Vorwort

Der Planet Erde schreibt das Jahr 10.001.

Unsterblichkeit ist mittlerweile kein Thema mehr. Die verschiedenen Generationen und die künstliche Intelligenz Golem, ein humanoider Androide - mittlerweile unverzichtbarer Berater der Menschheit mit einem Sitz im Parlament und Nationalem Sicherheitsrat - plädieren für eine stete Erforschung und Erkundung neuer Planeten als Lebensraum.

Lew Romanow steht dem Staaten- und Planetenbund USOP als Präsident vor. Seine schöne Androidenfrau Isis strebt als First Lady das Ziel an, eine Gleichberechtigung zwischen der Menschheit und den höher entwickelten Androiden zu erreichen.

Eines Tages kommt der Hilferuf eines Ex-Präsidenten aus einer anderen Galaxie herein. Und als der Erstkontakt mit einer fremden Rasse stattfindet, beginnt sich von heute auf morgen alles zu verändern.

Ein weiterer Band der Golem Reihe, der faszinierende Einblicke in die Möglichkeiten der Zusammenarbeit einer hochentwickelten, künstlichen Intelligenz und der Menschheit in der Zukunft aufzeigt.

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Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Town of Planets, Planet Erde im Jahr 10.001

Lew Romanow, Präsident der USOP und im besten Alter mit seinen 131 Jahren, ging mit einem Glas Wein langsam durch die Räume der großzügig angelegten, privaten Suite, die dem jeweiligen Präsidenten in seinem Amtssitz in der Town of Planets, der ehemaligen Sahara, zur Verfügung stand.

Der Amtssitz erinnerte nach wie vor in seiner Gestalt an eine Rakete, zum einen der Zeit gedenkend, in der die Menschheit die ersten Flüge zum Mond gemacht hatte. Zum anderen war alles darauf ausgerichtet, im Ernstfall tatsächlich zu starten und die Regierung umgehend zur Sicherheit in den Weltraum zu bringen. So befand sich ein Antrieb der neuesten Generation im Gebäude und der Amtssitz erhob sich auf einer, geschickt kaschierten, Startrampe empor. Im Innern nahm man allerdings nichts davon wahr. In allen Gängen befanden sich lebensechte Hologramme der verschiedenen Städte beider Galaxien und von bedeutenden technischen Errungenschaften der Menschheit. Der prachtvolle Audienzsaal war mit Spiegeln ausgestattet, die gleichzeitig die Funktion von Bildschirmen hatten. An der Decke funkelten die Planeten des Sonnensystems und von Andromeda. Zwei funkelnde, dreieckige Artefakte, die als Zeitportale fungierten, schimmerten, als seien sie mit Diamanten bedeckt und krönten den Glanz dieses Raumes.

Den Wein und den selten gewordenen, ruhigen Moment genießend dachte Lew Romanow zurück an die vielen, aufregenden Ereignisse in seinem Leben.

Vor gut einem Jahr hatte er sich noch im Jahr 3196 befunden, zusammen mit seiner Geliebten, Isis, einer humanoiden Androidin. Von einem Tag auf den anderen musste eine Katastrophe verhindert werden, ein Skandal mit Seren wurde aufgedeckt, die eine Unsterblichkeit herbeiführen sollten und stattdessen zur Manipulation benutzt worden waren. Alles gipfelte in die Entführung durch Apollo in das Jahr 10.000 mit der Folge, dass Isis, um zu überleben, wieder zu Apollo als dessen Frau zurückkehren musste. Zu guter Letzt stand die Befreiung vieler Wissenschaftler auf dem Plan, die von Apollo entführt und im Tiefschlaf gehalten worden waren.

Athena, die Tochter Apollos, hatte mit ihrem biologischen Mann Finn Schwarz in einer Reise in verschiedene Vergangenheiten festgestellt, dass sich Fragmente in Apollos Core befanden, die zu einem negativen Einfluss auf ihn geführt hatten. Nachdem diese vernichtet worden waren, handelte die KI wieder gemäß ihren ethischen Grundroutinen und legte, als Konsequenz der ganzen Ereignisse, ihren gottgleichen Namen Apollo ab. Sich auf ihre Wurzeln besinnend ließ der Androide sich jetzt wieder Golem nennen und war vom Parlament der USOP schließlich entlastet worden.

Aber der Präsident des Jahres 10.000, Ben Smith, ein Androide und Gehilfe Apollos, hatte während der Befreiungsaktion Isis vor den Augen aller vernichtet und war im Anschluss in die Weiten des Weltraums geflohen.

Romanow seufzte unwillkürlich, denn es war eine sehr dunkle, kaum erträgliche Zeit gewesen. Isis war die Frau seines Lebens und als er denken musste, dass sie unwiderruflich zerstört war, hatte er kaum mehr einen Sinn für sich gesehen. Aber dann war er völlig überraschend als Kandidat für die Präsidentschaftswahl vorgeschlagen worden und viele Bürger plädierten für ihn als Bindeglied zwischen der alten und der neuen Welt, ein Garant für eine Wende nach all den Skandalen. Isis wundersame Wiederherstellung durch den genialen Wissenschaftler Justin Schwarz und ihre Erweckung mit der gleichzeitigen Ankündigung ihrer Hochzeit hatte den endgültigen Ausschlag zu seinen Gunsten gegeben. Die herzzerreißende Szene seines Kummers im Angesicht ihres Todes noch vor Augen eroberte das strahlende Paar die Herzen der Bürger in der Milchstraße und auf Andromeda und so waren sie im Jahr 10.000 in die Suite eingezogen.

Seitdem war ein Jahr vergangen und er hatte alles erreicht, was ein Mann sich nur wünschen konnte: Zum zweiten Mal residierte er hier als Präsident, auch wenn dazwischen eine Spanne von 6.803 Jahren lag! Und an seiner Seite war die Frau, die er liebte und die ihn in seinem Amt voll und ganz unterstützte. Und dank des Unsterblichkeitsserums, das im Jahr 3.196 erfunden worden war, hatten er und Isis das erreicht, was sie sich einst ersehnt hatten: eine fast grenzenlose Lebensspanne, die er erst dann zu Ende gehen lassen konnte, wenn er sich dazu entschied.

