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Für unsere Geschwister.


© Piper Verlag GmbH, München 2021
Covergestaltung: Cornelia Niere
Covermotiv: ullstein bild - d' Ora (Ella); privat (Laura); Shutterstock.com
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Jetzt wünsche ich mir, dass ich eine familiäre Beziehung zu meiner Wiener Großmutter hätte haben können. Sie fehlt mir als vorangegangener Mensch.

Laura Beata Wärndorfer in ihren Einhundertzwanzig Jahren

Warum sollten wir unsere Großmütter verkaufen?

August

»Der würde sogar seine Großmutter verkaufen.« Ich habe mich immer wieder gefragt, was der Satz bedeutet. Was soll das heißen, seine Großmutter verkaufen? Soweit ich mich erinnere, ist das ein Satz, den man über einen Komiker sagen würde, der einen schlechten Witz über seine Großmutter machen oder pietätlos über sie sprechen würde, um eine Pointe zu landen. Aber wieso beschäftigt er mich derart?

In meinem Arbeitszimmer hängt ein großes Gemälde meiner Großmutter Ella Zirner-Zwieback, einflussreiche und große, gefürchtete Geschäftsfrau in Wien in den Jahren 1906 bis 1938. 1906 hatte sie das große Kaufhaus Maison Zwieback von ihrem Vater Ludwig Zwieback geerbt und es dann achtzehn Jahre lang gemeinsam mit ihrem Ehemann Kommerzienrat Alexander Zirner geführt. 1924 starb dieser, und von da an führte sie das Kaufhaus alleine weiter.

Ella, gemalt von Wilhelm Viktor Krausz, 1910

 

Die Beerdigung des Kommerzienrats war ein ziemlich großes gesellschaftliches Ereignis. Der berühmte Wiener Architekt Friedrich Ohmann wurde beauftragt, die Grabstätte zu entwerfen. Das Projekt verlangte ihm fast zwei Jahre Arbeit ab, doch bis heute steht das Grab auf dem Zentralfriedhof in Wien. Interessant ist, dass Friedrich Ohmann zur gleichen Zeit auch an den Plänen für ein Kaffeehaus arbeitete: das von meiner Großmutter in Auftrag gegebene Café Zwieback in der Weihburggasse 4. Dort befindet sich jetzt das Café Sluka, restauriert im Stil und nach den Entwürfen von Ohmann und meiner Großmutter Ella. Anders als bei der Grabstätte am Zentralfriedhof tauchen im Kaffeehaus die Namen Zwieback oder Zirner jedoch nirgends auf. Möglicherweise hat der Name am Zentralfriedhof mehr Bestand. »Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten!«, singt Wolfgang Ambros immerhin.

Ella war anscheinend eine recht extravagante Frau und hatte wohl auch außereheliche Beziehungen. So pflegte sie unter anderem mit ihrem ehemaligen Klavierlehrer, dem Komponisten Franz Schmidt, ein inniges Verhältnis. Tja, und irgendwie – vielleicht beim vierhändigen Klavierspiel – entstand schließlich mein Vater Ludwig. Das war ebenfalls im Jahr 1906.

1938 gelang es meiner Großmutter Ella und ihrem Sohn Ludwig, Wien zu verlassen. In der Enteignungsakte der NSDAP steht:

Die Hausbesitzerin, die Jüdin Ella Zirner, muss baldigst ersetzt werden, weil sie unablässig durch Verkaufsideen und nicht zweckmäßig erscheinende Realisierungspläne die Arisierung beziehungsweise die ruhige Abwicklung der Geschäfte ihrer arischen Untermieter stört.

 

 

Wer also war meine Großmutter Ella Zirner-Zwieback, die 1970 in New York verstarb? Und warum sollte ich sie verkaufen?

Familienstammbäume interessieren mich nicht

Ana

»Vielleicht suche ich in der Vergangenheit nach einem Stück von mir selbst, das ich noch nicht kenne«, sage ich zu August. Als ich mit ihm darüber spreche, ob wir gemeinsam ein Buch schreiben wollen, hat er mir die provokante Gegenfrage gestellt, warum wir unsere Großmütter verkaufen sollten. Wir sitzen im Café Tomaselli in Salzburg, und ich trinke meine dritte Melange. Kaum ausgesprochen, kommt mir mein Satz unglaublich platt vor. Aber irgendwo muss ich ja anfangen.

Wir wagen heute also einen ersten Blick auf den Grund dieses Buchs, das wir gemeinsam schreiben. Für mich steht außer Frage, dass ich es schreiben will. Nur warum, da bin ich mir noch nicht ganz sicher. Bisher haben mich Familienstammbäume nicht interessiert. Von der Vergangenheit bleiben ein paar ausgeblichene und vergilbte Schwarz-Weiß-Bilder von Menschen in altmodischer Kleidung, die steif für alte Kameras posieren. Wir bewahren sie pflichtbewusst in staubigen Kisten auf dem Speicher auf, aber dass diese Menschen meine Verwandten sind, ist mir, so brutal das klingt, ziemlich egal. Meine Familie, das sind meine Eltern und meine Geschwister. Nicht einmal Tanten oder Großeltern habe ich bisher ernsthaft dazugezählt.

Aber in den letzten Jahren begegnete ich immer wieder einem mir bis dato unbekannten Gefühl. Vielleicht hängt es mit meinem Alter zusammen, vielleicht damit, dass ich mich selbst immer besser kennenlerne oder dass ich mein eigenes Verhalten verstehen will. Das Gefühl ist noch recht nebulös, hat aber etwas mit dem Bewusstwerden über eine Verbundenheit mit meinen Vorfahren, mit einer Suche nach Zugehörigkeit zu einer Kultur, auch im historischen Sinn, zu tun. Es erwacht in mir ein zaghaftes Interesse an dem vergilbten Band, das mich mit den mir vorangegangenen Menschen in meiner Familie verbindet. Dem möchte ich nun nachgehen.

Eine zentrale Figur dieses Bandes ist meine Großmutter Laura, die Mutter meines Vaters. Dass ich viel Ähnlichkeit mit ihr habe, ist anscheinend eine Tatsache. Jedenfalls bin ich in dieser Gewissheit aufgewachsen. »Ihr hättet so viel Spaß zusammen gehabt«, sagte man mir immer wieder. Als Laura starb, war ich noch nicht einmal ein Jahr alt. Aber ich bin überzeugt, dass ich mich an sie erinnern kann. Es ist keine konkrete Erinnerung, eher eine Mischung aus Gefühl und Geruch. Weich, süßlich-herb, etwas fremd und streng und zugleich tiefgründig und warm. Und auf unkonventionelle Art liebevoll.

