung von Ohnmacht oder liebevoller Akzeptanz entscheiden über die Ausgangsbasis, von der aus das Kind sein Leben in der Welt gestaltet. In dieser Zeit entsteht auch eine erste Ausprägung des Lebensmotivs, das seinen Ausdruck suchen wird.
Während es aufwächst, vergrößert sich seine Welt um den Vater, Geschwister oder andere Bezugspersonen. In dieser Welt macht es weitere Erfahrungen, die auf die bereits vorhandenen Prägungen treffen und sie weiter ausformen. Die Welt des Kindes und sein Weltbild entstehen also bereits im Mutterleib. Die ersten drei Lebensjahre haben darüber hinaus einen entscheidenden Einfluss darauf, wie die konkreten Konturen später aussehen werden. Als Quintessenz lässt sich sagen: Mutter ist die Welt für uns. Aus der kleinen Welt des Kindes wird später die große Welt des Erwachsenen. In der kleinen Welt des Kindes können auch Dinge, die aus der Sicht des Erwachsenen geringfügig sind, große Wirkungen erzeugen. Der Erwachsene wird später die großen Dinge seiner Erwachsenenwelt ähnlich erleben und zuordnen, wie er das als Kind getan hat. Die Wirklichkeit, in der wir als Erwachsene leben, ist in ihren wesentlichen Grundzügen die Vergrößerung der Welt, wie wir sie als Kind erfahren haben. Wir können uns diesen Vorgang mit dem Bild eines Steins, der ins Wasser fällt, verdeutlichen: Dort, wo er hinein gefallen ist, entstehen Ringe, erst kleinere, dann immer größere.

Schlüsselerlebnisse

Diese Erfahrungen sind nicht als Stempel zu verstehen, der auf ein leeres Blatt gedrückt wird, sondern als eine Wechselwirkung aus etwas Bestehendem – unseren mitgebrachten Anlagen – und den Ereignissen. Auf Grund unserer Anlagen haben wir eine Vorstrukturierung, eine Neigung, wie wir Ereignisse deuten werden und welche Rückschlüsse wir daraus über uns und die Welt ziehen. Nicht alle Erlebnisse sind gleich intensiv. Das Muster, nach dem sich unser Leben entwickelt, entsteht an wichtigen Eckpunkten, an denen Schlüsselerlebnisse stattfanden. An diesen Eckpunkten haben wir – meist unbewusst – Weichenstellungen vorgenommen, die den Lauf unseres Lebens beeinflussen. Auch hier verdeutlicht das Bild des Steins, der ins Wasser gefallen ist, was geschieht: Jedes Schlüsselerlebnis zieht Kreise in unserem Leben. Je größer unser Lebensraum wird, desto größer sind auch die Kreise.
Wo ist in diesem Bild unser freier Wille? Unabhängig davon, was wir erfahren haben, gilt der Grundsatz: Eine schlechte Kindheit ist eine Erklärung, aber keine Entschuldigung. Mit den Worten von Wilhelm von Humboldt: »Wie wenig ist am Ende der Lebensbahn daran gelegen, was wir erlebten, und wie unendlich viel, was wir daraus machten.« Es liegt in unserer Verantwortung, das, was wir erleben, als Grundlage für eine schöpferische Lebensgestaltung zu nützen. Viele zum Teil extreme Beispiele zeigen, wozu der Mensch fähig ist, wenn er seine Seele und seinen Geist nicht brechen lässt: Der Vater der Logotherapie, Viktor Frankl, zum Beispiel, der seine Zeit im Konzentrationslager in dem Buch »Und trotzdem ja zum Leben sagen« beschrieb, oder der Schauspieler Christopher Reeve, der mitten in einem erfolgreichen, aktiven Leben durch einen Sturz vom Pferd eine Querschnittslähmung davontrug. Er gab nicht auf. Bis zu seinem Tod kämpfte er für die Rechte anderer Querschnittgelähmter und Schwerstbehinderter, hielt unter schwierigsten Bedingungen Vorträge und schrieb das Buch: »Meine zwei Leben«. Der stumme Schrei eines Kindes, das herumgestoßen und misshandelt wurde, wurde zum Grundmotiv, anderen helfen zu wollen, sich zu artikulieren: Aus dem Kind wurde eine Therapeutin, die erfolgreich mit Autisten arbeitet. Rollstuhlfahrer haben eine eigene Olympiade gegründet, und zahlreiche Menschen, die im Waisenhaus aufwuchsen, haben große Dinge vollbracht. Irgendwann in ihrem Leben haben diese Menschen beschlossen, das Ausbreiten der Ringe ihres Lebens nicht sich selbst zu überlassen.
 