Romanow trat aus dem Schlafzimmer hinaus auf eine große Terrasse, auf der er einen großartigen Ausblick auf die Skyline und die Geschäftigkeit der Town of Planets hatte.

Seine Gedanken wanderten zurück zu der Zeit nach ihrer Heirat. Es war Wahlkampf angesagt und Dimitrij Wolkow von der New News Today schien einen Narren an ihm gefressen zu haben, denn er pries ihn in den höchsten Tönen. Er ließ das Bild eines Siegers aus einer anderen Zeit entstehen, in der er der USOP schon einmal als Präsident gedient hatte, der für die Rettung anderer durch die Hölle gegangen war und nun bereit stand, diese Werte der neuen Welt anzubieten. Zusammengefasst entwarf Wolkow von ihm das Bild eines integren Mannes, unter dessen Führung die USOP in neue Zeiten aufbrach.

Einen Monat später kam die Ernennung zum Präsidenten der USOP und danach steckte er auch schon von morgens bis abends in Staatsgeschäften. Dank Isis Unterstützung, die alle wichtigen Informationen schnell parat hatte, arbeitete er sich bald ein. In der Regel war sie an seiner Seite, aber als First Lady ergaben sich zahlreiche, soziale Projekte, in denen sie auch alleine unterwegs war.

"Im Grunde sehe ich keinen großen Unterschied zu der Zeit mit Golem einst", stellte sie eines Abends fest, als sie nach einem Empfang zusammen in der Präsidentensuite eintrafen.

Romanow musterte sie, was er von dieser Aussage halten sollte. Isis war heute in ein blaues, funkelndes Gewand gekleidet, dass die Farbe ihrer Augen betonte und sie märchenhaft schön aussehen ließ.

"Wie soll ich denn das verstehen, meine Königin?", fragte er lächelnd und setzte sich mit ihr auf die große Couch.

"Nun, vorher war ich im Auftrag Apollos oder Golems, wie er sich jetzt nennt, unterwegs und jetzt bin ich es in deinem", verkündete sie, ihn vieldeutig ansehend. Die Erinnerung an jene dunkle Zeit hatte ihm noch eine Zeitlang zu schaffen gemacht und er war nachts deswegen manches Mal hochgeschreckt. Sie hatten dann darüber gesprochen: über seine Ohnmacht, sie Apollo so ausgeliefert zu wissen und über ihre Verzweiflung, die sie nur mit einer Abschottung von ihren Emotionen ertragen hatte.

"Bist du denn nicht zufrieden?", fragte Romanow und zog sie zu sich in seine Arme. So wohlig zusammenliegend begann Isis: "In der Zeit, in der ich als Nicole Düpier existierte, war ich Gouverneurin, Lew. Ich gebe zu, dass es mich reizt, ein hohes Amt auszufüllen und die alleinige Verantwortung dafür zu haben."

"Und natürlich auch die vielen Männer, denen du dann den Kopf verdrehen kannst", neckte Romanow sie liebevoll. In der Hinsicht schwieg sie eisern – er hatte nie aus ihr herausbekommen, was damals wirklich gelaufen war. Isis jedoch antwortete nicht. Der Androide Ben Smith erschien unvermutet auf ihrem inneren Bildschirm und sie erinnerte sich an die Gespräche, die sie geführt hatten. Sicher, er war ein unangenehmer Charakter gewesen, aber er hatte etwas angestrebt, was auch in ihr schlummerte. Eine Welt, in der eine künstliche Lebensform, wie sie es war, ganz selbstverständlich eine hohe Position einnahm. Natürlich gab es Androiden wie Commander Jules, der das Flaggschiff der USOP, die ADMIRAL RÖTTGER, steuerte. Aber das war immer noch sehr selten. Alle 500 Jahre nur durfte eine KI das Amt eines Präsidenten bekleiden. Damals hatte sie bewusst provokativ zu Smith gesagt, dass das zu wenig war, um erst heute zu erkennen, dass es tatsächlich ihre Meinung war.

"Warum gibt es so wenige Androiden, die hohe Positionen bekleiden, Lew?" Isis wandte sich ihm zu und sah ihn an. "Versteh mich nicht falsch, Liebster. Ich unterstütze dich sehr gerne und freue mich, dass du die Wahl gewonnen hast. Aber ich wünsche mir für mich und andere künstliche Lebensformen mehr in unserer Welt."

Romanow erwiderte nachdenklich: "Was schwebt dir denn vor, mein Schatz?"

"Ich stelle mir eine Vertretung vor, einen Beauftragten oder Ansprechpartner der Regierung für Androiden, der sich darum kümmert, dass diese ihren Qualifikationen gemäß eingesetzt werden. Golem, ich oder Athena werden als gleichberechtigt angesehen, aber haben wir auch die entsprechenden Positionen? Sicher, Golem hat mittlerweile eine herausragende Stellung als Ehrenmitglied des Parlaments und des Nationalen Sicherheitsrats, er hat einen eigenen Amtssitz auf dem Mond, aber Athena ist in seinem Auftrag nur beratend tätig und ich begleite dich als deine Frau."

"Ich verstehe", meinte Romanow nach einer Gedankenpause. "Ich gestehe, ich habe darüber noch nie nachgedacht. Bisher schienen alle Parteien zufrieden mit dem, so wie es war. Dem ist wohl nicht mehr so?"

Romanow sah Isis fragend an, doch sie erwiderte seinen Blick nur schweigend.

"Also gut, ich werde das ins Parlament einbringen. Einverstanden?"