Es ist nicht so, als hätte ich mich noch nie gefragt, ob ich zu dieser oder jener Frage vielleicht Antworten in meiner familiären Vergangenheit finden könnte. Besonders dann, wenn es um die Frage nach meiner historisch-kulturellen Zugehörigkeit geht. Dann scheint es mir auf einmal wichtig zu betonen, dass ich auch jüdische Vorfahren habe. Beispielsweise, als ich in Jerusalem einem alten Rabbiner meine »jüdische Familiengeschichte« erzählen wollte. Ich musste in dem Moment still und heimlich feststellen, dass ich mir nicht einmal ganz sicher bin, ob ich überhaupt wirklich eine »jüdische Familiengeschichte« habe. Trotzdem habe ich wirkungsvolle Geschichten meiner Vorfahren zum Besten gegeben und von Antisemitismus, Enteignung und Emigration aus Österreich erzählt. Meine Erzählungen, so stellte ich selbst peinlich berührt fest, waren kaum mehr als Anekdoten, die ich selbst hie und da aufgeschnappt hatte und die über die Jahre von meiner Fantasie angereichert worden waren. Da begann ich endlich, mich ernsthaft zu fragen, ob meine Schilderungen inzwischen mehr einer »guten Story« als meiner wahren Familiengeschichte entsprachen.

Als ich meinem Vater davon erzähle, lässt er verschmitzt einen seiner Lieblingssätze vom Stapel: »There’s no business like Shoah-business.«[1] Er sagt das so oft, dass es verdächtig ist. Ob nun bewusst oder nicht, wir praktizieren es sicher alle, zumindest ein bisschen, dieses Business. Gruselig.

Ashes to Ashes

August

»Sagen Sie ihm, dass er für die Träume seiner Jugend soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird. (…) Dass er nicht soll irre werden, wenn des Staubes Weisheit, Begeisterung, die Himmelstochter, lästert.« Diese inständige Bitte, die Marquis Posa in Schillers Don Carlos an Königin Elisabeth richtet, hat es dem jungen Schauspieler, der in Amerika aufgewachsen ist und der durch Erziehung und Schule von Schiller vollkommen unberührt war, schwer angetan. Ich spreche natürlich von mir selbst. Es war für mich immer wichtig, von irgendwoher eine Flamme der Begeisterung zu bekommen. Feuer als Element fand ich zwar einerseits bedrohlich, als menschliche Eigenschaft jedoch hat es mich immer sehr angezogen. Ich liebe feurige Reden. Ich liebe feurige Gespräche. Das geht so weit, dass mir irgendwann auch klar war, dass ich nach meinem Tod verbrannt werden möchte. Am liebsten wäre mir, meine Asche könnte im Wind verstreut und sozusagen ins All gepustet werden. Was bleibt am Ende – was bleibt, wenn wir sterben? Erinnerungen, Gedanken, Asche. Was bleibt vom Feuer? Asche.

Zwei Bilder haben meine Weltsicht sehr geprägt. Eigentlich zwei Szenen der Komikertruppe Monty Python. Zum einen der 1500-Meter-Lauf für Taube. Sieben Wettkämpfer stehen in den Startlöchern, es fällt ein Schuss, und nichts verändert sich. Die sieben Wettläufer verharren in der Startposition. Und dann natürlich das 200-Meter-Freistilschwimmen für Nichtschwimmer. Es fällt ein Schuss, fünf Wettschwimmer springen ins Wasser. Das war’s.

Meine Großmutter Ella (Elise) Zwieback wurde am 12. Oktober 1878 in Wien geboren. Mit achtundzwanzig brachte sie meinen Vater zur Welt. Gestorben ist sie am 5. April 1970 in New York, da war sie einundneunzig Jahre alt. Mein Vater starb neun Monate später mit vierundsechzig Jahren. Die Beisetzung der Urne meiner Großmutter fand am 5. November 1970 in Wien statt. Zu dem Zeitpunkt war mein Vater schon schwer krebskrank. Nur durch Zufall hatte er vom Tod seiner Mutter erfahren. Der Mann, der meine Großmutter in New York gepflegt hatte, hieß Georg Schüller; er brannte mit ihrem verbliebenen Geld nach Spanien durch. Mein Vater, ehemaliger Geschäftspartner und Anteilseigner der Firma Zwieback und somit auch des Maison Zwieback, hatte sich nie sonderlich fürs Geschäftliche interessiert, woraufhin Ella ihn anscheinend »enterbte«. Die beiden verloren sich aus den Augen, sodass mein Vater nach New York reisen und mit dem Taxi von Standesamt zu Standesamt fahren musste, um endlich die Asche seiner Mutter zu finden. Wahrscheinlich brachte er im Sommer 1970 die Urne mit der Asche nach Wien, wo sie im Familiengrab beigesetzt wurde. Kurz darauf fiel mein Vater in die letzte Phase seiner Krebserkrankung und starb am 9. Februar 1971.

Warum also schwimme ich so lange vor meiner eigenen Biografie davon? Ich bin eigentlich ein guter Schwimmer. Und warum habe ich nicht hingehört, bei all den Hinweisen auf die Katastrophe, die meine Eltern hautnah erlitten haben? Denn taub bin ich auch nicht, wenn ich auch immer wieder feststelle, dass mir das Zuhören schwerfällt.

Es sollte nun also ein Startschuss fallen. Ein gemeinsames Buchprojekt! Vater und Tochter wollen über ihre jeweilige Großmutter schreiben. Für beide sind diese relativ unbekannte Personen, Projektionsflächen. Eine Komplikation bringt mit Sicherheit eine Schnittstelle in der ganzen Geschichte mit sich, denn die eine Großmutter ist gleichzeitig meine Mutter.

Ein Startschuss sollte fallen, doch ich bin zu früh ins Wasser gesprungen. Ich wollte gewissermaßen am Ende anfangen, nämlich bei der Asche meiner Mutter und ihrem Urnenplatz am Grundlsee in der Steiermark. Es sollte eine kleine Reise dorthin stattfinden. Doch schon der erste Schritt schlug fehl, denn die Grabstätte, die Nische in der Urnenwand am Grundlsee, war nicht mehr da! Sie war von der Friedhofsverwaltung Bad Aussee aufgelöst worden. Abgesehen davon, dass das bereits ein skurriler thematischer Einstieg in die Geschichte gewesen wäre, war es von mir aber auch regelrecht übergriffig, schließlich hatten Ana und ich verabredet, dass ich mich aus ihrer Recherche heraushalte. Und nun wusste ich nicht, wie ich aus der Geschichte wieder herauskommen konnte. Die ursprüngliche Aufgabenverteilung, nach welcher Ana ausschließlich über Laura und ich ausschließlich über Ella schreiben würde, bekam gleich zu Beginn einen unfreiwilligen Dämpfer.

Lauras Urnenplatz

August

Die ganze Sache wäre also von vornherein fast schiefgegangen. Ein kompletter Fehlstart! Mein väterlicher Vorsatz, immer erst auf das zu hören, was meine Kinder wollen und suchen, und danach erst – wenn überhaupt! – erzieherisch einzugreifen, hat überhaupt nicht funktioniert. Okay, meine Kinder sind inzwischen alle erwachsen, dennoch, jetzt gleich als Co-Autor versagt zu haben, ist bitter. Der Co-Autor ist nämlich nicht nur Vater der Co-Autorin, sondern auch noch Sohn der einen Großmutter, also der einen der beiden Protagonistinnen, um die es in diesem Buch gehen soll. Tatsächlich bin ich einer der Enkel und einer der Söhne. Enkel der Ella, Sohn der Laura, also Sohn von Anas Großmutter. Genau genommen habe ich also in den Themenkreis von Ana hineingegrätscht! Was ist geschehen? Wie konnte das geschehen?

