Bücher von Harry Eilenstein:

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Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783746058153

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

1. Die Entwicklung der germanischen Religion

2. Lexikon der germanischen Religion

3. Der ursprüngliche Göttervater Tyr

4. Tyr in der Unterwelt: der Schmied Wieland

5. Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1

6. Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2

7. Tyr in der Unterwelt: der Zwergenkönig

8. Der Himmelswächter Heimdall

9. Der Sommergott Baldur

10. Der Meeresgott: Ägir, Hler und Njörd

11. Der Eibengott Ullr

12. Die Zwillingsgötter Alcis

13. Der neue Göttervater Odin Teil 1

14. Der neue Göttervater Odin Teil 2

15. Der Fruchtbarkeitsgott Freyr

16. Der Chaos-Gott Loki

17. Der Donnergott Thor

18. Der Priestergott Hönir

19. Die Göttersöhne

20. Die unbekannteren Götter

21. Die Göttermutter Frigg

22. Die Liebesgöttin: Freya und Menglöd

23. Die Erdgöttinnen

24. Die Korngöttin Sif

25. Die Apfel-Göttin Idun

26. Die Hügelgrab-Jenseitsgöttin Hel

27. Die Meeres-Jenseitsgöttin Ran

28. Die unbekannteren Jenseitsgöttinnen

29. Die unbekannteren Göttinnen

30. Die Nornen

31. Die Walküren

32. Die Zwerge

33. Der Urriese Ymir

34. Die Riesen

35. Die Riesinnen

36. Mythologische Wesen

37. Mythologische Priester und Priesterinnen

38. Sigurd/Siegfried

39. Helden und Göttersöhne

40. Die Symbolik der Vögel und Insekten

41. Die Symbolik der Schlangen, Drachen und Ungeheuer

42. Die Symbolik der Herdentiere

43. Die Symbolik der Raubtiere

44. Die Symbolik der Wassertiere und sonstigen Tiere

45. Die Symbolik der Pflanzen

46. Die Symbolik der Farben

47. Die Symbolik der Zahlen

48. Die Symbolik von Sonne, Mond und Sternen

49. Das Jenseits

50. Seelenvogel, Utiseta und Einweihung

51. Wiederzeugung und Wiedergeburt

52. Elemente der Kosmologie

53. Der Weltenbaum

54. Die Symbolik der Himmelsrichtungen und der Jahreszeiten

55. Mythologische Motive

56. Der Tempel

57. Die Einrichtung des Tempels

58. Priesterin – Seherin – Zauberin – Hexe

59. Priester – Seher – Zauberer

60. Rituelle Kleidung und Schmuck

61. Skalden und Skaldinnen

62 Kriegerinnen und Ekstase-Krieger

63. Die Symbolik der Körperteile

64. Magie und Ritual

65. Gestaltwandlungen

66. Magische Waffen

67. Magische Werkzeuge und Gegenstände

68. Zaubersprüche

69. Göttermet

70. Zaubertränke

71. Träume, Omen und Orakel

72. Runen

73. Sozial-religiöse Rituale

74. Weisheiten und Sprichworte

75. Kenningar

76. Rätsel

77. Die vollständige Edda des Snorri Sturluson

78. Frühe Skaldenlieder

79. Mythologische Sagas

80. Hymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

A Das Schwert

Das Schwert ist die wichtigste Angriffs-Waffe der Germanen gewesen und hat daher auch eine reiche Symbolik.

I Die allgemeine Bedeutung des Schwertes

I 1. Die Bezeichnung „Schwert“

I 1. a) Das Wort „Schwert“

Das deutsche Wort „Schwert“, das altnordische „sverd“, das angelsächsische „sweord“, das altfränkische „swerd“, das althochdeutsche „swert“ und das altfriesische „swerd“ gehen alle auf das germanische „sverda(m)“ für „Schwert“ zurück. Der indogermanische Ursprung dieses Substantivs ist das Verb „suer“ für „schneiden, stechen“.