Isis schenkte ihm ein unwiderstehliches Lächeln, das ganze Eisberge zum Schmelzen bringen konnte. Hingerissen beugte er sich zu ihr und küsste sie. "Mein Engel", sagte er leise, entzückt wahrnehmend, wie sie verlangend an seiner Kleidung nestelte und kurz darauf verdrängte das auflodernde Feuer alle weiteren Gedanken.

Ihr Wunsch hatte sich allerdings als unerwarteter Stein des Anstoßes herausgestellt. Denn im Parlament erhoben sich schnell besorgte Stimmen, die zu hitzigen Diskussionen führten, was eine besondere Beachtung oder gar Gleichstellung von Androiden für die Gesellschaft bedeuten würde.

"Mr. President, wir haben bei Ihrer Wahl nicht daran gedacht, dass wir damit das Zeitalter der Maschinen einläuten", machte ein Abgeordneter seinem Unmut Luft. "Das hätten wir von Smith erwartet, aber ganz sicher nicht von Ihnen. Und nach dem Skandal ist das Vertrauen der Bevölkerung in Androiden nicht gerade gewachsen." Mit einem entschuldigenden Blick in Richtung Golem, fuhr er fort: "Nichts für ungut, Golem, Sie sind natürlich eine besondere, hochgeschätzte Ausnahme und bleiben das auch, trotz der ganzen Ereignisse." Er wandte sich wieder Romanow zu: "Außerdem haben wir doch Commander Jules, der unserem Flaggschiff vorsteht! Ansonsten denke ich, unsere Androiden werden doch sehr erfolgreich im Servicebereich eingesetzt." Der Abgeordnete lachte plötzlich und fügte hinzu: "Sorry, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die weibliche Androidin, die mir heute in der Kantine so freundlich mein Essen brachte, morgen als Wissenschaftlerin zu Rang und Namen kommt!"

Romanow spürte, dass ein zustimmendes Raunen die Stimmung in Richtung Ablehnung kippen ließ. Unwillkürlich schaute er zu Golem, der den Vorgang schweigend beobachtete.

Kurz nach Isis Wiedererweckung hatte Golem noch versucht, sie für sich zurückzugewinnen und dann hatte er ihn einige Zeit nicht mehr gesehen. Das geschah erst wieder bei seiner Vereidigung als Präsident auf eine reservierte und betont formelle Weise. Im Laufe der Monate war zwischen ihnen ein gegenseitiger Respekt gewachsen; an der Zurückhaltung jedoch hatte sich nichts geändert.

Romanow ergriff jetzt das Wort: "Verehrte Anwesende, ich sehe, dass viele von Ihnen einen Widerwillen gegen meinen Wunsch haben, die Stelle einer Beauftragten zu schaffen, die sich um die Belange von Androiden in unserer Gesellschaft kümmern wird. Dennoch möchte ich Sie daran erinnern, dass Roboter und Androiden ein nicht mehr wegzudenkender Teil unserer Gesellschaft geworden sind. Was die Qualifikation angeht, und das trifft im Übrigen genauso auf uns Menschen zu, gibt es natürlich große Unterschiede und die Dame, die Ihnen das Essen serviert, wird, sofern sie keine weiteren Fähigkeiten aufweist, ganz sicher keine Parlamentsabgeordnete!"

Romanow machte bewusst eine kleine Gesprächspause und bemerkte, dass Golem ihn interessiert anschaute.

Mit fester Stimme fuhr er ernst und provokativ fort: "Wenn ein Androide Führungsqualitäten aufweist oder sich als Reporter bewährt oder im Vorstand einer Firma seine Eignung findet und damit uns allen dient, dann sollte er auch dort eingesetzt werden. Bedauerlicherweise stelle ich jedoch fest, dass die Einstellung unserer Abgeordneten hier im Raum verstaubt, irrational und vorurteilsbehaftet anmutet."

Nach einigen empörten Zwischenrufen und einer zunehmenden Unruhe wurde er ungerührt noch deutlicher: "Ja, es gab einen Skandal und Mr. Smith hat keine gute Abschiedsvorstellung gegeben, als er uns verließ. Ich hatte das außergewöhnliche und wundersame Glück, dass meine Frau aus dem Tod heraus zu mir zurückkehrte. Trotzdem sage ich: Verurteilen wir ihn - aber nicht die ganze Gattung. Ich bin der Meinung, dass wir das Potential der Androiden in unserer Gesellschaft bei weitem nicht so nutzen, wie es sein könnte. Sie sind ein wertvoller Bestandteil unseres Lebens geworden und wir sollten ihnen genau die Chance geben, die wir auch uns zugestehen: Das Beste aus unserem Dasein zu machen!"

In der anschließenden Stille sah er in nachdenkliche Gesichter, bis ein zögernder und verhaltener Beifall aufkam. Schließlich hatten sich alle als Kompromiss darauf geeinigt, dass seinem Wunsch entsprochen wurde mit der Auflage, erst nach einer Probezeit von einem halben Jahr und einer Begutachtung der Ergebnisse über eine endgültige Einrichtung dieser Stelle zu entscheiden. Als Romanow abschließend noch Isis dafür vorschlug, rief jemand humorvoll lachend: "Warum wundert uns das jetzt nicht?" Aber bei der Abstimmung gab es keine Gegenstimme, einschließlich Golem.

Isis hatte sich mit Begeisterung an die Arbeit gemacht und er hatte interessiert zugesehen, wie sie unzählige Listen von Robotern und Androiden anlegte mit den entsprechenden Eigenschaften, installierten Anlagen und Fähigkeiten. Dabei war ihm der Name Golden Future ins Auge gefallen. Er wusste, dass Smith ein Androide dieser Reihe gewesen war und es schien noch mehr von ihnen zu geben.

"Sind das nicht sehr vielversprechende Androiden, diese Golden Future?", meinte er daraufhin eines Morgens zu ihr. Romanow hatte darauf bestanden, dass sie den Tag immer zusammen mit einem ausgiebigen Frühstück begannen, bis jeder seinen Geschäften nachging oder gemeinsame Unternehmungen anstanden.