Ein paar Monate, bevor meine Mutter starb, erzählte sie mir etwas schelmisch, sie hätte eine kleine Eigentumswohnung am Grundlsee in der Steiermark gekauft. Die Wohnung sei vierzig mal fünfzig Zentimeter groß. Ich war darüber ziemlich irritiert; einerseits fand ich es schön, dass meine Mutter sich um eine Eigentumswohnung gekümmert hatte, noch dazu am Grundlsee, wo sie so gerne die Sommerferien verbracht hatte, andererseits war ich über die Größe der Wohnung doch etwas erstaunt und fragte nach, was es damit auf sich hatte. Daraufhin erklärte mir meine Mutter, die Wohnung sei eben groß genug für ihre Urne, denn sie hätte die Absicht, nach ihrem Tod verbrannt zu werden. Weiter erfuhr ich, dass sie mit dem katholischen Pfarrer am Grundlsee gesprochen und er ihr eröffnet hätte, dass am Grundlsee eine Urnenwand errichtet werden soll. Paradoxerweise hieß der damalige Pfarrer Professor Doktor Steinwender. Meine Mutter war damals die Erste, die sich um einen Platz in der Wand gekümmert hatte, »ihr« Platz war der erste rechts oben. Und dort kam die Urne meiner Mutter dann auch hin, versehen mit einer rosaroten Marmorplatte, auf der in goldener Schrift eingraviert stand:

Laura
Zirner

geborene
Laura Beata Waerndorfer
1915–1984

 

Ich habe die Urnenwand gelegentlich besucht, meistens alleine, manchmal musste ich den Marmorstein von Efeu befreien. Ich muss zugeben, dass mir die Urnenwand nicht übermäßig viel bedeutet hat und ich andere Orte fand, um an meine Mutter zu denken. Trotzdem fand ich es irgendwie gut, dass es einen Ort gab, zu dem Freunde oder Verwandte gehen konnten, wenn sie an meine Mutter denken, sich ihr nah fühlen wollten. Und so entstand irgendwann die Idee, dass Ana und ich unsere gemeinsame Arbeit an diesem Buch mehr oder weniger angesichts der Asche meiner Mutter beginnen wollten. Möglicherweise war das aber auch nur mein Wunsch. Jedenfalls verabredeten Ana und ich uns zu einem ersten Brainstorming am Grundlsee in der Steiermark.

Kurz vor Antritt der Reise erfuhr ich von einer Freundin meiner Mutter, dass der Urnenplatz leer sei. Sie hätte die Urnenwand zwar besucht, aber Laura gar nicht gefunden. Das konnte ich nicht glauben, und ich rief umgehend bei der katholischen Kirche am Grundlsee an. Ich wollte sichergehen, dass Ana wenigstens noch den Ort, an dem die Asche ihrer Großmutter beigesetzt ist, besuchen konnte. Ich wurde mit der Friedhofsverwaltung verbunden, und eine Dame teilte mir mit: »Es tut mir wirklich sehr leid, Herr Zirner, aber Ihre Frau Mutter liegt jetzt im Sammelgrab bei den Soldaten.«

»Wie bitte? Das kann nicht sein.«

»Ja, Herr Zirner, wir haben versucht, Sie zu erreichen, und den Erlagschein an Ihre Adresse geschickt, bekamen jedoch nur zur Antwort, dass der Adressat verzogen sei.«

Es stellte sich heraus, dass die Friedhofsverwaltung eine Adresse von mir in der Kartei führte, die ich tatsächlich schon sehr lange nicht mehr bewohnte. »Da wohne ich seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr, aber meine Adresse ist doch nicht so schwer zu ermitteln.«

»Bitte, Herr Zirner, wir haben viertausend Gräber zu verwalten, wir können nicht hinter jedem hertelefonieren. Wir haben auch einen Aushang gemacht, aber Sie haben sich nicht gemeldet. Tut uns sehr leid. Aber, Herr Zirner, beim Sammelgrab gibt es auch die Möglichkeit, ein Kerzerl anzuzünden!«

In meiner Vorstellung lag meine Mutter jetzt bei den Soldaten, an einem Ort also, der ihr sicher nicht recht gewesen wäre, und meine Vorstellung, was für Soldaten das gewesen sein mussten und in welchem Krieg sie gedient hatten, ließ mich einen leichten Ekel empfinden. Auf keinen Fall wollte ich dort eine Kerze anzünden. Insofern war ich nun wirklich »verzogen«.

Irgendwie schuldbewusst, weil ich es versäumt hatte, die Friedhofsgebühren zu bezahlen und Laura jetzt »bei den Soldaten« liegen musste, rief ich den Grundlseer Pfarrer an. Herr Professor Doktor Steinwender war inzwischen verstorben, doch ich erreichte seinen Nachfolger. Das unappetitliche Gefühl, das ich hatte, weil die Urne meiner Mutter in der Nähe eines Soldatenfriedhofs liegen musste, hatte sich noch verstärkt, und ich wollte den Herrn Pfarrer um seelsorgerischen Rat fragen. Vielleicht konnte er mir ja auch die Urne meiner Mutter aushändigen, damit ich mich selbst darum kümmern konnte? Ich hatte das Bedürfnis, die Asche meiner Mutter zu befreien, und entwickelte die naive Vorstellung, ein Elektroboot mieten zu können und die Asche meiner Mutter im Wind über den Grundlsee verwehen zu lassen, sie endgültig von irgendeinem Gefäß, von irgendeiner Enge zu befreien.

Der Herr Pfarrer fand meinen Anruf, glaube ich, etwas lästig. Er gab mir zu verstehen, dass es mein Problem sei, dass meine Mutter nicht mehr war, wo sie meiner Meinung nach hingehörte, denn offensichtlich hatte ich sie ja zu selten besucht, um das überhaupt zu bemerken. Er sagte mir aber auch, dass er es für möglich halte, die Urne zu exhumieren und mir auszuhändigen. Er forderte mich auf, mit dem Totengräber Kontakt aufzunehmen. Ich sollte auch noch einmal an die Friedhofsverwaltung schreiben und mein Anliegen schildern. Der Totengräber war sehr freundlich und pragmatisch und sagte, dass er gerne bei nächster Gelegenheit die Urne meiner Mutter suchen könnte, der Name stünde ja schließlich auf der Urne. Im Sammelgrab befänden sich circa fünfzig Urnen, und wenn sie in den letzten zwei Jahren beigesetzt worden sei, stünde sie sicher in einer der oberen Reihen. Ich schöpfte schon Hoffnung, als mich kurze Zeit später eine E-Mail der Friedhofsverwaltung erreichte, die sinngemäß in etwa so lautete:

Es tut uns sehr leid, lieber Herr Zirner, aber die Urne Ihrer Mutter kann nicht mehr exhumiert werden. Nach dem Öffnen der Urnenwand werden die Urnen in biologische Urnen umgefüllt. Das haben wir auch mit Ihrer Frau Mutter gemacht. Auf den Biournen steht leider nichts mehr drauf, und deshalb kann man nicht mehr sagen, wer drinnen ist. Im Sammelgrab befinden sich um die sechzig Urnen.