I 1. b) Der Wortschatz

Es gibt eine ganze Reihe an technischen Begriffen, die das Schwert betreffen. Das Schwert besteht aus der Klinge, die sich im Griffbereich verdünnt und durch ein Loch in der Parierstange und durch den hohlen Griff bis zu dem Schwertknauf (Kugel) am Ende des Griffes verläuft. Dort wird ein Nagel durch den Schwertknauf und durch ein Loch in der Verlängerung der Klinge gesteckt wird, sodaß die Parierstange, der Griff und der Knauf stabil am Schwert befestigt sind.

schematischer Aufbau eines Schwerts

brandr - „Flamme“ = Schwertklinge, Schwert
- „Zapfen“ = Schwertklinge
skafningr - „Polierter“ = Schwertklinge
hvitingr - „Weißer“ = Glänzender = Klinge, Schwert
skjomi - „Glänzender“ = Klinge, Schwert
thremjar - „Rand, Kante“ = Schneide des Schwertes
blodvakr - „Blut-Erwecker“ = Klinge, Schwert
blodrefill - „Blut-Raspel“ = Schwertspitze
hjalt - „Halt“ = Schwertgriff, Parierstange
oman - Goldumwicklung des Schwertgriffs
hugro
klot
- „Mutiger, Gedanke“ = Metallplatte am Schwertknauf
- „Klumpen, Kugel“ = Schwertknopf
darradr - „Nagel“ = Schwertnagel
sigrhnod - „Sieg-Nuß“ = Vernietung der Schwertschneide mit dem Knauf mithilfe des Nagels
mellingr - „Öse, Loch“ = Schwertknauf mit einem Ring, an dem man eine Schnur festbinden kann, dessen anderes Ende man sich um das Handgelenk bindet, damit das Schwert im Kampf nicht verlorengehen kann
blodida - „Bruder“ = unbekannter Teil des Schwertes
emjar - „Heulender“ = unbekannter Teil des Schwertes = Klinge?
onn - „Erwartung“ (?) = unbekannter Teil des Schwertes = Parierstange?
vättrim - „Ding, Geist“ = unbekannter Teil des Schwertes
Zu dem Schwert gehören die Schwertscheide und der Schwertgut:
skalpr - „Ausgehöhltes“ = Schwertscheide
skaud - „Hülle“ = Schwertscheide
fetla
sikulgjörd
- „Band, Fessel“ = das Schulterband, an dem die Scheide hängt
- „Halte-Gurt“ = Schwertgurt

Es wurden verschiedene Arten von Schwertern unterschieden:

vindthvari - „wendischer Stab“ = Schwert mit schräger Klinge (wendisches Schwert = „Säbel“)
bladnir - „Blatt“ = einschneidige Klinge
sax - „Sax“ = Kurzschwert der Sachsen, Schwert

I 1. c) Die Bezeichnungen der Nordgermanen für das Schwert

Die Nordgermanen hatten eine Fülle von Umschreibungen für das Schwert. Ein Teil von ihnen bezieht sich auf die Krieger:

sax - „Kurzschwert der Sachsen“
imnir - „Kämpfer“
folk - „Schar, Volk, Heerschar“

Eine weitere Gruppe von Umschreibungen bezieht sich auf die Bewegungen und die Wirkung des Schwertes beim Kampf:

flämingr - „das Geschwungene; das Hin- und Herbewegte“
lögdir - „Stoßer“
vifr - „Geschwungenes“
hjörr - „Schneidender“
skalkr - „Schneidender“
skalm - „Schneidender“
skölm - „Schneidender“
snidill - „Schneidender“ (Sichel, Schwert)
sigd - „Sense“
sigdir - „Sense“ oder „Siegender“
skarr - „Verletzer“
togningr - „Reißer“
raufnir - „Lochmacher“
brynthvari - „Brünnen-Durchbohrer“
bengrefill - „Wunden-Grabgerät“
mörnir - „Geheimnis des Abschabens“ („ma-runja“ => „mörnir“)
thvari - „Bohrer“
ormthvari - „Schlangen-gestaltiger Bohrer“
vättlimi - „Kampf-Zweig“
lävateinn - „Schadenszweig“
valnir - „Todbringendes“

Zum Teil werden die Schwerter auch einfach als Feinde der Gegner umschrieben:

verr - „Mann“
unnr - „Kämpfer“
thrimarr - „lauter Kämpfer“
yfrir - „Überwinder“
gramr - „Feind“
hrotti - „Lump, Kerl, Gauner“
marr - „Räuber“
rifjungr - „Raub-Junge“
vitnir - „Wolf“
malvitnir - „Versammlungs-Wolf“ (Versammlung = Schlacht)
skolkr - „Erschrecker“

Eine vierte Gruppe von Schwert-Namen ist von dem Schlachtengetöse inspiriert worden:

gellir - „Lautes“ (Kampflärm)
glamr - „Lauter“
gelmingr - „Lauter“
gjallr - „Lauter“

