Bernhard Richter
Feldpostbriefe und Tagebücher – 1940-1945
Mit einem Vorwort von Ursula Brück
FÜR MONA
„Leben heißt, beharrlich einer Erinnerung nachzuspüren.“
Patrick Modiano
„Kindheitserinnerungen sind oft kleine Details, die sich abheben vor dem Nichts.“
Patrick Modiano
„Das Schweigen, das tiefe Verschweigen, besonders wenn es Tote meint, ist letztlich ein Vakuum, das das Leben irgendwann von selbst mit Wahrheit füllt.“
Ralf Rothmann
Bernhard Richter wurde am 29. 9. 1906 als eines von vierzehn Geschwistern auf dem Hof der Familie Richter in Roxel bei Münster geboren. Seine Eltern waren der Gutsbesitzer Philipp Richter II (1849-1921) und seine Ehefrau Maria Richter, geb. Scheuing (1873-1950).
Er besuchte das Gymnasium Paulinum in Münster und studier¬te dort Medizin. Nach dem Studium arbeitete er als Assistenz-Arzt an Krankenhäusern in Bochum, Dortmund, Bielefeld und in Arztpraxen u.a. in Bocholt und Wiedenbrück. In Gelsenkirchen-Horst lernte er 1933 seine spätere Ehefrau Hanny Düsing kennen. Sie heirateten am 24. 11. 1935. im selben Jahr ließ er sich als prakt. Arzt in Burgsteinfurt/Westf. nieder und bezog dort das Wohnhaus mit Praxis an der Wasserstr. 19. Dort wur¬den die Kinder Rainer (12.12.1937) und Ursula (11.4.1940) geboren.
Im Bundesarchiv, Freiburg, ist belegt, dass Dr. Bernhard Richter „am 1.10.1940 in das Offizierskorps des Beurlaubtenstandes eingetreten ist und als Stabsarzt bei der Sanitätsabteilung 16 diente“. Aus einem weiteren Vermerk ist ersichtlich, dass sein Truppenteil das „motorisierte Stab/Pionier-Bataillon 666 bei der 79. Division“ war und dass er dort „am 3.3.1943 mit dem EK I ausgezeichnet wurde“.
Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg im Herbst 1945 konnte er in Burgsteinfurt seine Tätigkeit als praktischer Arzt wieder aufnehmen. Am 26. 8.1946 wurde dort Beate, das dritte Kind der Familie, geboren.
Ab ca. 1955 nahm er gelegentlich zur medizinischen Weiter¬bildung an Ärzte-Kongressen teil, unter anderem in Davos und Meran.
Bernhard Richter liebte die weitgefächerten Herausforderungen in seinem Beruf als Landarzt in einer Kleinstadt mit zahlreichen Bauernschaften. Er hatte ein sehr persönliches Verhältnis zu seinen Patienten. Auch deshalb wurde er von ihnen geschätzt und verehrt.
An seinen beiden Hobbys – der Brieftaubenzucht und der Jagd – hat er bis ins hohe Alter viel Freude gehabt.
Am 26. 12. 2001 ist er im Alter von 95 Jahren in Burgsteinfurt gestorben.
Herrn und Frau
Johann Düsing
Gelsenkirchen-Horst
Essenerstr. 9
O.U.,1 den 25.IV.40
Liebe Eltern!
Aus dem fernen Westen sende ich Euch herzl. Grüße. Nun ist Euer Haus auch ziemlich leer geworden, da Hans und Heinz auch fort sind. Beim Empfang dieser Zeilen wird Irmgard wenigstens wieder bei Euch sein. Habt vielen Dank, daß Ihr sie bis jetzt Hanny zur Hilfe gegeben habt. Länger geht es ja nicht, das sehe ich ein. Hoffentlich kann sich der eine oder andere von Euch mal frei machen und Hanny besuchen. Auch möchte ich Euch nochmals danken, daß Ihr Hanny und Rainer den ganzen Winter und Frühling bei Euch gehabt habt. Betrachtet in diesem Sommer Burgsteinfurt als Sommerfrische, damit wir Euch Eure Güte vergelten können.