Dort verrottete nun also die Urne meiner Mutter. Das Gefühl, eine biodegradable Mutter[2] zu haben, tröstete mich ein wenig, und ich kann nur hoffen, dass die andern sechzig Bewohner des Sammelgrabs ebenso sympathisch waren wie meine Mutter.

Die Situation war nun so trostlos, wie sie eben war. Aber vor allem wurde mir klar, dass ich meiner Tochter ihre ganz persönliche Anfangsgeschichte geklaut hatte. Mit meiner Ambition, sie auf diese Art mit ihrer Großmutter – meiner Mutter – bekannt zu machen, habe ich ihr gleichsam ihren unvoreingenommenen Blick genommen.

Als Ana und ich dann endlich in der Steiermark ankommen, stehen wir beide ein bisschen ratlos vor dem Sammelgrab. Auf einem gusseisernen Kreuz steht:

Obwohl eure Namen
uns nicht mehr bekannt,
sind sie doch geschrieben
in Gottes Hand.
In Gemeinschaft habt
ihr Ruhe gefunden
und bleibt damit
eurer Heimat
verbunden.

 

Genau gegenüber von ebenjenem Sammelgrab steht auf einem Runenkreuz schlicht:

SS-Mann
Heinrich Bahr

 

Im Soldatengrab verloren

Ana

Ich bin sauer. Warum habe ich mich nicht selbst darum bemüht, herauszufinden, wo das Grab beziehungsweise die Urnenstätte von Laura ist? Nun ist mir August zuvorgekommen, und die ganze Geschichte hängt in der Luft, wabert als aufgewärmte Klatschkiste aus zweiter Hand irgendwo zwischen dem gerade auf dem Tisch abgelegten Handy und meinem rechten Ohr. »Ich will das nicht schriftlich wiedergeben, ich will es erleben«, tippe ich wütend. Ich bin es leid, aus zweiter Hand zu erzählen. Es ist schließlich meine Laura, und ich bin ihre Ana, so, wie sie mich in meiner Vorstellung kennengelernt hat. August hat zwischen uns im Moment nichts zu suchen, und doch wühlt und wühlt er herum und hält mir immer wieder stolz seine Fundstücke vor die Nase. Dabei habe ich doch noch gar nicht wirklich anfangen können zu recherchieren!

Ich wollte eigentlich selbst dorthin fahren, wollte die Leute vor Ort fragen, was sie mit der Asche meiner Großmutter gemacht haben. Wo ist die jetzt? Klar, es ist nur die Asche, der Körper, der sterbliche Überrest. Aber physisch gesehen ist es eben alles, was mir bleibt. Ihre Urnenstätte wäre für mich ein Ort gewesen, an dem ich in dem Wissen, dass da ein Hauch von ihr anwesend ist, hätte sein können.

Jetzt habe ich eigentlich keine Lust mehr, mit August auf Recherchereise zu fahren. Was soll da passieren? Außer dass er mir noch mehr Fundstücke unter die Nase hält? Andererseits brauche ich wohl den Zeitdruck. Brauche die Auseinandersetzung, die dazu führt, dass ich ihr endlich begegne. In einem Soldatengrab, einem Massengrab, soll die Urne sein. Die Grabplatte hätte man schon noch, die könne man uns aushändigen. Warum hat sich August nicht früher darum gekümmert, was mit Lauras Urne passiert? Ist es wirklich so egal, was aus diesen sterblichen Überresten wird? Hat er nie einen Gedanken daran verschwendet? Während August also überlegt, seine Großmutter zu verkaufen, wird seine Mutter unter Soldaten begraben. Was für ein tragisches Bild.

Über meinem Schreibtisch hängt seit einigen Jahren dieses großformatige, weiß gerahmte Schwarz-Weiß-Foto von Laura. Wahrscheinlich stammt es aus einer Reihe, die um 1940 herum von dem Fotografen Eugene Haanel Cassidy in Kanada aufgenommen wurde. Die damals etwa fünfundzwanzigjährige Laura hat darauf einen Ausdruck, der nicht mädchenhaft naiv, sondern komplex und irgendwie fundiert wirkt, auch wenn sie jünger als fünfundzwanzig aussieht. Auf jeden Fall liegt Selbstbewusstsein darin, und zudem wirkt sie humorvoll. Jetzt blicke ich, als würde ich nach ihrer Zustimmung zu meiner Wut suchen, zu diesem Porträt hinauf. Laura lächelt zwischen ihren langen Händen, die sie an ihre Wangen gelegt hat. Es sieht aus, als würde sie eine erschrockene Geste nachahmen. Macht sie sich über mich lustig? Oder ist es eher feiner Humor mit einer Prise Verständnis? Ja, auf jeden Fall ist sie ein bisschen amüsiert über diese Situation. »Ach komm, so ist er eben, der Augi, ich verüble es ihm nicht, ist ja nur meine Asche. Ich versteh dich schon, Ana, aber du kennst ihn doch, den Augi.«

 

Starke Frauen

August

Kaum bin ich wieder in Wien, überfallen mich Trauer und Wut. Die Trauer wäre ja noch in Ordnung, aber wieso nur werde ich die Wut nicht los? Jede Reise nach Wien führt mich mitten hinein in die Geschichte meiner Familie. Die Geschichten meiner Großmutter und meiner Eltern. Ich denke an die unmittelbaren Folgen der Nazizeit und die Demütigungen, die sie für meine Vorfahren bedeutet haben. Dann werde ich wütend, und mich überfällt ein Gefühl der Ohnmacht oder vielleicht Überwältigung. Was tun?

Ich sehe das ehemalige Kaufhaus in der Kärntner Straße, das der Familie Zirner-Zwieback, der Familie meines Vaters, gehört hat. Ich sehe, wie unten in dem Gebäude ein Mozartkugel-Souvenirgeschäft Japaner anlockt. Ich sehe, wie hinten in der Weihburggasse, in dem ehemaligen Caféhaus meiner Großmutter, in dem später dann die Drei Husaren floriert haben, jetzt das Cafés Sluka betrieben wird, und ich möchte einen Weg finden, um Frieden zu schließen mit der Nachkriegswelt und den Nachkriegsprofiteuren. Doch gleichzeitig merke ich, dass das nicht geht, denn warum sollten Menschen, die heute versuchen, ihre Existenz, ihr Dasein zu bewältigen, sich Gedanken über die Vergangenheit machen? Das wäre für sie doch Zeitverschwendung! Noch dazu, weil nicht ihre Familie betroffen ist, sondern meine.

Ich muss versuchen zu verzeihen. Und gleichzeitig ein Geschichtsbewusstsein entwickeln und Geschichten notieren, die das Erinnern ermöglichen. Trotzdem: Zurückschauen bringt den vermeintlichen Profiteuren der Vergangenheit nichts. Es drängt sich mir die Frage auf, auf welch wackligen Beinen die Gegenwart hier überhaupt steht.