Es gibt auch einige Bezeichnungen, die sich auf das Aussehen und die Eigenschaften des Schwertes beziehen:

thinurr - „Hartes“
fölvir - „das Fahle“ (Farbe des Metalls)
langbardr - „Langbart“ (Bart = Axtklinge; Langbart = Schwertklinge)
tjörr - „harzhaltiges Holz des Schwertgriffes“
öltirr - „Alu-Hartholzgriff“ („alu“ ist eine magische Schutzformel)
hringr - „Ring, Kreis“ (Ring am Schwertgriff)
veigarr - „Umwundenes“ (mit Metalldraht umwundener Griff)
spadi - „Spaten“ (Schwert und Spaten sind beides Stech-Werkzeuge)

Sehr beliebt ist die Umschreibung des Schwertes bzw. seiner Klinge als „Feuer“, „Flamme“ und dergleichen:

log - „Licht, Flamme“
logi - „Flamme, Lohe“
brandr - „Brand, Feuerholz“
brimir - „Brand, Feuer“
ljomi - „Glanz, Licht“
skjomi - „Glänzendes“
skygdir - „Glänzendes“
herberi - „Heer-Licht“

Einige Schwert-Bezeichnungen sind ironisch gemeint, wobei die häufige Assoziation zu „Penis“ auffällt (beide sind „Stoßer“):

vägir - „Verschonendes“
högudr - „Ordnender“
groa - „Wachsendes“ (entweder eine Umschreibung für „Penis“ oder ironisch „Gedeihen-Gebendes“ statt „Tötendes“)
thror - „Wachsendes“
atti - „Vater“ (Vater = Penis = Schwert?)
sverd - „Schneidender, Stoßender“ (auch eine Bezeichnung für „Penis“)

Schließlich gibt es noch Umschreibungen für das Schwert, die eine mythologische Wurzel haben und sich auf den ehemaligen Göttervater Tyr beziehen:

ägir - „Ägir, Meeresgott, Tyr in der Wasserunterwelt“
dreyramörir - „Moorbewohner“ (Tyr als Fenrir in der Fensalir-Unterwelt)
goinn - „Schlange“ (Name eines der beiden Alcis-Söhne des Tyr, die in der Unterwelt u.a. die Gestalt von zwei Schlangen haben und die Tyrs Schwert neu schmieden)

Bei einer Schwert-Bezeichnungen ist die Herkunft des Wortes unklar und bei einer anderen die Deutung:

mäkir - „Schwert“ (vermutlich ein nicht-germanisches Lehnwort)
fylvingr - „junger Freund (?)“ = Nuß, Schwert (Nuß = Schwertknauf?)

Für das Verständnis der Symbolik des Schwertes ist seine Bezeichnung als „Ägir“ und als „Moorbewohner“ am interessantesten, da sie beide den ehemaligen Kriegsgott-Göttervater Tyr als Riese in der Wasserunterwelt bezeichnen („fen“ = Sumpf = Friggs Halle „Fensalir“). Diese beiden Namen zeigen, daß Tyr auch ein Schwertgott gewesen ist – was so gut wie selbstverständlich ist, da Tyr bis 500 n.Chr. nicht nur der Sonnengott-Göttervater, sondern auch der Kriegsgott der Nordgermanen gewesen ist und das Schwert deren wichtigste Waffe gewesen ist.

Diese Deutung wird durch den Schwertnamen „Goinn“ bestätigt, da dies auch der Namen eines der beiden Zwergen-Söhne des Tyr ist, die in der Unterwelt dessen Schwert neuschmieden.

I 1. d) Thulur des Snorri Sturluson

Namen für 'Schwert' (1. Liste):

