Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Redaktionsstand: 15.12.2020

 

eISBN 978-3-7869-1302-3

 

© 3., überarbeitete Auflage, 2021 by Maximilian Verlag, Hamburg

Ein Unternehmen der

Alle Rechte vorbehalten.

 

Layout und Produktion: Inge Mellenthin

Umschlaggestaltung: Marisa Tippe

ePub Konvertierung: Datagrafix GmbH

Inhalt

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

DIE AUTOREN

VORWORT DER AUTOREN ZUR 3. AUFLAGE

1EINLEITUNG

1.1Begriff, Wesen und Bedeutung des Arbeitsrechts

1.2Gegenseitige Interessen im Arbeitsrecht

1.3Arbeitnehmereigenschaft, Arbeitgebereigenschaft

2GRUNDLAGEN

2.1Personen im Rechtsleben, Beschäftigungsgruppen im öffentlichen Dienst, Doppelfunktion der öffentlichen Arbeitgeber

2.2Wesentliche Unterscheidungsmerkmale zwischen privatrechtlichem Arbeitsverhältnis und Beamtenverhältnis

2.3Gliederung des Arbeitsrechts, Rechtsquellen, Normenpyramide

2.4Besonderheit des „Günstigkeitsprinzips“

3KOLLEKTIVES ARBEITSRECHT

3.1Verfassungsrechtlicher Auftrag des kollektiven Arbeitsrechts

3.2Tarifvertragsparteien und -partner des TVöD

3.3Tarifbindung

3.4Betriebs- und Dienstvereinbarung

4BETEILIGUNGSRECHTE UND -PFLICHTEN

4.1Beteiligung nach dem LPVG

4.1.1Systematik Des Lpvg

4.1.2Formen der Beteiligung

4.1.3Verfahren der Beteiligung

4.2Beteiligung nach dem LGG

4.3Beteiligung nach dem SGB IX

5ANBAHNUNG VON ARBEITSVERHÄLTNISSEN

5.1Stellenausschreibung

5.2Auswahlverfahren, Informationspflichten, Folgen von Falschauskünften

6BEGRÜNDUNG VON ARBEITSVERHÄLTNISSEN

6.1Zustandskommen von Verträgen nach dem BGB

6.2Abschluss des Arbeitsvertrags, Formerfordernisse

6.3Anfechtung von Arbeitsverträgen, Nichtigkeit, Rechtsfolgen

6.4Befristung von Arbeitsverträgen

7RECHTE UND PFLICHTEN IM ARBEITSVERHÄLTNIS

7.1Hauptpflichten

7.1.1Hauptpflicht des Arbeitnehmers

7.1.2Rechtsgrundsatz „Lohn ohne Arbeit“

7.1.3Hauptpflicht des Arbeitgebers

7.2Nebenpflichten

7.2.1Treuepflichten (Nebenpflichten des Arbeitnehmers)

7.2.2Fürsorgepflichten (Nebenpflichten des Arbeitgebers)

7.3Folgen von Pflichtverletzungen

7.4Recht der Leistungsstörung im Arbeitsverhältnis

7.5Besondere Arbeitnehmerschutzrechte

7.5.1Berufsbildungsgesetz (BBiG), Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) und Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)

7.5.2Mutterschutzgesetz (MuSchG)

7.5.3Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG)

7.5.4Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX)

7.5.5Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und Familienpflegezeitgesetz (FPfZG)

7.5.6Arbeitsplatzschutzgesetz (ArbPlSchG)

8BEENDIGUNG VON ARBEITSVERHÄLTNISSEN

8.1Kündigung

8.1.1Ordentliche Kündigung

8.1.2Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

8.1.2.1Verhaltensbedingte Kündigung und Abmahnung

8.1.2.2Personenbedingte Kündigung

8.1.2.3Betriebsbedingte Kündigung

8.1.3Außerordentliche Kündigung

8.1.4Änderungskündigung

8.2Kündigungsschutz

8.2.1Allgemeiner Kündigungsschutz

8.2.2Besonderer Kündigungsschutz

8.2.2.1Kündigungsschutz für Auszubildende

8.2.2.2Kündigungsschutz für werdende Mütter und Mütter kurz nach der Entbindung

8.2.2.3Kündigungsschutz für Arbeitnehmer während der Elternzeit

8.2.2.4Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer

8.2.2.5Kündigungsschutz für Arbeitnehmer während der Pflegezeit

8.2.2.6Kündigungsschutz für Wehr- und Zivildienstleistende

8.2.2.7Kündigungsschutz für Betriebs- und Personalratsmitglieder

8.2.3Kündigungsschutzverfahren

8.3Sonstige Beendigungstatbestände

8.3.1Anfechtung

8.3.2Auflösungsvertrag

8.3.3Befristungsablauf

8.3.4Renteneintritt

8.3.5Tod des Arbeitnehmers

8.4Arbeitszeugnis

9LÖSUNGSHINWEISE

9.1Lösungshinweise zu den Übungsfällen

9.2Lösungshinweise zu den Wiederholungsfragen

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abs.

Absatz

AGG

Allgemeines Gleichstellungsgesetz

Alt.

Alternative

ArbPlSchG      

Arbeitsplatzschutzgesetz

ArbZG

Arbeitszeitgesetz

Art.

