BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe
der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto/Norma
eBook-Produktion:
César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5882-7
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Shannigan
1
Etwa eine Stunde nach dem Losbrechen des Unwetters erreicht die klapprige Abbot-&-Downing-Postkutsche die Station am Concho Creek. Der Fahrer fährt so dicht wie möglich an die Eingangstür des Gastraumes und ruft dann heiser von seinem hohen Sitz zur Seite nieder: »Hoiii, Leute, steigt aus! Der verdammte Creek ist jetzt schon ein reißender Fluss. Und er wird noch wilder. Selbst wenn das Unwetter sich vor Nachtanbruch ausgetobt haben sollte – der Creek wird drei Tage nicht zu durchfurten sein. Macht es euch bequem dort drinnen, Leute, bequem für zumindest drei Tage!« Der Fahrer verstummt mit einem wilden zornigen Lachen.
Und indes sie warten, bis die Passagiere ausgestiegen sind und sie zur großen Scheune fahren können, in der sie die Kutsche mitsamt den sechs Pferden unterstellen wollen, sagt er grollend zu seinem Begleitmann: »O Moses, alle drei Jahre gibt es hier mal so ein Unwetter, und ausgerechnet eine Stunde vor dem Concho Creek muss es losbrechen. Verdammt, hoffentlich kommen nicht wieder diese verdammten Banditen, diese Skymiles. Beim letzten Male nahmen sie nicht nur die Lohngelder der Minen im Süden, sondern auch die beiden jungen Frauen mit. Verdammt, wenn die wieder herkommen, weil sie sich ausrechnen können, dass die Kutsche hier festsitzt …«
Er verstummt, ohne den angefangenen Satz zu beenden. Doch das ist auch nicht nötig. Sein Begleitmann weiß auch so, was dann sein wird.
Denn diesmal haben sie eine besonders reizvolle Frau unter ihren Passagieren.
Es ist für sie absolut sicher, dass diese Frau den Skymiles gefallen wird.
Und was den Skymiles gefällt, das nehmen sie sich. Da sie dieses Land beherrschen, gibt es gegen ihre Wünsche keinen Widerstand – es sei denn, man riskiert einen schnellen Tod. In diesem Land unterwirft man sich den Skymiles, oder man ist bald ein toter Mensch.
Der Fahrer und dessen Begleitmann wissen das zu gut. Und auch der Stationsmann, seine indianische Frau und der alte Gehilfe mexikanischer Abstammung wissen es.
Sie alle leben im Schatten der despotischen Skymiles, die von Old Man Ben Skymile geführt werden und die in den Bergen eine ganze Armee von Verfolgern an der Nase herumführen können.
Die Passagiere springen indes aus der Kutsche und versuchen so schnell wie möglich dem wolkenbruchartig niedergehenden Regen zu entkommen.
Zu ihnen – es sind vier Männer und drei Frauen – gehört auch ein gewisser Joel Shannigan. Er strebt im Gastraum sofort zur hintersten und dunkelsten Ecke, wirft dort seine beiden Satteltaschen, in denen sich offenbar seine wenigen Siebensachen befinden, auf den klobigen Tisch, legt sich dahinter auf die harte Holzbank und zieht sich den Hut übers Gesicht. Er scheint sofort einzuschlafen, obwohl im Gastraum noch einiges Durcheinander herrscht und die Stimmen mehr oder weniger bitter den Aufenthalt beklagen oder gar verfluchen.
Einer der Männer will auf der Bank Platz nehmen, die Shannigan als Lagerstatt dient. Er stößt ihn leicht mit dem Handrücken gegen den Stiefel und sagt dabei: »He, machen Sie Platz für mich. Diese Bank gehört Ihnen nicht allein.«
»Doch«, sagt Joel Shannigan unter dem Hut hervor, »diese Bank ist ganz allein für mich reserviert. Hau ab, Bruder, hau nur ab und stör mich nicht noch mal!«
Der Mann grollt, und er macht den Ansatz zu einer Bewegung, so als wollte er Shannigans lange Beine von der Bank fegen. Der Mann ist massig, gewiss sehr kräftig und auch hart.
Doch plötzlich warnt ihn sein Instinkt. Er ahnt jäh, dass er gewissermaßen einen Tiger am Schwanz reißen würde. Und er hat unterwegs auch einige Male in die Augen des schwarzbärtigen Fremden geblickt – und an das, was er dabei spürte, erinnert er sich nun.
