Für Marcia in Liebe und Dankbarkeit
für unseren gemeinsamen Weg durch dieses Leben.

Vorwort

Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine hochwirksame psychologische Therapieform, die auf einer kohärenten und umfassenden Theorie von Emotionen und den an diese Emotionen gekoppelten Verhaltensweisen basiert. Mithilfe der Theorie ist es möglich, die Ursachen für die konkreten emotionalen Probleme eines jeden Menschen offenzulegen. Eine genauso große Bedeutung kommt den aus der Theorie abgeleiteten KVT-Tools zu, die im Laufe der letzten 40 Jahre in der Praxis immer weiterentwickelt worden sind. Dank dieser großen Bandbreite an Techniken können Therapeutinnen und Therapeuten ihre Interventionen genau an die speziellen Bedürfnisse und Vorlieben jeder Patientin und jedes Patienten1 anpassen. Man sollte meinen, dass die KVT ihre Wirkkraft nur mittels eines erfahrenen Therapeuten so richtig entfalten kann, der die Patienten dabei unterstützt, ihre individuell zugrundeliegenden Muster zu erkennen, und der geeignete Tools auswählt und entsprechend anpasst. Wie soll es möglich sein, das alles in Buchform zu vermitteln? Das ist offenbar kein Problem für Dr. Seth Gillihan, der es mit klarer, einfacher und doch eleganter Sprache schafft, alle Leser zu erreichen, die verstehen und verändern möchten, was ihrer psychischen Gesundheit im Wege steht.

Die beruhigende und zuversichtliche Stimme, die aus diesem Buch spricht, ist mir wohlbekannt. 2005 war Seth der 50. Doktorand, den ich an der University of Pennsylvania (Penn) im Rahmen eines einjährigen Praxisseminars in KVT unterrichtete und betreute.

Im Laufe der letzten 35 Jahre durfte ich einige der beeindruckendsten und motiviertesten Nachwuchstherapeuten, die man sich nur wünschen kann, in die Prinzipien und Praktiken der KVT einführen. Noch immer staune ich darüber, wie viel Talent, Wissen und Lerneifer da versammelt waren. Aber mit seiner Klugheit und seiner Fähigkeit, eine Verbindung zu Menschen aus allen Schichten und mit den unterschiedlichsten Hintergründen aufzubauen, hat Seth einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Auf beispiellose Weise ist er dazu in der Lage, das Beste dessen, was ich von meinen eigenen Mentoren, Dres. Steven Hollon und Aaron T. Beck, gelernt habe, zu vermitteln, und weiß das noch durch seine eigenen wertvollen Erkenntnisse zu ergänzen.

Zum ersten Mal begegnet bin ich Seths außerordentlicher psychotherapeutischer Gabe in den Videoaufzeichnungen seiner Therapiesitzungen, in seinen Fallberichten und in den präzisen Beschreibungen der Erfolge – und Rückschläge –, die er bei der Arbeit mit seinen Klienten erlebt hatte. Heute sehe ich denselben Seth Gillihan mit ungleich mehr Erfahrung vor mir, der sich mit Sei dein eigener Therapeut: Kognitive Verhaltenstherapie in 7 Wochen (2018) und als Co-Autor eines praxisnahen und einfühlsamen Ratgebers für Patienten mit Zwangsstörungen und ihre Angehörigen für das vorliegende Projekt „aufgewärmt“ hat.

Es macht Spaß, sein jüngstes Buch zu lesen – und das heißt schon etwas, wenn man bedenkt, wie ernst das Thema ist und wie realistisch und ehrlich er die behandelten Probleme angeht. Dem Buch gelingt es, einen großen Themenbereich im Detail abzudecken, dabei aber so „leicht“ zu bleiben, wie es der Titel verspricht. Noch mehr als das Vorgängerbuch zehrt es von Seths Stärken, unter anderem einer unübertroffenen Fähigkeit, das Material so zu organisieren und zu strukturieren, dass es ein Leichtes ist, die vielen darin enthaltenen Informationen zu verstehen und zu behalten. Einzigartig an diesem Buch ist der Rhythmus, den Seth gleich zu Anfang einführt und dann in jedem Kapitel aufgreift, um Schritt für Schritt aufzuzeigen, wie man dysfunktionalen Gedanken begegnet, problematische Muster mittels des eigenen Verhaltens aufbricht und sich schließlich mit Achtsamkeit den wichtigen Dingen im Leben zuwendet. Mich hat dieser Rhythmus so beeindruckt, dass ich inzwischen in meiner eigenen Lehre darauf zurückgreife: Denken, Handeln, Sein. Was könnte einfacher sein? Und doch sind die Konzepte hinter diesen Wörtern umfassend und wirkmächtig genug, um das Leben von Klienten, die sich in eine Therapie begeben, mit seismischer Gewalt ins Positive zu wenden. Das Gleiche können diese Konzepte auch für die Leser dieses Buches tun.

Auch wenn man als Leser nicht in allen hier behandelten Bereichen (Traurigkeit, Sorgen, Angst, Ärger, Prokrastination, Selbstkritik) selbst Probleme hat, möchte ich allen die Abschnitte zu drei der Themen ganz besonders ans Herz legen: Prokrastination, Ärger und „Sicherheitsverhalten“. Seths Erkenntnisse zu diesen oft verwirrenden und doch nur allzu verbreiteten Verhaltensmustern sind hochinteressant! Und zumindest wird man als Leser anhand seiner Charakterisierungen dieser Muster etwas besser nachvollziehen können, wie sie Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder ins Straucheln bringen.