Andere Reisen kann man jetzt ja doch nicht unternehmen. Hanny und Ursula2 geht es ja Gott Dank soweit ganz gut. Sie schreibt, daß Ihr von Bernhard noch keine Nachricht habt. Ihr braucht Euch nicht beunruhigen. Bei der Sachlage war das vorauszusehen. So schnell ist von ihm noch keine Post zu erwarten. Rudi habe ich geschrieben. Ob wir uns treffen können, ist doch noch fraglich. Wir scheinen doch weiter voneinander getrennt zu liegen, als ich anfangs dachte. – Mir geht es gut hier. Ich bin gut untergebracht. Die Verpflegung ist wirklich gut. Landschaftlich ist es hier sehr schön, besonders an den vergangenen Sonntagen war es herrlich. Die Natur erwacht jetzt mit Macht. Heute hat es allerdings wieder tüchtig geregnet.
Nun lasst es Euch recht gut gehen und habt Gottvertrauen. Ihr dürft Euch nicht zu viel sorgen.
Mit den besten Grüßen, auch an Irmi und Annemie
Euer Bernhard
Absender:
Unterarzt Dr. Richter 04568
1 Ortsunterkunft, wenn aus Gründen der Geheimhaltung keine offenen Ortsangaben erfolgen durften.
2 geb. am 11.04.1940 in Burgsteinfurt
Feldpost
Herrn Joh. Düsing
Gelsenkirchen-Horst
Essenerstr. 9
O.U. den 19.VII.40.
Lieber Vater!
Nach meiner Rückkehr ins „Feld“ finde ich Deinen Brief vom 22. VI. vor. Als ich am 2.VII. abfuhr, war er noch nicht da; solange dauerte danach der Transport der Feldpost. Mittlerweile ist es etwas besser geworden damit. Also, habe auch jetzt noch vielen Dank für Deinen lieben Brief. Auch von Rudi habe ich einige Zeilen bekommen, die ich gleich beantworten werde. – Leider ist es inzwischen immer noch nicht gegen den Hauptschuldigen am Kriege so richtig losgegangen und Ihr werdet immer noch von den engl. Fliegern belästigt. Hoffentlich bleibt Ihr alle verschont. Hanny nimmt es ja sehr mit. Aber man kann ja leider nichts dagegen unternehmen. Meine vielen beruhigenden Worte haben, glaube ich, nicht viel Erfolg gehabt. Hast Du Irmgard für einige Zeit entbehren können? Mutter soll sich diesmal in B.furt wohl nicht recht erholt haben können. Habt Ihr Euch schon entschlossen, wann u. wo sie sich operieren lassen will. Sie sah jetzt trotz allem besser aus als vor einigen Monaten, so daß sie es jetzt wohl leichter überstehen kann. Es lässt sich ja doch wohl nicht umgehen, da Dr. Klose ja auch dazu geraten hat. –––––– ist auch sehr mitgenommen. Etwa 100 Einwohner von 1000 sind wieder zurückgekehrt. Dabei macht der Ort einen Eindruck wie bei uns eine Stadt von 5000 Einwohnern. So verheerend hat sich in Frankreich schon der Geburtenrückgang ausgewirkt.
Es ist ein obskures Volk. Anders kann man sich trotz dem Schneid unserer Wehrmacht und der Wucht unserer Waffen nicht den so schnellen u. katastrophalen Untergang erklären. Es muß sich gewaltig aufraffen, wenn es wieder in Europa ein Wort mitreden will. Hier gibt es noch viel ungedroschenes Korn vom vorigen Jahr. Es mangelte wohl an Arbeitskräften und man hatte im Überfluß. Wegen seiner dünnen Besiedelung wird sicher ein Teil des Landes umgesiedelt werden u. an Deutschland fallen. Vielleicht kommt es so, dass wir mit voller Berechtigung im Deutschlandlied singen können: „von der Maas bis an die Memel“. Aber wer weiß, wie es kommt. Die Zukunft wird es lehren.
Nun wünsche ich Dir und Mutter alles Gute.
Mit herzlichem Gruß!
