CHRIS SUREL

DIE

TIEFSCHLAF

FORMEL

Voller Energie –

ohne 1 Minute länger

zu schlafen

Mit Simon Biallowons

Haftungsausschluss

Die diesem Buch zugrunde liegenden medizinischen For-schungsergebnisse und die Empfehlungen wurden sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Gewähr kann jedoch nicht übernommen werden. Ebenso ist eine Haftung des Autors bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ausgeschlossen. Die in diesem Buch vorgestellten Techniken und Informationen ersetzen nicht eine individuelle, persönliche ärztliche Beratung. Die richtige Diagnose und Therapie von Erkrankungen müssen immer Sache des behandelnden Arztes sein.

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Rohrdorf

Umschlagmotive: Porträt des Autors: privat; © Marina Sun/shutterstock; © Evgeniy Gorbunov/shutterstock

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein

ISBN E-Book 978-3-451-82777-8

ISBN Print 978-3-451-60500-0

INHALT

DEIN BONUS-PAKET

Vorwort

Session 1
MEINE KRISE, MEIN AHA-MOMENT UND DER DRITTE WEG

Session 2
7 ODER 8 STUNDEN GESCHLAFEN UND NOCH IMMER MÜDE: WAS DAHINTERSTECKT

Die 90-Minuten-Wahrheit über unseren Schlaf

Unser wichtigster Wachstums-Code

Die geheimnisvolle Putzkolonne in unserem Gehirn

Hey, Immunsystem: Einmal hochschalten, bitte!

Wusste ich es doch: unser Gehirn-Speicher-Button

Die Chill-Out-Area für Herz, Kreislauf & Co.

Raus damit, Chris: Wie viel Tiefschlaf brauche ich denn?

Session Highlights

Zoom-In 1
IT’S ALL ABOUT TIEFSCHLAF, ABER: REM-SCHLAF FÜR FORTGESCHRITTENE

Session 3
WER GAS GIBT, MUSS AUCH BREMSEN KÖNNEN: SCHNELLER UND BESSER ABSCHALTEN

Feind oder Freund: Was du noch nie über Stress gehört hast

Was ist Stress?

So drückst du ganz einfach deinen Stress-aus-Knopf

In einer Minute: Das 4-8-4-Protokoll

Binaurale Atmung

Wenn’s echt drauf ankommt: Das 2-1-6-Protokoll

So geht’s noch schneller: Umschalten auf Panoramablick

Je öfter, desto besser …

Dauerstress – kein Problem, auch das kriegen wir hin

Session Highlights

Session 4
TIEFSCHLAFKILLER: WO SIE SICH VERSTECKEN, WIE DU SIE ERKENNST UND WIE DU SIE LOSWIRST

Alkohol hilft beim Einschlafen, ABER …

Ein Espresso am Abend macht mir gar nichts …

Sport ist Mord …

Dinner-Time: Eat smarter, sleep deeper

Wie man sich bettet, so …

Der Feind in deinem Bett

Die Wahrheit über Sex …

Ne, oder: Ich muss schon wieder …

Session Highlights

Session 5
DU BESTIMMST SELBST ÜBER DEINEN SCHLAF: UNSERE INNERE KÖRPERUHR

Prio 1: Social Jetlag und unsere Anker-Aufsteh-Zeit

Bin noch nicht müde … Wann ins Bett gehen?

Faszination Körper: das Temperaturminimum

Session Highlights

Zoom-In 2
ES GIBT FÜR ALLES EINE LÖSUNG: SCHICHTDIENST, JETLAG UND ANDERE SPECIAL CASES

Endlich entspannt reisen: Anti-Jetlag-Strategie

Reisen in Richtung Osten

Reisen in Richtung Westen

Session 6
FERTIGMACHEN ZUR LANDUNG: SCHNELLER IN DEN TIEFSCHLAF

Das Power-Down-Protokoll

PDP Schritt 1: Melatonin boosten

PDP Schritt 2: Schnell Abschalten

PDP Schritt 3: Offline gehen

Schäfchen Zählen für Fortgeschrittene

Wenn’s mal wieder länger dauert: Nicht verzweifeln

Perfect Timing: Wann ist die beste Einschlafzeit?