Fast jeder prokrastiniert und doch weiß kaum jemand etwas darüber, welche Ursachen oder Prozesse hinter Prokrastination stecken. Unangemessener und übermäßiger Ärger, wie er nur allzu häufig vorkommt, wird nachvollziehbar, was schon die halbe Miete ist, wenn es darum geht, ihn bei sich selbst unter Kontrolle zu bringen oder den Partner dabei zu unterstützen, sich aus seinen Fängen zu befreien. Und Sicherheitsverhalten schließlich kann Menschen, die von unrealistischen Ängsten oder Zwangsverhalten geplagt sind, davon abhalten, daraus auszubrechen und ihr Leben in vollen Zügen zu genießen. Zu lesen, wie Seth diese Muster analysiert, ist spannend und eine Offenbarung. Dies ist ein gutes – und gut erklärtes – Beispiel dafür, wie Psychologen unser Verständnis davon, „wie Menschen ticken“, vorangebracht haben.

Manche Leser werden dieses Buch zurate ziehen, um ihr Wissen über die Prinzipien und Praktiken der KVT, das sie bereits im Rahmen einer Therapie oder anderweitig erworben haben, aufzufrischen. Andere erfahren hier vielleicht zum ersten Mal von der KVT und finden in diesem Buch alles vor, was sie brauchen, um sich von unnötigen und unproduktiven seelischen Belastungen zu befreien und einen gesünderen Lebensweg einzuschlagen. Für Menschen mit schwerwiegenderen Problemen kann dieses Buch wiederum den dringend benötigten ersten Schritt darstellen – Menschen, die darüber nachdenken, ob sie nicht Antidepressiva oder angstlösende Medikamente einnehmen sollten bzw. bei denen die Einnahme ohne Erfolg geblieben ist oder auch Menschen, die noch keinen Therapeuten finden konnten, mit dem sie zusammenarbeiten mögen. Viele dieser Menschen werden auf diesen Seiten alles finden, was sie brauchen. Noch wieder andere werden zu begreifen beginnen, welche Ursachen den emotionalen Problemen zugrunde liegen, die sie bislang davon abgehalten haben, ihr Leben zu genießen und was für Möglichkeiten es gibt, etwas dagegen zu tun und das wird sie dazu motivieren, sich angemessene professionelle Beratung oder Hilfe zu suchen. Sie können das, was sie von Seth und durch die Übungen in diesem Buch gelernt haben, mit in ihre Einzel- oder Gruppentherapie nehmen, wenn das der richtige nächste Schritt für sie ist.

Abschließend möchte ich zum Ausdruck bringen, welches Glück es für mich ist, dass ich meinen Teil zu Seths psychologischem Werdegang beitragen durfte. Nun haben Sie das Glück, auf diesen sehr hilfreichen und (ich wiederhole mich) wirklich interessanten Ratgeber gestoßen zu sein, in dem es um verbreitete emotionale Probleme geht und der effektive Möglichkeiten zu deren Überwindung aufzeigt. Ich kann Ihnen nur dringend dazu raten, dieses Glück beim Schopf zu packen und sich auf den Weg in ein besseres Leben zu begeben.

Robert J. DeRubeis, PhD

Samuel H. Preston Term Professor in the

Social Sciences und Professor für Psychologie

School of Arts and Sciences

University of Pennsylvania


1  Im Folgenden wird der besseren Lesbarkeit halber die männliche Form verwendet. Die weibliche und diverse Form gelten als inbegriffen. Wir bitten um Verständnis [Anm. d. Red.].

Einleitung

Irgendwann kommen wir alle mal in die Situation, dass uns unsere Emotionen überwältigen und nicht wieder loslassen. Das kann ein lähmendes Gefühl der Angst sein, eine Depression, die dem Leben jede Farbe nimmt, eine Panik, die in den ungünstigsten Momenten zuschlägt, häufig wiederkehrender und übermäßiger Ärger oder irgendetwas anderes, was Herz und Kopf gefangen nimmt. Wer emotional aus dem Gleichgewicht gerät, braucht bewährte Methoden, um wieder Fuß zu fassen und so schnell wie möglich Linderung zu erfahren.

In meiner klinischen Ausbildung habe ich schon früh verstanden, dass es Therapieformen gibt, die empirisch besser abgesichert sind als andere, allen voran die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Mein erster Therapie-Supervisor hat mich darin bestärkt, mich auf KVT zu spezialisieren und so kam ich zur University of Pennsylvania, einer Universität mit einem historisch gewachsenen Schwerpunkt auf kognitiven und verhaltensorientierten Therapieformen. Im Rahmen meiner Promotion befasste ich mich primär mit der Behandlung von Depressionen und konnte dabei beobachten, wie diese das Denken auf schädliche Bahnen lenken und wie es mithilfe von KVT gelingen kann, sich hilfreichere Denkmuster anzutrainieren. Auch habe ich festgestellt, dass es eine stark antidepressive Wirkung haben kann, sein Leben mit bereichernden Aktivitäten zu füllen.

Zu meiner großen Freude konnte ich nach Abschluss meiner Promotion an der University of Pennsylvania bleiben und eine Fakultätsstelle am dortigen Center for the Treatment and Study of Anxiety antreten, wo viele der wirksamsten Methoden zur Behandlung von Angststörungen entwickelt wurden. Während meiner vier Jahre dort konnte ich umfassende Erfahrungen darin sammeln, lähmende Angstzustände, Zwangsstörungen und Traumata zu behandeln. Ich habe bei Hunderten von Menschen gesehen, wie lebensverändernd es für sie war, in Behandlungsprogrammen zu lernen, ihren Ängsten die Stirn zu bieten. Damals habe ich begriffen, dass man sich sehr wirksam aus dem Würgegriff von Angst und Depression befreien kann, wenn man seine Aufmerksamkeit mit Offenheit und Neugier auf die Gegenwart richtet. Dieser achtsamkeitsbasierte Ansatz ist inzwischen empirisch so abgesichert, dass sein Status als „dritte Welle“ der KVT (siehe auch hier) neben kognitiven und verhaltensorientierten Techniken gerechtfertigt ist.