Dein Schwiegersohn Bernhard
Abs.: Unterarzt Dr. Richter
F.P.N. 19362
Familie Joh. Düsing
Gelsenkirchen-Horst
Essener Str. 9
O.U. 14. II. 41
Meine Lieben!
Aus meinem neuen Wirkungskreis sende ich Euch allen herzl. Grüße. Es geht mir gut, was ich von Euch erhoffe. Meine neue Tätigkeit als Regimentsarzt bringt mir allerdings vorläufig noch viel Arbeit, da ich mich wieder von neuem einarbeiten muß. Bei allem Hin und Her bleibt aber doch noch Zeit, sich das Leben und Treiben dieser Stadt anzusehen. Sie birgt ja unendliche Sehenswürdigkeiten. Manches verlangt ja strenge Lebensgrundsätze, um nicht vom Strudel mitgerissen zu werden. Aber die glaube ich ja wohl von zu Hause mitgebracht zu haben. Ich wohne vorläufig in einem der größten Hotels, sehr komfortabel. Das Leben ist sehr teuer. Wir stehen noch geraume Zeit in Selbstverpflegung. Aber der tägliche Verpflegungssatz von 3,60 RM reicht nicht aus, wenn man nicht immer in einem Soldatenheim essen will. Auch hier gibt es Lebensmittelkarten. Die Rationen sind etwas größer als in D., sodaß man gut damit auskommt. Auch die Kleiderkarte ist jetzt eingeführt. Zu kaufen gibt es also nur noch wenig. Es scheint aber doch alles noch mehr da zu sein als in der Heimat, wenn auch manches jetzt knapp zu werden beginnt.
Anfänglich war es hier sehr kalt, da die Hotels und Lokale schlecht geheizt waren. Aber jetzt scheint so langsam der Frühling zu beginnen. 14 Tage bin ich nun fort und habe noch keine Nachricht von Hanny. Hoffentlich geht es ihr und den Kindern gut. Für sie und besonders für Rainer, der sich ja in letzter Zeit nicht so gut machte, ist sicher baldiger Luftwechsel gut.
Nun laßt auch bald von Euch hören. Es ist eigentlich nicht nötig, daß ich eine Bitte ausspreche, da ich im vergangenen Kriegsjahr so oft von Euch mit Liebesgaben beschenkt worden bin. Aber da es hier kaum deutsche Zigaretten gibt, und die französischen sehr schlecht sind, würde ich mich freuen, welche von Euch zu bekommen.
Nun seid nochmals alle recht herzlich gegrüßt von
Eurem Bernhard
Abs. Ass. Arzt Dr. Richter F.P.N. 40906
Familie Joh. Düsing
Gelsenkirchen-Horst
Essenerstr. 9
O.U. den 1.IV. 41
Meine Lieben!
Nachdem ich 8 Tage keine Post erhalten habe, bekam ich gestern Abend fünf Briefe zugleich von Hanny. Nun weiß ich endgültig, daß sie wieder in Burgsteinfurt ist. Da will ich dann endlich auch Euch mal einige Zeilen zukommen lassen. Hoffentlich bist Du, liebe Mutter, wieder hergestellt und geht es Euch allen gut. Rudi hat ja auch einen großen Rutsch gemacht. Ich hab ihm u. Bernhard zweimal geschrieben und auch von beiden schon einmal Antwort bekommen. Unser Eugen ist jetzt endgültig bei der Marine, Josef in Paderborn.
Eugen Richter
Mir geht es hier sehr gut. Ich habe schon viel von Bulgarien kennen gelernt. Meist hatten wir gute Quartiere; die Bewohner freuen sich, einen deutschen Soldaten beherbergen zu dürfen. Sie sind sehr gastfreundlich. Einen großen Überfluß hat das Land nicht, weshalb wir auch nur wenig einheimisches Geld bekommen haben, damit wir nicht zu viel aufkaufen können. Und Päckchen dürfen wir auch nicht schicken. So konnte ich Euch bisher nichts zu kommen lassen, besonders nicht für Mutter den ersehnten Kaffee. Vielleicht später mal. Jetzt führen wir ein lustiges Lagerleben, mal hier mal dort. Bald wird es wohl ernster werden.