Plötzlich wach: So schläfst du schnell wieder ein

Melatonin, CBD, Schlaftabletten & Co.

CBD

Schlaftabletten

Bad Night: Die drei Top-Tipps für den Tag danach

Kontrollierter Schlafentzug – der Ausweg aus der Schlaflosigkeit

Session Highlights

Session 7
SCHON MORGENS UND TAGSÜBER ­ENTSCHEIDET SICH, WIE TIEF WIR NACHTS SCHLAFEN

Das Rise&Shine-Protokoll

RSP Schritt 1: Light-Up!

RSP Schritt 2: Fuel-Up!

RSP Schritt 3: Move-Up!

RSP Schritt 4 (für Fortgeschrittene): Warm-up!

Das Wichtigste für den Tag

Essen: Die drei entscheidenden Fragen – beantwortet!

Was essen?

Drei Daumenregeln

Hocke-Zähneputzen & Co: Mit smarter Bewegung mehr ­Tiefschlaf

26 Minuten für mehr Power und Energie

Session Highlights

Zoom-In 3
CORONA UND NEW WORK: TIEFSCHLAF-STRATEGIEN FÜR JETZT UND DIE ZUKUNFT

Der Weg zur Arbeit fällt weg, das bedeutet:

Unser Stresslevel ist massiv gestiegen

Wir haben weniger Entspannung

Schlechtere Ernährung – weniger Bewegung

Die 8 wichtigsten Tipps für Arbeiten im Homeoffice

Session 8
TIEFSCHLAF IM LAUFE DES LEBENS

Bei Kindern und Jugendlichen ist alles anders

Insider-Tipps für junge Eltern

Auch im Alter brauchen wir dringend unseren Tiefschlaf

Session Highlights

Session 9
EINFACHER GEHT’S NICHT: TIEFSCHLAF AUF AUTOPILOT

In 3 Schritten zur Gewohnheit – der 3-Step-Habit-Loop

Schritt 1: Der Trigger

Schritt 2: Die Routine

Schritt 3: Die Belohnung

Warum es oft doch nicht klappt – diese verflixten ­Sekundärvorteile

Session Highlights

Session 10
JETZT GEHT’S ERST RICHTIG LOS: DIE 14-TAGE-TIEFSCHLAF-CHALLENGE

Was wir gemeinsam erreichen können

Wo wir stehen – und wo wir stehen können

Müde? Hände weg vom Steuer

Ausgeschlafener lernen

Tiefschlaf, das neue Lebenselixier

Vision 2030

Danke!

Über den Autor

Dein Bonus-Paket für die einfache Umsetzung im Alltag

Um dir die Umsetzung im Alltag so einfach wie möglich zu machen, habe ich für dich ein besonderes Bonus-Paket zusammengestellt: kurze Video-Anleitungen, Audio-Tracks, Rezepte, spezielle Downloads, eine Community mit anderen Lesern, Links zu allen wissenschaftlichen Quellen und noch mehr! Du hast kostenlosen Zugriff auf dieses Paket unter www.tiefschlaf-formel.de/bonus.

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

lieber Chris,

seit ich mich mit dem Thema Schlaf beschäftigt habe und seitdem wir, lieber Chris, uns das erste Mal hierzu ausgetauscht haben, habe ich eine Menge gelernt: Ich kann sagen, meine Einstellung zum Schlaf und zu Erholung – persönlich, aber auch für die mehr als 22 000 MitarbeiterInnen der SAP in Deutschland, für die ich eine Verantwortung habe – hat sich doch sehr verändert. Man könnte sagen, sie hat sich professionalisiert.