In den letzten zwanzig Jahren als Student, Wissenschaftler, Therapeut und Supervisor sind mir an wirksamen Behandlungsmethoden vor allem zwei Dinge aufgefallen. Erstens: Sie sind einfach. Mach, was dir Spaß macht. Denk hilfreiche Gedanken. Stell dich deinen Ängsten. Sei achtsam. Sei fürsorglich mit dir selbst. Keiner dieser Ansätze ist in irgendeiner Weise weltbewegend oder kompliziert. Ich habe versucht, diese Einfachheit in den folgenden Kapiteln aufzugreifen und umzusetzen. Wenn es einem nicht gut geht, hat man meistens weder Zeit noch Lust noch Energie, sich Seite um Seite durch Studienergebnisse zu kämpfen oder eine Abhandlung zu irgendwelchen randständigen Feinheiten des Fachgebiets durchzuarbeiten. Dann braucht man unkomplizierte Werkzeuge, die man unmittelbar anwenden kann.

Zweitens: Sie sind nicht leicht. Ich habe festgestellt, dass diese wirksamen Behandlungsmethoden trotz ihrer Einfachheit einiges an Arbeit erfordern. Es ist schwer, sich öfter seinen Lieblingsbeschäftigungen zu widmen, wenn man deprimiert und unmotiviert ist. Es ist schwer, sich seinen Ängsten zu stellen, wenn man gegen Panikattacken ankämpfen muss. Es ist schwer, sich auf den Augenblick konzentrieren zu lernen, wenn man von einem überaktiven Gehirn abgelenkt wird. Hier kann die KVT ihre ganze Kraft entfalten – indem sie nicht nur ein Ziel setzt, auf das man hinarbeiten kann, sondern einen auch mit machbaren Techniken und einem systematischen Plan versorgt, um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen.

In meinem vorigen Buch, Sei dein eigener Therapeut (2018), habe ich einen strukturierten Sieben-Wochen-Plan zur Bewältigung von Angst und Depression im Workbook-Format zur Verfügung gestellt. Sie werden feststellen, dass dieses Buch in seinem vereinfachten Ansatz seinem Vorgänger ähnelt – auch hier stelle ich die wichtigsten Maßnahmen vor. Aber anders als Sei dein eigener Therapeut richtet sich dieses Buch an Menschen, die nicht unbedingt ein ganzes Workbook durcharbeiten müssen. Vielmehr bietet es eine Sammlung schnell und unkompliziert anwendbarer, wissenschaftlich abgesicherter Techniken, derer man sich bei diversen Problemen je nach Bedarf bedienen kann.

Ich habe das Buch so aufgebaut, dass es für Menschen, die noch nie von KVT gehört haben, genauso hilfreich ist wie für jene, die sich aktuell in therapeutischer Behandlung befinden oder die früher schon mit KVT gearbeitet haben und nun eine Ressource zur regelmäßigen Auffrischung suchen. Egal welche Vorkenntnisse in KVT Sie mitbringen – ich hoffe, dass Sie dieses Buch so oft wie nötig immer wieder zur Hand nehmen werden. Wir alle brauchen mitunter Erinnerungsanstöße, um uns darauf zu besinnen, was das Beste für uns ist.

Und damit meine ich wirklich uns alle. Ich versichere Ihnen, dass ich dieses Buch nicht vom Elfenbeinturm aus schreibe, wo ich mich mit einem sicheren Polster aus abstrakten Theorien umgebe. Wie jeder Mensch schlage auch ich mich mit den Höhen und Tiefen des Lebens herum. Ich freue mich, Ihnen mit diesem Ratgeber einen wirklich einfachen Zugang zur KVT zur Verfügung stellen zu können.

Ich hoffe, dass Ihnen dieses Buch eine Hilfe dabei sein wird, Ihr Leben ohne Hindernisse so zu leben, wie Sie es lieben.

1. Zum Einstieg: ein kurzer Überblick über die KVT

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) als bestabgesicherter Ansatz zur Behandlung einer Vielzahl psychischer Störungen herauskristallisiert. In diesem Kapitel geht es darum, was die KVT überhaupt ist, wie sie sich entwickelt hat und warum sie so gut hilft. Außerdem wird gezeigt, wie sie bei konkreten Problemen wie Depression und Angst zum Einsatz kommen kann.

1.1 KVT: die Anfänge

Die Kognitive Verhaltenstherapie ist eine lösungsorientierte Form der Psychotherapie, die auf eine möglichst schnelle Symptomreduktion und Wiedererlangung des Wohlbefindens ausgerichtet ist. Wie der Name schon sagt, umfasst die KVT sowohl eine kognitive Komponente zur Veränderung problematischer Denkmuster als auch eine verhaltensorientierte Komponente zur Entwicklung hilfreicher Verhaltensweisen. Diese Bausteine der KVT wurden ursprünglich relativ unabhängig voneinander entwickelt. Nehmen wir uns diese beiden Ansätze nun zunächst einzeln vor, bevor wir schauen, wie sie zusammengeführt wurden.

Verhaltenstherapie

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war bei psychischen Störungen die Psychoanalyse die Gesprächstherapie der Wahl. Dieser Ansatz ging auf Sigmund Freuds Bewusstseinstheorie zurück und erforderte Therapiesitzungen, die sich über mehrere Jahre erstreckten und in denen es vornehmlich darum ging, die eigene Kindheit und Erziehung zu ergründen.

Obgleich viele Menschen von der Psychoanalyse und vergleichbaren Therapieformen profitierten, stellten sich Verhaltens- und Lernpsychologen zunehmend die Frage, ob man nicht Methoden finden könne, mit denen sich eine Besserung schneller herbeiführen lasse. Dabei ließen sie sich von aktuellen Erkenntnissen zum Lernverhalten von Tieren (einschließlich Menschen) leiten und begannen damit, diese lerntheoretischen Prinzipien zur Behandlung von psychischen Störungen wie Angst und Depression einzusetzen.