Nun zähle ich
die Schwert-Namen auf:
Schneidendes und Hrotti,
Spalter, Dragvandill,
Hrotti = Kerl, Lump, Gauner
Dragvandill = „Ziehen-Schlagen“
Grünendes, Wütendes, Klingendes,
Lärmer und 'der von unter her schlägt',
Sichel und Geschickter,
Hochgeschätztes, Glänzendes.
Knecht, Schlitzer, Vertreiber,
Vortrefflicher, Blatt,
Freundlicher, Langbart
und Schlangen-Stab,
Beinbeißer, Beruhiger, Hell-Klingender Beruhiger = ironisch für „Töter“
und Überrest-Verletzer,
Heer-Ausstattung, Zerschneider
und Leichen-Stab.
Umherwirbler, Niederwerfer,
Gefalztes, Schwert,
Kantiger, Hand-Reiter
und Mistelzweig,
falzen: das Metall der Klinge beim Hämmern
mehrfach übereinanderlegen („Damaszenerstahl“)
Eisernes, Gedeihender und Pferd
und Mitten-Poliertes,
'ein Fuß Breites', Torgitter-Flamme
und Lebens-Sieder.
Niederzuckender Blitz, Umwundenes,
'Schaden der Gefallenen' und Flamme,
Schlimmer, Wolf, Töter,
Wind-Glanz und Peiniger,
umwunden: mit Draht umwickelter Griff
Esche, Angrvadill,
Scharf-Schneide,
Peitsche und 'peitschender Backenzahn',
Saal-Wächter, Faust.
Angrvadill = „der in Sorgen watet“
Eiliger, 'der sich an Köpfen scharfwetzt', Schädel-Zermalmer,
Aas-Gote, Heer-Schlange
und Fleisch-Mimir, Wunden-Regen, Schneller,
Brandung, Gedanken-Beruhiger,
Beschützer, Schmücker,
Verminderer, Torgitter-Flamme.
Mimir = Tyr-Riese
Wunden-Regen = Blut
Gedanken-Beruhiger = ironisch für „Töter“
Mimung, Fällender Mimung = „Schwert des Mimir“
und Intarsien-Zeuge, Verzierter, Leichen-Wächter,
Kranich, Wind-Stab, 'der im Vorübergehen tötet', Mahlstein-Beißer,
Leuchtender, Tapferer,
Zeuge, Überwinder,
Mauer-Verwunder.
'Freund des Zitternden', 'Freund im Getümmel',
Vertreiber, Verminderer,
Stoßer, Berichtigungs-Finger,
Schienbein, Rippen-Junge, Brecher, Weiß-Wal,
Spitzer, Tyr-Finger,
Krücke und Ring,
Treffender und auch Feuchter. feucht vom Blut
Lohe und Hand-Lärmer,
Lang-Scharf und Feuer,
Adler und Ägir
und Naglfari,
Berichtiger, Schneiden-Geheimnis,
Brise und Schnitter,
Brand und Gans,
Schneesturm, Vater.
Adler = Tyrs Seelenvogel; Ägir = Tyr-Riese
Nagelfari = „Nagelfahrer“ (Schiff des Tyr)
Fällender, Fahler,
Gieriger, Räuber,
Kämpfer, Glühender,
Nachkomme, Gebogenes,
Sichel, Lehrer,
Verschlinger, Scharmützel und Leiche,
Schlange, Schlangen-Gast,
Spötter, Kämpfer, Nidhöggr. Nidhöggr = Tyr als Drache
Namen für 'Schwert' (2. Liste):
Spitze, Blut-Schnur und Todeswunden-Fingerknöchel,
Blut-Streifen, Blut-Werfer
und Blut-Strudel,
Blut-Erwecker, Meineid-Fänger
und Blut-Ergreifer,
Belohner und Flamme,
Anstachler-Zweig, Heer.
Schreier, Schwertschneide
und 'der allen eine Stimme schenkt',
Markierender, Schlacht-Schneide
und Ziel-Verfehler,
Schwert-Spitze und Schaber,
Runterzieher,
Würger, 'geschickter Übel-Hammer',
Schwertgriff und Harter.
ironisch: „der alle schreien läßt“
Schwert und Hell-Klingendes
und Zusammen-Nagler,
Gemüts-Frieden, Sieg-Nuß,
Schwertknauf und Angel,
Handreiter, Schlag-Platz
und Zwischen-Wade.

Die Schwert-Namen „Mimir“ und „Mimung“ bestätigen noch einmal, daß das Schwert des Tyr einst eine große Bedeutung gehabt haben muß, da Mimir/Mimung ein Tyr-Riese ist. Auch „Ägir“ und „Niddhöggr“ (Drache) sind Tyr-Namen. Sehr deutlich sind auch die beiden Schwertnamen „Tyr-Finger“ und „Heimdalls Haupt“, die hier jedoch nicht aufgezählt werden (Heimdall ist ursprünglich einmal ein Beiname des Tyr gewesen).

In geringerem Maße sind auch noch die folgenden Schwert-Namen Hinweise auf Tyr: „Adler“ (Seelenvogel des Tyr), „Naglfar“ (Jenseitsreise-Schiff der Sonne), „Moorbewohner“ (Tyr als der Riese Grendel oder als der Fenris-Wolf in der Moor-Unterwelt), „Mistelzweig“ (der Tyr-Nachfolger Baldur wurde mit einer Mistel getötet) und „Sieg-Nuß“ (Sieg-Stein im Schwertknauf).