Ich werde wohl das Land wiedersehen, in das ich vor drei Jahren mit Hanny eine Reise gemacht habe. Das habe ich damals allerdings nicht gedacht. Aber was jetzt in dem Land geschieht, kann nicht so weiter gehen. Die Folgen hat es sich selbst zu verdanken. Hier ist es schon Frühling; die Bäume blühen und es ist schon sehr warm. Und seit gestern weht ein starker Wind, da müssen wir oft viel Staub schlucken. Unsere Verpflegung ist ausreichend, zu rauchen haben wir auch, allerdings nur noch bulg. Zigaretten. Das Schlafen auf einem Strohsack in einem Zelt ist zur Veränderung auch mal ganz schön. Man gewöhnt sich an alles.
Hanny mit Cousin Aloys Düsing und Bruder Bernhard
In der Gärtnerei hat es sicher einen schönen Feiertag gegeben. Schade, daß ich nicht dabei sein konnte. Ich habe auch hingeschrieben, aber mit Verspätung, da ich die Anzeige erst am Tag der Primiz erhielt.
Jetzt sitze ich in unserem Krankentransportwagen und schreibe auf den Knien. Daher die ungelenke Schrift. Hoffentlich könnt Ihr alles lesen. Habt Ihr oft Fliegeralarm? Wir wundern uns, daß der Engländer uns hier ganz in Ruhe lässt. Aber damit soll es wohl bald vorbei sein. Vielleicht sind beim Eintreffen dieser Zeilen schon wichtige Ereignisse erfolgt. Aber es wird eben alles gründlich vorbereitet, sodaß man nichts sicheres wissen kann. Umso schneller geht es dann auch hinterher. Wir wollen das Beste hoffen.
Hotelunterkunft in Pechtern, Bulgarien, März 1941
Nun, Vater, Mutter, Irmi, Heinz und Annemie, empfangt die herzlichsten Grüße
Von Eurem Sohn und Schwager
Bernhard
Abs.: Ass. Arzt Dr. Richter, 10348
Herrn Joh. Düsing
Gelsenkirchen-Horst
Essenerstr. 9
O.U. den 21. 4. 41
Lieber Vater!
Habe vielen Dank für Deinen Brief vom 28.3., den ich vorgestern erhalten habe. Drei Wochen war er also unterwegs. Daran kannst Du ermessen, wie weit ich von der Heimat entfernt bin. In der Ferne grüßt der „hohe Olymp“, auf dem jetzt die deutsche Reichskriegsflagge weht. Mittlerweile ist die Front uns schon sehr weit voraus geeilt. Uns hält eine wichtige Pionierarbeit noch einige Tage hier, so das wir wohl kaum noch in den Kampf aktiv eingreifen werden. Denn wir rechnen damit, daß in Kürze auch in diesem Lande der Südostfeldzug siegreich beendet sein wird. Ich habe einige schwere Tage miterlebt, sonst aber alles gut überstanden. Wohl 10 Tage bin ich aus der Uniform nicht herausgekommen.
Motorisierter Marsch in Griechenland
Hier leben wir wie in der Sommerfrische. Es ist herrlichstes Wetter, fast wird es uns schon zu heiß. Aber das wollen wir gern ertragen. Zu essen und zu rauchen haben wir reichlich. Die Balkanländer sind allerdings durchweg arm. Alles ist noch sehr primitiv, die Lebensweise, die Wohnkultur und der Straßenbau. Zudem bereiten uns die Engländer auf ihrem „Glorreichen Rückzug“ manche Schwierigkeiten. Aber deutsche Pioniere werden mit allem fertig. Die hohen Berge mit den schwierigen Pässen stellen große Anforderungen an Mann und Führung. Die Ausfälle sind trotzdem sehr gering. Bald wird wohl die Hauptstadt des Landes fallen und damit sein Schicksal entschieden sein.
Im Olivenhain vor Athen, Juni 1941
So hat sich also seit Deinem Brief vieles ereignet. Aber immer bleibt noch der letzte schwerste Kampf. Nach unseren bisherigen Erfolgen ist nicht daran zu zweifeln, daß auch er siegreich enden wird. Hoffen wir, recht bald, damit wir in diesem Jahr wieder ein Friedensweihnachtsfest feiern können.