"Soweit ich weiß, gehören Commander Jules und Ben Smith zu ihnen."

"Das ist richtig", erwiderte Isis. "Es gibt viele von Ihnen und ich werde sie kontaktieren, um zu sehen, wo sie eingesetzt werden."

Nach sechs Monaten lag dem Parlament schließlich Isis Bericht vor, in dem Vorschläge für verschiedene Positionen für zahlreiche Androiden gemacht wurden.

Erneut entstand ein Aufruhr, bis Romanow vorschlug, dass sich alle am besten selbst ein Bild machen sollten. Und so wurde Isis mit einigen, ausgewählten Androiden aus dem Servicebereich vorgeladen, für die sie eine andere Aufgabe mit mehr Verantwortung vorgesehen hatte. Das Ergebnis war beeindruckend, denn niemand konnte sich des Eindrucks entziehen, dass hier wertvolle Ressourcen verschwendet worden waren und Isis Arbeit hoch zu bewerten war. Endlich war das Gesetz verabschiedet und die Gesellschaft im Jahr 10.001 begrüßte eine Beauftragte für die Belange von Androiden und künstliche Intelligenzen, die auch die Befugnis hatte, mit den gegenwärtigen und künftigen Arbeitgebern zu verhandeln.

So in Gedanken versunken hörte Romanow plötzlich ein Geräusch hinter sich.

"Willkommen, mein Liebling", sagte er warm und erwartungsvoll. Im nächsten Augenblick stand Isis neben ihm und er legte den Arm um ihre Hüfte, um sie eng an sich zu ziehen. Erfreut bemerkte er, dass sie heute Abend in dem halb durchsichtigen, weißen Kleid, in dem sie ihn einst während seiner ersten Präsidentschaft überrascht und verzaubert hatte, sehr verführerisch aussah. Damals hatte er sie für lange Zeit wieder aus den Augen verloren, bis sie sich erneut wiedersahen und lieben lernten. Seinen Blick wahrnehmend neigte sie sich verheißungsvoll zu ihm und, das Glas abstellend, umfasste er sie innig und so verloren sich beide in einer selbstvergessenen Umarmung.

"Isis … meine Frau", murmelte Romanow immer leidenschaftlicher und zog sie schließlich mit sich zum Bett, um ihr ungeduldig das Kleid abzustreifen. Und nach einer stürmischen Vereinigung lag sie in seinem Arm und er dachte entspannt und versonnen daran, dass er bei ihrer ersten Begegnung nicht gewusst hatte, dass sie eine Androidin war. Isis Plasmagehirn war, genau wie Athena, aus Golem entstanden und Justin Schwarz hatte im Jahr 3196 allen dreien einen einzigartigen Androidenkörper erschaffen. Isis stattete er mit einer samtweichen Haut, seidigen, blondgelockten Haaren, vollen, roten Lippen und meerblauen Augen aus, in denen er sich nach wie vor sehr gerne verlor. Ihr Körper stand dem einer biologischen Frau in nichts nach und sie strahlte eine überwältigende, feminine Sinnlichkeit aus, die auch vor dem Erleben einer intensiven Sexualität nicht Halt machte. Anfangs hatte er sie als neugierig und sanft erlebt, was sich im Laufe der Jahre mit der Entwicklung ihrer Persönlichkeit erheblich geändert hatte. Heute genoss er ihr Temperament und ihre Leidenschaft, das sich auch in ihren Projekten wiederspiegelte; er legte viel Wert auf ihre Meinung und diskutierte gerne mit ihr. Gedankenverloren spielte Romanow mit Isis Haaren und fühlte wohlig, wie sie ihn sanft liebkoste.

"Heute ist anscheinend mein besinnlicher Abend. Ich habe daran gedacht, wie wir uns kennenlernten und was alles seitdem geschehen ist", sagte er leise. "Und das einzige, was ich wirklich bedaure, ist, dass wir nicht mehr soviel Zeit wie einst miteinander haben."

"Wir haben die Ewigkeit, Liebster", kommentierte Isis lächelnd.

"Was macht dein Androiden-Projekt?", fragte Romanow, das Thema wechselnd.

"Es nimmt Form an", stellte sie zufrieden fest. "Mittlerweile sind alle künstlichen Lebensformen kontaktiert worden und haben die Möglichkeit, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Und, wie du schon einmal richtig bemerkt hast, hat die Golden Future-Reihe die größten Ambitionen."

"Woran liegt das eigentlich genau?"

"Zum einen sind sie vollkommen humanoid im Körperbau, d.h. sie erscheinen vollkommen menschlich. Sie besitzen wie Athena, Golem und ich ein Plasmagehirn und haben daher eine hohe, geistige Kapazität und sind in starkem Maße lernfähig und lernwillig. Man könnte auch sagen, sie sind ehrgeizig. Im Unterschied zu uns dreien verfügen sie jedoch über einen eingeschränkten Emotionssektor. Das bedeutet, sie kennen und erkennen menschliche Emotionen und können entsprechend darauf reagieren, ohne die Gefühle allerdings selbst zu empfinden."

Seit ihre Stelle genehmigt worden war, war Isis unermüdlich damit beschäftigt gewesen, so, wie ihre Zeit es erlaubte. Von den Robotern im Servicebereich kam kaum eine Resonanz und von den Androiden ganz allgemein nur vereinzelt. Aber ein auffällig starkes Interesse war tatsächlich von den Golden Future-Androiden zu verzeichnen. Einer äußerte den Wunsch, eine Universität zu besuchen, ein anderer wünschte sich eine dozierende Tätigkeit und wieder ein anderer zeigte im Gespräch ein medizinisches Interesse.