Ja, meistens schlafe ich inzwischen besser, wenn auch nicht länger oder häufiger. Aber die Qualität der Erholung hat sich in derselben Zeit merklich erhöht. Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich mich schon sehr viel früher damit beschäftigt. Eine deutliche Verbesserung: Ich schlafe schneller ein! Diese relativ einfache Technik war für mich der Augenöffner.

Bei SAP versuchen wir, unsere Mitarbeitenden zu unterstützen, wo wir nur können. Dass wir unseren Ruf als vorzugswürdiger Arbeitgeber verteidigen wollen, ist klar, ebenso, wie wir wollen, dass es allen unsere Kollegen und Kolleginnen möglichst gut geht. Aber es ist nicht nur das, was mich antreibt: Schließlich heißt es völlig zu Recht »happy employees, happy customers«!

Zu ihrem Befinden und ihren Hoffnungen, Wünschen und Meinungen befragen wir unsere Kolleginnen und Kollegen regelmäßig. Dazu haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, auch gegen echte und vermeintliche Widerstände alle Probleme direkt anzugehen. Ich nenne die Methode zur Überwindung der üblichen Schwierigkeiten »SAP Doch!«. Das heißt: Wir versuchen Lösungen zu finden, auch wenn das zwangsläufig heißt, unübliche Wege zu gehen. »Outside the box« zu denken ist da der erste logische Schritt und eigentlich sowieso eine Verpflichtung für jeden Personaler, finde ich!

Dieses Buch ist aber auch noch sehr viel nützlicher für jeden Leser und jede Leserin: Besonders die praktischen Hilfen für das »Abschalten« und bessere Ein- und Durchschlafen hilft hervorragend dabei, frischer, ausgeruhter und mit einem besseren Wohlbefinden ausgestattet seine Aufgaben zu erledigen – sei es im privaten, sportlichen, beruflichen oder jedem anderen Umfeld.

Aber mehr möchte ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Ich hab mitgezählt: Es sind mehr als 20 weitere sehr konkrete Tipps, die man sich aus der Lektüre direkt mitnehmen kann und, wie ich finde, auch sollte. Das alles wissenschaftlich fundiert und so aufbereitet, dass man es schnell versteht und einfach umsetzen kann. Dafür bedanke ich mich als einer der ersten Leser. All denen, die nach mir kommen, wünsche ich mit dem Buch viel Vergnügen, erholsame Nächte und allseits aufgeladene Akkus!

Freundliche Grüße und viel Spaß beim Lesen

Cawa Younosi

Mitglied der Geschäftsleitung und Personalchef Deutschland, SAP

Wenn du am tiefsten Punkt angekommen bist,
geht es von da an nur noch bergauf 

Session 1
MEINE KRISE, MEIN AHA-MOMENT UND DER DRITTE WEG

Das grelle Quietschen der Bremsen bohrt sich in meine Ohren. Ich stehe irgendwo an einem Feldweg, und der Zug rast auf mich zu. Noch 100 Meter, 90 … Der Wind fegt über mein Gesicht, reißt die Tränen mit, die sich mit dem eiskalten Novemberregen mischen. 80, 70, keine 60 Meter mehr … Mein Herz hämmert wie ein Presslufthammer, mein Körper ist Adrenalin pur, alles wie ein Bogen gespannt auf diesen einen Moment. Diesen Moment, in dem ich mich vor den Zug stürzen werde. Alles beenden werde, die Zweifel, die Panik, die Erschöpfung. 30 Meter noch, und endlich wird Ruhe sein, Erlösung.

Etwa drei Jahrzehnte vorher, ich bin sechs Jahre alt und sitze in Norwegen vor dem Fernseher. Es ist der 7. Juli 1985, 18:26 Uhr. Ich starre auf die Mattscheibe und sehe, wie Boris Becker aufschlägt. Den kleinen gelben Filzball hochwirft, in die Knie geht, nach vorne schnellt, den Ball rüberhämmert auf die Seite von Kevin Curren. Ass, Game, Set – Match! Die Hände nach oben, von Boris in London und von mir in Norwegen. Boris ist 17 und der jüngste Gewinner von Wimbledon aller Zeiten bei dem legendärsten Tennisturnier der Welt. Boris hat es geschafft, und ich will es auch schaffen. Nicht irgendetwas: Ich will Wimbledon gewinnen. Und nicht nur so ein bisschen. In diesem Moment wird mir klar, dass es das Ziel meines Lebens ist.