I 1. e) Runennamen

Neun Runen, also ein Viertel der Runen, haben einen deutlichen Bezug zu der Mythologie der Germanen:

- die Rune Ansus = Ase
- die Rune Man = der Götter-Urahn Mannus
- die Rune Ingwaz = Yngvi, einer der drei Söhne des Mannus
- die Rune Tyr = der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr
- die Rune Thorn = Schwert des Tyr
- die Rune Sowilo = Sonnengott Tyr, Schild des Tyr
- die Rune Algiz = die beiden Pferde-Söhne des Tyr, die „Alcis“ hießen
- die Rune Ear = Erde
- die Rune Aesc = Weltesche

Man sieht diesen Runen an, daß sie sich auf eine alte Schicht der germanischen Mythologie beziehen – eben die aus der Zeit zwischen 100 v.Chr. und 100 n.Chr., als die Runen von den Germanen aus Norditalien „importiert“ und benannt worden sind.

Vier dieser Runen beziehen sich auf den damaligen Göttervater Tyr, sein Schwert, seinen Schild und seine beiden Söhne; einer auf den Götter-Urahn Mannus und ein weiterer auf Yngvi, einen seiner drei Söhne; sowie je einer auf die Erde, die Sonne (Doppeltzählung) und die Weltesche.

Zu dieser Zeit ist der mit Schwert und Schild bewaffnete Tyr noch der Sonnengott-Göttervater der Nordgermanen gewesen.

I 1. f) Das 20. Exeter-Rätsel

Ich bin ein wunderliches Ding, / für den Kampf geformt,

schön gekleidet / und meinem Herrn sehr teuer.

Bunt bemalt ist meine Brünne, / der leuchtende Draht, den mein Träger,

der mich lenkt, mir gab, / umarmt meinen Todes-Edelstein,

und der manchmal meine Wanderungen / zum Streit lenkt.

Dann bringe ich Schätze heim / am strahlenden Tag:

Werkstücke der Schmiede, / Gold für die Hallen.

Ich töte oft / die lebenden Krieger

mit Waffen des Krieges. / Ein König schmückt mich

mit Juwelen und Silber / und gibt mir Ehre in der Halle,

hält nicht mit Lob zurück / verkündet öffentlich

meine großen Taten vor den Männern, / wenn sie ihren Met trinken;

manchmal hält er mich zurück / oder läßt mich frei,

wenn er kampfmüde ist. / Ich habe oft einen anderen

durch die Hand eines Freundes verletzt. / Ich werde nah und fern gehaßt,

von den Waffen bin ich die, die verflucht ist. / Ich brauche nicht darauf zu hoffen,

daß mich ein Sohn rächen wird / und meinem Mörder das Leben nimmt,

falls jemals ein Feind / mich im Kampf angreift;

und meine Verwandtschaft wird nicht anwachsen, / die Sippe, der ich entsprang –

sofern ich nicht meines Herrn beraubt / einen neuen finde

und mich von dem Besitzer fortwende, / der mich als erster belohnt hat.

Ab dann ist mir bestimmt, / wenn ich einem neuen Herrn folge,

für ihn Schlachten zu schlagen, / wie für den anderen,

zum Vergnügen meines Fürsten, / und auf den Reichtum von Kindern

verzichten muß / und keine Frau kenne;

denn der, der mich einst / als Sklave hielt,

hat mir diesen Segen verweigert. / Daher muß ich

einsam und allein / den Reichtum der Helden genießen.

Oftmals bin ich ein Narr in meinem Schmuck / und erzürne eine Frau,

vermindere ihr Verlangen; / ihre Zunge beschimpft mich;

sie schlägt mich mit ihren Händen, / tadelt mich mit Worten,

singt einen Fluch. / Ich kann diesen Streit nicht leiden …

Lösung: Schwert (Es wird ab ca. der Hälfte des Rätsels personifiziert.)

Brünne = Schwertscheide

Draht = mit Golddraht umwickelter Griff

Todes-Edelstein = Edelstein im Schwertknauf

I 1. g) Zusammenfassung

Das Schwert wurde mit dem ehemaligen Sonnengott-Göttervater und Kriegsgott-Schwertgott Tyr assoziiert. Drei Runen sind nach dem ehemaligen nordgermanischen Göttervater und seinen beiden Waffen benannt worden: Tyr (Tyr), Thorn (Schwert) und Sol (Schild).