Und wo fiel Ihr Stein ins Wasser?
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ABB 2: Ringe

Ihr Geschenk – was haben Sie schon früh gelernt?
Das Universum wird in seiner gesamten Geschichte niemanden mehr erleben, der so ist wie Sie.
Vartan Gregorian
 
Durch unsere Schlüsselerlebnisse und ihre Deutung entsteht der Impuls, ein Motiv, ein tiefer seelischer Wunsch, etwas in diesem Leben zu tun. Das gilt ebenso für unsere schönen Erfahrungen. Stärker motivierend sind jedoch die Verletzungen, die jeder von uns erfährt, unabhängig davon, wie gut oder schlecht es die Eltern gemeint haben. Durch unsere Kindheitsdramen und unsere Versuche, sie zu bewältigen, konkretisiert sich unser Lebensmotiv, aus dem wir später die konkrete Form unserer Berufung schöpfen können. Wie die Auster eine Verunreinigung mit Perlmutt umschließt und dabei eine Perle entsteht, so führen auch unsere Verletzungen dazu, dass wir Fähigkeiten entwickeln, die wir für die Erfüllung unserer Bestimmung benötigen. Wir müssen sie als das erkennen, was sie sind: hilfreich, um bestimmte Dinge aus eigener Erfahrung zu verstehen und eine entsprechende Kompetenz zu entwickeln. Während wir unsere Quelle reinigen, lassen wir eine Perle entstehen. Sie wird jedoch nur dann ihr kostbares Perlmutt entwickeln, wenn wir den Mut haben, unseren Weg zu gehen, anstatt unterwegs, an den Wegkreuzungen unserer Lebensentscheidungen, stehen zu bleiben.
Ihr Geschenk liegt in dem, was Sie lernten, als Sie in Ihrer ersten Lebenszeit »Strategien« entwickelten, um mit dem Leben umzugehen. Aus der Bewältigung Ihres Kindheitsdramas, das irgendwo auch unter den besten Bedingungen für jeden Menschen stattfindet, entstehen Fähigkeiten und ein starkes, meist vergessenes Motiv, etwas zu werden und zu tun: Aus einer Frau zum Beispiel, die in einem verwirrenden Umfeld konträrer und teilweise unberechenbarer Elternfiguren aufwuchs, wurde eine hervorragende Zukunftsforscherin. Sie hatte schon früh gelernt, auf die kleinsten Anzeichen dessen, was kommen würde, zu achten und es im Vorfeld zu deuten.
Das Ziel dieser Typologie ist, Sie darin zu unterstützen, die Grundrichtung Ihres Lebensmotivs und Ihrer Fähigkeiten zu entdecken oder weitere Inspirationen dazu zu finden.

Der Schlüssel zum Lebensziel – Sechs Reiserouten

Der große Test: Welcher Persönlichkeitstyp sind Sie?

Der nachfolgende Testbogen soll Ihnen helfen, Ihren persönlichen Typ bzw. Ihre Mischung zu bestimmen. Er besteht aus 144 Fragen, die Sie bitte folgendermaßen beantworten:
1. Gehen Sie die Fragen der Reihe nach durch und machen Sie nur dort ein Kreuz in dem dafür vorgesehenen Kreis, wenn Sie zu dieser Frage »ja« sagen können. Antworten Sie auch dann mit »ja«, wenn Sie die Frage im Augenblick zwar nicht bejahen würden, Sie aber wissen, dass Sie sich schon oft so gefühlt haben oder so gedacht und gehandelt haben. Was für Ihr Ergebnis zählt, ist, wie es die meiste Zeit Ihres Lebens war, nicht nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
2. Fragen, die Sie mit »nein« beantworten würden, lassen Sie unausgefüllt stehen.
3. Wenn Sie sich bei einer Frage unsicher sind, ob Sie ein Kreuz machen möchten, können Sie zunächst ein Fragezeichen setzen und sich dieser Frage nochmals zuwenden, wenn Sie alle anderen Fragen beantwortet haben.
4. Lassen Sie sich nicht irritieren, wenn Sie über längere Strecken kein Kreuz machen können.
5. Fühlen Sie bei den einzelnen Fragen nach, ob sie auf Sie zutreffen. Antworten Sie nicht aus dem Kopf und aus rationalen Begründungen heraus, sondern möglichst aus dem, was Sie spontan empfinden.
6. Zählen Sie die Punkte der einzelnen Rubriken von 1a bis 6b zusammen und tragen Sie sie in die Liste ein.
7. Der Typ, der die meisten Punkte hat, ist Ihr Haupttyp.
8. Die beiden Typen, die das nächstniedrige Punkteergebnis erzielen, zeigen, welche Themen in Ihren Haupttypus einfließen. Kombinieren Sie die Aussagen der Texte. Sie können widersprüchlich ausfallen und beschreiben dann zwei von einander abweichende, aber wichtige Wesenszüge.
9. Wiederholen Sie den Test von Zeit zu Zeit. Die Schwerpunkte können sich dabei phasenweise verschieben, weil zum gegebenen Zeitpunkt ein anderer Wesenszug und Entwicklungsbereich stärker hervortritt.