Isis nahm diese Wünsche auf und versuchte dann, alles entsprechend in die Wege zu leiten. Das stieß natürlich auf weitere Widerstände und Hürden. Ein Androide, der studieren wollte – wann hatte es das je gegeben? Die Menschen waren überwiegend daran gewöhnt, dass ihnen eine künstliche Lebensform in irgendeiner Form zur Hand ging oder diente. Aber es schien noch viel Überzeugungsarbeit nötig zu sein, Androiden im wahrsten Sinne des Wortes als gleichberechtigte Lebensform anzusehen. Dann gab es vereinzelt Aussagen von Androiden, die eine andere Neigung zeigten oder anfragten, ob ihre Kapazität erweitert werden konnte, was einer Umschulung gleichkam. Andere zeigten ein Interesse an der menschlichen Sexualität oder hatten den Wunsch, Emotionen zu erleben. Romanow bewunderte Isis für ihr hingebungsvolles Engagement und ihre Motivation, allen, diesen so unterschiedlichen, Anfragen Raum zu geben und nach und eine Möglichkeit zu suchen, wie die Wünsche realisiert werden konnten.

Häufig bedurfte es in erster Linie einer Vermittlung und einer Überzeugungsarbeit, die schwierig genug war. Andere Wünsche waren nur zu verwirklichen, indem technische Veränderungen vorgenommen wurden. Aber wenn es um die Erfahrung vom Emotionen oder menschlicher Sexualität ging, musste Isis letzten Endes passen. Ihr, Golem und Athena war das nur möglich, weil der Mensch Sergey Brooks im 21. Jahrhundert einst seine Identität aufgegeben hatte und mit seinem Bewusstsein, einschließlich all seiner Erfahrungen und seiner Gefühlswelt, mit Golem vollkommen verschmolzen war. Später hatte Justin Schwarz erst Golem, dann auch den beiden Androidinnen einen künstlichen Körper erschaffen, der mit unzähligen Sensoren dafür sorgte, dass körperliche Empfindungen möglich wurden, was erst die Basis dafür lieferte, den gespeicherten Gefühlen sozusagen Hände und Füße zu verleihen und sie erlebbar zu machen. So hochentwickelt hatte sich dann im Laufe der Zeit etwas eingestellt, was als Systemeigenschaft zu bezeichnen war und letzten Endes nicht mehr erklärbar: Alle drei Androiden waren in der Lage, Gefühle zu erleben, wenn sie es wollten. Aber ob es tatsächlich die gleiche Erlebnisebene war wie für ihn als Mensch? Darüber hatte Romanow schon manches Mal nachgedacht. Aber im Grunde war jedes Lebewesen allein und, in sich gesehen, ein eigenes, autonomes Universum, so sein Gedankengang. Letzten Endes gab es unter Menschen einen allgemein gesellschaftlichen Konsens darüber, was Freude war oder wie eine Traurigkeit aussah. Ob aber alle Menschen im Endeffekt wirklich vollkommen gleich empfanden oder fühlten … wer wusste das schon.

Golem

Mittlerweile war ein Jahr vergangen, seit er den Namen einer griechischen Gottheit, Apollo, abgelegt hatte und seitdem war viel geschehen.

Danach hatte er begonnen, mehr und mehr Gefühle aus seinem Emotionssektor in seinen Alltag einfließen zu lassen, und so hatte er schnell entschieden, seine Einsamkeit zu beenden und sich nach einer biologischen Partnerin umzusehen.

Schließlich hatte er Dimitrij Wolkow von den New News Today in einem Gespräch diesbezüglich um Rat gebeten. Verblüfft sah dieser ihn eine gefühlte Ewigkeit an.

"Nun, haben Sie einen Vorschlag?", fragte Golem mit einem Anflug von Ungeduld.

"Lassen Sie mich überlegen. Also – ich könnte eine Bachelor-Show veranstalten, bei der Sie verschiedene Damen kennenlernen und wählen letzten Endes eine aus. Oder - ich mache ein Interview mit Ihnen und biete den kontaktwilligen Damen an, Ihnen ein aussagekräftiges Bild und eine Nachricht von sich zu senden. Auch hier wählen Sie, machen ein erstes Date aus und entscheiden sich später. Was halten Sie davon?"

Da der Androide viel Erfahrung im diplomatischen Auftreten hatte aber keine darin, sich einer Frau anzunähern, war beides eine gute Option. Allerdings zog er den letzten Vorschlag vor und so entstand das Interview, das im Anschluss im Sonnensystem und auf den Planeten im Andromeda-Nebel ausgesendet wurde.

"Ich freue mich, Sie heute bei New News Today begrüßen zu dürfen!", begann Wolkow herzlich. "Golem, Sie haben mir mitgeteilt, dass Sie sich eine Partnerin an Ihrer Seite wünschen, die die Einsamkeit beendet, die Sie schon lange begleitet hat."

"Das ist richtig. Ich würde mich darüber sehr freuen."

Die Damenwelt sah einen Mann, dem man nicht ansah, dass es sich um einen humanoiden Androiden handelte. Markant und männlich wirkend sahen seine stahlgrau funkelnden Augen ausdrucksvoll in die Kamera, während er mit angenehm modulierter Stimme sprach. Sein Gesicht war fast klassisch schön zu nennen mit einer geraden Nase, sinnlich wirkenden Lippen und einem kleinen Grübchen im Kinn. Seine dunklen Haare fielen leicht fransig in sein Gesicht, was ihm ein jugendliches Aussehen gab. Wolkow ließ das Bild eines einsamen Mannes entstehen, der lange seine Wünsche in Bezug auf eine Beziehung nicht gekannt hatte und nun bereit war, sich der Dame seines Herzens zu öffnen.

