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ISBN 978-3-746-09014-6
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© 2018 Michael Stein, Jena
Rechtsstand: Februar 2018
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Mit seiner im Juli 2017 erschienenen Arbeit1 hatte sich der Verfasser näher mit der Erkenntnis des VIII. Senates des BFH vom 20.10.2016, VIII R 55/132 befasst, um letztlich festzustellen, diese Entscheidung sei mit den Grundsätzen methodengerechter Gesetzesauslegung nicht mehr zu vereinbaren.
Ein Fachbeitrag von Philipowski in DStR 2017, 1362, welcher die Entscheidung VIII R 55/133 gleichfalls kritisch behandelt, gibt dem Verfasser Anlass, der Sache noch einmal nachzugehen. Geprüft werden soll dabei insbesondere, inwiefern die Kritik Philipowski’s an der Vorgehenswiese des VIII. Senates des BFH gerechtfertigt erscheint.
Philipowski hatte mit seinen drei Beiträgen in der DStR die Frage, ob ein vom Stillhalter an den Optionskäufer gezahlter Barausgleich von dessen Einnahmen aus Stillhalterprämien abgezogen werden kann, mit verschiedenen Erwägungen stets bejaht4. In seiner jüngsten Einschätzung aus dem Jahr 20175 erachtet Philipowski die Begründung der Entscheidung VIII R 55/136 zu überkommenem Recht (Geltung bis 31.12.2008), wonach der Barausgleich gemäß des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F. steuermindernd in Abzug zu bringen sei, für nicht überzeugend und trägt vor, der Barausgleich sei vielmehr als Werbungskosten zum Abzug zu bringen7.
Beiden Auslegungen ist zu widersprechen: Der Barausgleich bleibt als unbeachtlicher Vermögensschaden bereits im Alt-Recht steuerlich ohne Abzug. Die Höhe der zu versteuernden Einnahmen eines Stillhalters (Prämien) mindert das Gesetz nicht durch einen Abzug geleisteter Barausgleiche und an dieser Diktion hat der Gesetzgeber – fortwährend im Einklang mit der Konstitution – auch mit dem ab 2009 gesetzten Recht nichts geändert.
Philipowski ist jedoch beizustimmen, als er dem VIII. Senat des BFH zu dessen Auslegung des geltenden Rechts eine folgewidrige Abschätzung attestiert. Nicht zu folgen ist Philipowski wie dem VIII. Senat des BFH mit deren – insofern gleichlautend vorgetragenen – Einwand, das Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sei als ein maßgebliches Auslegungskriterium heranzuziehen. Dem Gesetzgeber stand es im Rahmen seines weiten Gestaltungsermessens vielmehr frei, das hochspekulative Element dieser Finanzgeschäfte vermittels Streichung bestimmter Aufwendungen zu würdigen und damit vom einfachrechtlichen Ideal einer Nettobesteuerung abzuweichen.
Als folgerichtige Belastungsentscheidung kann diese Form der Besteuerung vor der Konstitution bestehen, wenn beide Kontrahenten (Stillhalter, Optionskäufer) mit ihren jeweils steuerlich nicht abzugsfähigen Ausfällen in einer Gesamtschau statistisch besehen in etwa gleich mit Einkommensteuer belastet werden.
1 Stein, Der verausgabe Barausgleich des Stillhalters bei Optionsgeschäften (§ 20 EStG), Norderstedt2017 (ISBN 978-3-744-87204-1).
2 BFH v. 20.10.2016, VIII R 55/13, BStBl II 2017, 264.
3 BFH v. 20.10.2016, VIII R 55/13, BStBl II 2017, 264.
4 Philipowski in DStR: 2009, 353; 2010, 2283; 2011, 1298.
5 Philipowski, DStR 2017, 1362.
6 BFH v. 20.10.2016, VIII R 55/13, BStBl II 2017, 264.
7 Philipowski, DStR 2017, 1362, 1366 f.
Im Streitfall tätigte der Kläger diverse Optionsgeschäfte an der EUREX. Er räumte am 19.12.2008 Verkaufsoptionen auf den Dow-Jones-Euro-Stoxx-50-Index mit der Verpflichtung ein, zum Ende der Laufzeit am 19.6.2009 die Differenz zwischen dem tatsächlichen Schlussabrechnungspreis und dem Basiswert auszugleichen. Der Kläger erhielt dafür eine Stillhalter-Prämie in Höhe von 168.952 €, welche im Jahre 2008 seinem Depot gutgeschrieben wurde. Bei Endfälligkeit im Jahre 2009 zahlte der Kläger einen Barausgleich in Höhe von 165.791 €.