Testbogen

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Auswertung

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In den folgenden Kapiteln zu den sechs Persönlichkeitstypen sind problematische, konstruktive und lösungsbezogene Entsprechungen aufgeführt sowie ein Grundriss des jeweiligen Lebenszieles. Sie selbst haben die individuelle Variante Ihres Lebenszieles bereits ausgeformt und formen Sie weiter aus. Dabei soll dieses Buch behilflich sein. Da es sich um typologische Beschreibungen handelt, können nicht alle Aussagen auf Sie zutreffen.
Sie selbst entscheiden, wo Sie stehen. Streichen Sie die Stellen in Ihrem Kapitel an, die Ihnen besonders passend erscheinen, aber auch die, mit denen Sie sich in keiner Weise identifizieren können und die Sie vielleicht sogar empören.
Lesen Sie auch diese Passagen öfter als einmal und lassen Sie die Möglichkeit zu, dass sie etwas mit Ihnen zu tun haben könnten. Vielleicht kennen Sie sie auch von einem anderen Menschen. Fragen Sie sich, welche Konsequenzen es für Sie hat, dass dieser Mensch so ist und so handelt, und wozu Sie das auffordern könnte.
Lesen Sie Ihr Kapitel oder, wenn es mehrere sind, Ihre Kapitel immer wieder einmal. Sie selbst verändern sich, und mit Ihnen auch das, was Ihnen Ihr Text zu sagen hat.

Typ 1: Der Weg der Beziehungen: Zwischen Einzelkämpfer und Beziehungsmensch
In der Welt gibt es genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier.
Mahatma Gandhi
 