Von Hanny hatte ich den letzten Brief am 6. 4. Bis dahin ging es ja ihr und den Kindern gut. Ich warte auf Nachricht, wohin sie nun reisen werden. Meinen Brief werdet Ihr inzwischen wohl erhalten haben.
Ich hoffe, daß es Dir und allen dort in Horst gut geht. Wo ist Aloys D. hingekommen? – Im Moment kommt Post an, darunter Zigaretten und ein Brief von Hanny vom 4. IV. Es ist schön, daß Mutter Hanny einige Tage Gesellschaft leistet und Annemie ihre Osterferien in Burgsteinfurt verbringt.
Nun wünsche ich Dir und allen dort alles Gute und grüße Euch von Herzen!
Dein dankbarer Sohn Bernhard
Abs.: Ass. Arzt Dr. Richter 10348
Frau Joh. Düsing
Gelsenkirchen.Horst
Essenerstr.9
Griechenland, den 13. 5. 41
Liebe Mutter!
Aus Anlaß des bevorstehenden Muttertages sende ich Dir herzliche Grüße. Möge es Dir gesundheitlich gut gehen und Gottes Segen Dich im weiteren Leben begleiten. Vor allem wünsche ich, daß bald die Sorge um die Söhne und auch um Euer eigenes Leben von (Euch) Dir genommen wird. Auf meinen letzten Brief an Rudi u. Bernhard habe ich noch nichts wieder von beiden gehört. Aber die Post ist auch solange unterwegs. Darum entschuldige, wenn meine Wünsche zu spät ankommen.
Gestern erhielt ich von Hanny nach fast vier Wochen endlich wieder Post, gleich vier Briefe vom 8. 10. 23. u. 25. April. Nun weiß ich endlich, daß sie mit den Kindern im Sauerland weilt. Das ist wohl das Beste. So könnt Ihr sie auch mal besuchen. Wenn wir mal wieder in Deutschland sind und ich nicht bald Urlaub bekomme, wirst Du doch sicher Hanny mal für einige Tage vertreten können, damit sie mich besuchen kann. Wir rechnen ja im Stillen damit, daß wir Mitte Juni zurück sind. Aber man kann ja nie wissen, wie es noch kommen wird. Hier geht’s uns ja auch sehr gut. Nur sehnt man sich nach den Lieben daheim. Aber wenn ich jetzt wieder regelmäßig Post bekomme, dann will ich zufrieden sein und auch dankbar dafür sein, daß mir nichts zugestoßen ist.
Manchmal war es doch etwas gefährlich. Wir liegen immer noch in einer Bucht am ägäischen Meer. Der ständige frische Seewind mildert die starke Hitze. In dem schönen Haus, das nach deutschem Muster gebaut ist, – denn die Frau des Besitzers ist eine Deutsche – und das mitten in einem schönen Park liegt, können wir es gut aushalten. Unsere Verpflegung ist ausreichend, manchmal üppig. Zur Abwechslung fangen wir uns hin und wieder Fische. Morgen bekommen wir die ersten frischen Kartoffeln. Zigaretten gibt es auch reichlich und billig, 20 Stck für 15-20 Drachmen, das sind 30-40 Pf. Auch Apfelsinen und andere Früchte gibt es schon. So können wir uns über nichts beklagen. Trotzdem will ich hoffen, daß wir uns bald wiedersehen. Zum Schluß wünsche ich Dir Gesundheit und Zufriedenheit.
Mit vielen Grüßen an Vater, Irmi und Annemie, Heinz und Marianne
verbleibe ich Dein dankbarer Sohn
Bernhard
Griechenland
Frau Joh. Düsing
Gelsenkirchen-Horst
Essenerstr. 9
Griechenland, den 20. 5. 41
Liebe Mutter!