Mein familiäres Geschichtsbewusstsein reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Ich besitze ein Dokument, ein Programmheft aus dem Jahre 1898, in dem sie als Beteiligte eines Klavierwettbewerbs genannt wird. Dem Dokument und auch den Erzählungen von Freunden entnehme ich, dass Ella wohl eine sehr begabte Pianistin war. Meine Mutter erzählte mir, dass sie immer eine Reise-Klaviertastatur bei sich hatte, um jederzeit üben zu können. Ich stelle mir vor, wie die junge Ella sich zwischen den weißen und schwarzen Tasten des Klaviers selbst entdeckt hat, wie sie durch die Musik das ausgedrückt hat, was sie eigentlich war. Eine Ermöglicherin, eine innovative Frau, eine originelle Geschäftsfrau. Ich muss daran denken, dass sie in Wien einen Frauenfußballverein gegründet und gefördert hat. Wenn man bedenkt, wie verächtlich noch heute Männer über die weibliche Betätigung in diesem Sport sprechen, war das doch höchst erstaunlich. Meine Großmutter scheint im Herzen eine Frauenrechtlerin gewesen zu sein, ohne großen Überbau. Immerhin erlebte sie an ihrem eigenen Beispiel, wie sich ein von Frauen geführtes Unternehmen entwickeln kann.

© ÖNB/Wien 204.438-D (Madame d‘Ora, Atelier, 29.6.1923)

 

Ich selbst war schon immer von starken Frauen umgeben. Angefangen bei meiner Großmutter über meine Mutter und meine Frau bis zu meinen Töchtern. Und auch mein Vater war von dem Gedanken geprägt, dass seine Frau (meine Mutter) berufstätig sein sollte, obwohl das für einen Mann seiner Generation eher untypisch war. Möglicherweise ist mir so etwas wie Frauenemanzipation in die Wiege gelegt worden. Wer war Ella Zirner-Zwieback, die offensichtlich die folgenden Generationen noch so sehr mitgeprägt hat?

Flucht nach vorn

Ana

Ich entschließe mich zur Flucht nach vorn und erkenne an, dass da wohl ein Quantum Shoah-Business in meiner Motivation für dieses Buch liegt. Ich mache mir bewusst, dass genau dieses Shoah-Business sicher auch einer der Gründe ist, warum manche Leserinnen dieses Buch in Händen halten. Damit ist das Thema für mich vorerst gegessen, und ich widme mich wieder dem oben beschriebenen Gefühl, dem erwachenden Interesse an meiner Familiengeschichte.

Nach der Erfahrung mit meinem Vater und dem Urnenplatz ist mir eines sehr klar geworden: Ich will und muss mir zuallererst einen eigenen Eindruck von Laura machen. Ich will mein bisheriges Bild von den klebrigen Anekdoten befreien und Laura so einen möglichst freien Raum bauen, in dem sich ihre Persönlichkeit für mich entfalten kann. Das bedeutet, dass die naheliegenden Quellen zunächst ausscheiden: Die Sicht meines Vaters auf Laura ist nachvollziehbarerweise durch die Sohnesliebe gefärbt, und seit ihrem Tod wohl gar verklärt. Das zeigt sich in seinen häufigen Wiederholungen von bestimmten Sätzen und Gesten von ihr, die auf mich wirken, als seien sie in seiner Erinnerung eingefroren. Und die mir gerade deshalb unglaublich auf die Nerven gehen. Meine Mutter kann ich auch nicht fragen, denn als Schwiegertochter ist ihre Meinung natürlich davon geprägt, dass sie sich einer anderen starken Frau gegenübersah, die ihren einzigen Sohn ganz offensichtlich vergötterte. Gleiches, so wird mir bald klar, gilt in unterschiedlicher Form für alle Freunde und Zeitgenossinnen, Kolleginnen und Schüler meiner Großmutter. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, ohne Filter von einem verstorbenen Menschen zu erzählen, den man gekannt hat.

Für mich ist die Mutter meines Vaters in erster Linie einfach Laura. Und dann, später, ist sie auch meine Großmutter. Ganz bestimmt nicht »Oma« oder »Omi«. Das würde meinem Bild von ihr nicht stehen. Ich weiß, dass sie eine große Frau war. Nicht nur körperlich, sondern auch imposant, auffällig, ausdrucksstark und gleichzeitig elegant. Das weiß ich von Fotos, die ich von ihr kenne.

Ich erinnere mich an einen Satz, den Lizie, meine hunderteinjährige Freundin, einmal über sie gesagt hat: »Man bemerkte immer, wenn sie einen Raum betrat.« In Lizies Stimme lag eine gewisse Bewunderung, als sie das sagte. Dann lachte sie, als wäre ihr das ein bisschen unangenehm. Ob es dieser Anflug von Bewunderung oder die Art, wie Laura einen Raum betreten hat, ist, was ihr unangenehm war, das konnte ich schwer erkennen. In jedem Fall kann auch sie nicht unvoreingenommen über Laura sprechen und ist mir somit, wie meine Eltern, keine große Hilfe. Also was tun? Wie kann ich mir einen möglichst neutralen Eindruck von meiner Großmutter verschaffen, aus dem heraus ich eine eigene Beziehung zu ihr aufbauen kann?

Ich entscheide, mich zunächst an die Fakten zu halten, an alles, was auf Papier steht, und somit auf den ersten Blick wahr ist: Dokumente, Texte, Briefe und Fotos. Darauf aufbauend, werde ich in der Geschichte ihrer Zeit und ihres Lebensumfelds recherchieren. Dann erst, wenn sich Lauras Wurzeln in mir ge-
festigt haben und ich ihr Wesen aus einem inneren Verständnis heraus gegen die persönlich geformten Eindrücke Einzelner behaupten kann, erst dann will ich auch denen Fragen stellen, die sie persönlich kannten.

Ich nehme also den seidenen Faden auf, der mich mit meiner Großmutter Laura verbindet, und beginne, mich an ihm entlangzutasten.

Das Parfum der Erinnerung

August

Dort, wo ich aufgewachsen bin, in Urbana, Illinois, im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten, dort, wo es überwiegend Mais, Sojabohne und Kürbisse gibt, dort schmeckte ich beinahe ausschließlich die österreichische Küche. Meine Leibspeise und das, was meine Mutter am besten kochen konnte, war Rindfleisch mit Schnittlauchsauce und Petersilienkartoffeln. Das war außerdem die Leibspeise meines Vater und – wenn ich mich nicht irre – auch die des Kaisers Franz Joseph. Bei mir zu Hause roch es nach Schnittlauch und nach dem Parfum meiner Mutter.

Vor dem Schlafengehen bat ich meine Mutter oft, das Wort »Parfum« auszusprechen. Es klang für mich so Französisch und betörte mich irgendwie. Danach konnte ich meistens gut einschlafen. Gelegentlich habe ich meine Mutter sogar in mein Zimmer zurückgerufen, damit sie das Wort noch einmal sagte. »Parrrrfüüümmm« … Daraufhin schloss ich die Augen und fing sofort an, von meiner Großmutter zu träumen.

