Josephine Siebe: Kasperles Schweizerreise
Neuausgabe.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.
ISBN 978-3-86199-962-1
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-86199-563-0 (Broschiert)
ISBN 978-3-86199-564-7 (Gebunden)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Erstdruck Schweiz 1925.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.
»Brrr!« hielt die Postkutsche vor Torburg, der dicke Postillon drehte sich um und sagte zu seinem einzigen Fahrgast: »Da sind wir, aber schön ist's nicht.«
Mister Stopps, ein schrecklich reicher Engländer, streckte den Kopf zum Fenster hinaus und schrie: »Ueiter!«
»Nee, hinein lohnt es sich nicht zu fahren.«
»Uarum?«
»Darum, weil's gebrannt hat.«
»Uas?«
»Na, die Stadt.«
»Uo?«
»Na, potz Wetter, das sieht doch ein Blinder«, brummte der Kutscher. »Halb Torburg ist doch niedergebrannt, ein schreckliches Unglück.«
»Ich uill fahren hinein.« Mister Stopps betrachtete die Brandspuren neben dem Tor. Vor zwei Tagen hatte ein Feuer das hübsche, freundliche Städtchen heimgesucht; ganze Gassen lagen in Schutt und Asche. Am Tor standen klagende und jammernde Menschen, und Mister Stopps schaute sie erstaunt an und fragte: »Uas machen sie?«
»Na, tanzen tun sie nicht.« Der Postillon schüttelte den Kopf, sein Fahrgast kam ihm schon etwas seltsam vor. Der aber lehnte sich in den Wagen zurück, schaute in ein rotes Buch und rief: »Ueiter! Von Brand steht hier nichts drin, ich will nur sehen Merkuürdiges.«
In diesem Augenblick schrien die Leute draußen laut: »Kasperle, oh, unser gutes Kasperle!«[5]
»Uas sein das?« Mister Stopps blickte noch einmal zum Wagen hinaus und sah zu seinem grenzenlosen Erstaunen ein putzlebendiges Kasperle mitten zwischen den Leuten stehen. Es heulte schrecklich, weil ihm die armen Abgebrannten so bitter leid taten.
»Na, das ist halt Kasperle.«
»Uer sein – Kahs – Kahs – Kasperle?«
»Na, Kasperle ist Kasperle. Potz Wetter, so ein saudummes Gefrage!« murrte der Postillon. »Jetzt fahr' ich den Herrn zum Bürgermeister, der mag ihm Antwort geben.«
Und mit hü und hott rumpelte die gelbe Postkutsche durch das Tor in das Städtchen hinein, und Mister Stopps rief: »Halten, ich uill sehen Kahs – Kahs –«
Aber wenn der alte Postillon Heinrich einmal fuhr, dann fuhr er, da mochten die Fahrgäste rufen soviel sie wollten. Und weil er seinen Gast für einen Sonderling hielt, fuhr er noch schneller als sonst. Rumpelpumpel, vorbei ging's an Häusern und Schutthaufen. Da stand das Bürgermeisterhaus, und Heinrich blies so lange: Trara, trara, ich bin da! bis der Bürgermeister, seine Frau und die Mägde alle angelaufen kamen. »Himmel, was ist los? Brennt's schon wieder?«
»Da drinne sitzt jemand!« Heinrich deutete mit der Peitsche auf Mister Stopps. Der steckte sein rundes, großes Gesicht zum Fenster hinaus und fragte: »Sein Sie Vater von Kahs – Kahs – Kahs?« Das verstand niemand, denn Mister Stopps hatte den ganzen Namen schon vergessen, und das war ein Glück. Der Bürgermeister von Torburg hätte es gewaltig übelgenommen, als der Vater Kasperles angesehen zu werden. Er sah aber, daß der Fremde ein reicher Mann war, und weil Heinrich noch schrie: »'s ist 'n reicher Engländer«, bekam er einen ungeheuren Respekt. Er machte[6] eine tiefe Verbeugung, noch eine, und fragte: »Was wünschen der Herr?«
»Kahs – Kahs –«, Mister Stopps würgte an dem Wort herum, und die Frau Bürgermeisterin sagte: »Ach, der Goldene Adler ist niedergebrannt, der Fremde hat Hunger, er will Käse. Komisch, diese Engländer!«