Zurück in Deutschland beginne ich zu spielen, jede freie Sekunde. In den nächsten anderthalb Jahrzehnten gibt es nichts Wichtigeres: nicht die Schule, nicht die Freunde und auch nicht die Mädchen. Es gibt nur Tennis und meinen Traum. Mein Ziel.

Diesem Ziel komme ich in den nächsten Jahren immer näher. Jeden Tag Training, Hausaufgaben haben nie Prio 1. In den Ferien Tennisturniere, dann Talentsichtungen, bald werde ich in eine Fördergruppe aufgenommen. Ich werde besser und erfolgreicher, die Siege scheinen wie von selbst zu kommen. Scheinen. Schon damals investiere ich alles, was ich habe. Getriggert von meinem Wimbledon-Ziel und von Erfolgen, Pokalen und Sponsorenverträgen. Ich lerne schnell: Wenn ich investiere, gewinne ich. Und wenn ich gewinne, werde ich geliebt, beachtet und manchmal sogar bewundert. Gewinnen ist meine Eintrittskarte zum Glücklichsein. Und verlieren? Verlieren ist der Horror, bedeutet, nicht geliebt zu werden, nicht beachtet zu werden, ein Niemand zu sein. Obwohl das gar nicht stimmt. Aber in meinem kleinen Kopf, da ist es so.

Die Erfolge bleiben, ich verbringe meine Jugend unter den deutschen Top 10. Was neu ist? Verletzungen. Drei Bänderrisse, Ermüdungsbruch in zwei Rippen, Haarrisse in der Hüfte – Verletzungen sind für mich Routine, nicht die Ausnahme. All das stecke ich weg. Nur die Schulterschmerzen zunehmend weniger. Immer wieder Spritzen, mehrwöchige Pausen, die mich zurückwerfen. Wir sprechen über eine OP, die Ärzte raten ab, weil der Oberarmknochen, der dabei abgeschabt werden müsste, in diesem jungen Alter wahrscheinlich wieder nachwachsen würde. Irgendwann ist klar: Es ergibt keinen Sinn. Mein Traum ist am Ende, und ich bin es zum ersten Mal auch in meinem Leben.

Einen Plan B hatte es nie für mich gegeben, und die erste Zeit nach der Entscheidung ist hart. Hart, aber auch eine große Erleichterung. Auf einmal ist alles weg: der Verzicht. Die Hektik. Die Verletzungen, Arztbesuche und Reha-Phasen. Der Schmerz nach den Niederlagen und vor allem: der Druck. Der Druck, den ich mir meine ganze Kindheit und Jugend lang gemacht hatte, war mit einem Schlag weg. Mein Ass zur Befreiung.

Ich genieße in den vier Monaten nach dem Abitur das Münchner Nachtleben. Es ist großartig, es ist unbeschwert, es ist die vielleicht beste Zeit in meinem Leben. Bis dahin. Danach Bundeswehr und Frust über die Eintönigkeit der Aufgaben. Ich entscheide mich für ein BWL-Studium, der Aufnahmetest läuft mega, ich kriege einen Platz an meiner Wunsch-Uni. Back on track.