Artikel

ASiG

Arbeitssicherheitsgesetz

BAG

Bundesarbeitsgericht

BBiG

Bundesbildungsgesetz

BEEG

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BUrlG

Bundesurlaubsgesetz

bzw.

beziehungsweise

d. h.

das heißt

EFZG

Entgeltfortzahlungsgesetz

f.

folgende

ff.

fortfolgende

FPfZG

Familienpflegezeitgesetz

GdB

Grad der Behinderung

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

i. V. m.

in Verbindung mit

JArbSchG

Jugendarbeitsschutzgesetz

KSchG

Kündigungsschutzgesetz

lat.

lateinisch

LPVG

Landespersonalvertretungsgesetz

MuSchG

Mutterschutzgesetz

Nr.

Nummer

o. g.

oben genannt/e/r

PflegeZG

Pflegezeitgesetz

Pkw

Personenkraftwagen

s. o

siehe oben

sog.

sogenannte/e/r

SGB III

Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung

SGB V

Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung

SGB VI

Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung

SGB IX

Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe

SGB XII

Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe

TVAöD

Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes

TVG

Tarifvertragsgesetz

TVöD

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst

TzBfG

Teilzeit- und Befristungsgesetz

u. a.

unter anderem

vgl.

vergleiche

z. B.

zum Beispiel

ZDG

Zivildienstgesetz

DIE AUTOREN

Sven Brüggenhorst

Nach dem Abitur im Jahr 1986 trat Sven Brüggenhorst in den Vorbereitungsdienst eines nordrhein-westfälischen Kreises ein. Nach erfolgreichem Abschluss erlernte er u. a. die Personalsachbearbeitung „von der Pike auf“. Es folgten Leitungspositionen mit der Querschnittsverantwortung für den Personalbereich bei einer Kreispolizeibehörde, einer Kommunalverwaltung und einer Mischbehörde. Nach mehr als zwanzig Jahren der nebenamtlichen Dozententätigkeit, u. a. in den Fächern „Arbeits- und Tarifrecht“ bzw. „Recht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes“ und „Personalmanagement“ an Studieninstituten und der FHöV NRW, übernahm er im Jahr 2014 die hauptamtliche Studienleitung und Geschäftsführung des Studieninstituts für kommunale Verwaltung Hellweg-Sauerland in Soest. Sein besonderes Augenmerk richtet er auf eine zeitgemäße und zielgruppenorientierte Didaktik und Unterrichtsgestaltung.

Hartmut Knack

Der Autor Hartmut Knack begann seinen Vorbereitungsdienst für die mittlere Beamtenlaufbahn (heute sog. Laufbahngruppe 1, zweites Einstiegsamt) 1989 bei der Bundesstadt Bonn und schloss sie 1991 ab. Von 1995 bis 1998 besuchte er im Rahmen des sog. Aufstiegs die FHöV NRW, Abteilung Köln. Herr Knack war fast während seiner gesamten praktischen Tätigkeit im Personalbereich der Bundesstadt Bonn eingesetzt und bearbeitete dort Aufgabenbereiche wie die Genehmigung und Abrechnung von Dienst- und Fortbildungsdienstreisen, die tarifrechtliche Sachbearbeitung, die Einstellung und Betreuung von Praktikanten sowie die Einführung und Betreuung des jährlichen Mitarbeitergesprächs. Von Oktober 2008 bis Februar 2016 war Knack Ausbildungsleiter der Bundesstadt Bonn. Seit März 2016 unterrichtet er in Vollzeit in den Fächern Beamtenrecht sowie Arbeits- und Tarifrecht am Rheinischen Studieninstitut für kommunale Verwaltung in Köln. Von 2007 bis 2016 hatte er diese Aufgabe nebenamtlich wahrgenommen.

André Mangion

André Mangion wurde bei der Stadt Mülheim an der Ruhr zum Verwaltungsfachangestellten ausgebildet. Parallel zum nachfolgenden Besuch des Angestelltenlehrgangs II studierte er Betriebswirtschaftslehre mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann (FH). Diesem ließ er ein wirtschaftsrechtliches Masterstudium (LL. M.) folgen. Mangion blickt auf mehr als ein Jahrzehnt personalwirtschaftlicher Praxis zurück, zuletzt als Gruppenleiter für Personal, Organisation und Recht. Nach langjähriger nebenamtlicher Lehrtätigkeit an verschiedenen öffentlichen Bildungseinrichtungen ist Mangion heute als Geschäftsführer und stellvertretender Studienleiter am Studieninstitut für kommunale Verwaltung der Stadt Duisburg tätig.

VORWORT DER AUTOREN ZUR 3. AUFLAGE

 

Liebe Leserinnen, lieber Leser,

das vorliegende Lehrbuch wendet sich an Sie als Teilnehmerinnen und Teilnehmer an nordrhein-westfälischen Studieninstituten. Es soll Ihnen mit verständlichen Erläuterungen, praxisnahen Beispielen und anschaulichen Grafiken den Einstieg in die Inhalte des Fachs Arbeits- und Tarifrecht erleichtern und Sie unterstützen.