Aus diesen Versuchen entwickelten Wissenschaftler wie der Psychiater Joseph Wolpe und der Psychologe Arnold Lazarus schließlich die Verhaltenstherapie. Sie stellten fest, dass bloße Verhaltensänderungen bereits Linderung bringen konnten. So konnten beispielsweise Phobiker ihre Ängste überwinden, indem sie sich schrittweise mit angstbesetzten Dingen und Situationen konfrontierten. Dank dieser Entwicklungen musste man nun nicht mehr jahrelang auf der Couch liegen und frühe Kindheitserinnerungen ausgraben – schon ein paar zielgerichtete Sitzungen konnten eine dauerhafte Besserung herbeiführen.

Kognitive Therapie

Nach dem Aufkommen der ersten verhaltenstherapeutischen Ansätze dauerte es nicht lange, bis weitere Psychologen noch mit einer anderen Erklärung für psychische Probleme aufwarteten. Der Psychiater Aaron T. Beck und der Psychologe Albert Ellis äußerten beide die Vermutung, dass Gefühle und Verhaltensweisen sehr stark von Gedanken beeinflusst würden. Entsprechend postulierten sie, dass psychisches Leiden seinen eigentlichen Ursprung in den Gedanken hat. So gingen sie beispielsweise davon aus, dass Depressionen durch übertrieben negative Einschätzungen von sich selbst und der Welt hervorgerufen würden (z. B. „Ich bin ein Versager“).

Laut Beck und anderen Begründern der kognitiven Therapie musste die Behandlung also zuvörderst daran ansetzen, die belastenden Gedanken zu identifizieren und sie anschließend durch realistischere und hilfreichere Gedanken zu ersetzen. Mit etwas Übung sollten Menschen so in die Lage versetzt werden, Denkweisen zu entwickeln, die ihnen positive Gefühle und Handlungsalternativen eröffnen.

Zusammenführung von Verhaltens- und kognitiven Therapien

Die verhaltenstherapeutischen und kognitiven Ansätze wurden zwar relativ unabhängig voneinander entwickelt, tatsächlich ergänzen sie sich aber sehr gut. Entsprechend wurden sie schon kurz nach ihrem Aufkommen zur KVT zusammengeführt. Selbst Aaron T. Beck, der Vater der Kognitiven Therapie, entschied sich dazu, den Ansatz, für den er berühmt geworden war, in „Kognitive Verhaltenstherapie“ umzubenennen und verhaltenstherapeutische Techniken in den bis dahin als kognitive Therapie bekannten Ansatz zu integrieren. Von dieser Zusammenführung profitieren alle, die therapeutische Hilfe brauchen und nun umfassender behandelt werden können.

Abbildung 1.1

Die Zusammenführung dieser Therapieansätze verdeutlicht auch, wie Gedanken, Gefühle und Verhalten einander beeinflussen (siehe Abbildung 1.1). Wenn man beispielsweise starke Angst empfindet, drehen sich die Gedanken oft um Gefahren, und diese Gedanken wirken sich wiederum verstärkend auf die Angst aus. Diese Gedanken und Gefühle führen dann dazu, dass man das, wovor man Angst hat, meidet, was auch wieder die Angst verstärkt. Hat man diese Zusammenhänge erst einmal begriffen, eröffnen sich einem auch Möglichkeiten, das eigene Befinden zu verbessern.

Die „dritte Welle“: achtsamkeitsbasierte Therapie

In den 1970ern begann der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn damit, ein neues Programm zu erproben, das auf jahrtausendealten Praktiken basiert: die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz: MBSR). Achtsamkeit beruht auf dem Gedanken, dass man sein Leid lindern kann, indem man seine Aufmerksamkeit auf das bewusste Erleben des gegenwärtigen Augenblicks lenkt, statt sich immer wieder mit der Vergangenheit zu befassen oder sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Achtsamkeit bedeutet auch, der eigenen Realität bewusst offen entgegenzutreten.

Kabat-Zinn und seine Kollegen stellten fest, dass MBSR bei chronischen Schmerzpatienten sehr effektiv Linderung herbeiführte. Seitdem sind achtsamkeitsbasierte Verfahren auch zur Behandlung unter anderem von Depressionen sowie Schlaf- und Angststörungen entwickelt und erprobt worden.

So wie kognitive und verhaltensbasierte Therapieansätze zusammengeführt wurden, wurde auch die achtsamkeitsbasierte Therapie in einige KVT-Programme integriert. Beispielsweise haben der Psychologe Zindel Segal und seine Kollegen herausgefunden, dass sich die Rückfallquote bei Depressionen nach Abschluss der Behandlung verringert, wenn die Kognitive Therapie mit einem Achtsamkeitstraining kombiniert wurde. Nachdem die Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter Verfahren durch zahlreiche klinische Studien bestätigt wurde, zählen diese heute zur sogenannten Dritten Welle der KVT, weshalb ich in diesem Buch auch immer wieder Achtsamkeitstechniken eingebunden habe.

1.2 Prinzipien der KVT

Bevor Sie nun tiefer in die KVT einsteigen, werfen wir zunächst noch einen Blick auf einige ihrer Grundprinzipien. Während Sie lernen, die KVT effektiv für sich zu nutzen, können diese Ihnen als Richtschnur dienen.

KVT betont Kooperation und aktive Beteiligung. Die KVT ist am wirkungsvollsten, wenn Sie sich aktiv daran beteiligen, Behandlungsziele zu definieren und zu entscheiden, wie diese angegangen werden sollen. Die durch einen Therapeuten oder eine Ressource wie dieses Buch angeleitete Therapie mag Wissen über allgemeine Grundsätze und Techniken vermitteln, aber es braucht Kooperation, um diese an Ihre konkreten Bedürfnisse anzupassen.