Und so zieht er sich brummend zurück und begnügt sich mit zwei Stühlen. Er kippt einen mit der Lehne zurück an die Wand und legt seine Beine auf den anderen. Auch die anderen Passagiere fanden indes da und dort Sitzgelegenheiten. Der Stationsmann und dessen Gehilfe sind noch drüben in der Scheune bei den Fahrern der Postkutsche, helfen ihnen, das Gespann zu versorgen.
Die indianische Frau des Stationsmannes kommt aus der Küche und fragt laut durch das Rauschen des Regens: »Wer will Abendessen? In einer halben Stunde gibt es Abendessen. Wer will welches für einen halben Dollar?«
Die meisten Passagiere wollen.
Als die Frau wieder in der Küche verschwunden ist, sagt einer der vier männlichen Passagiere laut: »Oh, ist die hässlich! Verdammt, wenn das Essen so schmeckt, wie die aussieht …«
Sie lachen. Doch eine der weiblichen Passagiere faucht böse: »Mister, Sie sehen auch nicht gerade wie ein Adonis aus, eher schon wie ein zweibeiniger Javelinaseber. Und ganz bestimmt riechen Sie so. Sie haben kein Recht über eine Frau zu spotten, verstanden?«
»Yes, Lady«, erwidert der Mann mit übertrieben gespielter Zerknirschung.
»Ich schäme mich wahrhaftig. Aber da fällt mir eine Geschichte ein, die an der Ostküste passiert sein soll, dort, in einer der großen Städte, in denen es so viele Ärzte gibt, darunter auch berühmte Chirurgen. Da kam ein Mann zu einem von diesen Chirurgen und klagte, seine Frau würde immer hässlicher, Ihre Nase immer länger und der Warzen immer mehr. Er fragte den Chirurgen, ob er nicht die Nase etwas kürzer und die Warzen ganz wegmachen könne. ›Sicher‹, sagte der Chirurg. ›Aber das kostet tausend Dollar, und selbst damit ist meine ärztliche Kunst noch mies bezahlt.‹ Hahaha, da sagte ihm der Mann, dass ihm dies zu teuer sei und ging.«
Der Sprecher macht eine Pause.
Einer der Männer fragt ungeduldig: »Und das ist die ganze Geschichte? Wenn Sie damit sagen wollen, dass die Frauen eine Menge Geld kosten – oho, das wissen wir Männer auch so. Und weil nicht alle Männer einen Haufen Geld haben, müssen so viele Frauen hässlich herumlaufen. Bei uns Männern ist die Hässlichkeit nicht so schlimm, denn bei uns zählen andere Werte.«
Nun fauchen zwei der drei weiblichen Passagiere. Nur die dritte, die wahrhaftig wunderschön und reizvoll ist, sagt nichts, scheint gar nicht zuzuhören.
Der Geschichtenerzähler spricht nun schnell weiter: »Nein, nein, nein, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Der berühmte Chirurg sah nämlich das Ehepaar einige Tage später auf der Straße. Oha, was tat ihm der arme Mann leid! Und so winkte er den Mann herbei, stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm ins Ohr: ›Oh, Sie Ärmster. Da ich Ihre Frau jetzt gesehen habe, fühle ich mit Ihnen. Ich werde Ihnen einen Sonderpreis machen. Sagen wir hundert Dollar, abgemacht?‹ Da schüttelt der unglückliche Ehemann den Kopf und erwidert: ›Das ist mir immer noch zu teuer. Außerdem habe ich einen Jäger an der Hand, der will sie mir morgen für zehn Dollar totschießen.‹ Hahahahaha!«
Die drei männlichen Fahrgäste stimmen brüllend in sein Lachen ein.
Nur jener vierte Mann, der sich Joel Shannigan nennt und der scheinbar schlafend mit dem Hut über dem Gesicht auf der Bank liegt, gibt keinen Laut von sich.
Die beiden Frauen, die vorhin schon zornig fauchten, tun dies wieder. Die dritte Frau, deren Schönheit man sogar im Halbdunkel des Gastraumes erkennen kann, lacht amüsiert.
Eine der beiden fauchenden Frauen stößt wütend hervor: »Und mit solchen Kerlen muss man zusammen auf einem Erdball leben. O Gott!«
Der Stationsmann, der Fahrer und dessen Begleitmann kommen nun herein. Der Stationsmann zündet die Lampen an. Alle drei Männer fluchen, denn sie sind nass, als wären sie aus einem Fluss gestiegen. Dort wo sie stehen bleiben, bilden sich riesige Wasserlachen.