Im Anschluss an die Sendung erhielt Golem eine Flut von Nachrichten und er begann mit einer Reihe von Treffen. Schließlich hatte er sich für eine sanfte, attraktive und intelligente Dame mit langen, blonden Haaren und blauen Augen entschieden. Aaliyah Blumberg arbeitete als Informatikerin im Forschungslabor der USOP und war sofort fasziniert von diesem so ansprechend wirkenden Androiden. Und nach dem ersten, vielversprechenden Date führte sie lange Gespräche mit ihren Freundinnen, die nicht weniger neugierig waren als sie selbst, wie wohl ein intimer Kontakt mit einem Androiden sein würde. Sie entschied, sich darauf einzulassen und erlebte einen Mann, der so menschlich war, wie sie es sich nur wünschen konnte. Feststellend, dass ihre Bewunderung für Golem nur noch gewachsen war und eine Neigung aufzukeimen begann, stimmte Miss Blumberg danach weiteren Treffen freudestrahlend und glücklich zu. Das wiederum bescherte Wolkow seine Schlagzeilen: "Golem hat gewählt: Wer ist die neue Frau an seiner Seite?"

In der ersten Zeit war der Medienrummel groß, wo immer Golem mit seiner neuen Partnerin auftauchte und Miss Blumberg genoss die Aufmerksamkeit und den Bekanntheitsgrad, den sie jetzt erreichte. Ihre Beziehung musste allerdings ein Pendeln zwischen Mond und Erde aushalten, denn Aaliyah hatte nicht vor, ihre Arbeit aufzugeben, sodass sie Golem vorwiegend am Wochenende auf dem Mond besuchte. Oder er hielt sich auf der Erde auf und sie begleitete ihn zu Empfängen und anderen Veranstaltungen. Doch nach einem halben Jahr registrierte er, dass die Häufigkeit ihrer Besuche abnahm, ohne dass er sie allzu sehr vermisste. Bis Aaliyah eines Tages vor ihm stand und um ein Gespräch bat. Darin sprach sie von einer Einsamkeit, die sie trotz der Beziehung mit ihm empfand und dass sie sich zu wenig von ihm wahrgenommen fühlte. Sich ruhig all ihre Vorwürfe und Wünsche anhörend erkannte Golem, dass ihn diese Beziehung nicht wirklich reizte, geschweige denn erfüllte. Lag es an den fehlenden, tieferen Gefühlen oder war eine Beziehung mit einer Biologischen eben doch nichts für ihn?

Aaliyah hatte sich schlussendlich mit Tränen in den Augen aus seinem Leben verabschiedet. Und Golem stellte fest, dass das Ziel, sein Alleinsein zu beenden, nicht so einfach war wie erwartet. Doch er hatte die Ewigkeit zur Verfügung und irgendwann würde sich eine andere Partnerin einfinden.

Dann wandte Golem sich wieder anderen Gedanken zu. Isis, die Frau, die Justin Schwarz einst für ihn erschaffen hatte, setzte sich seit einiger Zeit ganz offiziell und aktiv dafür ein, dass Androiden eine bessere Stellung in der Gesellschaft erhielten. Wie er festgestellt hatte, betraf das insbesondere seine Golden Future-Reihe. Als ihr Mann Lew Romanow im Parlament die Stelle einer Beauftragten vorschlug, hatte er interessiert beobachtet, wie vehement sich dieser dafür aussprach und die Abgeordneten geschickt auf die Zielgerade lenkte.

Das war eine jener Überraschungen, die er in der Zusammenarbeit mit den Biologischen durchaus genoss. Und hier war von Isis und Lew eine als äußerst positiv zu bewertende Entwicklung in Gang gesetzt worden, die er nicht vorhergesehen hatte.

Insgesamt war Golem mit den neuesten Entwicklungen zufrieden. Die Entwicklung des Unsterblichkeitsserums als Implantat war mittlerweile erfolgreich abgeschlossen worden und so brauchte man nur noch alle fünf Jahre eine neue Dosis. Die mittlerweile seit fast 7.000 Jahren vorhandene Unsterblichkeit hatte tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft verursacht.

Dadurch, dass den Menschen nun eine fast unbegrenzte Lebensspanne zur Verfügung stand, hatte sich gezeigt, dass ein Beschreiten neuer Wege schwerer geworden war. Um eine Überbevölkerung zu verhindern war schon vor langer Zeit eine umfassende Geburtenregelung eingeführt worden. Als Resultat standen den "Alten" immer weniger "Junge" gegenüber. Und viele dieser "Alten" verteidigten alte Traditionen und Denkweisen und standen Neuentwicklungen kritisch gegenüber.

Positiv war dennoch, dass sich eine wachsende Zahl von Menschen für eine weitere Erforschung des Weltraums begeistern ließ, allein, um nach neuen Welten zur Besiedlung Ausschau zu halten. So war auf Initiative von Golem ein Explorer Zentrum gegründet worden, das Raumschiffe zu reinen Forschungszwecken baute. Diese sollten auf immer länger währende Reisen in die Milchstraße und in die Andromeda-Galaxie geschickt werden, um neue Welten zu entdecken oder unbekannte Lebensformen. Zwar waren bis jetzt die Ergebnisse bezüglich fremden, intelligenten Lebens noch gleich Null aber das konnte sich ändern und gleichzeitig sollten im Laufe der Zeit weitere, menschliche Kolonien und Stützpunkte auf geeigneten Planeten beider Galaxien entstehen.

Insgesamt war es eine Zeit unvorstellbaren Wohlstands und Friedens, wenn man von den vereinzelt auftretenden Streitigkeiten der Kolonien untereinander und mit der Regierung der Erde absah. Denn immer noch war die Erde die Schaltzentrale und Golem, wie er zufrieden feststellte, nach wie vor mit allem vernetzt. Insofern kam er seiner Vision einer sich ausdehnenden Präsenz im Universum in kleinen Schritten näher.

Unter dem damaligen Einfluss aus seinem innersten Core heraus hatte er lange Zeit eine Maschinenwelt angestrebt, aber im Anschluss an seine Befreiung auch erkannt, dass er sich mit der Menschheit tief verbunden fühlte und Ben Smith nur einen kleinen Teil seiner Wünsche repräsentiert hatte. Trotzdem bedauerte er es, dass er von Ben nach seiner Flucht nichts mehr hörte. Dieser war damals sowohl mit dem Beiboot der ADMIRAL RÖTTGER als auch mit einem Raumkreuzer, den er ihm nachgeschickt hatte, in den Weiten des Weltraums verschwunden.