»Aussteigen soll er, meine Pferde sind müde«, brummte Heinrich. Einen richtigen Engländer hatte man noch nie in Torburg gesehen, darum verneigte sich der Bürgermeister[7] noch einmal und lud den Fremden ein, in sein Haus zu kommen. Der dachte, das ist sicher ein Wirtshaus. Er stieg also aus und rief: »Mein room!«
Daß dies auf deutsch Zimmer hieß, wußte die gute Bürgermeisterin nicht, sie hielt es für eine englische Sitte und rief: »Flink, Trine, bring Käse und Rum.« Und dann nötigte sie den Gast in das Wohnzimmer; dort warf dieser sich lang auf das Sofa, legte die Beine auf den Tisch und rief wieder: »Ich uill Kahs – Kahs!« Jemine, der hat aber Hunger, dachte die Bürgermeisterin und rief flink der Magd zu: »Eile dich doch!«
Und kaum hatte Mister Stopps wieder seinen Mund aufgetan und noch einmal »Kahs« gesagt, als Trine hereinmarschierte. Sie trug allen Käse, den es im Hause gab, herbei, und weil es so viel war, hatte die Käseglocke nicht gereicht, und sie hatte den Käse auf eine Bratenschüssel gelegt. Er duftete nicht sehr lieblich, und Mister Stopps schrie auf einmal: »Oh!« und hielt sich die Nase zu, und dann wieder: »Ooooh!«
»Das ist der Käse«, sagte die Bürgermeisterin. »Und gut ist er.«
»Oh, no, no, Kahs – Kahs –.« Mister Stopps merkte, daß man ihn mißverstanden hatte, und weil er Kasperles Namen nicht herausbekam, fing er an, Gesichter zu schneiden, mit Händen und Füßen zu zappeln, und der Bürgermeister, seine Frau und Trine starrten verdutzt den sonderbaren Gast an. »No, no, o schrecklich«, schrie er und zeigte auf Trine.
»Na, das verbitt' ich mir, schrecklich bin ich nicht«, brummte die. Der Herr ist aber, weiß der Himmel, das reine Kasperle.«
»O ja, den ich meine, nicht das da«, schrie Mister Stopps,[8] deutete auf den Käse und schnitt ein fürchterliches Gesicht dazu. Da rannte Trine mit dem Käse wütend hinaus und rief zweimal: »Alter Kasper, alter Kasper!«
»Dies ich meine! Uas sein das für ein merkuürdiges Ding?«
»Kasperle meint er!« Der Bürgermeister tippte sich an die Stirn und brummte: »Da kommt ein Kasper zum andern.«
»Erzählen! Ist es ein Menschen?«
»I bewahre, Kasperle ist Kasperle.«
Der Bürgermeister sah seinen seltsamen Gast an; der hatte die Füße wieder auf den guten Tisch aus Kirschbaumholz gelegt. So etwas! Er nahm kurz entschlossen Mister Stopps an den Beinen, und platsch, da lag der englische Herr auf der Erde.
»Oh!« sagte der verdutzt, »ich kann machen uas ich will in meine room.«
»Ach, Unsinn, Rum gibt's hier nicht, das ist kein Wirtshaus.«
»Oh!« Wieder riß der Fremde seinen Mund auf, als wollte er den dicken Bürgermeister verschlingen. »Uo bin ich?«
»In meinem Haus und ich bin der Bürgermeister.«
»Ja, und ich bin Frau Bürgermeisterin«, rief die rundliche Hausfrau. »Und mir hat noch nie ein Gast seine Füße auf den Tisch gelegt. Es ist mein bester!«
Da begriff Mister Stopps, daß er gar nicht in einem Wirtshaus war, und weil er an den Postillon dachte, der ihn hierhergeführt, rief er empört: »Schafskopf!«
»Na, das verbitte ich mir aber.« Schwipp, schwapp, griff der Herr Bürgermeister, der trotz seiner Dicke sehr behende war, zu, und beförderte Mister Stopps zur Türe hinaus.
Rissel – rassel – bums! Da lag Trine mit der Käseplatte.[9] Trine hatte ein bißchen horchen wollen, und so bekam sie unversehens von Mister Stopps einen Stoß.
Trine schrie, Mister Stopps brüllte, die Frau Bürgermeisterin weinte, der Bürgermeister schimpfte, aus der Amtsstube kamen die Schreiber. Die Kinder und die Dienstmagd kamen auch angelaufen, und zuletzt kam noch Heinrich, der Postillon, zurück. Der hielt in der Hand den Regenschirm des Engländers, den dieser in der gelben Kutsche vergessen hatte. »Jemine, was ist denn nu los?«
»Da ist er, der Schafskopf«, schrie Mister Stopps.