Als langjährige Dozenten haben wir, die Autoren dieses Buchs, uns nicht nur an den aktuellen Lehr- und Stoffverteilungsplänen orientiert, sondern besonderen Wert auf eine passgenaue Klausur- und Prüfungsvorbereitung gelegt. Anhand zahlreicher Übungs- und Wiederholungsfragen haben Sie Gelegenheit, Ihren Lernfortschritt in regelmäßigen Abständen selbst zu hinterfragen.

In der vorliegenden 3. Auflage haben wir die Ausführungen an verschiedenen Stellen aktualisiert und vertieft.

Dieses Buch soll in erster Linie Ihren Lern- und Übungsbedürfnissen gerecht werden. Um diesem Anspruch entsprechen zu können, laden wir Sie auch bei dieser Auflage wieder dazu ein, uns Ihre Rückmeldung zuzuleiten. Denn weiterhin gilt: Auch Autoren lernen dazu! Wenn Sie mit konstruktiver Kritik an der Fortentwicklung dieses Werkes mitwirken wollen, können Sie uns unter atr-nrw@t-online.de entsprechende Hinweise zukommen lassen. Den nachstehenden Klammerzusätzen können Sie entnehmen, welcher Autor für welches Kapitel Ihr richtiger Ansprechpartner ist. Für Ihre Anregungen bedanken wir uns im Voraus.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und Vergnügen bei Ihrer „Reise“ ins Arbeits- und Tarifrecht – ein Unterrichtsfach, dessen Inhalte Sie in Ihrem beruflichen Alltag in besonderem Maße begleiten werden.

 

Unna, Rheinbach, Mülheim an der Ruhr im Januar 2021

Sven Brüggenhorst

(Kapitel 1–4)

Hartmut Knack

(Kapitel 5–6)

André Mangion

(Kapitel 7–8)

1EINLEITUNG

1.1BEGRIFF, WESEN UND BEDEUTUNG DES ARBEITSRECHTS

In der Bundesrepublik Deutschland leben rund 83 Millionen Menschen. Der Lebensstandard in unserem Land ist – auch im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn – sehr hoch. Gute Lebensbedingungen, eine ordentliche Infrastruktur und eine angemessene soziale Sicherung gibt es jedoch nicht geschenkt: Die „arbeitende Bevölkerung“ trägt durch ihren Anteil am Sozialprodukt und damit am Steueraufkommen ganz entscheidend zur Sicherung unseres Gemeinwesens bei.

Im Juli 2019 gingen in Deutschland gut 45 Millionen Menschen einer Erwerbstätigkeit nach. Doch was war mit den anderen 38 Millionen Menschen?

Es versteht sich von selbst, dass Kleinkinder, schulpflichtige Jugendliche, Personen im Rentenalter oder gesundheitlich dauerhaft eingeschränkte Menschen nicht zu den Erwerbstätigen gerechnet werden können. Darüber hinaus waren 2,3 Millionen Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit oder den Jobcentern arbeitssuchend gemeldet.

Schaut man sich die Gruppe der Erwerbstätigen nochmals genauer an, kann man zwischen Selbstständigen, nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (z. B. Beamten, Richtern und Soldaten) und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unterscheiden. Die letztgenannte Gruppe ist aktuell mit 33,6 Millionen Menschen mit Abstand die größte.

Daher ist dieses Lehrbuch den rechtlichen Rahmenbedingungen der Arbeitsverhältnisse dieser Menschen gewidmet.

Spricht man von „Arbeitsrecht“, so muss man konstatieren, dass es leider nicht das „eine“ Gesetz gibt, in dem alles Notwendige zusammengefasst und geregelt wird. Und wenn man in diesem Zusammenhang über die Stichworte „Recht“ und „Gesetz“ nachdenkt, kann man sich natürlich auch fragen, was denn der Gesetzgeber nun überhaupt mit Arbeitsverhältnissen zwischen Vertragsparteien zu schaffen hat. Dazu sollte man wissen, dass wir in Deutschland in einer „sozialen Marktwirtschaft“ leben. Das ist im Grundgesetz, unserer Verfassung, so festgelegt. Dies unterscheidet uns von anderen Industrienationen, wo teilweise ein lupenreiner „Raubtierkapitalismus“ vorherrscht. „Hire and fire“ ist dort an der Tagesordnung.

Was bedeutet aber nun die Geltung der „sozialen Marktwirtschaft“ für das Arbeitsrecht?

Schon den Mitgliedern des Parlamentarischen Rats, also quasi den Autoren des Grundgesetzes, war klar, dass diejenigen, die über kein anderes Kapital verfügen als ihre Arbeitskraft, in einer wirtschaftlich deutlich schwächeren Position sind als diejenigen, die über Produktionsmittel und anderes Kapital verfügen. So ist das Sozialstaatsprinzip als unveränderliches Staatsformmerkmal in unserer Verfassung (siehe Art. 20 GG) verankert worden.

In Bezug auf das Arbeitsrecht bedeutet das ganz konkret, dass der Gesetzgeber durch das Schaffen rechtlicher Rahmenbedingungen für einen Interessenausgleich, für Chancengleichheit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sorgen muss. Und weil sich die Arbeitnehmer in einer schwächeren wirtschaftlichen Situation befinden als die Arbeitgeber, handelt es sich beim Arbeitsrecht vornehmlich um Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer.