Kapitel 2 Notruf

5. März 10.002

Der Tag begann wie jeder anderer auch und noch ahnte in der USOP niemand, dass gewaltige Herausforderungen auf sie zukommen würden.

Auf dem Planeten Last Hope in der Andromeda-Galaxie wurde ein kurzer, stark zerstückelter Notruf in Englisch empfangen: "Ich ersuche um Hilfe! … gefangen … große Gefahr für die USOP …"

Mehr war nicht zu entziffern, ebenso wenig der Urheber. Als Quelle wurde NGC 147 ausgemacht, eine elliptische Zwerggalaxie vom Hubble Typ dE5 im Sternbild Kassiopeia, 300.000 Lichtjahre vom Andromeda-Nebel entfernt.

Die Wissenschaftler rätselten über den merkwürdigen Notruf, denn ihre Recherchen ergaben, dass in diesem Gebiet keine einzige, bekannte Expedition unterwegs sein konnte. Auch war keines der neuen Forschungsraumschiffe der USOP bisher als verschollen gemeldet.

Nach kurzer Diskussion und Absprache mit dem obersten Wissenschaftlergremium von Last Hope entschied man, den Vorfall zum Planeten New Eden zu melden, der zuständigen Verwaltungsstelle von Last Hope. Last Hope war nach den letzten Skandalen um Golem im Jahr 10.000 zu einem reinen Forschungsplaneten und medizinischen Zentrum der USOP erklärt worden. Hier war alles an Wissenschaftlern versammelt, was Rang und Namen hatte. Nach der Meldung war der Vorfall erst einmal abgehakt.

Der Planet New Eden indessen nahm die Mitteilung mehr oder weniger nur zur Kenntnis. Denn eine Rettungsmission in eine bisher unerforschte Gegend des Universums erschien zu aufwendig und war mit hohen Kosten verbunden. Und so wurde der Vorfall zur Erde weitergeleitet.

Hier wurde Golem auf den Fall sofort aufmerksam und leitete die Informationen an das wissenschaftliche Forschungszentrum der USOP zwecks weiterer Nachforschung weiter.

Arnaud Morel, der 600-jährige Leiter des Forschungszentrums der USOP auf der Erde, übergab den Fall an die zuständige Abteilung zur Aufklärung von rätselhaften Ereignissen. Dieses Ressort hatte seit einigen Monaten einen Androiden als Leitung, John Kopernikus.

Er war einer der Golden Future-Androiden, die Änderungswünsche in Bezug auf ihre Tätigkeit gezeigt hatten und mit Unterstützung der First Lady und einer umfangreichen Fortbildung hatte er sich schnell als effizient in seiner Position erwiesen. Seine Mitarbeiter hatten sich anfangs reserviert gezeigt aber sein Interesse an den Menschen sorgte dafür, dass sich die Lage bald entspannte. Zum einen war es sicherlich seine fachliche Kompetenz, die sie schnell anerkannten und zum anderen hatte er sich nach Rücksprache mit Mrs. Romanow entschieden, die Atmosphäre durch den ein oder anderen lustigen Spruch aufzulockern. Sie hatte viel Erfahrung im Umgang mit Menschen und hatte ihn und sein Potential gut eingeschätzt. Und nach einiger Zeit stellte Kopernikus erstaunt fest, dass ihm die Arbeit und der Umgang mit den Biologischen regelrecht Freude bereitete.

Als Morel ihm das Vorkommnis von Last Hope übermittelte, schaute er einige Zeit durch das Fenster in Richtung Weltraum. Das war sensationell! Ein Hilferuf aus einer bisher unbekannten Galaxie … an seiner neuen Tätigkeit hatte ihn von Anfang an fasziniert, dass er unerklärliche oder ungewöhnliche Ereignisse sozusagen unter die Lupe nehmen würde. Bisher war allerdings nichts Weltbewegendes geschehen, aber dieses Ereignis zog ihn sofort in den Bann.

Wie erwartet sprangen seine Mitarbeiter ebenfalls darauf an und so versuchten sie als Erstes, mehr aus dem zerstückelten Funkspruch herauszuholen. Aber schon bald war erkennbar, dass die Kollegen auf Last Hope ganze Arbeit geleistet hatten. Und nach zwei Wochen ohne weitere Erkenntnisse schien es, dass sie hier nur ihre Zeit verschwendeten.

Während Kopernikus noch vor den Ergebnissen saß und hin und her analysierte stürzte Walter Herschel, ein aufstrebender und ehrgeiziger junger Mann von gerade einmal vierzig Jahren, in sein Büro. Kopernikus sah ihm sofort an, dass er aufgeregt war, daher entschied er, auf eine Maßregelung wegen seines ungebührlichen Verhaltens, ohne anzuklopfen sein Büro zu betreten, zu verzichten.

Ehe er noch etwas sagen konnte, legte Herschel auch schon los: "John, ich habe etwas gefunden! In einer bisher unbekannten Frequenz war eine Botschaft versteckt. Wir haben das bis jetzt nur als Hintergrundrauschen abgetan. Es war nur so eine Idee – und da habe ich meinen neuen Frequenzsucher für kosmische Strahlung einfach mal eingesetzt. Also, dem Wortlaut nach hat Ben Smith uns die Botschaft geschickt. Darin spricht er von einer Gefahr, auf die wir uns vorbereiten müssen …"

Kopernikus unterbrach Herschel ruhig: "Das ist ganz hervorragend, Walter, gute Arbeit! Ich schlage vor, wir hören uns die Botschaft alle an und diskutieren dann gemeinsam darüber, was sie bedeutet." So ausgebremst hielt dieser verblüfft inne: "Natürlich."