»Ach so, den haben Sie gemeint?«
Der Bürgermeister sah Heinrich streng an: »Warum hat Er mir den gebracht?«
»Na, er wollte doch durchaus was Merkwürdiges sehen!«
»Ich bin nichts Merkwürdiges«, schrie der Bürgermeister erbost.
»No, Kahs – Kahs –«
»Kahs – Kahs – da liegt er«, jammerte Trine.
Heinrich rieb sich das Kinn. Die ganze Geschichte kam ihm recht sonderbar vor, und dem Bürgermeister kam Mister Stopps auch sonderbar vor, als er hörte, der wolle durchaus Kasperle sehen.
»Ich uill es kaufen«, schrie Mister Stopps, »kaufen!«
»Ach, Unsinn, den gibt unser Organist, Meister Severin, nicht für eine Million her.«
»Ich uill zahlen eine Million.«
»Donnerwetter!« Beinahe hätte sich der Bürgermeister vor Erstaunen in den Käse gesetzt, aber seine liebe Frau hielt ihn noch fest, und dann holten beide vereint Mister Stopps wieder herein und führten ihn nun in ihre allerbeste Stube. Und diesmal legte Mister Stopps nicht die Beine auf den Tisch, er setzte sich sehr steif auf einen Stuhl. Der Bürgermeister[10] tat es ihm nach, die Bürgermeisterin setzte sich auf das Sofa, und dann fragte Mister Stopps: »Uer sein Kahs–pärle?«
»Ja, wer? Ein unnützes Ding!« Der Bürgermeister, der eine ungeheure Ehrfurcht vor dem fremden Manne hatte, der für ein Kasperle eine Million zahlen wollte, fing an zu erzählen.
Eine lange Geschichte war es und höchst erstaunlich! Da gab es ein putzlebendiges Kasperle, das kein Mensch war und sich doch wie ein Mensch benahm. Das achtzig Jahre und länger geschlafen hatte; das in der weiten Welt herumgelaufen war, und das der Herzog August Erasmus jetzt manchmal einlud, und das mit der schönen Gräfin Rosemarie[11] und dem berühmten Geiger Michele befreundet war und vieles andere noch. Und seit vier Jahren lebte das Kasperle in Torburg, war das närrischste Ding, war aller Liebling und Freund, war immer vergnügt und spielte mit dem feinen Marlenchen.
Während der Bürgermeister erzählte, nickte Mister Stopps mehrmals mit dem Kopf und murmelte: »Uerde es kaufen!«
»Ach, du lieber Himmel, so viel Geld haben Sie doch gar nicht, um das Kasperle zu bezahlen«, sagte da die Bürgermeisterin, die nicht an die Million glaubte.
Und wieder rief Mister Stopps: »Ich uerde geben eine Million!«
»Mark?« fragte der Bürgermeister vorsichtig, der dachte, dieser Fremde könnte ja auch Pfennige meinen.
»Pfund«, antwortete Mister Stopps.
»Pfund?« Die Bürgermeisterin dachte an die schönen, blanken Pfundgewichte aus Messing in ihrer Küche und sagte kopfschüttelnd: »Was soll man aber mit einer Million davon anfangen!«
Der Bürgermeister aber wußte wohl, daß das englische Geld Pfund heißt und ungefähr zwölf Mark wert ist. Er dachte bei sich, dafür könnte man ganz Torburg aufbauen, und aller Jammer und alle Not hätten ein Ende. Ach, du lieber Himmel, wäre das ein Glück für seine liebe Heimatstadt! Aber Kasperle! Würde das sich verkaufen lassen? Der Bürgermeister stand plötzlich mit einem Ruck auf. »Kommen Sie«, sagte er zu Mister Stopps, »wir gehen zu Kasperle.«
»Ja, und ich uerde ihn kaufen. Kahs – Kahs –!«
Und damit gingen sie, und die Bürgermeisterin dachte: Es ist doch kurios, daß man mit Pfundsteinen bezahlt. Ob die der Fremde wohl bei sich hat? Dann muß er doch ungeheuer viel Kisten dabei haben. Seltsam, höchst seltsam![12]
Während Mister Stopps beim Bürgermeister die Beine auf den Tisch legte und mit Trine und der Käseplatte zusammenstieß, saß Kasperle in einem finsteren Küchenwinkel und – weinte.