Menschen vom Typ 1 wollen sich durchsetzen und suchen den richtigen Weg dazu. Ihr Leben kreist darum, was und wie viel sie mit anderen tun wollen und wie viel allein. Dazu gehört auch die Frage, wer wie viel vom großen Kuchen bekommt. Sie sind einerseits Beziehungsmenschen, die ein tiefes Bedürfnis nach Kontakt und Austausch haben, und andererseits Einzelkämpfer, die sich von niemandem etwas vorschreiben lassen wollen. Weil andere Menschen eine so zentrale Rolle in ihrem Leben spielen, müssen sie ihr Verhältnis zu ihnen immer wieder neu definieren: Wie viel Harmonie und entsprechend Verzicht auf vielleicht wichtige Bedürfnisse wollen sie aufbringen zugunsten des Verlangens, mit anderen zusammen zu sein? Wie viel Abgrenzung und Konzentration auf sich selbst brauchen sie? Sind sie gemeinsam stärker, kreativer und erfolgreicher, oder möchten sie ihre Ziele doch lieber allein verwirklichen?
Sie haben einen starken Eroberungsdrang, lieben Aufbruchsituationen und sind zukunftsorientiert. Menschen vom Typ 1 wollen gewinnen. Die Welt ist für sie im besten Sinne eine große Auslage, die darauf wartet, in Besitz genommen und gestaltet zu werden, sie ist aber auch eine Arena, in der noch andere antreten, um das begehrte Objekt zu erringen. Deshalb müssen sie immer wieder ihr Maß aus Selbstbehauptung und Kompromissbereitschaft, aus Nehmen und Teilen finden. Sie sind großzügig, tolerant und teilen gern, solange ihre wesentlichen Bedürfnisse erfüllt sind. Dort jedoch, wo echte, nicht gestillte Bedürfnisse berührt werden, werden sie zum Kämpfer. Ihre Instinkte funken: Jeder ist sich selbst der Nächste, und wenn sie sich nicht angemessen selbst der Nächste sein können, löst das einen großen Schmerz und ein heftiges Verlangen in ihnen aus. Weil sie einen starken Selbsterhaltungstrieb haben, liegt es ihnen nicht besonders, ein Opfer zu bringen. Es entstehen Wettbewerbssituationen, in denen sie sich je nach innerem Standort fair und sportlich verhalten oder in denen sie einen Krieg der Interessen sehen, der ihre Überlebensinstinkte aktiviert.
Allein fühlen sie sich nicht besonders wohl, obwohl sie sich sehr danach sehnen, einfach zu tun, wonach ihnen ist, ohne andere ständig einzubeziehen und besonders Rücksicht nehmen zu müssen. Immer fragen sie sich, wie sich die verschiedenen Interessen der Menschen so miteinander vereinen lassen, dass jedem Genüge getan wird – auch ihnen selbst. Und immer wieder gilt es zu entscheiden, wie offen und wie gewappnet sie sein müssen, um im Leben zu bestehen. Sie sind Überlebenskünstler, die aktiv am Leben teilnehmen und sich ein schönes Stück vom Kuchen abschneiden wollen. Ihr Leben kreist um das Thema »was ich will und was du willst« und mündet in die Sehnsucht nach Umständen, in denen »ich und du gewinnen«. Zu entscheiden ist dabei, ob sie den geraden, direkten Weg gehen, der andere verärgern oder verletzen könnte, oder ob sie lieber einen Umweg wählen sollen, der andere einbezieht.