KVT ist zielorientiert und auf die Bewältigung konkreter Probleme ausgerichtet. Ein wesentlicher Bestandteil der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Arbeit besteht in einer genauen Problemdefinition, die die Bewältigung dieses Problems gleich leichter erscheinen lässt. Eng damit verwandt ist ein weiterer Behandlungsschritt, der darin besteht, klare Ziele zu definieren, die Ihnen wichtig sind. Diese Ziele erlauben es Ihnen, Ihre Energie zu kanalisieren und treiben Sie an, auf sie hinzuarbeiten.

KVT ist im Hier und Jetzt verankert. Während sich manche Therapien primär mit Kindheitserlebnissen befassen, konzentriert sich die KVT darauf, welchen Anteil die gegenwärtigen Denk- und Verhaltensweisen an den aktuellen Problemen haben und inwiefern es helfen könnte, diese Muster zu verändern. Zwar spielen auch wichtige frühe Lernerfahrungen in der KVT eine Rolle, ihre Kraft zieht diese Behandlungsform jedoch aus der Betonung der Gegenwart und der Konzentration auf tatsächlich veränderbare Faktoren.

KVT will Sie dazu befähigen, Ihr eigener Therapeut zu sein. Im Rahmen der KVT werden Sie einige grundlegende Fertigkeiten erlernen, mit deren Hilfe Sie die Probleme, derentwegen Sie die Therapie aufgenommen haben, bewältigen können. Mit entsprechender Übung können Sie diese Techniken irgendwann auch alleine anwenden, selbst wenn sich neue Herausforderungen ergeben sollten. Die KVT ist eine Behandlungsform, die „das Fischen lehrt“ – ganz nach dem Grundsatz: „Gib einem Menschen einen Fisch und du ernährst ihn einen Tag; lehre ihn das Fischen, und du ernährst ihn ein Leben lang“. So bleibt sie Ihnen auch nach Abschluss der eigentlichen Therapie erhalten.

KVT legt den Schwerpunkt auf Rückfallprävention. Zu lernen, wie man gesund bleiben kann, ist ein integraler Bestandteil der KVT. Wenn man die Faktoren versteht, die zu den Ängsten, Depressionen oder anderen Problemen beigetragen haben, kann man besser auf Warnzeichen achten, die auf einen bevorstehenden Rückfall hindeuten. So könnte beispielsweise eine Frau, die eine Depression hinter sich hat, sich bewusst machen, dass sie dazu neigt, sich von Aktivitäten, die ihr eigentlich guttun, zurückzuziehen. Genau aufgrund solcher Faktoren sind die Rückfallraten bei Depression und Angststörungen nach einer KVT niedriger als nach einer medikamentösen Behandlung. Es kommt entscheidend darauf an, dass man am Ball bleibt und die in der KVT erworbenen neuen Angewohnheiten weiterhin übt, so wie auch jemand, der ein Instrument gelernt hat, immer weiter spielen und üben muss, um in Form zu bleiben.

KVT ist zeitlich begrenzt. Die KVT wird ihrem Ziel gerecht, Besserung in relativ kurzer Zeit herbeizuführen. So benötigt man für die Therapie einer Depression für gewöhnlich etwa 16 Wochen; Phobien, wie zum Beispiel Angst vor Hunden, können schon in einer einzigen Sitzung von zwei bis vier Stunden effektiv behandelt werden. Zeitlich überschaubare Behandlungsprogramme können sehr motivierend wirken, weil sie ein Gefühl der Dringlichkeit vermitteln.

KVT folgt einer festen Struktur. Die einzelnen Behandlungselemente der KVT werden in einer vorhersehbaren Reihenfolge angewendet, wobei spätere Sitzungen auf den früheren aufbauen. Auch jede Einzelsitzung ist immer gleich strukturiert: Zunächst wird überprüft, wie man zwischen den Sitzungen mit den Übungen klargekommen ist, anschließend beschäftigt man sich mit den jeweils anstehenden Themen und Problemen und plant dann zum Schluss, wie die gewonnenen Erkenntnisse in den folgenden Tagen im Alltag umgesetzt werden können. Dieser durchorganisierte Therapieverlauf trägt wesentlich zum Erfolg dieser Therapieform bei.

KVT hilft Ihnen im Umgang mit negativen automatischen Gedanken. Die Erkenntnis, dass man von den eigenen Gedanken häufig in die Irre geführt wird, bildet das Herzstück der KVT. Man neigt zu negativen automatischen Gedanken, die, wie ihr Name schon vermuten lässt, spontan auftreten. Mithilfe der KVT kann man lernen, diese negativen automatischen Gedanken zu erkennen und entsprechend auf sie zu reagieren. So könnte bei jemandem, der bei der Beförderung übergangen wurde, folgender negativer Gedanke auftreten: „Ich habe einfach nie Glück.“ In der KVT lernt man zunächst, überhaupt zu bemerken, was man da denkt, denn negative automatische Gedanken treten häufig jenseits der bewussten Wahrnehmung auf. Anschließend werden diese Gedanken auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Mit der entsprechenden Übung kann man sich hilfreichere Denkweisen aneignen.

KVT umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken. Die KVT kann mit einer eindrucksvollen Palette an Techniken aufwarten, von Entspannungstraining über kognitive Umstrukturierung (Veränderung der gedanklichen Lebenskonzepte) bis hin zu Verhaltensaktivierung, Konfrontation und Meditation. Herauszufinden, welche Techniken im konkreten Fall am besten wirken, macht einen großen Teil der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Arbeit aus. Sie werden in den folgenden Kapiteln viele dieser Tools kennenlernen und herausfinden, welche Ihnen persönlich den größten Nutzen bringen.