Der praxisgerechten Darstellung dieser Vorschriften ist dieses Fachbuch gewidmet. Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form verwendet. Selbstverständlich beziehen sich die Ausführungen auf die Angehörigen beider Geschlechter.

1.2GEGENSEITIGE INTERESSEN IM ARBEITSRECHT

Arbeitgeber (siehe auch Kapitel 1.3), also diejenigen, die über die Produktionsmittel verfügen und meist auch das unternehmerische Risiko tragen, und Arbeitnehmer (siehe auch Kapitel 1.3), also diejenigen, die ihre Arbeitskraft einsetzen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, haben unterschiedliche, ja teils sogar gegensätzliche Interessen.

Am deutlichsten wird das natürlich bei der Vergütung für die Arbeitsleistung, also beim Lohn:

Während der Arbeitnehmer selbstverständlich möglichst viel Geld für seine Arbeitsleistung erhalten möchte, liegt es im Bestreben des Arbeitgebers, diese Arbeitsleistung möglichst günstig zu erhalten.

Arbeitnehmer möchten ihren Lohn auch während ihres Urlaubs oder während eines krankheitsbedingten Ausfalls bekommen, Arbeitgeber aber nur bei tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung Lohn bezahlen.

Während die Arbeitgeber ihren Personalbestand möglichst frei reduzieren können möchten, sind Arbeitnehmer an einem sicheren Arbeitsverhältnis und Schutz vor Kündigungen interessiert.

Auch möchten die Arbeitgeber im Rahmen ihres Direktionsrechts (s. u.) betriebliche Abläufe und Entscheidungsprozesse weitestgehend selbst bestimmen, wohingegen Arbeitnehmer an einer Begrenzung dieses Rechts und an betrieblicher Mitbestimmung (siehe Kapitel 4) interessiert sind.

Diese Aufzählung ließe sich unter Nennung zahlreicher weiterer Aspekte (Urlaubsansprüche, Arbeitssicherheit, Pausenregelungen, Sonderzahlungen usw.) beliebig fortsetzen.

Es stellt sich angesichts der obigen Aufzählung teils völlig gegensätzlicher Interessen dann natürlich die Frage, wie man hierfür einen für alle Seiten akzeptablen, gemeinsamen Nenner finden kann. Dass dies möglich ist, zeigen die mehr als 33 Millionen in unserem Land geschlossenen Arbeitsverträge. Allerdings erfolgt diese Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht völlig frei von äußerer Einflussnahme. Der Gesetzgeber hat für viele Bereiche allgemeingültige Rahmenbedingungen geschaffen, die beim Eingehen eines jeden Arbeitsverhältnisses somit gesetzlich normierten Standard darstellen (siehe auch Kapitel 2.3).

Das bekannteste aktuelle Beispiel hierfür ist die gesetzliche Festlegung eines Mindestlohns von zurzeit 9,50 € pro Stunde (Stand: 01.01.2021) bzw. 10,45 € ab dem 01.07.2022. Auch der Mindesturlaubsanspruch ist gesetzlich festgelegt und beträgt aktuell 20 Urlaubstage bei einer Fünftagewoche, also vier Wochen pro Jahr.

FALL 1.1

Versuchen Sie einmal herauszufinden, welche Mindestdauer der Gesetzgeber für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeitnehmer vorgesehen hat!

Wissen Sie auch, wie viele Stunden Sie pro Woche maximal arbeiten dürfen?

1.3ARBEITNEHMEREIGENSCHAFT, ARBEITGEBEREIGENSCHAFT

Nachdem dieses Begriffspaar in den vorangegangenen Abschnitten bereits mehrfach verwendet wurde, ist es nun vonnöten, es inhaltlich konkret zu bestimmen, d. h. zu definieren.

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags in persönlicher Abhängigkeit für einen anderen gegen Entgelt unselbstständige Dienste leistet.

Leider ist diese gängige Definition nicht selbsterklärend, sondern bedarf einiger Erläuterungen.

Da ist zunächst der Begriff des „privatrechtlichen Vertrags“. Ausführlich wird dieses Thema in Kapitel 6 (Begründung des Arbeitsverhältnisses) behandelt werden. An dieser Stelle sei jedoch bereits gesagt, dass es sich bei einem Arbeitsvertrag um einen Vertrag nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) handelt. Der Arbeitsvertrag gilt als Unterform eines sog. Dienstvertrags und ist in § 611 a BGB geregelt (bitte nachlesen!).

Unter „persönlicher Abhängigkeit“ versteht man, dass der Arbeitnehmer in den Betrieb des Arbeitgebers und dessen Organisation eingegliedert ist. Auch ist er an die Weisungen des Arbeitgebers gebunden. Für die Definition des Begriffs der „Weisungsgebundenheit“ wendet man eine Vorschrift aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) analog an. Danach ist derjenige weisungsgebunden, der seine Tätigkeit nicht frei gestalten kann und nicht frei über Zeit, Dauer und Ort seines Arbeitseinsatzes bestimmen kann. Üblicherweise setzt der Arbeitnehmer auch seine ganze Arbeitskraft für ein und denselben Arbeitgeber ein.

Das letztgenannte Kriterium ist allerdings von der Realität ein wenig überholt worden.