»Mütti? So hat mein Vater dich doch genannt, oder? Mütti?«

»Ja, ich erinnere mich, schrecklich. Furchtbarer, undankbarer Sohn. Eine Enttäuschung!«

»Und wie soll ich dich nennen?«

»Schöner junger Mann, nenn mich Ella.«

Die ältere und gleichzeitig ewig junge, feingliedrige Dame, die da in ihrer New Yorker Wohnung vor mir sitzt, sieht mich ziemlich verführerisch an. Ihr Blick hat etwas Mädchenhaftes, und sie hat eine zarte, engelsgleiche Haut. Ich glaube, auf Französisch würde man peau d’ange sagen. Überhaupt hat diese Ella etwas Französisches. Es fallen im Laufe des Gesprächs auch immer wieder Sätze beziehungsweise meist halbe Sätze auf Französisch.

Auf der Fensterbank liegen Papierblumen. »Hast du die selbst gemacht?«

»Oui, naturellement, mais vouz devez me vouvoyer, pas me tutoyer!«[3]

»Das kann ich nicht, du bist doch meine Großmutter, da sagt man doch ›du‹, oder?«

»Du gefällst mir, du bist frech!«

»Nein, nicht wirklich, aber du musst wissen, dass ich Amerikaner bin, und da fällt mir das ›Sie‹ eher schwer, noch dazu, wo du doch mit mir verwandt bist, oder?!«

»Comme tu veux. Mach uns doch einen Tee. In der Küche findest du alles.«

Die Wohnung im siebten Stock der 345 East 56th Street besteht aus einem Wohnzimmer, zwei Schlafzimmern und einem kleinen Büroraum. Die kleine Küche ist mit dem Nötigsten ausgestattet: Kühlschrank, Herd, Spüle. In einem Wandschrank befinden sich japanisch anmutende Porzellantassen und eine blaue Keramikteekanne. Der Wasserkessel ist aus Aluminium. Ich fülle ihn mit Wasser und stelle ihn auf die Herdplatte. In den Schränken suche ich nach Tee und finde zwei Schachteln mit Teebeuteln: Englisch Breakfast und Earl Grey. Ich entscheide mich für Earl Grey und hänge zwei Beutel in die Teekanne. Während das Wasser zu kochen anfängt, ruft Ella aus dem Wohnzimmer: »Wir brauchen Kekse, möglichst englische, geh doch runter zum Deli und hole welche. Der Schlüssel liegt auf der Kommode, nicht klingeln, wenn du zurückkommst.«

Ich stelle den Herd wieder ab, gehe zur Kommode und nehme den Schlüssel. Daneben steht eine japanische Keksdose. Aus Neugierde mache ich sie auf. Darin befindet sich wiederum eine winzige Blechdose.

»Das ist Renée! Lass sie in Frieden, let her rest in peace! R. I. P, you know?«

»Wer ist Renée?«

»Meine Erstgeborene. Starb in London 1948. Tuberkulose. Wir nannten sie Kitty.«

»Kitty? Wie kamt ihr darauf?«

»Sie hieß Renée Katharina, die wiedergeborene Katharina. Aber nach der Hochzeit hieß sie Renée Katharina Erös von Bethlenfalva. Unsere Kitty eben. Die Renée sah mir sehr ähnlich, eine richtige Schönheit war sie. Eine interessante Schönheit! Sie war das Zeugnis unserer Liebe, zwischen Alexander und mir, meine ich natürlich. Der Ludi hat sich mit ihr zerstritten, warum, weiß ich nicht. Schade, so eine ältere Schwester hätte auch etwas Schönes sein können. Aber nun steht die Asche auf meiner Anrichte.«

»Kannst du mir auch etwas über den Erich erzählen? Hans Erich, wie kamt ihr auf den Namen? Er war doch euer mittleres Kind, euer Zweitgeborener. Wie kamt ihr auf den Namen Hans Erich?«

»Gefällt er dir nicht?«

»Na ja.«

»Erich war hochbegabt und ein Intellektueller. Er war sehr belesen, er liebte Bücher über alles. Für unser Geschäft hat er sich gar nicht interessiert. Und dieses blöde Opium, das er zu sich genommen hat, hat ihm das Leben zerstört.«

»Opium? Wirklich? Nicht Kokain?«

»Was stellst du für Fragen? Er hat die Wirklichkeit nicht ertragen.«

»Und wer war sein Vater?«

»Mein Mann, Kommerzienrat Alexander Zirner.«

»Und wer war Renées Vater?«

»Was sind das für Fragen? Auch Kommerzienrat Zirner naturellement

»Und jetzt steht ihre Asche hier? Wie hast du sie hierhergebracht? Gibt es dafür einen österreichischen Lieferservice?«

»Sie starb in London, habe ich doch gesagt. Geh jetzt die Kekse holen.«

Ich fahre mit dem Lift nach unten und biege links in die First Avenue ein. Im Deli kaufe ich Kekse, English Shortbread, und gehe damit zurück in die Wohnung. Als ich »I’m back« rufe, erhalte ich keine Antwort. Ich mache den Tee endlich fertig, lege die Kekse auf einen Teller und kehre zu meiner Großmutter zurück. Sie sitzt versunken vor ihrem stummen Klavier und scheint nichts um sich herum wahrzunehmen.

»Teatime!«, rufe ich.

»Don’t be ridiculous!«[4], antwortet sie.

Natürlich plagt mich die Neugierde. Ich will wissen, wie Renée beziehungsweise ihre Asche nach New York gekommen ist, und dabei fällt mir ein, dass mir meine Mutter einmal erzählt hat, dass meine Großmutter erst im hohen Alter so etwas wie Kinderliebe empfand. Deswegen hat sie veranlasst, dass die Asche – wenigstens die Asche – ihrer Tochter bei ihr ist.

»Was bedeutet dir Mode?«, frage ich unvermittelt.

»Alles ist Mode, Mode ist alles!«, antwortet mir Ella und bedeutet mir, das stumme Klavier zur Seite zu räumen. Ich lege es auf die Kommode zu Renées Asche.

»Er hat immer gesagt …«

»Wer?«

»Na ja.« Und zum ersten Mal blickt meine Großmutter ein wenig traurig vor sich hin. Irgendwie verletzlich, weich. »Na ja, er sagte immer: »Modern. Was ist denn eigentlich modern? Modern ist zum Beispiel ein Hut, den man heuer trägt, eben weil er modern ist, den man aber ein Jahr darauf nicht mehr aufsetzen kann. Alles Moderne ist dazu verurteilt, rasch wieder unmodern zu werden. Wahre Musik hingegen ist immer zeitlos, nie modern.«

»Wer hat das gesagt, wer war das?«, will ich wissen.

»Ach, der Franz, der Franz Schmidt.«

»Und wer war das?«

»Dafür bist du noch zu jung.«

»Ich bin zu jung? Wofür? Okay, wo waren wir? Ach ja, erzähl mir von Mode, von deiner Mode und dem Maison Zwieback! Was für Mode habt ihr verkauft?«

»Verkauft? Nein, nein, sie wurde bei uns bestellt! Und manchmal auch bezahlt, manchmal aber auch nicht.«

 

Ich wache schweißgebadet auf und erinnere mich, dass meine Mutter mir gesagt hat, dass sie einmal Modespionin war, in New York war das, im Jahr 1942. Es gibt ein sehr schönes Foto von ihr, sie scheint über den Dächern von New York zu stehen und trägt einen sehr merkwürdigen Hut.