Es hat sich für mich bewährt, die Techniken der KVT in die Kategorien „Denken“ (kognitiv), „Handeln“ (verhaltensorientiert) und „Sein“ (achtsamkeitsbasiert) einzuordnen. Ich werde auch im weiteren Verlauf dieses Buches immer wieder auf diese Kategorisierungen zurückgreifen.

1.3 Wie und warum die KVT funktioniert

Die meisten Prinzipien und Methoden der KVT werden Sie wahrscheinlich nicht sonderlich überraschen. Sich beispielsweise seinen Ängsten zu stellen, um sie zu bekämpfen, ist nicht gerade ein neuartiges Konzept. Viele Patienten, die zu mir in Therapie kommen, sind zuweilen eher skeptisch, ob so simple Techniken wie eine konkrete Aktivitätenplanung oder Gedankenkontrolle wirklich helfen können. Wenn es wirklich so einfach wäre, so ihre Argumentation, dann ginge es ihnen doch schon längst besser. Wie wir sehen werden, geht es bei der KVT nicht nur darum, was man tut, sondern auch darum, wie man es tut. Schauen wir uns einige der Aspekte näher an, die den KVT-Ansatz so wirksam sein lassen.

Bewältigbare Teilziele

Die KVT zerlegt große Herausforderungen in kleinere, besser zu bewältigende Teilprobleme. Ein erdrückendes Depressionsgefühl lässt sich beispielsweise in eine Reihe besser zu bewältigender Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen herunterbrechen. So wird es möglich, die einzelnen Komponenten anschließend gezielt mit geeigneten Techniken anzugehen, zum Beispiel depressive Denkweisen mittels kognitiver Umstrukturierung zu verändern. Auch scheinbar unüberwindbare Aufgaben werden in der KVT in eine Reihe schaffbarer Schritte zerlegt.

Häufig verschriebene Medikamente bei psychischen Erkrankungen

Zur medikamentösen Therapie von Depressionen und Angststörungen kommen am häufigsten selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Selective Serotonin Reuptake Inhibitors, kurz: SSRIs) und Benzodiazepine zum Einsatz. SSRIs werden meist „Antidepressiva“ genannt, wirken aber gegen Angststörungen genauso gut wie gegen Depressionen. Hochdosiert kann man mit ihnen auch Zwangsstörungen behandeln. Zu dieser Gruppe von Wirkstoffen zählen Fluoxetin (Fluctin), Fluvoxamin (Fevarin) und Sertralin (Zoloft).

Die schnell wirksamen Benzodiazepine haben einen dämpfenden Effekt auf das Nervensystem. Sie docken im Gehirn an denselben Rezeptoren an wie Alkohol und Barbiturate. Zu den meistverschriebenen Benzodiazepinen gehören Alprazolam (Tafil), Lorazepam (Tavor) und Clonazepam (Rivotril). Außer bei der Behandlung von Angststörungen kommen sie auch gegen Schlaflosigkeit und Unruhezustände zum Einsatz.

Diese Medikamente können ebenso effektiv sein wie die KVT, jedoch kommt es nach dem Absetzen häufiger zu Rückfällen. Viele Patienten profitieren von einer Kombination aus KVT und Pharmakotherapie.

Zu den häufigen Nebenwirkungen von SSRIs zählen Übelkeit oder Erbrechen, Gewichtszunahme, Durchfall, Schläfrigkeit oder sexuelle Funktionsstörungen. Bei Benzodiazepin-Einnahme kann es u. a. zu Übelkeit, unscharfem Sehen, Kopfschmerzen, Verwirrung, Müdigkeit, Albträumen oder Gedächtnisstörungen kommen. Ärzte, die diese Medikamente verschreiben, wägen die häufig auftretenden Nebenwirkungen und die potenziellen Vorteile einer Behandlung mit SSRIs bzw. Benzodiazepinen gegeneinander ab.

In diesem Buch steht die KVT im Mittelpunkt. Für eine pharmakotherapeutische Beratung wenden Sie sich bitte an Ihren Hausarzt oder Psychiater.

Strukturiertes Üben

Zu wissen, was man tun muss, damit es einem besser geht, ist natürlich hilfreich, stößt für sich genommen aber auch an seine Grenzen. Durch das systematische und strukturierte Üben im Rahmen der KVT ist sichergestellt, dass man sich mit den Erleichterung verschaffenden Techniken ausreichend auseinandersetzt. So mag man sich vielleicht dessen bewusst sein, dass die Ärgergedanken, die man sich macht, verzerrt sind. Wenn man diese Gedanken aber schriftlich fixiert, ist es leichter, sie zu analysieren und bei Bedarf zu ersetzen.

Wiederholtes Üben

In der KVT findet die meiste Arbeit außerhalb des Therapieraums bzw. im Anschluss an die KVT-Lektüre statt. Es ist nie einfach, sich neue Verhaltensweisen anzueignen und schon gar nicht, wenn man sich schon so sehr daran gewöhnt hat, Dinge zu tun, die einem nicht guttun. Um die automatischen Reaktionen auf schwierige Situationen neu zu programmieren, bedarf es wiederholter Übung.

Klinische Forschung

Von Anfang an ging es in der KVT um empirische Nachweisbarkeit und messbare Erfolge. Funktioniert sie? Wie effektiv ist sie? Weil die Therapiesitzungen so klar strukturiert sind, können KVT-Programme standardisiert und mit Kontrollgruppen verglichen werden. Auf Grundlage dieser klinischen Studien weiß man ziemlich genau, wie sich eine bestimmte Zahl an Therapiesitzungen normalerweise auf ein konkretes Störungsbild auswirkt. In neueren Studien konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass die KVT sogar ohne die Mitwirkung eines Therapeuten effektiv sein kann.