Der Regen rauscht draußen unvermindert. Dann und wann zucken Blitze, kracht der Donner mit einer Wucht, dass man glaubt, die Blitze schlügen dicht in der Nähe ein.
»Es gibt gleich heißen Kaffee«, sagt der Stationsmann. »Und wer will, der bekommt noch einen besonderen Wärmer in den Kaffee. Kostet nur zwanzig Cent mehr.«
Die drei Männer äußern sich begeistert. Nur Shannigan auf der Bank rührt sich nicht. Er scheint fest zu schlafen. Die beiden empörten Frauen aber fauchen wieder wie dicke, fette Katzen. Eine sagt: »Jetzt werden sie sich betrinken und dann gewiss noch gemeinere Witze erzählen.«
Die dritte Frau aber – jene Schöne also – sagt ruhig zum Stationsmann: »Ja, tun Sie mir bitte auch einen Schnaps in den Kaffee.«
Da staunen ihre beiden Geschlechtsgenossinnen, sagen jedoch kein Wort.
Die drei Männer von der Postlinie verschwinden in der Küche. Der Fahrer und dessen Begleitmann genießen dort offenbar Familienanschluss oder Heimrecht. Vielleicht wollen sie auch am Herd ihre nasse Kleidung trocknen und sich ein wenig aufwärmen.
Es vergeht nun eine längere Zeit des Schweigens.
Alle lauschen auf den rauschenden Regen und das Donnern draußen.
Es wird Nacht. Nur wenn die Blitze zucken, kommt es hell durch die kleinen Fenster der Station.
Der Stationsmann bringt Kaffee aus der Küche. Dann holt er eine Flasche und gießt für die drei Männer und die Frau einen tüchtigen Schuss in die großen Tassen.
Danach setzt er die Flasche an den Mund und trinkt aus ihr drei lange Schlucke.
»Pfui!« Eine der beiden immerzu empörten Frauen ruft es.
Der Stationsmann lacht.
»Alkohol tötet alle Bazillen. Sie sollten auch mal ab und zu einen Schluck nehmen, Ladys. Dann erscheint Ihnen das Leben viel lustiger, und sie ärgern sich nicht immerzu.«
Er verschwindet wieder in der Küche, aus der es nach Essen zu duften beginnt. Man hört die Steaks in den Pfannen zischen und brutzeln.
Die Passagiere laben sich an dem heißen Kaffee. Nur Shannigan bewegt sich nicht. Er stieg erst bei der letzten Station hinzu, also vor etwa dreißig Meilen, und er muss sehr müde und erschöpft sein. Sonst würde er wohl nicht dort liegen und schlafen.
Auch wirkt seine Kleidung sehr abgerissen. Er ist stoppelbärtig unter seinem sichelförmigen Schnurrbart. Wahrscheinlich verlor er sein Pferd und konnte auf einem beschwerlichen Weg nur die Satteltaschen mitnehmen.
Sein Gewehr legte er vor dem Besteigen der Kutsche in den Gepäckkasten.
Niemand beachtet ihn mehr. In seiner Ecke brennt kein Licht, leuchtet keine Lampe, man scheint ihn vergessen zu haben.
In der Küche hört man den Fahrer sagen: »Wenn das da draußen nicht bald aufhört, sitzen wir eine ganze Woche hier fest, bis die Furt des Concho Creek wieder passierbar ist. Verdammt, meine Frau muss in diesen Tagen ein Baby bekommen. Schon bei den drei anderen Kindern war ich nicht dabei. Das ist ein verdammter Job. Aber die Postlinie hat mir eine Station versprochen, sie sucht nur noch einen Nachfolger für mich.«
»Das kann noch lange dauern«, sagt die Stimme des Begleitmanns. »Gute Fahrer, die solch eine Kutsche über die Berge bringen können, sind so selten wie Kälber mit zwei Köpfen oder wie Jungfrauen in einer Amüsierhalle. Da kannst du unter Umständen noch lange warten, Isaac.«
Es herrschte wieder Schweigen.
Doch dann wird das Essen gebracht.
Sie alle setzen sich an den langen Tisch auf die harten, schmalen Bänke.
Es gibt wahrhaftig prächtige Steaks, Bratkartoffeln mit viel Zwiebeln und Salat. So hässlich die Frau des Stationsmannes auch sein mag, das Essen ist ausgezeichnet. Man kann das sehen und riechen.