Aus dieser alten Schicht der germanischen Mythologie stammen auch die Schwertnamen „Fleisch-Mimir“, „Mimung“, „Niddhöggr“, „Ägir“, „Adler“, „Naglfar“, „Moorbewohner“, „Mistelzweig“ und „Sieg-Nuß“, die sich auf Tyrs Schwert beziehen.

II Das Schwert in den Mythen

II 1. Das Schwert des Tyr

Bei der Absetzung des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr durch Odin und Thor um 500 n.Chr. sind die Mythen des Tyr in ihre Einzelteile zerfallen und umgedeutet und in die neuen Mythen eingebaut sowie zu Sagen umgedeutet worden. Aus diesem Grund muß man in den Sagen zwar nach den Elementen der einstigen Tyr-Mythen suchen, aber da sich solche Bruchstücke reichlich finden lassen, läßt sich die einstige Symbolik des Tyr-Schwertes doch recht gut rekonstruieren.

II 1. a) Sigdrifa-Lied: die Rune Tyr

Siegrunen lerne, willst Sieg Du haben!

Auf den Schwertknauf schneide sie,

auf die Blutrinne und des Rückens Breite

und rufe zweimal zu Tyr!

Dieses Runen-Lied bezieht sich ausschließlich auf Tyr als den Kriegs- und Schwertgott.

Der Hinweis, daß man Tyr zweimal anrufen soll, könnte ein Indiz dafür sein, daß Tyr zwei wesentliche Aspekte hat. Dies werden vermutlich „Tyr im Diesseits“ (Tag-Sonne) und „Tyr im Jenseits“ (Nacht-Sonne) sein. Diese Zweiseitigkeit findet sich auch bei Tyrs Nachfolger Odin wieder: Er hat ein sehendes (lebendiges) und ein blindes (totes) Auge, er wird von zwei Wölfen und von zwei Raben begleitet und er reitet ein achtbeiniges „Doppelpferd“. Im Fiölswin-Lied wird gesagt, daß einer seiner beiden Wölfe am Tag und der andere in der Nacht wacht.

II 1. b) Norwegisches Runengedicht: die Rune „Tyr“

Tyr ist ein einhändiger Ase;

der Schmied muß oft blasen.

Die Einhändigkeit des Tyr scheint allgemein von großer Bedeutung gewesen zu sein.

Der Hinweis auf den Schmied könnte sich evtl. auf das Schwert des Tyr beziehen und auch darauf, daß man die Tyr-Rune in die Klinge von Schwertern gravierte. Zudem ist der Schmied Wieland eine der vielen Gestalten des Tyr in der Unterwelt, in der er sein am Abend zerbrochenes Schwert neuschmiedet.

In der um 1185 n.Chr. von Saxo grammaticus verfaßten „Gesta danorum“ („Geschichte Dänemarks“) erscheint auch Odin als Schmied. Odin hat viele Motive aus den Tyr-Mythen übernommen, als Odin um 500 n.Chr. zusammen mit Thor den Gott Tyr als nordgermanischen Göttervater abgesetzt hat.

II 1. c) Isländisches Runengedicht

Das erste Wort in der ersten Zeile aller Strophen dieses Liedes ist der germanische Runen-Name. Das erste Wort in der vierten Zeile dieser Strophen ist stets die lateinische Übersetzung des ersten Wortes in der ersten Zeile, auf das dann ein alter isländischer Königstitel folgt.

Diese drei Worte sind hier „Yr“; „(Regen-)Bogen“ und „Yngvi-Nachkomme“.

Yr ist ein gebogener Bogen

und brüchiges Eisen

und der Pfeil des Farbauti.

(Regen-)Bogen der Yngvi-Nachkommen.

„Gebogen“ („bendr“) und „Bogen“ („bogi“) sind im Altnordischen zwei verschiedene Worte.

Aus welchem Grund die „yr“-Rune mit „brüchigem Eisen“ assoziiert wurde, ist zunächst unklar.

Der Riese Farbauti („übler Schläger“) ist der Vater des Loki. Seine Frau ist die Laufey („Laubinsel“ = Jenseitsinsel), d.h. Hel. Er besaß offenbar einen wichtigen, d.h. vermutlich magischen Pfeil. Solche Pfeile treten mehrfach in den Isländersagas auf.

Yngvi-Freyr ist der Urahn der schwedischen Könige.

II 1. d) Trideilur Runa

Dies ist ein zweites isländisches Runenlied, das sich nur geringfügig von dem vorigen unterscheidet. Meistens fehlt lediglich die vierte Zeile.