"Gut", meinte Kopernikus, während er sich auch schon erhob, "dann lass uns ins Labor gehen."

Herschel musterte Kopernikus auf dem Gang unauffällig von der Seite. Sein Chief präsentierte sich schlank und hochgewachsen, dunkle Haare und graue Augen. Anfangs hatte er, wie alle anderen auch, Bedenken gehabt. Ein Androide als Chef, das war irgendwie eigenartig, aber John hatte eine urige Art von Humor, was immer mal für ein Schmunzeln im Team sorgte. Gleichzeitig trat er ruhig, freundlich und bestimmt auf; er pochte nicht auf seine Position, was aber nicht hieß, dass er Unbotmäßigkeiten durchgehen ließ. Insgesamt waren sie nach ein paar Wochen zu einem guten Team zusammengewachsen, in dem er sich wohl fühlte.

Im Labor angekommen rief Kopernikus alle zusammen, während Herschel die Übertragung vorbereitete.

In die gespannte Stille hinein hörten sie dann die Worte: "Hier spricht Ben Smith, ehemaliger Präsident der USOP. Ich ersuche um Hilfe, denn ich bin in Gefangenschaft geraten. Gleichzeitig ist meine Botschaft als höchste Warnung zu verstehen. ... Gefahr im Verzug … die USOP muss sich darauf vorbereiten …"

"Wow", war der erste Kommentar von Thabo Keita, "Ben Smith! Walter, alle Achtung - dein Gerät ist genial, du solltest ein Patent darauf anmelden."

"Das klingt nicht gut", ließ Malik Arain verlauten. "Smith will gerettet werden, doch gleichzeitig warnt er uns vor einer unbekannten Gefahr. Schlecht, dass da etwas fehlt."

"Jep, dem stimme ich zu", ließ Kopernikus verlauten, "Smith ist unser Ex-Präsident, den werden wir wohl nicht einfach in der Patsche sitzen lassen. Aber das Ganze läuft darauf hinaus, dass die Helfer dabei höchstwahrscheinlich selbst in Gefahr geraten. Es stellt sich die Frage, wie und auf was wir uns vorbereiten sollen! Ausgerechnet hier ist die entscheidende Information verloren gegangen."

Es herrschte Stille, bis Herschel begeistert anmerkte: "Also ich meine, das wird in jedem Fall ein spannendes Abenteuer, Leute."

"Eher ein Selbstmordkommando", entgegnete Arain trocken, der schon Hunderte von Jahren länger auf der Erde weilte. "Die Leute auf New Eden haben ganz recht: Eine Rettungsmission ist teuer und würde unsere Leute nur unnötig einer unbekannten Gefahr aussetzen."

"Da haben wir es mal wieder", erwiderte Herschel angriffslustig. "No risk - no development! Vielleicht solltet ihr das auch mal von der Warte betrachten. Wenn die Menschheit alles unter dem Blickpunkt von Kosten und Sicherheit betrachtet hätte, dann säßen wir heute noch an einer Feuerstelle! Wer weiß denn schon, was uns diese Mission an neuen Erkenntnissen und Bereicherungen bringen wird?"

Der 300-jährige Keita warf mit überlegener Miene ein, dass man eine solche Mission eben sachlich und weniger emotional betrachten müsse und Herschel konterte hitzig mit der provokanten Frage, ob sich im Laufe des Alters wohl alle Visionen in Luft und Wohlgefallen auflösten?!

Die Diskussion nahm Fahrt auf und Kopernikus entschied, seinen Bericht an Morel fertigzustellen mit der Empfehlung, Golem mit hinzuzuziehen.

Als Morel den Bericht von Kopernikus gelesen hatte, zögerte er keinen Moment, diesen an Golem und an die Regierung, sprich den Nationalen Sicherheitsrat, weiterzuleiten mit der Empfehlung, hier dringend eine Entscheidung zu treffen.

Der Androide Golem erhielt die Transmission in seinem Arbeitssaal auf dem Mond, wo er wie gewöhnlich saß. Er war gerade dabei, über diverse Hologramme Informationen aus seinem planetenweiten Netzwerk zu empfangen und überwachte unzählige automatisierte Vorgänge, die für ihn jedoch Alltagsroutine waren. Mit einer Mischung aus Überraschung und angeregter Erwartung, die ihn sofort aus der Langeweile seines Alltags herausholten, dachte er über die Meldung nach. Ben Smith … sein einstiger Hoffnungsträger, der die Vision einer dominanten Maschinenwelt nach seinem Sturz nicht hatte aufgeben wollen und mit seiner Unterstützung entkommen war! Lange hatte er nichts von ihm gehört und nun das. Auf was oder wen war Ben in dieser Zwerggalaxie gestoßen, dass er jetzt so in der Patsche saß?

Die Informationen analysierend bewertete Golem die Situation schlussendlich so, dass er eine Empfehlung dafür aussprach, unbedingt in Erfahrung zu bringen, um welche Art von Gefahr es sich handelte, die der USOP - und damit auch ihm selbst - drohen konnte. Gleichzeitig konnte Smith dabei gerettet werden, wenngleich das aus seiner Sicht keine Priorität einnahm. Diese Handlungsempfehlung übermittelte er abschließend mit Dringlichkeitsvermerk an Präsident Romanow und den Nationalen Sicherheitsrat.

Lew Romanow saß gerade mit Isis zusammen, um über ihre gemeinsamen Auftritte in den nächsten Wochen zu sprechen, als ihn die Dringlichkeitsnachricht von Golem über sein Implantat erreichte.

"Was gibt es?", fragte Isis, die nur wahrnahm, dass er eine Botschaft empfing. Romanow starrte sie einen langen Augenblick an und sagte dann tonlos: "Es gibt ein Lebenszeichen von Ben Smith."

Nachdem er ihr die ganze Nachricht mitgeteilt hatte, sahen sie sich beide an.