Das lustige, putzvergnügte Kasperle weinte bitterlich. Aus lauter Mitleid weinte es, während Herr Severin, der Organist, die Orgel klagen und trösten ließ. Ein Bittgottesdienst sollte gehalten werden, und Herr Severin spielte schon still einmal für sich die Orgel, um sie am Sonntag recht herzbewegend tönen lassen zu können.
Kasperle schluchzte in seiner Ecke, und sein kleines Kasperleherz tat ihm bitter weh. So viel seiner liebsten Freunde hatten Haus und Heim verloren, waren in bittere Armut geraten, und das Kasperle dachte: Was bin ich für ein dummes, unnützes Kasperle. ich kann niemand helfen! Und dann dachte Kasperle an seine Urheimat, die schöne, ferne Insel, von der es nur wußte, daß es wunderschön dort war. Ach! Kasperle seufzte sehr tief, und gerade da hörte es unten in der Nische eine Stimme: »Da oben sitzt er.«
Herr Severin unterbrach sein Spiel. Wer wagte es, in der Kirche zu reden? Da rief von unten herauf eine Stimme seinen Namen. Es war der Bürgermeister. »Meister Severin«, rief er, »können Sie einmal mit Kasperle auf den Kirchplatz, nein, besser in Ihr Haus kommen? Ich habe etwas sehr, sehr Wichtiges mit Ihnen und Kasperle zu reden.«
»Ich hab keine Dummheiten gemacht«, schrie Kasperle.
»Bewahre, die machst du nie, du bist ja unser goldiges,[13] geliebtes und braves Kasperle«, sagte der Bürgermeister. So hatte dieser noch nie von Kasperle gesprochen, aber er dachte, wenn der Engländer von Kasperles Streichen hört, dann heidi Million.
»Ich freuen mich sehr.« Mister Stopps verneigte sich sehr feierlich und höflich, gerade als wäre das Kasperle ein vornehmer Herr. Das kam diesem ungemein spaßig vor. Es lachte und lachte, wie nur ein rechtes, unnützes, putzlebendiges Kasperle lachen kann. Mister Stopps sah erstaunt drein. So ein Gelächter hatte er noch nie vernommen und konnte sich auch nicht erinnern, jemals einen so großen, weit aufgerissenen Mund gesehen zu haben. »Hihihahahahohoho«, lachte Kasperle hoch und tief; man konnte denken, ganz Torburg hätte die Lachkrankheit bekommen.
»Hohohohuhuhu.« Da lachte Mister Stopps plötzlich auch. Er prustete und gurgelte, er wackelte hin und her, hielt sich seinen Magen fest, schüttelte den Kopf und lachte. »Oh, das sein gut. Die Kahs – ich muß kaufen.«
Patsch, klappte Kasperle seinen Mund zu. Das Lachen war ihm vergangen. Kaufen, der Fremde wollte ihn kaufen? Kasperle dachte daran, wie schlimm es ihm schon einmal in der weiten Welt gegangen war, und so sehr es eben gelacht hatte, so fürchterlich fing es nun zu heulen an: »Uhhuuuuhuuu.« Die Tränen tropften und rannen dem Kasperle über das Gesicht; es sah ganz jämmerlich aus.
Mister Stopps erschrak, und wie ihn erst das Lachen angesteckt hatte, steckte ihn jetzt ebenso plötzlich der Kummer an; er schnitt verzweifelte Gesichter, kniff die Augen zu, zog den Mund breit und sah drein wie einer, der einen Liter Essig getrunken und dazu ein viertel Pfund Pfeffer verschluckt hat. Potz Wetter, ja, Mister Stopps konnte Gesichter schneiden, beinahe wie das Kasperle selbst.[14]
Das staunte, vergaß das Heulen, begann wieder zu lachen, diesmal über Mister Stopps, und gleich lachte dieser mit. Die beiden hätten vielleicht noch stundenlang gelacht, geheult und Gesichter geschnitten, wenn nicht Herr Severin den[15] Bürgermeister gefragt hätte: »Was soll das? Was ist das für eine Geschichte? Wer ist der Herr, der denkt, unser liebes Kasperle sei zu verkaufen?«
»Ja, kaufen! Ich uill es kaufen. Ich geben eine Million.«
»Nä«, schrie Kasperle, »ist zu wenig, ich bin nicht so billig.«
Mister Stopps machte kugelrunde Augen. Eine Million fand Kasperle zu wenig, das war doch ein bißchen toll.