1. Version

Yr ist ein gebogener Bogen

und brüchiges Eisen

und der Pfeil des Farbauti.

2. Version

Yr ist ein zweifach gebogener Bogen

und der Axtkampf-Sieg

und der Pfeil des Farbauti.

An der Stelle von „brotgjarnt jarn“ („brüchiges Eisen“) steht in der 2. Version dieser Strophe „bargadi ganga“. Da es das Wort „bargadi“ jedoch nicht gibt, wird es wohl einen Buchstabendreher enthalten, sodaß eigentlich „bardagi ganga“ gemeint gewesen ist, was „Axtkampf-Sieg“ oder allgemeiner „Sieg in der Schlacht“ bedeutet.

Das „brüchige Eisen“ sollte somit dem „Axtkampf-Sieg“ entsprechen. Zunächst einmal besteht die Klinge einer Axt aus Eisen – aber warum sollte diese Klinge brüchig sein?

Über das Substantiv „barda“, von dem der Begriff „bardagi“ abgeleitet worden ist, ist lediglich bekannt, daß es eine Art von Streitaxt gewesen zu sein scheint. Dieser Begriff ist wiederum eine Bildung zu dem Substantiv „bard“, das zunächst „Bart“ und davon abgeleitet auch „Hutkrempe, Rand des Helms, befestigter Steven eines Drachenschiffes, Drachenkopf eines Drachenschiffes“ bedeutet. Diese Worte haben das Bild einer hervorstehenden Schneide gemeinsam, die einem Bart verglichen wurde.

Die germanischen Götter tragen auf ihren Abbildungen stets lange, spitz zulaufende Bärte. Es ist zwar kein Gott mit einem „Axt-Bart“ bekannt, aber Tyr trägt einen Bart und ein Schwert, das sein wichtigstes Symbol ist – und dieses Schwert zerbricht an jedem Abend bzw. in jedem Herbst. Die Umschreibung „brüchiges Eisen“ kann man auch als „zerbrechendes Eisen“ oder ganz wörtlich als „Eisen („jarn), von dem bekannt ist („-gjarnt“), daß es oft zerbricht („-brot“)“ übersetzen. Dieses „oft zerbrechende Eisen“ wird daher keine Streitaxt, sondern Tyrs Schwert sein.

Diese Deutung wird dadurch bestätigt, daß es auch die Schwert-Bezeichnung „langbardr“ („Lang-Bart“) gegeben hat.

Die beiden Versionen der Strophe zu der „yr“-Rune lauten somit genauer übersetzt wie folgt:

1. Version

Yr ist ein gebogenen Bogen

und die oft zerbrechende Klinge (des Tyr)

und der Pfeil des Farbauti.

2. Version

Yr ist ein zweifach gebogener Bogen

und der Schwertkampf-Sieg

und der Pfeil des Farbauti.

Aus dieser Übersetzung ergibt sich wiederum, daß es einen engen Zusammenhang zwischen dem Gott Tyr in der zweiten Zeile und dem Riesen Farbauti in der dritten Zeile geben sollte. Da zum einen Loki Farbautis Sohn ist und zum anderen in den alten Mythen Tyr und Loki Brüder sind, ist Farbauti auch der Vater des Tyr und somit der Tyr-Riese im Jenseits.

Das Schwert des Tyr zerbricht bei seinem Tod, d.h. beim Sonnenuntergang oder zu Herbstanfang.

II 1. e) Sigdrifa-Lied

Die Walküre Sigdrifa singt ihrem Geliebten Sigurd ein Lied über die Orte, an denen sich (magisch wirksame) Runen befinden.

Dieses Lied, das Odin von Mimirs Haupt (Tyr) gelernt hat, beginnt mit der Schilderung des Sonnenwagens und der Rosse, die ihn ziehen. Dies wird daher einst das wichtigste mythologische Motiv gewesen sein – offenbar zu der Zeit, als Tyr noch der Sonnengott-Göttervater gewesen ist, der auf einem goldenen Streitwagen, der von zwei goldmähnigen Schimmeln gezogen worden ist, über den Tages-Himmel gefahren ist (siehe u.a. „Pferd“ in Band 42).

Auf dem Berge stand er mit blankem Schwert,

Den Helm auf dem Haupt.

Da hub Mimirs Haupt an weise das erste Wort

Und sagte wahre Worte: …

Dieser „Er“ auf dem Berg ist der wiedergeborene Schwertgott-Göttervater Tyr mit seinem Schwert und seinem Goldhelm auf seinem Hügelgrab.