In diesem Moment, da sie mit dem Essen beginnen wollen, geschieht es.
Die Tür wird aufgestoßen.
Drei Gestalten in Ölhäuten und mit Hüten, von denen das Wasser tropft, drängen sich in die Gaststube. Der letzte Mann stößt die Tür mit dem Absatz krachend zu.
Und der vorderste Mann stößt einen wilden Schrei aus und ruft höhnisch: »Hoiii, da ist ja schon unser Abendessen! Das klappt ja prächtig! Los, Leute, aufstehen, weg vom Tisch! Das ist unser Essen. Und wir brauchen doppelte Portionen. Weg da! Auch die beiden Schnepfen. Jawohl, euch meine ich, ihr zwei Tussitanten. Nur die Schöne hier, die kann am Tisch bleiben und wird uns Gesellschaft leisten. Vorwärts, vorwärts! Hogjaw, sag ihnen, wer wir sind, bevor wir jemanden kleinmachen müssen. Los, Hogjaw!«
Mit »Hogjaw« ist der Stationsmann gemeint, der beim Kommen der drei Kerle zu Bewegungslosigkeit erstarrte.
Und dieser Hogjaw sagt nun heiser in die entstehende Stille: »Leute, dies sind Jed Skymile und seine Vettern Bob und Frank. Ihr solltet alle tun, was er sagt. Denn alle Skymiles können furchtbar böse werden. Meine Frau wird für alle, die jetzt warten müssen, das gleiche Abendessen noch einmal zubereiten. Ihr müsst also nur ein wenig warten. Die Skymiles haben in diesem Land nun mal alle Rechte.«
»So ist es, denn es ist unser Land.« Einer der Kerle, der offensichtlich der Anführer und jener Jed Skymile ist, lacht wiehernd. Er wirft die Ölhaut ab, dann den Hut an einen Haken an der Wand und setzt sich der schönen Frau gegenüber an den Tisch, wobei er sie bewundernd angrinst.
Die beiden anderen stoßen und drängen die sich erhebenden Gäste zur Seite, grollen dabei drohend. Auch sie haben sich ihrer Ölhäute und Hüte entledigt, und man sieht, dass sie mit Revolvern und Messern bewaffnet sind. Es sind große, hagere, geschmeidig sich bewegende Burschen, indianerhaft, so als hätten sie Comanchenblut in den Adern.
Es sind wilde und primitive Burschen, dies wird immer deutlicher erkennbar. Sie gehören zu der Sorte, deren Hirn so klein ist, dass sie die Gewalt lieben und sich ihrer fortwährend bedienen, um sich ihre animalischen Wünsche zu erfüllen.
Ja, sie sind Wilde und gefährlich wie Raubtiere.
Den Fahrgästen der Postkutsche wird das schnell bewusst. Und so halten sich auch die drei Männer zurück, die sich vorhin noch so selbstsicher gaben und schallend über die Frauen lachten.
Ja, jetzt sind sie alle still, auch die beiden Frauen, die Jed Skymile »Tussitanten« nannte, und die sich vorhin noch so lautstark über die mitreisenden Männer entrüsteten.
Die Schöne aber, die am Tisch bleiben durfte, tut so, als ginge sie das alles nichts an. Sie beginnt das Steak zu zerschneiden und die ersten Bissen zu essen.
Ihr gelbes Haar hat sie im Nacken zusammengebunden. Sie ist für eine Frau mehr als mittelgroß und wundervoll gewachsen und proportioniert.
Im Lampenschein erkennt man in ihrem rassigen Gesicht einige Linien, die verraten, dass sie kein junges Ding mehr ist und längst schon das Leben mit allen Höhen und Tiefen kennt.
Shannigan in der Ecke schien das alles nicht wahrzunehmen. Er liegt, vom Tisch fast völlig verborgen auf der Bank und hat immer noch den Hut auf dem Gesicht. Vor ihm liegen die Satteltaschen auf der Tischplatte.
In seinem Winkel herrscht Halbdunkel.
Vielleicht haben ihn die drei Skymiles noch gar nicht bemerkt.
Sie beginnen jetzt schmatzend zu essen, fallen wie hungrige Wölfe über alles her, was die Stationsfrau auf den Tisch brachte.
Eine kurze Weile bleibt es still – bis auf das Schmatzen. Niemand sagt etwas.