Das Finanzamt lehnte die steuerliche Berücksichtigung des im Jahr 2009 gezahlten Barausgleich in Höhe von insgesamt 185.090 € ab, während das Finanzgericht den Abzug zuließ. Der BFH ist (nur im Ergebnis) der Revision des Finanzamts gefolgt, denn er hat die Klage (zum überwiegenden Teil) lediglich mangels Verlustverrechnungsmöglichkeit abgewiesen. Dieser Erkenntnis stellt der VIII. Senat voran, der Stillhalter-Barausgleich sei nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F. als Verlust zu berücksichtigen.
Diese Auslegung verbirgt mit Blick auf die seit 2001 bestehende Verwaltungsansicht8, welche den vom Stillhalter geleisteten Barausgleich der nicht steuerbaren Vermögensebene zuordnet (siehe Ziff. 2.3.1.2.), einen zu hinterfragenden Beurteilungswandel.
Nach der Rechtsprechung des IX. Senates erfasst § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F. (nur) Erwerbe, nicht aber den Fall, dass ein Stpfl. einem anderen eine Option einräumt und dafür eine Prämie – diese ist schon kein „Geldbetrag“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F. – vereinnahmt9. Ganz treffend für Alt-Recht10 erkennt dies auch der VIII. Senat11 und bezieht sich dabei – ebenso treffend – auf die Trennungstheorie des IX. Senates12. Vor diesem Hintergrund bereitet es Probleme, nachzuvollziehen, auf welchem Weg der VIII. Senat zu einer Auslegung dergestalt gelangen konnte, ein vom Stillhalter geleisteter Barausgleich sei dem Geltungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F. zuzuordnen, wonach ein (verrechnungsbeschränkter) Verlust entstünde13. Konkret geht es um diese Bedenken zur Auslegungstechnik des VIII. Senates:
Der VIII. Senat führt aus, er halte an der Rechtsprechung des IX. Senates insofern fest14, als ein vom Stillhalter geleisteter Barausgleich nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F. als Verlust zu berücksichtigen sei15. Richtig ist: Dies ist keine Festhaltung, sondern ein Beurteilungswandel zu ausgelaufenem Recht. Vor 2009 unterlagen die vom Stillhalter vereinnahmten Prämien der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG a. F.
Nach bisherigem Verständnis der Rechtsprechung zu Alt-Recht war ein vom Stillhalter geleisteter Barausgleich nicht als Verlust des Stillhalters steuerlich zu berücksichtigen16, denn der Barausgleich gehörte zu jenen Aufwendungen, die nicht die Höhe der Stillhalter-Einnahmen berührten17. Der IX. Senat hatte den Stillhalter-Barausgleich (dessen Aufwand) als nicht mit der Stillhalter-Prämie (steuerliche Einnahme) verrechenbar beurteilt18.
Der VIII. Senat legt nun also im Jahre 2016 (VIII R 55/1319) zum 31.12.2008 ausgelaufenes Recht mit einem anderen Vorverständnis aus. Grundsätzlich ist dies nicht zu beanstanden, denn Rechtserkenntnis muss besserer Erkenntnis weichen. Indessen soll auch das neue Normverständnis auf methodenehrlicher Ableitung nach Maßgabe der anerkannten Auslegungsmethoden beruhen und hieran scheitert die Sache VIII R 55/1320. Sie leitet die Verbindung zwischen § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F. und der für den Stillhalter daraus ausgesprochenen Rechtsfolge nicht in einer Weise her, die rechtslogisch nachvollzogen werden könnte:
Der Stillhalter bedient sich nach bisheriger Beurteilung zu Alt-Recht keines Termingeschäftes. Den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F. kann der Stillhalter also schon deshalb nicht erfüllen21. Insofern noch treffend beruft sich der VIII. Senat in Rdn. 18 S. 122 unter anderem auf das Präjudiz IX R 40/0623 um ebenso treffend vorzutragen, der Norm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG a.F.24 unterfielen nur erworbene, nicht aber eingeräumte Optionen. In Rdn. 18 S. 225 trägt der Senat jedoch auch vor,
„Diese Aussage bezieht sich jedoch allein auf die
Besteuerung der Stillhalterprämie, ...“.
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