So beträgt die Anzahl der Arbeitnehmer mit geringfügig entlohntem Nebenjob seit Jahren rund 2,5 Millionen. Dennoch besteht in den allermeisten Fällen überhaupt kein Zweifel daran, dass diese Personen abhängig beschäftigt sind.

Mitunter fällt die Unterscheidung zwischen Unselbstständigen, also Arbeitnehmern eines Betriebs, und sog. „freien Mitarbeitern“ (Selbstständigen) etwas schwer.

Anhand der tabellarischen Darstellung sollte Ihnen eine Unterscheidung möglich sein:

Der Begriff des Arbeitnehmers stellt einen Oberbegriff dar. Man kann darunter Arbeiter und Angestellte fassen. Unter Arbeitern versteht man Personen, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten. Die Arbeit von Angestellten ist von überwiegend geistiger Tätigkeit geprägt.

Im Bereich des öffentlichen Dienstes hat diese Unterscheidung jedoch an Bedeutung verloren. In dem für den öffentlichen Dienst bei den Kommunen einschlägigen Tarifvertrag, dem TVöD, wird nicht mehr zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert. Es ist nur noch von einer Gruppe die Rede, nämlich von den Beschäftigten.

Eine gewisse Sonderstellung innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer nehmen die sog. „leitenden Angestellten“ ein. Dies können z. B. Geschäftsführer, Betriebsleiter oder Prokuristen sein. Die Besonderheit bei den leitenden Angestellten besteht darin, dass sie sich selbst in einem abhängigen Arbeitsverhältnis befinden, aber zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt sind (§ 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgeset; bitte nachlesen!). Für diese Personen finden beispielsweise die Schutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes keine Anwendung (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG). Auch bezüglich des Kündigungsschutzes gelten für diese Personen gewisse Einschränkungen (§ 14 Abs. 2 KSchG).

Einen echten Sonderstatus innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer genießen die Auszubildenden. Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) enthält zahlreiche Schutzvorschriften zum Wohle der zur Ausbildung beschäftigten Personen.

Die Definition des Arbeitgeberbegriffs ist hingegen weit weniger komplex. Es handelt sich hierbei nämlich nur um das Korrelat zum Arbeitnehmerbegriff.

Arbeitgeber ist, wer mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt.

Arbeitgeber können zum einen natürliche Personen, also Menschen, oder zum anderen auch sog. juristische Personen sein. Hierzu erfahren Sie mehr im nächsten Kapitel.

5ANBAHNUNG VON ARBEITSVERHÄLTNISSEN

Unter dem Stichwort Anbahnung des Arbeitsvertrags betrachtet man den Prozess bzw. die einzelnen Verfahrensschritte, die im Ergebnis dazu führen, dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wird.

5.1STELLENAUSSCHREIBUNG

Bevor ein Arbeitgeber eine Stellenausschreibung veröffentlicht, wird er intern ermitteln, ob überhaupt ein Bedarf besteht, und ggf. ein Anforderungsprofil entwerfen. Hierbei wird festgelegt, welche Voraussetzungen der Bewerber bzw. die Bewerberin erfüllen sollte, um eingestellt werden zu können. Beispiele hierfür könnten der Schulabschluss, die Berufsausbildung und die Berufserfahrung sein.

Mit einer Stellenanzeige macht ein Arbeitgeber auf eine bei ihm vorhandene Beschäftigungsmöglichkeit aufmerksam und fordert die Leserinnen und Leser zu einer Bewerbung auf. Es ist hierbei völlig unerheblich, wo die Anzeige veröffentlicht wird. Im Regelfall werden die Stellenausschreibungen im Internet, in verschiedenen Tageszeitungen und hausintern (z. B. „schwarzes Brett“) veröffentlicht.

Der Arbeitgeber entscheidet bei der Formulierung der Stellenausschreibung selbst, wie ausführlich die dort enthaltenen Informationen sein sollen. Üblich sind kurze Angaben zum Unternehmen, eine Beschreibung der auszuübenden Tätigkeit und die beabsichtigte finanzielle Vergütung der Tätigkeit.

Rechtsverbindliche Erklärungen zum Abschluss oder zum Inhalt des Arbeitsvertrags enthält eine Stellenanzeige nicht, da sie lediglich eine Aufforderung zur Bewerbung darstellt. Arbeitnehmer können also regelmäßig keine Ansprüche aus dem Ausschreibungstext ableiten.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitsplatz nicht nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben, es sei denn, dass ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für eine bestimmte Tätigkeit ist. Die Ausschreibung muss also so formuliert sein, dass sie kein Geschlecht benachteiligt. Dies wird durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gefordert, dessen Ziel es ist, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Diese Ziele finden gemäß § 2 AGG u. a. auch Anwendung auf die Personalauswahl der Unternehmen.

Eine nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung führt gemäß § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dazu, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet wird und deshalb das ausschreibende Unternehmen nachweisen muss, dass aufgrund des Geschlechts niemand benachteiligt worden ist, dass also das Geschlecht bei der Auswahl überhaupt keine Rolle gespielt hat. Kann ein Unternehmen diesen Nachweis nicht erbringen, kann für nicht berücksichtigte Bewerber ein Schadensersatzanspruch entstehen, der im Regelfall mit drei Monatsgehältern beziffert wird. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist jedoch bei sog. Scheinbewerbungen ausgeschlossen, d. h., dass der Bewerber ggf. glaubhaft darlegen muss, dass er ein wirkliches Interesse an der ausgeschriebenen Stelle hatte, um einen Schadensersatzanspruch geltend machen zu können.