Zum baldigen Namenstage, dessen Tag ich nicht genau weiß, sende ich Dir meine herzlichsten Glückwünsche. Mögest Du ihn in Gesundheit und Zufriedenheit erleben und Gottes Segen Dich weiterhin begleiten. Sollten meine Wünsche infolge des weiten Weges nicht rechtzeitig eintreffen, so hoffe ich trotzdem, daß sie dankbare Aufnahme finden. Das bringt der Krieg so mit sich. Die Osterbriefe aus der Heimat habe ich auch erst drei Wochen später bekommen. Mir geht es hier sehr gut, wenn ich auch ziemlich allein an dem schönen Platz bin. Der größte Teil der Truppe ist woanders.
Heinz, Rudi, Berdhard Düsing. ca.1930
Heute sah man viele deutsche Flugzeuge, meist Transportmaschinen. Ihr Ziel wird wohl aus dem morgigen Wehrmachtsbericht hervorgehen. Wenn Du den Brief erhälst, ist ein weiteres wichtiges Unternehmen siegreich beendet. Hier unten ist es jetzt sehr heiß, 33° im Schatten, sodaß ich froh bin, daß ich noch hier bin. Denn in diesem schönen Park und so nahe am Strand ist es immer ziemlich kühl.
Heute erhielt ich wieder einen Brief von Irmi, die sich jetzt in der Fremde auch sehr nach Post sehnt. Das ist ja sehr plötzlich gekommen mit ihrem Arbeitsdienst. Auch von Rudi erhielt ich eine Karte. Ich habe beiden schon wiedergeschrieben. Von Bernhard habe ich lange nichts mehr gehört. Von Hanny trafen die Briefe bis vorgestern stoßweise ein. Vier Wochen hatte ich auch nichts von ihr gehört. Jetzt bin ich auf den ersten Brief aus dem Sauerland gespannt. Hoffentlich gefällt es ihnen dort wieder gut und haben sie gutes Wetter.
Wie geht es Euch? Ich hoffe gut. Im Stillen rechne ich damit, Anfang Juni heimzukehren, worauf ich mich natürlich sehr freue. Ob es dann Urlaub gibt, ist wohl noch sehr fraglich. Wer weiß, was alles noch kommt. – Heute abend wird das elektr. Licht gar nicht eingeschaltet. Dabei ist es schon fast 8 Uhr. Ich kann kaum noch sehen. So muß ich für heute schließen.
Mit vielen Grüßen an Vater, Heinz und Annemie, besonders an Dich
Dein Sohn Bernhard
Abs.: Ass. Arzt Dr. Richter, 10348
Familie
Joh. Düsing
Gelsenkirchen-Horst
Essenerstr. 9
Griechenland, den 2. Juni 41
Meine Lieben!
Zunächst danke ich Dir, Mutter, für den Brief vom 3. Mai, den ich vor etwa 14 Tagen (geschrieben) erhalten habe. Ich habe noch nicht darauf geantwortet, weil ich kurz vorher zweimal geschrieben hatte. Seitdem habe ich wieder keine Post bekommen. Auch Hannys letzte Nachricht war von Anfang Mai; ich weiß grade, daß sie gut in Winkhausen angekommen war. Und jetzt denkt sie sicher schon wieder an die Rückkehr und ich höre die ganze Zeit nichts von ihr. Es ist unbegreiflich, daß man nicht mehr für unsere Feldpost sorgt. Der Vormarsch ist doch nun zu Ende. Jetzt ist ja auch die Insel Kreta bald in unserer Hand und wir hoffen, daß wir dann bald zurückkommen. Hoffentlich werden wir nicht ein zweites Mal enttäuscht. Wir sehnen uns sehr zurück, zumal uns das Klima auf die Dauer nicht so gut bekommt. Ich habe auch ziemlich abgenommen. Wir liegen nicht weit von Athen, sodaß wir etwas Ablenkung haben. Aber bei der Hitze hat man wenig Unternehmungslust. – Hoffe, daß auch von Euch Post unterwegs ist und bald ankommt. Übrigens, die Zigaretten habe ich auch dankend erhalten.
Mit vielen herzl. Grüßen!
Euer Bernhard
Abs. Ass. Arzt Dr. Richter, 10348
Familie
Joh. Düsing
Gelsenkirchen-Horst
Essenerstr. 9