Menschen vom Typ 1 gehen entweder von einer sehr selbstbezogenen Warte aus und sind stark mit ihren Bedürfnissen, Vorlieben und Abneigungen identifiziert, oder sie sind besonders auf andere bezogen, was vor allem bedeutet, dass der andere Mensch ein wesentlicher Teil ihrer Bedürfnisstruktur ist. Sie neigen dazu, sich ohne eine Bezugsperson einsam oder unausgefüllt zu fühlen, was sie dazu veranlasst, Bindungen einzugehen, die im Negativfall weniger mit dem Menschen selbst als mit seiner Präsenz zu tun haben. Entsprechend geht es für sie darum, sich wirklich für den anderen in seinem Sosein zu öffnen und ihn als das zu sehen, was er ist: ein Mensch wie sie selbst, mit gleichen Rechten und Bedürfnissen, mit Sehnsüchten und Neigungen, die nach Erfüllung verlangen. Weil sie zu Einsamkeitsgefühlen neigen, suchen sie in Beziehungen Sicherheit und sind eher besitzergreifend als tolerant. Hier spielt die Frage der Gleichwertigkeit eine große Rolle: Menschen vom Typ 1 kämpfen darum, sich weder unterlegen zu fühlen noch eine Überlegenheit unangemessen auszunützen. Entscheidend ist, wie mutig und risikobereit sie sind. Das Wort »Zivilcourage« könnte einer von ihnen geprägt haben. Sie üben die Kunst, sich auf die richtige Weise zu arrangieren, was in erster Linie bedeutet, dass sie weder aus Verlustangst noch für persönliche Vorteile faule Kompromisse eingehen.
Der Schlüssel zu ihrem Leben findet sich in dem elementaren menschlichen Thema des Tauziehens der Interessen und eines möglichen friedlichen Ausgleichs. Die Reibungsenergie, die daraus entsteht, lässt sie munter und aktiv werden. Viele haben einen sicheren Instinkt sowohl für Gefahrensituationen wie auch für günstige Gelegenheiten. Eine ihrer besonderen Begabungen liegt darin, Menschen zu finden, mit denen sie sich bei ähnlich gelagerten Interessen zu einem Schulterschluss zusammenfinden können, der ausgesprochen effektiv sein kann. Entwickelte Menschen vom Typ 1 fühlen sich durch Wettbewerb positiv motiviert und angespornt, die eigenen Leistungen zu verbessern.
Die vielleicht größte Einsicht von Typ 1 besteht in der Erkenntnis, dass es uns am Ende unseres Lebens wenig nützt, wichtige Wünsche nicht gewagt zu haben oder ein ordentlicher Bürger der Gesellschaft gewesen zu sein, von dem andere »gut« sprechen, weil er den Regeln anstatt sich selbst entsprochen hat. Deshalb geht es für ihn darum, Normen und Konventionen in ihrer wahren Funktion zu verstehen und sie für sich arbeiten zu lassen, anstatt sie als unüberwindliche Schranken und Hindernisse zu interpretieren. Auf diese Weise entsteht eine kreative Offenheit für die Möglichkeiten, die das Leben dem Menschen für seine Selbstverwirklichung bietet. In diesem Verständnis ist Leben wie der Besuch eines »Running-Sushi«-Lokals: Man sitzt zusammen mit anderen vor dem Laufband, auf dem mehr oder weniger köstliche Gerichte vorbeiziehen. Jeder soll sich an der Theke des Lebens nach eigenem Geschmack bedienen. Dies wird nur gelingen, wenn wir davon überzeugt sind, dass genug für alle da ist.
Das Risiko der Menschen vom Typ 1 liegt in einer Fixierung auf sich selbst und darin, in emotionale Abhängigkeit zu geraten; ihre Gabe in einer besonderen Fähigkeit, Beziehungen aufzunehmen und zu pflegen. Ihre Grundfrage lautet: Wie können alle Beteiligten gewinnen? Um dies möglich zu machen, muss Typ 1a sich seiner Ichzentriertheit bewusst werden und sich für andere öffnen. Typ 1b muss sich dagegen von seiner Abhängigkeit von anderen Menschen lösen und lernen, seinen eigenen Weg zu gehen.