Vor der Veröffentlichung der Stellenausschreibung erhält der Personalrat gemäß § 73 Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wenn auf die erfolgte Ausschreibung genügend Bewerbungen eingegangen sind, erfolgt als Nächstes ein Auswahlverfahren.

Bei der Bewerbung handelt es sich nicht um ein Vertragsangebot nach § 145 BGB, da kein Rechtsbindungswille besteht. Dies hätte ansonsten zur Folge, dass der Bewerber an die Bewerbung (bzw. das Angebot) gebunden wäre und sich somit nicht mehrfach bewerben dürfte, da die Möglichkeit bestünde, dass er mehrere Zusagen erhält und damit eine Erfüllung aller Angebote unmöglich würde.

Wiederholungsfragen zu Kapitel 5.1

FRAGE 1

Kann ein Bewerber arbeitsvertragliche Ansprüche aus einer Stellenausschreibung ableiten?

FRAGE 2

Ist für eine Stellenausschreibung bei einer Kommune nach dem LPVG die Zustimmung der Personalvertretung erforderlich?

5.2AUSWAHLVERFAHREN, INFORMATIONSPFLICHTEN, FOLGEN VON FALSCHAUSKÜNFTEN

Hinsichtlich des Auswahlverfahrens ist der Arbeitgeber grundsätzlich frei in der Gestaltung. Der Arbeitgeber legt im Regelfall also selbstständig fest, ob er einen Eignungstest und/oder ein Auswahlgespräch durchführt und wie er diese gestaltet.

Wenn der Arbeitgeber Bewerberinnen und Bewerber zu einem Auswahlverfahren einlädt, ist er grundsätzlich nach § 670 BGB zur Erstattung von Fahrtkosten verpflichtet.

Aufwendungsersatz nach § 670 BGB:

„Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrages Aufwendungen geltend, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.“

Auf ein Auswahlverfahren angewandt, würde man diese Vorschrift wie folgt lesen bzw. „übersetzen“ können:

Entstehen dem Bewerber für die Anreise zum Auswahlverfahren Kosten, die er für normal halten darf, so ist der Arbeitgeber zur Kostenerstattung verpflichtet.

Die Höhe der zu erstattenden Kosten bemisst sich nach der Verkehrsüblichkeit und der Erforderlichkeit. Hierzu gehören:

Fahrtkosten (z. B. Bahnticket 2. Klasse, im Regelfall vom Wohnort zum Ort des Auswahlverfahrens)

Übernachtungskosten (wenn dem Bewerber aufgrund der zeitlichen Lage des Auswahlverfahrens An- und Abreise am Tag des Verfahrens nicht zugemutet werden kann)

Verpflegungsaufwand

Wenn dem Bewerber tatsächlich keine Kosten entstanden sind, weil ihm diese von anderer Seite ganz oder teilweise erstattet wurden, sind die Kosten entweder überhaupt nicht oder nur teilweise als tatsächliche Aufwendungen gemäß § 670 BGB zu ersetzen.

Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, mit der Einladung zum Auswahlverfahren eine Kostenerstattung generell auszuschließen. Im rechtlichen Sinne erteilt der Arbeitgeber damit den Auftrag zur Anreise unter der Einschränkung, dass Kosten nicht erstattet werden. Der Bewerber entscheidet dann, ob er den Auftrag unter dieser Bedingung annimmt oder nicht.

Der Arbeitgeber ist gemäß § 662 nicht verpflichtet, dem Bewerber einen entstehenden Zeitaufwand oder einen genommenen Urlaubstag zu ersetzen.

Auftrag nach § 662 BGB:

„Durch die Annahme eines Auftrages verpflichtet sich der Beauftragte, ein von ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.“

Auf ein Auswahlverfahren angewandt, könnte man auch diese Vorschrift wie folgt lesen bzw. „übersetzen“:

Durch die Annahme der Einladung zum Auswahlverfahren (bzw. durch die Anreise zum Auswahlverfahren) verpflichtet sich der Bewerber, an diesem Verfahren unentgeltlich (ohne Bezahlung bzw. Lohn) teilzunehmen.

Eignungstest

Bei Ausbildungsverhältnissen wird im Regelfall ein Eignungstest durchgeführt. Bei ausgebildeten Bewerberinnen und Bewerbern wird meist auf einen Eignungstest verzichtet, da bereits Zeugnisse vorliegen, die über die vorhandenen Qualifikationen Aussagen treffen. Bei der Ausgestaltung des Eignungstests muss der Arbeitgeber darauf achten, dass auch schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber die Möglichkeit der Teilnahme haben. Ggf. ist aufgrund der Art der Behinderung ein Zeitzuschlag zu gewähren oder auf sonstige Weise ein behinderungsbedingter Nachteil auszugleichen.