„Mimir“ ist Tyr als Riese im Jenseits. Wie im Ahnenkult üblich, sprach der Schamanengott Odin mit dem Haupt des toten Mimir, also mit dem von ihm abgesetzten Göttervater Tyr, um dessen Weisheit zu erlangen.

II 1. f) Odins Rabenzauber

In „Odins Rabenzauber“ bemühen sich die Asen, schlechte Vorahnungen und Omen zu deuten, die sich auf Baldurs nahenden Tod beziehen. In diesem Lied wird der Gott Tyr zweimal erwähnt: einmal als „Nahrung Fenrirs“ und einmal als „weißer Schwertgott“.

Der ironische Name „Nahrung Fenrirs“ bezieht sich darauf, daß der Fenris-Wolf Tyr den rechten Arm abbiß.

Der Name „Schwertgott“ kennzeichnet Tyr zunächst einmal als kriegerischen Gott. Da das Wort für „weiß“ auch „strahlend“ bedeutet, könnte Tyr in den Strophen aus „Odins Rabenzauber“, in denen Tyr „Weißer Schwertgott“ genannt wird, auch die untergehende Sonne sein oder ihr verglichen worden sein, da an der betreffenden Stelle die am Abend untergehende Sonne beschrieben wird.

Antwort gab Omi, sie alle hörten es:

,,Die Nacht ist zu nutzen zu neuem Entschluß.

Bis morgen bedenke, wer es vermag,

Um glücklichen Rat den Göttern zu finden.“

„Omi“ ist ein Beiname des Odin, der „Lämender“ bedeutet und sich auf Odin als Kriegsgott bezieht.

Über die Wege zu Walis Mutter

Sank Fenrirs Nahrung nieder.

Von Hroptr und Frigg vom Gastmahl entlassen

Schieden die Götter, als Hrimfaxi auffuhr.

„Wali“ ist der Sohn von Odin und der Riesin Rinda, die Odin durch einen Zauber verführte – ähnlich wie die Riesentochter Gunnlöd. Wali ist der am Morgen wiedergeborene Sonnengott-Göttervater. Er wurde dem Wegtam-Lied zufolge in der „Halle im Westen“, also auf der Jenseitsinsel, auf der die Sonne untergeht, geboren. Die „Wege zu Walis Mutter“ sind folglich der Jenseitsweg. Tyr, die „Nahrung Fenrirs“ sank also über dem Jenseitsweg nieder.

Der Vers „Über die Wege zu Walis Mutter sank Fenrirs Nahrung nieder.“ bedeutet daher, daß Tyr ins Jenseits ging. In dem Zusammenhang des Liedes erscheint Tyr daher als ein Gott des Abends, d.h. der untergehenden Sonne.

„Hroptr“ („Weiser“) ist Odin, der den Rat der Asen zur Deutung der Omen einberufen hatte.

„Hrimfaxi“, d.h. „Rauhreif-Mähne“ ist das Pferd der Nacht.

In dem Lied wird noch mehr über den Tyr-Riesen, also über „Tyr im Jenseits“, berichtet:

Da hebt sich von Osten aus dem Eliwagar

Des reifkalten Riesen dornige Rute,

Mit der er in Schlaf die Völker schlägt,

Die Midgard bewohnen, vor Mitternacht.

„Eliwagar“ bedeutet „Eiswogen“ und ist der Name der polaren Gletscher rings um den Weltenbaum am Nordpol.

Der „Schlafdorn“ („dornige Rute“) ist sonst im Besitz des Odin, der damit manchmal Menschen in Schlaf versetzt, wie z.B. die Walküre Brünhilde, die sich seinem Willen widersetzt hatte. Ursprünglich ist dieser „Dorn“ (die Schwert-Rune „Thorn“) das Schwert des Tyr gewesen. Die Formulierung „mit dem Dorn schlagen/stechen“ wurde des öfteren nicht nur für „Töten“, sondern auch für „Einschläfern“ benutzt.

Die Kräfte ermatten, die Arme ermüden,

Schwindelnd wankt der weiße Schwertgott.

Ohnmacht befällt sie in der eisigen Nachtluft,

Die Sinne schwanken der ganzen Versammlung.

Mit „die Sinne schwanken“ ist „müde werden“ gemeint.

In dieser Strophe wird Tyr als „Schwertgott“ umschrieben.

Da trieb aus dem Tore wieder der Tag

Sein schön mit Gestein geschmücktes Roß;

Weit über Mannheim glänzte die Mähne:

Des Zwerges Überlisterin zog auf im Wagen.