Achtung! Wenn Sie an schweren Depressionen leiden, ernsthaft darüber nachdenken, sich etwas anzutun oder mit anderen schweren psychischen Problemen zu kämpfen haben, legen Sie dieses Buch aus der Hand und kontaktieren Sie einen Psychotherapeuten, Psychiater oder Arzt. Im psychiatrischen oder medizinischen Notfall wählen Sie die Notrufnummer 112 oder suchen Sie die nächste Notaufnahme auf. Sofortige Hilfe erhalten Sie rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge unter der bundeseinheitlichen kostenlosen Rufnummer 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.

1.4 Wie können Sie sich selbst helfen?

Damit die KVT ihre ganze Kraft entfalten kann, müssen Sie sich auf Ihre individuellen Bedürfnisse konzentrieren. Leiden Sie unter Niedergeschlagenheit, unbeherrschbaren Wutausbrüchen, allgegenwärtigen Sorgen oder etwas ganz anderem? Schauen wir nun zunächst, wie die KVT bei verschiedenen Erkrankungen und Störungen zum Einsatz kommen und von Ihnen genutzt werden kann, um Ihre individuellen Probleme anzugehen.

Depressionen

Wenn man deprimiert ist, gerät man in eine Abwärtsspirale aus Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen. Niedergeschlagenheit und Motivationslosigkeit führen dazu, dass einem selbst Dinge, die einem früher Spaß gemacht haben, keine Freude mehr bereiten. Man sieht die Welt und auch sich selbst in einem negativen Licht. Je dunkler die Gedanken und je gedrückter die Stimmung, desto mehr zieht man sich von Aktivitäten zurück, was die Depression nur noch weiter verstärkt.

Die KVT kann dabei helfen, negative Denkmuster zu durchbrechen, was es einem erleichtert, aktiver zu werden. Indem man dadurch wieder mehr am Leben teilnimmt, bessern sich auch Stimmung und Selbstbild. Wenn man dann noch Achtsamkeit praktiziert, kann das die Stimmung noch weiter heben, weil man dabei lernt, seine Gedanken nicht ganz so ernst zu nehmen. Durch die Kombination dieser Techniken entsteht eine Aufwärtsspirale – ein „Circulus virtuosus“ aus besseren Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen, die sich gegenseitig verstärken.

Ängste

Wenn einem eine Angelegenheit mit ungewissem Ausgang wichtig ist, ist man deshalb wahrscheinlich unruhig und macht sich etwas Sorgen – zum Beispiel, wenn ein erstes Date ansteht oder wenn man es pünktlich zum Bewerbungsgespräch schaffen muss. Ein niedriges bis mittleres Angstniveau ist völlig normal. Tatsächlich ist Angst sogar nützlich, denn ein bisschen Angst erhöht die Aufmerksamkeit, fördert die Motivation und setzt die Energie frei, die man braucht, um Leistung zu erbringen. Ab einem bestimmten Grad wird Angst jedoch kontraproduktiv. Übermäßige Angst in sozialen Situationen kann beispielsweise die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen oder dazu führen, dass man sich nicht gut auf seinen Gesprächspartner konzentrieren kann.

Die KVT hält zahlreiche Tools zur Angstbewältigung bereit. Techniken wie Progressive Muskelentspannung und Meditation wirken auf ein aufgewühltes Nervensystem unmittelbar beruhigend. Mit kognitiven Techniken lässt sich dem übermäßigen Bedrohungsgefühl begegnen, das mit Angst einhergeht – zum Beispiel der Überzeugung, dass die anderen schlecht von einem denken, wenn man im Unterricht errötet (im Falle einer sozialen Angststörung). Auch eine Reizkonfrontation bzw. Exposition, bei der man sich der angstbesetzten Situation gezielt aussetzt, ist sehr wirkungsvoll im Kampf gegen Ängste. Durch wiederholtes Üben erscheinen einem die Situationen zunehmend weniger bedrohlich und angstauslösend.

Panik

Wer jemals einen Panikanfall erlebt hat, weiß, wie schrecklich sich diese Art von Angst anfühlt. Panik ist, als würde in Körper und Kopf ein Feueralarm losgehen und davor warnen, dass gleich etwas wirklich Schlimmes passiert. Weil meistens keine offensichtliche Bedrohung existiert – kein Löwe, der zum Sprung ansetzt, kein Gegenverkehr, der plötzlich auf unsere Spur herüberschwenkt –, meint das Bewusstsein meist, eine Bedrohung von innen wahrzunehmen: Das muss ein Herzinfarkt sein“ oder „Ich werde verrückt“. Manchmal fühlt man sich, als wäre man kurz davor, ohnmächtig zu werden. Die meisten Menschen, die an einer Panikstörung leiden, entwickeln eine Angst vor Orten, an denen das Auftreten einer Panikattacke wahrscheinlicher ist, insbesondere wenn man von dort nicht ohne Weiteres entkommen kann, wie zum Beispiel auf Brücken oder in Kinos.

Eine wirksame kognitiv-verhaltenstherapeutische Technik bei Panik ist, zu lernen, wie man die Atmung unter Kontrolle halten kann, wenn einem ansonsten die Kontrolle zu entgleiten droht. Eine weitere Technik besteht darin, Panikgedanken wie „Gleich werde ich ohnmächtig“ zu überprüfen, die häufig das individuelle Bedrohungsgefühl noch verstärken. Weiterhin kann man üben, sich nach und nach immer angstbesetzteren Situationen zu stellen und sich zunehmend an diese zu gewöhnen. Mit der entsprechenden Übung führen diese Techniken dazu, dass eine Panikreaktion immer unwahrscheinlicher wird, selbst in Situationen, die früher ein sicherer Auslöser gewesen wären. Darüber hinaus kann man auch an seiner Einstellung zu den Panikgefühlen arbeiten und lernen, diese als das zu sehen, was sie sind, nämlich nicht mehr und nicht weniger als extreme Angst, von der für sich genommen keinerlei Gefahr ausgeht.