Vorstellungsgespräch

Im Rahmen des Vorstellungsgesprächs sind Bewerber dazu verpflichtet, auch ungefragt auf bestimmte Lebenssituationen hinzuweisen (sog. Offenbarungspflicht) sowie rechtmäßige Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Werden diese Pflichten verletzt, kann dies später die Anfechtung des Arbeitsvertrags zur Folge haben.

Der Arbeitgeber möchte sich im Regelfall ein möglichst umfassendes Bild von dem Bewerber machen. Der Bewerber hingegen möchte nicht völlig vom Arbeitgeber „durchleuchtet“ werden und seine Persönlichkeitsrechte gemäß Art. 1 Abs. 1 und Art 2 Abs. 1 Grundgesetz gewahrt wissen. Aus diesem Interessenkonflikt heraus haben sich folgende Grundsätze entwickelt:

1.Der Arbeitgeber muss grundsätzlich alle Informationen selbst erfragen, außer es besteht eine sog. Offenbarungspflicht des Bewerbers.

2.Der Bewerber muss auf zulässige Fragen wahrheitsgemäß antworten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass bei unzulässigen Fragen gelogen werden darf.

Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Frage:

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Frage im Vorstellungsgespräch ist immer zu prüfen, ob

1.die Frage einen Bezug zum Arbeitsplatz hat und

2.das Interesse des Arbeitgebers, die Antwort auf seine Frage zu kennen, gegenüber dem Interesse des Bewerbers überwiegt, möglichst wenig preisgeben zu müssen (Wahrung der Persönlichkeitsrechte).

Es muss also eine Interessenabwägung vorgenommen werden, bei der auf der einen Seite die Arbeitgeberinteressen und auf der anderen Seite die Persönlichkeitsrechte des Bewerbers betrachtet werden.

Man kann sich die Interessenabwägung gut bildlich anhand einer Waage vorstellen. In der einen Waagschale beschreibt man die Arbeitgeberinteressen und in der anderen Waagschale die Persönlichkeitsrechte der Bewerberinnen und Bewerber. Die Interessen, die schwerer wiegen, geben den Ausschlag dafür, ob die Frage im Vorstellungsgespräch rechtmäßig ist. Dies ist nämlich immer nur da der Fall, wo die Waagschale der Arbeitgeberinteressen schwerer wiegt.

Beispiele für Fragen im Vorstellungsgespräch, bei denen im Regelfall die Arbeitgeberinteressen überwiegen, sind Fragen nach:

beruflicher Werdegang

bisherige Gehaltshöhe

Vorstrafen, wenn es einen Bezug zum Arbeitsplatz gibt

Grund für eine Bewerbung

Diese Fragen müssen, weil sie im Regelfall rechtmäßig sind, wahrheitsgemäß beantwortet werden!

Beispiele für Fragen, bei denen im Regelfall die Persönlichkeitsrechte der Bewerber/-innen überwiegen, sind Fragen nach:

Gewerkschaftszugehörigkeit

Religionszugehörigkeit

Vorstrafen, wenn sie mit dem Arbeitsplatz nichts zu tun haben

Parteizugehörigkeit

bevorstehende Heirat

Kinderwunsch

Schwangerschaft

Diese Fragen müssen, weil sie im Regelfall rechtswidrig sind, nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden, d. h., der Bewerber darf lügen!

Die Fragen nach einer Gewerkschafts-, Religions- oder Parteizugehörigkeit können jedoch im Einzelfall rechtmäßig sein, wenn diese Frage von einem sog. Tendenzbetrieb gestellt wird. Solche Tendenzbetriebe sind Gewerkschaften, Kirchen und Parteien. Diesen Betrieben/Arbeitgebern ist es gestattet zu hinterfragen, ob der Bewerber die gleiche Tendenz vertritt, wie der Arbeitgeber selbst. Es ist daher beispielsweise einer Partei als Arbeitgeberin erlaubt, Bewerber nach einer Parteizugehörigkeit zu fragen.

Wie am Anfang dieses Kapitels bereits festgestellt wurde, muss der Arbeitgeber grundsätzlich alle Informationen, die für ihn von Interesse sind, selbst erfragen. Es sind jedoch auch Lebenssituationen denkbar, auf die der Bewerber ungefragt im Auswahlgespräch hinweisen muss. Man spricht hier von der Offenbarungspflicht der Bewerber. Eine solche Offenbarungspflicht besteht, wenn der Bewerber die in der Stellenausschreibung geforderten Voraussetzungen objektiv nicht erfüllen kann und es ihm unmöglich ist, die Tätigkeit überhaupt auszuführen.

Beispiele hierfür könnten sein:

bevorstehende Operation, bei der die ärztlich prognostizierte Rehabilitationszeit deutlich über den Zeitpunkt der geplanten Einstellung hinausgeht

rechtskräftige Verurteilung zu einer Haftstrafe, bei der der Haftantritt noch bevorsteht und damit die Aufnahme der Tätigkeit zu dem beabsichtigten Einstellungstermin unmöglich wird

schwere Erkrankungen, die die Ausführung der Tätigkeit unmöglich machen (z. B. kann ein Bewerber unmöglich die Tätigkeit eines Bäckers ausführen, wenn er unter einer Mehlstauballergie leidet)

Bewerber, die bewusst gegen ihre Verpflichtung aus der Offenbarungspflicht und/oder die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beantwortung rechtmäßiger Fragen verstoßen, täuschen den Arbeitgeber arglistig! Ggf. hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, nach Bekanntwerden der Pflichtverletzung den Arbeitsvertrag gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anzufechten, was zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrags führen würde. Faktisch hätte dies zur Folge, dass der Arbeitnehmer bei erfolgter Anfechtung sofort arbeitslos würde.