»Eine Million sein viel, sehr viel. Ich kann kaufen ein ganzes Schloß dafür.«
»Ich bin doch kein Schloß«, schrie Kasperle, »ich bin doch nicht so billig.«
»Ich kaufen ein ganzes Museum dafür.«
»Ich bin auch kein Museum«, rief Kasperle jetzt wütend. »Ich bin das einzige, allereinzigste lebendige Kasperle auf der Welt.«
»Ooooh!« Mister Stopps staunte ehrfurchtsvoll. Etwas, das niemand sonst in der Welt besaß, zu besitzen, das lockte ihn. Er verneigte sich vor Kasperle und sagte: »Oh, Sie sein nett, äußerst nett.«
Kasperle schaute den Fremden verwundert an, und weil es ein Kasperle war, das alles nachmachte, verneigte es sich plötzlich auch so höflich und rief: »Oh, Sie sein nett, äußerst nett.«
»Ooooh!« starrte Mister Stopps das Kasperle an und rief: »Uundervoll!« Gleich schrie Kasperle auch: »Wundervoll!«
Dem Bürgermeister wurde die Sache zu dumm. Er bekam außerdem Angst um die Million und redete dazwischen: »Kasperle, allerliebstes Kasperle, denke doch, eine Million will der Mister Stopps für dich geben und dafür kann Torburg schöner auf- und umgebaut werden.«
Torburg konnte wieder aufgebaut werden, allen seinen[16] Freunden konnte Kasperle helfen! Es dachte nach, und wenn es nachdachte, pflegte es das allerdümmste Gesicht von der Welt zu schneiden.
»Schön, uundervoll!« schrie Mister Stopps, »ich geben eine und eine viertel Million.«
Dem guten Bürgermeister wurde es ganz heiß. Er stieß Meister Severin an und flüsterte ihm zu: »Verkauft doch Kasperle, Meister, und helft Torburg.«
»Das kann ich nicht. Ich habe Kasperle gelobt, es nie zu verkaufen, und ein Wort ist ein Wort. Kasperle mag selbst entscheiden.«
»Das ist zu billig«, schrie Kasperle; es wußte natürlich gar nicht, wieviel Geld das war.
»Oooh!« Mister Stopps sah sehr nachdenklich drein. Er hatte zwar schrecklich viel Geld, aber eine und eine viertel Million war doch viel.
»Zu billig, zu billig!« schrie Kasperle wieder.
»Ich uerde geben eine und eine halbe Million. Dann bist du mein«, bot Mister Stopps.
»Zu billig, zu billig!« Kasperle schlug dreimal Purzelbaum, die Sache wurde ihm doch zu gefährlich.
»Bedenke doch, Herzenskasperle, du kannst Torburg helfen«, sagte der Bürgermeister.
»Dafür kaufen ich eine Grafschaft«, schrie Mister Stopps.
»Ich bin keine Grafschaft, ich bin das einzige lebendige Kasperle und koste zwei Millionen«, rief Kasperle, und hopp, pardauz, kasperte es auf dem Kirchplatz herum und schlug einen Purzelbaum über Mister Stopps hinweg. Der setzte sich erschrocken auf seinen Hosenboden und riß seinen Mund weit auf.
»Uundervoll«, schrie er, »ich muß ihn haben!«
»Ich koste zwei Millionen, und in einer Viertelstunde[17] koste ich drei Millionen.« Kasperle hatte eine Heidenangst, der Fremde könnte ja sagen, und dabei mußte es doch immer denken: Ich helfe Torburg, Torburg kann wieder aufgebaut werden.
»Kasperle, sei lieb, Kasperle, allersüßestes Zuckerherzchen, du mein goldiges Kasperle, hilf uns!« flehte der Bürgermeister.
»Ich bin nicht so billig, ich koste zwei Millionen, zwei Millionen – und vier Wochen Ferien muß ich auch jedes Jahr haben«, schrie Kasperle und sprang herum wie ein Besessener.
»Das ist zu teuer!«
»In einer Viertelstunde koste ich drei Millionen.« Schwapp, schwapp, hatte Kasperle wieder einen Purzelbaum über Mister Stopps hinweg geschossen, und bums, saß Mister Stopps auf dem Kirchplatz, und bums, saß auch der Herr Bürgermeister neben ihm, und beide sahen sich verwundert an.
»Na, so ein Blitzkasperle, so ein Wirbelwind!«
»Topp, es gilt, ich uerde zahlen zuei Millionen, Kasperle ist mein!«
O Himmel, der Schreck! Kasperle lag auf einmal lang auf dem Pflaster und verdrehte die Augen fürchterlich.
»Er uird sterben«, jammerte Mister Stopps.
»Tut der nicht.«