Sorgen

Wenn sich die Angst bei Panik wie ein Feueralarm anfühlt, dann sind Sorgen wie ein tropfender Wasserhahn. Während Panik plötzlich und mit aller Wucht zuschlägt, wirken Sorgen eher zermürbend und nagen langsam, aber stetig am Seelenfrieden. Wer zu Sorgen neigt, tut dies oft undifferenziert: Jedes Ereignis, ob wichtig oder trivial, kann Sorgen hervorrufen. Die fundamentale Frage dabei lautet: „Was wäre, wenn …?“ Häufig gehen chronische Sorgen mit Muskelverspannungen, Reizbarkeit, Schlafstörungen und nervöser Unruhe einher.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, mithilfe von KVT gegen übermäßige Sorgen und Anspannung vorzugehen. So kann man sich dahingehend trainieren, überhaupt zu erkennen, dass man sich sorgt, denn häufig entzieht sich das Sorgenverhalten der bewussten Wahrnehmung. Macht man sich dieses erst einmal bewusst, ist man besser dazu in der Lage, es aktiv zu steuern. Ebenso kann man einige der Überzeugungen hinterfragen, die dem Sich-Sorgen zugrunde liegen – etwa, dass dieses einem dabei helfe, sich für die Zukunft zu wappnen. Die KVT hat auch verschiedene Möglichkeiten zu bieten, mit denen man sich von seinen Sorgen ablenken kann, sei es durch Aktivitätsaufbau oder durch eine achtsame Wahrnehmung des eigenen Erlebens. Die Konzentration auf das Hier und Jetzt entlastet einen davon, sich gedanklich permanent mit der Zukunft beschäftigen zu müssen und mit Techniken wie Entspannungsübungen und Meditation kann man erreichen, dass sich die oft mit Dauersorgen einhergehende körperliche Anspannung reduziert.

Stress

Wenn man durch die Herausforderungen des Lebens zu Reaktionen genötigt wird, nimmt man das als durch Stress hervorgerufenen Druck wahr. Der Auslöser kann ein Krankheitsfall in der Familie sein, Termindruck bei der Arbeit, ein Konflikt mit einer anderen Person oder jede andere Schwierigkeit, mit der man umgehen muss. Ähnlich wie bei Angst kann auch bei Stress ein gewisses Maß durchaus hilfreich sein, wenn beispielsweise ein Tennisspieler ein besonders forderndes Match bestreiten muss und dadurch zu Höchstleistungen aufläuft.

Bei Stress ist der gesamte Körper involviert: Es werden große Mengen von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin ausgeschüttet, die den Körper geradezu überfluten und eine Vielzahl von Reaktionen auslösen. Akuter Stress aktiviert das sympathische Nervensystem und setzt den Körper in Alarmbereitschaft, sodass er auf eine Bedrohung mit Kampf, Flucht oder manchmal auch Erstarren reagieren kann. Körper und Geist sind gut dazu in der Lage, mit kurzen Stressspitzen umzugehen. Sind die Stressoren jedoch chronisch – beispielsweise eine fünfmal die Woche zu bewältigende verkehrsreiche zweistündige Pendelstrecke, ein belastendes Arbeitsumfeld oder ein langwieriger und konfliktträchtiger Scheidungsprozess –, geht das auf Kosten der Bewältigungsressourcen. Man wird anfälliger für Erkrankungen, wird depressiv oder entwickelt andere geistige und körperliche Überlastungssymptome.

In der KVT stehen einige Tools zur Verfügung, mit denen sich das Nervensystem beruhigen lässt, zum Beispiel spezielle Atemtechniken, um der Kampf-oder-Flucht-Reaktion entgegenzuwirken. Man kann sich auch mit stressverschärfenden Denkmustern auseinandersetzen, beispielsweise wenn man berufliche Herausforderungen immer nur als Gelegenheit zum Scheitern bewertet statt als Gelegenheit zum Erfolg. Die KVT kann einen auch zu mehr Selbstfürsorge anhalten und so die Stresstoleranz erhöhen.

Ärger

Wie Angst und Stress kann auch Ärger durchaus sehr nützlich sein. Er setzt die nötige Energie frei, um gegen Unrecht und Ungerechtigkeit vorzugehen. Problematisch wird er erst dann, wenn er sich auf eine Weise in den Vordergrund drängt, dass Gesundheit und zwischenmenschliche Beziehungen darunter leiden. Häufig entsteht Ärger aus Annahmen und Überzeugungen, die richtig sein können, aber nicht müssen. Hat der Fahrer einem wirklich aus Gehässigkeit die Vorfahrt genommen oder hat er vielleicht einfach nur die Entfernung zwischen den Autos falsch eingeschätzt? Welche Beweggründe man ihm zuschreibt, wird sich darauf auswirken, wie man emotional reagiert und ob man es ihm heimzahlt.

Mithilfe der KVT lassen sich Gedanken, die übermäßigen Ärger auslösen, korrigieren. Sie kann einen auch dabei unterstützen, das eigene Leben auf eine Weise umzustrukturieren, dass Ärger in vielen Fällen gar nicht erst aufkommt – indem man beispielsweise morgens eine Viertelstunde früher aufbricht, um nicht so gestresst und ungeduldig hinterm Steuer zu sitzen. Außerdem kann die KVT einem Wege aufzeigen, Ärger und Wut nicht destruktiv, sondern konstruktiv zum Ausdruck zu bringen.

In den folgenden Kapiteln werden wir uns mit verschiedenen Strategien befassen, mit denen Sie sich die volle Kraft der KVT zunutze machen können, beginnend mit der Bestimmung effektiver Ziele in Kapitel 2.

Affektive Störungen in Zahlen

Wenn Sie Angst, Depressionen, Ärger oder andere Gefühle als überwältigend empfinden, sind Sie nicht allein. Von den Erwachsenen in den USA

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