Nach durchgeführtem Auswahlverfahren folgen im Regelfall die Auswahlentscheidung und das Einstellungsangebot an den Bewerber. Das Einstellungsangebot ist für den Arbeitgeber verbindlich, da es ein Angebot im Sinne des § 145 BGB darstellt. Es darf jedoch mit Bedingungen oder Vorbehalten verknüpft werden. Beispiele hierfür wären die Zusätze „vorbehaltlich der Zustimmung des Personalrats“ oder „vorbehaltlich der Tatsache, dass sich aus den noch einzureichenden Unterlagen nichts Nachteiliges ergibt“.

Gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. Er hat die Zustimmung zu der geplanten Maßnahme (Einstellung) einzuholen. Im öffentlichen Dienst muss gemäß § 72 LPVG die Zustimmung des Personalrats zu der beabsichtigten Einstellung eingeholt werden.

Nimmt der Bewerber das Einstellungsangebot an, kommt der Arbeitsvertrag zustande.

FALL 5.1

Herr Karl Schläfrig bewirbt sich aufgrund einer Stellenanzeige, in der ein Kfz-Mechatroniker gesucht wurde, bei der freien Werkstatt „Das Schrauberparadies“ um eine Stelle. Er erhält eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, bei dem ihm die folgenden Fragen gestellt werden:

Besitzen Sie eine gültige Fahrerlaubnis?

Haben Sie gesundheitliche Einschränkungen, die Ihnen das Heben schwerer Gegenstände unmöglich machen?

Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft?

Wie hoch war Ihr letztes Gehalt?

Welche Hobbys haben Sie?

Muss Herr Schläfrig diese Fragen wahrheitsgemäß beantworten?

Wiederholungsfragen zu Kapitel 5.2

FRAGE 1

Welche Kosten sind aufgrund einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erstattungsfähig?

FRAGE 2

Besteht für die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch ein Gehaltsanspruch?

FRAGE 3

Wann ist eine Frage im Vorstellungsgespräch rechtmäßig?

FRAGE 4

Welche Rechtsfolge kann eintreten, wenn der Bewerber auf eine rechtmäßige Frage hin bewusst eine Falschauskunft gibt?

FRAGE 5

Welche Sonderrechte genießen sog. Tendenzbetriebe im Rahmen von Vorstellungsgesprächen?

FRAGE 6

Im Rahmen welcher Pflicht muss ein Bewerber auch ungefragt auf bestimmte Lebenssachverhalte hinweisen?

2GRUNDLAGEN

2.1PERSONEN IM RECHTSLEBEN, BESCHÄFTIGUNGSGRUPPEN IM ÖFFENTLICHEN DIENST, DOPPELFUNKTION DER ÖFFENTLICHEN ARBEITGEBER

Im vorangegangenen Kapitel 1.3 haben Sie die Definitionen des Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbegriffs erlernt. Daraus folgend versteht sich von selbst, dass ein Arbeitnehmer immer eine natürliche Person, also ein Mensch, ist.

Auf der Arbeitgeberseite ist das ein wenig anders. Selbstverständlich können natürliche Personen auch Arbeitgeber sein. Der Zimmermann, der einen Gesellen beschäftigt, ist Arbeitgeber. Die Friseurmeisterin, die zwei Mitarbeiter beschäftigt, ist Arbeitgeberin. Und der alleinstehende Rentner, der im Rahmen eines Minijobs eine Haushaltshilfe beschäftigt, ist ebenso Arbeitgeber.

Sobald man aber über Firmen oder Konzerne als Arbeitgeber spricht, wird es etwas komplizierter. Da gibt es nämlich neben den natürlichen Personen auch noch Mehrheiten natürlicher Personen. So nennt man eine Kommanditgesellschaft (KG), eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

Größere Firmen oder gar Konzerne werden jedoch nicht in der Form von Mehrheiten natürlicher Personen geführt, sondern als juristische Personen. Juristische Personen sind Kapitalgesellschaften, nämlich Aktiengesellschaften (AG) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie Stiftungen und eingetragene Vereine (e. V.).

Aus ganz persönlicher Erfahrung wissen Sie aber, dass auch der öffentliche Dienst Arbeitgeber sein kann. Doch eine Kreis-, Stadt- oder Gemeindeverwaltung ist ganz sicher keine natürliche Person. Man spricht hier vielmehr von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die gängigsten sind sicherlich die sog. Körperschaften wie der Bund, die Länder und die Gemeinden und Gemeindeverbände. Daneben gibt es auch noch Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die aber im kommunalen Bereich eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Zur Veranschaulichung soll diese Grafik dienen:

Betrachtet man nun die Rechtsverhältnisse zwischen einem Arbeitnehmer und einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts, so wird man feststellen, dass sich dieses Arbeitsverhältnis ausschließlich auf dem Gebiet des Privatrechts abspielt.