Ein Buchrücken wie eine verschlossene Tür

Ana

Laura hat mit der Schreibmaschine für uns Enkelkinder ihr Leben aufgeschrieben: Meine Einhundertzwanzig Jahre heißt das Buch. Sie hat Fotos hinzugefügt, sie stilvoll jeweils auf einer leeren Seite arrangiert. Das dicke Buch trage ich, seit ich mit sechzehn von zu Hause ausgezogen bin, von Wohnung zu Wohnung mit mir herum. Spätestens bei jedem Umzug halte ich es wieder in Händen, wenn ich die Bücherkisten packe, und blättere vorsichtig ein bisschen darin. Aber nicht zu viel. Denn es fühlt sich falsch an, das einfach so nebenbei zu tun. Es braucht die gebührende Zeit und Aufmerksamkeit für Lauras Geschichte. Doch diese Zeit hatte ich nie, habe sie mir nicht genommen. Bis heute nicht. Lauras Buch steht im Regal, und der knallrote Buchrücken ist wie die Tür zu meiner Familiengeschichte, die ich bisher nie aufgemacht habe. Eine Zeit lang, das muss ich zugeben, war es Desinteresse. Das Buch stand aus Respekt in meinem Regal, aber ich hatte keine große Lust, darin zu blättern, denn andere Dinge – zumal die Gegenwart – schienen mir weitaus wichtiger. Dann gab es eine Zeit des Verschiebens. »Wenn ich das Buch jetzt aufschlage«, so dachte ich, »und es bald darauf wieder schließe, weil ich etwas anderes tun muss, dann ist es, als würde ich damit nicht nur die Tür vor meiner Großmutter, sondern vor meiner ganzen väterlichen Familiengeschichte zuschlagen.« Also ließ ich es lieber zu. Alles, was mit dem Aufschlagen dieses Buchs einhergehen würde, schien mir zu ominös, zu groß, zu anstrengend, um es jetzt zu tun. »Später«, so sagte ich mir immer, »wenn ich dann Zeit habe.« Schließlich blieb das schlechte Gewissen. »Was? Deine Großmutter hat ihre Geschichte für dich aufgeschrieben, und du hast es in über dreißig Lebensjahren nicht ein einziges Mal gelesen?« Unfassbar, nicht wahr? Aber wie sollte ich das große Buch aus diesem Gefühl des bisherigen Versagens heraus aufschlagen? Das wäre ja, als würde ich es nur tun, um mein Gewissen zu stillen. Dafür ist es aber doch viel zu wertvoll!

So ist das Buch über die Jahre immer größer und schwerer geworden. Bei meinem letzten Umzug hatte ich fast das Gefühl, ich müsse ihm eine ganz eigene Umzugskiste geben, denn es könne schließlich nicht zwischen Bergsteigermagazinen oder alten Lucky-Luke-Heften verstaut werden. Der Kompromiss war schließlich, es in Gesellschaft von zwei Picasso-Bildbänden, den Lexika und den Notizbüchern von meinen Theaterinszenierungen zu verpacken.

Es gibt ein Foto, relativ weit hinten in Lauras Buch, das ich ziemlich gut finde und deshalb schon oft für eine Story missbraucht habe. Es zeigt die auf unkonventionelle Art sehr schöne junge Laura in einem schicken Kostüm der frühen Vierzigerjahre. Sie trägt dazu einen schräg sitzenden Hut ohne Krempe, der ihr modisch im Haar festgesteckt ist. Als ich Modespionin in New York war steht darunter. »Ja, meine Großmutter war Modespionin in New York!«, erzähle ich dann und bade in dem Scheinwerferlicht einer Frau, deren Geschichte mich bisher nicht einmal dazu bewegt hat, eine Seite weiter zu blättern und zu lesen, was es damit eigentlich wirklich auf sich hatte. Aber, und bei der Vorstellung muss ich grinsen, Laura hat es ja genossen, im Rampenlicht zu stehen. Vermutlich gefällt es ihr sogar, dass ihre unwissende Enkelin stolz auf ihre Außergewöhnlichkeit hinweist.

»Als ich Modespionin in New York war«

 

Ich weiß, dass die Auseinandersetzung mit den Inhalten und dem weiteren historischen Kontext von Lauras Buch mein vages Bild von ihr für immer verändern wird. Aber endlich bin ich wirklich neugierig auf ihre Lebensgeschichte und auf die Berichte aus einer Zeit in Wien, die lange vor der meinen liegt und an die ich doch durch das Band der Familienfolge unweigerlich gebunden bin. Ich bin ein bisschen aufgeregt. Ich ahne, dass ich über die Beschäftigung mit der Person Laura, meiner Großmutter, und meiner väterlichen Familiengeschichte insgesamt noch einiges über mich selbst lernen werde.

Das weiße Wandtelefon

August

Was bleibt zurück, wenn jemand stirbt? Diese Frage haben sich sicher viele Leute gestellt, um mit Verlust oder Schmerz umzugehen. Ich erinnere mich daran, dass mir, als mein Vater starb, plötzlich klar wurde, dass es keinen Gott gibt. Meine kindlichen Gebete, in denen ich darum bat, dass er lange leben würde, waren zwar sicherlich unerhört, aber auch ungehört geblieben; und nun fragte ich mich, wieso ich meine Zeit mit Beten verschwendet hatte. In all meinem Schmerz und Vermissen kam ich zu dem Schluss, die einzige Art und Weise, die meinen Vater lebendig halten könnte, sei, indem ich an ihn dachte. In meiner Erinnerung würde er nie sterben. Insofern gäbe es keinen Tod, und mein Vater wäre nicht in Wirklichkeit tot. Zu einem gewissen Grad hat das dann auch funktioniert, und trotzdem – Erinnerung ist eine wackelige Angelegenheit. Sie unterliegt der Verklärung, der Idealisierung.

Meine Mutter Laura hat gerne den Satz von Jean Paul zitiert: »Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.« Lange Zeit fand ich den Gedanken irgendwie interessant, aber inzwischen denke ich, der Satz birgt auch die entsetzliche Gefahr, Vergangenes schönzureden, schönzudenken. Meine Mutter war eben dann doch eine echte Wienerin.

Aber was tun, wenn man versucht, sich an jemanden zu erinnern, den man kaum gekannt hat, der aber doch scheinbar eine so wichtige Rolle im eigenen Leben spielt wie die eigene Großmutter. In meinem Fall eben Ella Zirner-Zwieback. Was bleibt mir anderes übrig, als mir das weiße Wandtelefon in unserer Küche in Amerika herbeizusehnen. Ich möchte eine lange Nummer wählen und dann am anderen Ende der Leitung eine Stimme hören, eine gebrechliche Stimme mit leichtem altwiener Einschlag. Ich würde fragen: »Liebe Mütti, liebe Großmutter, liebe Ella, wie war es für dich? Wolltest du gerne Kaufhauseigentümerin sein, oder wärst du doch lieber Pianistin geworden?« Wie hätte sie mir geantwortet? Ich befürchte fast, dass die Frage sie erbost hätte.