Das Studium geht los und ich all in. Lernen, Sport, immer früh aufstehen und Schlaf sparen, damit ich unter der Woche ranklotzen und am Wochenende freihaben kann. Praktika in vielen verschiedenen Branchen, aber nichts packt mich so richtig. Dann aber am Ende des Studiums Unternehmensberatung bei der Strategieberatung Roland Berger, spannend. Sehr ambitionierte Leute, alles ein bisschen wie Leistungssport. Ich schreibe die Diplomarbeit und fange bei Berger an. An meinem ersten Arbeitstag höre ich von meinem Projektleiter: Wenn du in den ersten zwölf Monaten Urlaub und mehr als vier Stunden Schlaf pro Nacht brauchst, bist du hier fehl am Platz. Okay, dachte ich, wenn das die Spielregeln sind, lass uns spielen! Immer Vollgas und Adrenalin, schwächeln gibt’s nicht. Wie früher. Und wie früher wird mein altes »Immer gewinnen«-Gen wieder aktiviert. Drei spannende Jahre, ich lerne viele tolle Menschen kennen. Manche sind bis heute meine Freunde – keine Selbstverständlichkeit, gerade in diesem Gewinnenmüssen-Umfeld.

Nach drei intensiven Jahren wechsle ich zu einem meiner Klienten, werde jüngster Manager in der Geschäftsleitung. Viele Reisen, viele Freiheiten, genau die richtige Mischung. Ich genieße die Zeit und schaue immer wieder mal auf meine Karriere-Checkliste: Berater – check. Manager – check. Unternehmer – das fehlt noch. Und damit ist mein nächstes Ziel klar: eine eigene Firma. Wie früher Wimbledon. Und wie früher im Tennis verfolge ich das neue Ziel mit aller Konsequenz. Ich recherchiere, und nach einigen Wochen steht die Idee und die Roadmap. Ich habe neun lange Monate Kündigungsfrist, aber für mich muss jetzt alles schnell gehen. Deshalb mein Entschluss und größter Fehler meines Lebens: Ich schlafe ab jetzt nur noch zwei Stunden pro Nacht. Tagsüber 12/13 Stunden Managerjob, ab 21 Uhr bis 4 Uhr dann die ­Arbeit am Start-up. Schlaf: von 4 bis 6 Uhr. Und dann wieder Vollgas von vorne.

Eine Weile läuft das, und es fühlt sich gut an. Ehrgeiz, Leidenschaft und, was ich heute weiß und damals noch nicht, Cortisol im Überfluss. Wie gesagt, das weiß ich heute. Damals nicht. Und was damals auch keiner weiß, der mich trifft: Ich bin am Ende. Nach außen nicht, da trifft jeder den erfolgreichen Business-Chris, der mit einer Aktion während der WM 2014 mit seinem Start-up sogar in den Spiegel kommt. Innerlich aber bin ich nach mehr als 13 Monaten mit nur zwei Stunden Schlaf körperlich und seelisch komplett zerstört. Dazu steigt der finanzielle Druck. Das Start-up geht nicht so durch die Decke wie geplant. Das Geld wird weniger und der Schlaf auch, obwohl sogar wieder mehr Zeit wäre. Irgendwann esse ich kaum mehr, Kraft für Sport habe ich schon gar nicht. Dafür jeden Mittag 39 Grad Fieber und 18 Stunden am Schreibtisch ohne einen sinnvollen Gedanken. Dazu völliges Chaos und ein Lärm in meinem Kopf, der lauter und lauter und lauter wird wie ein ICE, der heranrast. Stoppen kann ich ihn nur, wenn ich meinen Kopf gegen eine Wand donnere. Ja, genau: Ich donnere den Kopf gegen die Wand, um kurz Ruhe zu haben.

Meine Frau und ich trennen uns, andere Frauen kommen, die richtigen sind es nicht. Ich liege alleine um 3 Uhr morgens auf dem kalten Boden im dunklen Badezimmer und weine. Nein, ich heule, mit Krämpfen, bis nichts mehr in mir drin ist. Dann kommen diese Gedanken, die ich am Anfang immer wieder verwerfe. Diese Gedanken, die irgendwann immer konkreter werden. Die mich irgendwann an einem kalten Novembertag auf einem Feldweg am Gleis stehen lassen. Bereit, allein, nur mein Hund Karli ist dabei. Ich wollte ihn nicht mitnehmen. Aber ich brauchte irgendjemanden an meiner Seite, gerade für diesen Moment.