Die drei Skymiles starren kauend auf die schöne Frau. Eine gnadenlose Gier ist in ihren Gesichtern zu erkennen. Fay Osgood – so heißt die Frau – hat ein Gefühl der Ausweglosigkeit. Obwohl sie nach außen hin das Bild äußerer Ruhe und Gefasstheit bietet, spürt sie die Angst – wie schon einige Male auf ihren Wegen. Doch immer wieder geschah ein Wunder, und sie kam mit nur wenigen äußeren und inneren Schrammen davon.
Wie wird es diesmal sein? Dies fragt sie sich, indes sie ruhig isst und äußerlich kühl und beherrscht wirkt.
Jed Skymile deutet kauend mit der Gabel auf sie.
»Süße, wie ist dein Name? Sag ihn mir. Ich wette, du hast einen wunderschönen Namen. Und wenn nicht, dann gebe ich dir einen. Alle schönen Frauen sollten auch einen schönen Namen haben. Na, wie ist deiner, Süße?«
Sie lächelte ihn kühl an.
»Wie sollte er denn lauten?« So fragt sie zurück, und ihr schwarzäugiger Blick hält dem seinen stand. Ja, sie ist es gewöhnt, jedem Mann gerade in die Augen zu blicken und ihn kühle Beherrschung und Gelassenheit spüren zu lassen.
Jed Skymile kratzt sich mit der Gabel am Kopf, wirkt für Sekunden nachdenklich und zugleich auch verblüfft.
Dann sagt er: »Meine Lieblingsnamen sind Susy, Eveline und Rosy. Und wenn eine Frau so richtig was taugt, wenn sie mich mächtig heißmacht, dann nenne ich sie Honey Cat. Ich glaube, ich werde auch dich so nennen, ganz gleich, was du sonst für einen Namen hast. Kapiert, Honey Cat?«
»Honigkatze ist ein schöner Name«, erwidert sie. »Das gefällt mir.«
»Oho, dir wird noch mehr gefallen, Honey Cat! Bis jetzt waren sie noch alle begeistert von mir.«
Er stopft sich wieder den Mund voll und kann eine Weile nicht reden, nur schmatzend kauen.
Auch die beiden anderen Kerle, die seine Vettern sind, also zum Skymile-Clan gehören, starren auf Fay Osgood, und auch von ihnen geht die gleiche gnadenlose Gier aus.
Wie auf Kommando wenden sie sich um und blicken auf die beiden anderen Frauen, die sie mit den Männern vom Tisch verjagten.
»Das sind Schnepfen«, sagt dann der eine.
»Nein, die mitzunehmen, das lohnt sich nicht«, spricht der andere kauend. »Mit denen macht es selbst im Dunkeln keinen Spaß.«
Der Sprecher richtet den Blick nun schräg über den Tisch auf Jed Skymile und fragt: »Würfeln wir um sie?«
»Nein«, erwidert Jed Skymile. »Die will ich allein. Von der gebe ich euch nichts ab – keinen einzigen Happen.«
Fay Osgood hört die Worte und macht sich keine Illusionen mehr. Auch alle anderen Anwesenden sind sich darüber klar, dass ihre schöne Mitreisende am meisten verlieren wird.
Doch niemand rührt sich – auch nicht der Stationsmann.
Und der Fahrer und dessen Begleitmann sind immer noch in der Küche und verhalten sich still, so als hofften sie, dass man sie gar nicht bemerkt hat.
Fay Osgood schnürt es die Kehle zu. Sie kann die Bissen nur noch mühsam hinunterwürgen und gibt sich dennoch Mühe, es nicht erkennen zu lassen.
Sie alle hier stecken in der Klemme.
Es kamen drei mitleidlose, zweibeinige Wölfe, denen von den Männern keiner gewachsen ist.
Oder doch?
Einer von Jed Skymiles Vettern deutet mit der Gabel in die dunkle Ecke, wo hinter dem Tisch der scheinbar schlafende Joel Shannigan auf der harten Bank liegt.
»Wer ist der denn? Schläft der wirklich? He, wer bist du?«
Aber der scheinbare Schläfer rührt sich nicht.
Da nimmt der Skymile-Vetter die leere Kaffeetasse, die eigentlich nur ein Zinntopf mit Henkel ist, und wirft sie hinüber. Das Ding kracht über Shannigan an die Wand, prallt im hohen Bogen davon ab und fällt auf die Dielen.
Joel Shannigan richtet sich langsam auf.
»Was ist los? Gibt es Abendbrot?« So fragt er mit scheinbar verschlafen klingender Stimme, wischt sich mit der Hand übers Gesicht und gähnt wie ein Löwe.