Subtyp 1a: Der Einzelkämpfer: Von der Selbstbezogenheit zur Kooperation

Worum es Ihnen wirklich geht

Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an – und handelt.
Dante Alighieri
 
Im Grunde Ihres Herzens sind Sie eine Kämpfernatur. Sie wissen, wie es ist, sich unter widrigen Umständen zu behaupten, und genau diese Lebensform ist für Sie das Natürlichste von der Welt. Ihr Selbsterhaltungstrieb ist stark ausgeprägt. Sie funktionieren nach dem Prinzip »erst handeln, dann denken«, denn Sie wissen, dass es zu spät sein kann, wenn man erst denkt und dann handelt. »Überleben oder untergehen«, funkt etwas in Ihnen, und Sie entscheiden sich ganz selbstverständlich für das Überleben. Ein Feuer brennt in Ihnen, das nach Ausdruck verlangt. Sie sind voll Tatendrang und wollen in diesem Leben nicht leer ausgehen. Dies ist nicht zuletzt so, weil Sie jedes Bedürfnis unmittelbar und intensiv empfinden und es möglichst umgehend befriedigen wollen. Alle Ihre Motive sind stark und sehr präsent. Ohne viel nachzudenken wissen Sie, was Sie wollen und was Ihnen gut tut. Was Verlangen in Ihnen erzeugt, weckt Ihren Eroberungsdrang und spornt Sie zum Handeln an. Ihre Lebensdevise lässt sich am besten mit den Worten »if you like it, go for it« umschreiben.
Obwohl Sie sich nach einer Welt des Friedens und der Harmonie sehnen, ist kaum einem anderen so bewusst, dass die Welt, in der wir leben, ein Ort des Ringens um Vorteile und Güter ist – eine Arena der Gladiatoren. Sie wollen nicht zu den Christen gehören, die den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden. Nein, Sie sind fest entschlossen, all Ihre Kraft, Ihren Mut und Ihre Geschicklichkeit zu investieren, um siegreich vom Spielfeld zu gehen. Deshalb leben Sie nach der Devise: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Wer sonst könnte ebenso an Ihrem Wohlergehen interessiert sein wie Sie selbst? Mit dieser Regel sind Sie bisher nicht schlecht gefahren. Wenn Sie auf Ihre Erfahrungen zurückblicken, wurden Durchsetzungsvermögen und Stärke belohnt, Nachgiebigkeit oder gar Schwäche aber nicht. Grundsätzlich liegt Ihnen nichts daran, sich mit anderen direkt anzulegen. Sie bevorzugen subtilere, diplomatische, freundliche Methoden, um an das zu kommen, was Sie haben wollen. Ihr gewinnendes Wesen nimmt andere für Sie ein. Sie können einen Charme ausstrahlen, der ausgesprochen überzeugend wirkt. Weil Sie eine so großzügige »laissez-faire«-Atmosphäre verbreiten können, in der sich jeder angenommen fühlt, lassen sich die Menschen gern auf Sie ein. Ein Kampf um Prinzipien ist Ihnen fremd. Sie orientieren sich an der Praxis und nicht an Ideologien. Gern gehen Sie den bequemeren Weg, auf dem Sie so manches einfach sein lassen können, das Ihnen zu viel Mühe erscheint. Solange Ihre Grundbedürfnisse befriedigt sind, sind Sie jovial. Weil die Natur Ihnen eine Art natürliche Tarnkappe mitgegeben hat, sind Sie in der Lage, Ihre eigentlichen Motivationen so lange verdeckt zu halten, bis Ihre Stärke reicht, um zu tun, was Sie sich vorgenommen haben. Sie werden deshalb leicht unterschätzt, was sich für Sie so manches Mal als Vorteil erwiesen hat.
Ihre große Stärke liegt in Ihrer Kommunikationsfähigkeit. In gewisser Weise sind Sie ein Kontaktathlet. Anders als andere Persönlichkeitstypen, denen es irgendwann zu viel wird, mit Menschen zu tun zu haben, können Sie eine fast unbegrenzte Menge an kommunikativem Input verkraften. Ihr ganzes Wesen ist auf Expansion ausgerichtet, und dazu benötigen Sie Anregung von außen. Mehr in Besitz nehmen, die eigene Sphäre ausweiten. Mehr erleben. Nicht stehen bleiben. So entdecken Sie, was es alles gibt, was Sie davon haben wollen und was Sie tun möchten. Sie brauchen die anderen, denn Beziehungen sind das, worin Sie die Lösung Ihrer Lebensfragen und die Befriedigung Ihrer Bedürfnisse sehen. Oscar Wilde drückte dies mit den Worten aus: »Das Buch der Bücher beginnt mit einem Mann und einer Frau in einem Garten – und schließt mit Offenbarungen.«
Darüber hinaus suchen Sie die Herausforderung, das Messen der Kräfte, den Wettbewerb. Ganz selbstverständlich erwarten Sie Widerstand. Auch wenn Sie nach außen Frieden, Harmonie und gemeinschaftliches Handeln vertreten und eine Sehnsucht danach verspüren, verlangen Sie tief im Inneren nach Reibung. Das macht Sie lebendig und gibt Ihnen ein Gefühl von Zuhause. Wenn es nichts zu tun und nichts zu erobern gibt, werden Sie unlustig und träge. Sie haben einen – meist gut versteckten – Hang zur Dominanz und wollen bei Entscheidungen gefragt werden. Wer Ihnen gegenüber Schwäche zeigt oder sich von Ihnen einschüchtern lässt, hat schnell bei Ihnen verloren. Sie verachten Schwäche und neigen dazu, auch bloße Nettigkeit als Weichlichkeit zu interpretieren.
In Ihrer Außenorientierung gibt es einen interessanten Widerspruch: Obwohl Sie sich nach Kontakt, Beziehungen und Freundschaften sehnen, sind Sie im Grunde ein Einzelgänger und schließen sich bei allem Interesse an der Umwelt nicht wirklich an andere an. Ihre Freiheitsliebe ist ein Grund dafür, Ihre innere Habachtstellung ein anderer. Etwas in Ihnen signalisiert: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Mag es im Jenseits einen Himmel geben, hier sehen Sie ihn nicht. Tief im Herzen sehnen Sie sich danach, in die Welt des Fressens und gefressen Werdens Offenheit für das Wesen und die Bedürfnisse des anderen, gegenseitige Anteilnahme und Unterstützung, faire Bedingungen und Frieden zu bringen. Ihre Sehnsucht lässt sich mit den Worten von Ricarda Huch beschreiben: »Die Welt ist nicht wie ein Kieselstein, den man auf den Tisch wirft, und da liegt er und so ist er, sondern ein großer Teppich, an dem alle mitweben.«

Erinnerungen und Ängste

Wir können der Angst nicht entkommen. Wir können sie lediglich in einen Begleiter verwandeln, der uns bei allen aufregenden Abenteuern begleitet... Gehe ein Risiko pro Tag ein – eine kleine oder kühne Tat, bei der du dich großartig fühlen wirst, sobald du sie erst einmal unternommen hast. Susan Jeffers