Der Zug ist nur noch zehn Meter entfernt, und auf einmal ist das Gesicht des Zugführers deutlich zu erkennen. Augen groß, die Panik darin noch größer. Weniger als zehn Meter, fallen lassen – mein Hund Karli fängt an, laut zu bellen. Ich drehe mich noch mal zu ihm um und schaue in seine treuen braunen Knopfaugen. Sein liebevoller Blick trifft mich bis ins Mark und erinnert mich daran, wie einfach und schön das Leben ist. Ich weiche zurück, der Zug donnert vorbei. Vorbei. Ich sinke auf die Knie. Nicht wie Becker in Wimbledon. Sondern einfach nur fertig.

Der Tiefpunkt meines Lebens ist auch der Wendepunkt. Ich treffe in den nächsten Monaten hervorragende Experten, die mir helfen. Nicht sofort, aber irgendwann kriegt mich einer mit dem Satz: »Burnout kriegen nur die Allerbesten.« Damit hat er mich. Stimmte natürlich so nicht, doch mir hilft es in diesem Augenblick. Ich erhole mich schnell, komme Schritt für Schritt zurück ins Leben.

Alles schien wieder zu laufen, doch ein Problem ist geblieben: Ich bin müde. Immer müde. Und das, obwohl ich längst nicht mehr zwei Stunden schlafe, sondern sechs, sieben oder manchmal auch neun Stunden. Egal wie lange, ich bin immer platt.

Ich mache mich auf die Suche und finde etwas. Es nennt sich Schlafarchitektur. Die Zusammensetzung unseres Schlafs in Phasen wie Leichtschlaf, REM-Schlaf und Tiefschlaf. Ich lese und lese und bin fasziniert. Ich verschlinge jedes Buch, jede Studie, jeden Internetartikel. Alles, was ich finden kann. Nicht nur zum Thema Schlafphasen. Auch alles, was irgendwie damit zusammenhängt, vor allem, wie unser Gehirn und autonomes Nervensystem funktioniert. Ich erkenne bald, dass ich es über die Jahrzehnte – und vor allem während meiner Start-up-Zeit – verlernt habe, abzuschalten. Racing Mind, das war mein Normalzustand. Diese Stimme im Hinterkopf: »Du kannst dich noch nicht ausruhen, es gibt noch zu viel zu tun. Läuft deine Firma denn schon? Gibst du dich damit schon zufrieden? Ist das alles? Gib endlich Gas, sonst wird dich keiner ernst nehmen.« Wie das Pferd Boxer in Animals Farm, das sich zu Tode ackert und nur eine Antwort kennt: »I will work harder.« Ich bin noch immer ständig auf Sendung und habe verlernt, Switch OFF oder gar Reset zu drücken. 24/7 ist die Formel meines Lebens. Bis ich die Tiefschlaf-Formel finde.

Die Tiefschlaf-Formel werden wir später gemeinsam entdecken. Hier nur meine größte Erleuchtung: 90 Minuten statt 24/7. Mit dieser Entdeckung beginnt ein Mindset-Shift, den ich in einem meiner wichtigsten Social Media Posts festhalte. In Clifton Beach in Südafrika war das.

Mein Aha-Moment: Schlaf ist das neue Statussymbol. Schlaf ist kein Zeichen von Schwäche oder gar Zeitverschwendung. Er ist Zeichen von Erfolg und Voraussetzung für Performance und Exzellenz. Auf einmal ist mir klar geworden: Man muss sich nicht für Schlaf und gegen Erfolg entscheiden. Wie auch immer man Erfolg für sich selbst definiert: Es gibt einen dritten Weg – und den will ich mit dir gemeinsam gehen.

Dieser dritte Weg ist einer der entscheidenden Teile der Tiefschlaf-Formel. Ihn kann jeder gehen. Nicht nur Manager, Berater oder Spitzensportler. Sondern alle, die Leistung bringen. Also Mütter, Schichtarbeiter, Piloten, Ärztinnen, junge Familien, Senioren. Tiefschlaf ist Energie, und Energie braucht jeder von uns.