Ich muss plötzlich an jenen Tag im Februar 1971 denken, als meine Mutter mich anrief. Ich saß auf dem von Alvar Aalto entworfenen Barhocker an der Theke unserer Küche in Amerika. Ich war gerade aus der Schule gekommen und aß ein Sandwich. Neben mir an der Wand hing das weiße Telefon. Damals musste man den Hörer noch an einem Silberhaken einhängen und um zu telefonieren die Nummer auf der durchsichtigen, gelochten Plastikscheibe wählen. Unsere Telefonnummer lautete 344–6998. Manche Sachen löscht das Gedächtnis scheinbar nicht. Das Telefon hing an der Wand über der Theke, unter welcher sich das Alkoholschränkchen meiner Eltern befand. Dort stand auch der Whisky, den mein Vater und meine Mutter abends nach der Arbeit tranken. Vat 69, Cutty Sark und manchmal, bei besonderen Anlässen, Chivas Regal. Diese Ecke in unserer Küche war ein besonderer Ort. Die Theke und das weiße Telefon. Ein Ort, an dem ich mich sehr beschützt fühlte. Doch jetzt klingelte es, und am anderen Ende der Leitung war meine Mutter, die mir erklärte, dass ich ins Krankenhaus zu meinem Vater kommen müsse, er sei gerade gestorben. Aus heutiger Sicht wundert es mich nicht, dass dieses weiße Wandtelefon eine geradezu kultische Bedeutung für mich bekommen hat. Heute gibt es viele Menschen, die ich von ihm aus anrufen möchte. Ich würde gerne meinen Vater fragen, wie es für ihn war, eine strenge Geschäftsfrau als Mutter gehabt zu haben. Aber halt! Ella ist ja noch am Telefon, und meine Frage steht noch im Raum:

»Warst du gerne Eigentümerin eines großen Modekaufhauses? Warst du gerne Kauffrau, oder hat dich die Sehnsucht zur Musik nicht manchmal geplagt?«

»Was ist das denn für eine Frage? Weißt du denn überhaupt, wie bedeutend das Maison Zwieback war? Und warum das Kaufhaus so bedeutend wurde? Eben weil eine begabte Pianistin die Chefin war! Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ich habe das getan, was mein Vater gewünscht hat, so ist das, c’est ça! Und Zeit für das Klavier war immer noch, der Tag hat vierundzwanzig Stunden. Schau dir mal unsere Hütekollektion an. Und überhaupt die Winterkollektion 1926, diese subtile Mischung aus Seide und Pelz, die diskrete Würdigung des Wiener süßen Mädels. Die Weekend-Kleidung, die modische Gleichstellung von Frau und Mann, Frauen können genauso Knickerbocker tragen wie Männer! Schau dir das ärmellose Abendkleid an, mit V-Ausschnitt – so was hat’s vorher in Wien nicht gegeben. Und auf die Mantelkreation mit Pelzkragen samt federgeschmückter Kopfbedeckung bin ich besonders stolz. Schau es dir erst einmal an, und dann urteile über deine Großmutter und über ihren Umgang mit ihrem Talent! Du weißt, wie sehr ich unter der mangelnden Solidarität deines Vaters leide. Ich dachte, wenigstens vom Enkel hätte ich mehr Achtung zu erwarten.«

Ich habe schnell eingehängt, es ist unangenehm, von der toten Großmutter so beschimpft zu werden. Trotzdem frage ich mich, wie wächst das zusammen: kaufmännisches Erbe und musikalisches – pianistisches – Talent? Und überhaupt, wo kam Ellas Talent her? Und was war ihr Talent? Was hat sie geerbt, und wie schwer wog die Liebe ihres Vaters, eine Liebe, die sie getrieben und gleichzeitig befähigt hat, ein Riesenkaufhaus zu leiten?

Eine Tür öffnen

Ana

Es ist fast schon ein feierlicher Moment. Ich sitze auf der Couch, eine Tasse Tee steht dampfend neben mir, und draußen verregnet es einen grauen Novembertag. Auf meinem Schoß liegt das dicke schwere Buch.

 

Warum sie wohl ihren Mädchennamen verwendet?

Auf der Titelseite prangt in der Mitte eines Gittermusters ein Schwarz-Weiß-Foto, es stammt vermutlich aus den Zwanzigerjahren. Es zeigt ein brav frisiertes Mädchen: Mittelscheitel über dem rundlichen Gesicht, Bluse mit weißem Kragen, schwar-
zes Schleifchen. Auffallend ist ihr Ausdruck, in dem etwas Forderndes liegt, obwohl die Haltung – Kopf leicht nach vorn gezogen, hängende Schultern – eher unsicher wirkt. Die dunklen, melancholischen Augen sind prägnant und scheinen den Fotografen zu durchschauen. In den Winkeln des geschlossenen Mundes erahne ich eine Spur von Spott. Insgesamt ist es diese kontrastierende Kombination aus Selbstbewusstsein und Unsicherheit, die mir bekannt vorkommt. Und dann weiß ich auch warum. Ich halte ein Kinderfoto von mir selbst daneben: Das ist es.

Das Bild von Laura scheint mich aufzufordern, die Perspektive des Mädchens einzunehmen, um das zu sehen, was sie sieht. Wer ist dieser Fotograf, der bei einem Mädchen von höchstens neun Jahren diesen Ausdruck auslöst? Ist es seine Stimme oder die Art, wie er mit ihr redet? Sind es die anderen Erwachsenen im Raum oder deren Erwartungen an ihr Verhalten während der Aufnahme?

Ich reiße mich los und blättere um. Für meine Enkel, Johannes und Ana, steht da in Schreibmaschinenschrift auf einer Seite. Bei genauem Hinsehen entdecke ich oben auf der Seite ein Wasserzeichen. Es ist eine ganze Zeile, Buchstaben und die Bildchen kleiner Häuser. Die Seite steht auf dem Kopf, und so drehe ich das Buch um und halte es gegen das Licht. »Neusiedler« steht da. Und die drei Buchstaben eines offensichtlich unvollständigen Wortes am Seitenrand: »J A P.« Japan? Ich google und bin ein bisschen enttäuscht ob des schnöden Ergebnisses: »Neusiedler Japan-Post A4, 80 Gramm mit Wasserzeichen, 13,99 € für 500 Blatt.« Da habe ich wohl aufgeregt überinterpretiert. Trotzdem fühle ich mich kurz verlockt, das Papier, das es offensichtlich noch heute gibt, zu bestellen.

Auf der nächsten Seite ein Zitat des Dichters Jean Paul:

Die Erinnerung ist das Paradies,
aus dem man nicht vertrieben werden kann.

 

Darüber muss ich noch nachdenken.

Das Papier der folgenden Seiten ist ein anderes. Es ist sehr dünn und edel. Die Anschläge der Schreibmaschine haben sich mal mehr, mal weniger kräftig auf die Rückseite durchgedrückt. Das muss ich mir unbedingt genauer ansehen. Ob ich wohl anhand der Stärke ihres Anschlags in verschiedenen Passagen Rückschlüsse auf ihre Stimmung während des Schreibens wagen kann?