Heute darf ich als Performance Recovery und Schlaf-Coach Unternehmern, Top-Managern, Unternehmensberatern und Leistungssportlern auf der ganzen Welt helfen, ihr Energielevel, ihre Leistungsfähigkeit und ihre Gesundheit langfristig auf einem hohen Niveau zu halten. Das ist meine Mission. Das treibt mich an: Mit der Tiefschlaf-Formel können wir unser Leben verbessern. Und zwar ohne dass wir es komplett umkrempeln müssen. Das unterscheidet dieses Buch von klassischen Schlafratgebern: Das hier ist realistisch. Einfach umsetzbar. Und basiert auf streng wissenschaftlichen, physiologischen Erkenntnissen, die uns entscheidende Strategien an die Hand geben, um unseren Schlaf auf ein neues Level zu bringen. Das hier ist nicht der Ratgeber für die besonders Disziplinierten. Für die auch. Aber wichtiger noch ist es, die Grundlagen zu verstehen und mit effizienten und effektiven Methoden die Reise zu mehr Tiefschlaf zu beginnen.

Diese Reise werden wir in verschiedenen Etappen miteinander gehen – ich habe sie in einer Skizze zusammengefasst:

Noch sagt dir dieses Bild nicht viel. Aber keine Sorge, das wird sich ganz schnell ändern. Wir gehen jetzt gemeinsam die einzelnen Elemente der Tiefschlaf-Formel durch, Schritt für Schritt. Mit jeder einzelnen Session wird das Puzzle vollständiger. Und am Ende siehst du diese Skizze mit ganz anderen Augen. Sie fügt sich zu einem großen Ganzen zusammen – zu deiner ganz persönlichen Tiefschlaf-Formel. (Auf www.tiefschlaf-formel.de/bonus kannst du dir das Bild auch kostenlos runterladen und ausdrucken.)

Wir werden auf unserer Reise viele Strategien kennenlernen. Meine Empfehlung: Mach dir beim Lesen immer wieder Notizen, welche dieser Strategien für dich im Moment die größte Bedeutung haben. Du findest hierfür eine Liste auf der allerletzten Seite des Buchs. Wir werden diesen Liste am Ende für unsere 14-Tage-Tiefschlaf-Challenge brauchen.

Wir werden über alle Schlafphasen sprechen. Doch wir fokussieren uns auf den Tiefschlaf, weil du damit innerhalb von wenigen Tagen dein Energielevel grundlegend verändern kannst. Es geht dabei nicht nur darum, warum Tiefschlaf so wichtig ist, sondern vor allem auch darum, wie wir mehr Tiefschlaf kriegen. Wie wir schneller einschlafen, besser durchschlafen und unseren eigenen, persönlichen Schlafrhythmus finden. Das ist der Schlüssel zu mehr Energie, Kreativität, Gesundheit und Freude im Leben.

Das Faszinierende: Wachsein und Schlafen hängen untrennbar zusammen. Wir besprechen daher auch, wie wir energiegeladener, fokussierter und wacher werden, wenn wir nicht schlafen. Und was wir wie vermeiden können, ohne dass unsere Lebensqualität in irgendeiner Form sinkt. Das ist mir wichtig: Wir brauchen uns nicht einzuschränken und zu quälen. Im Gegenteil, wir werden sehen, wie unfassbar viel Spaß es machen wird, mehr Tiefschlaf zu bekommen. Das war eine meiner ersten Erkenntnisse, die mich inspiriert hat: Schlafen ist keine Zeitverschwendung, sondern das beste Investment, das wir in unserem Leben machen können. Weil wir dadurch so viel mehr von unserem Leben haben. Und deshalb freue ich mich, dass ich dich auf diesem Weg begleiten darf. Lass uns loslegen – es wird eine spannende Reise.