HAYMON verlag
Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes
Originaltext Hugo von Hofmannsthal
Bearbeitung Tobias Moretti
unter Mitarbeit von Angelika Gundlach
Der Spielansager
Gott der Herr
Erzengel Michael
Tod
Teufel
Jedermann
Jedermanns Mutter
Jedermanns Guter Gesell
Der Hausvogt
Der Koch
Ein armer Nachbar
Ein Schuldknecht
Des Schuldknechts Weib
Buhlschaft
Dicker Vetter
Dünner Vetter
Etliche junge Fräulein
Etliche von Jedermanns Tischgesellen
Büttel
Knechte
Spielleute
Buben
Mammon
Werke
Glaube
Mönch
Engel
SPIELANSAGER tritt vor
Jetzt habet allesamt Achtung Leut
Und hört was wir vorstellen heut!
Ist als ein geistlich Spiel bewandt
Vorladung Jedermanns ist es zubenannt.
Darin euch wird gewiesen werden,
Wie unsere Tag und Werk auf Erden
Vergänglich sind und hinfällig gar.
Der Hergang ist recht schön und klar,
Der Stoff ist kostbar von dem Spiel
Dahinter aber liegt noch viel
Das müßt ihr zu Gemüt euch führen
Und aus dem Inhalt die Lehr ausspüren.
GOTT DER HERR wird sichtbar
Fürwahr mag länger das nit ertragen,
Daß alle Kreatur gegen mich
Ihr Herz verhärtet böslich,
Daß sie ohn einige Furcht vor mir
Schmählicher hinleben als das Getier.
Des geistlichen Auges sind sie erblindt
In Sünd ersoffen, das ist was sie sind,
Und kennen mich nit für ihren Gott,
Ihr Trachten geht auf irdisch Gut allein
Und was darüber, das ist ihr Spott,
Und wie ich sie mir auch anschau zur Stund
So han sie rein vergessen den Bund
Den ich mit ihnen aufgericht hab
Da ich am Holz mein Blut hingab.
Auf daß sie sollten das Leben erlangen
Bin ich am Marterholz gehangen.
Hab ihnen die Dörn aus dem Fuß getan
Und auf meinem Haupt sie getragen als Kron.
So viel ich vermocht, hab ich vollbracht
Und nun wird meiner schlecht geacht.
Darum will ich in rechter Eil
Gerichtstag halten über sie
Und Jedermann richten nach seinem Teil.
Wo bist du, Tod, mein starker Bot? Tritt vor mich hin.
TOD
Allmächtiger Gott, hier sieh mich stehn,
Nach deinem Befehl werd ich botengehn.
GOTT
Geh du zu Jedermann
Und zeig in meinem Namen ihm an
Er muß eine Pilgerschaft antreten
Mit dieser Stund und heutigem Tag
Der er sich nit entziehen mag.
Und heiß ihn mitbringen sein Rechenbuch
Und daß er nit Aufschub, noch Zögerung such.
TOD
Herr, ich will die ganze Welt abrennen
Und sie heimsuchen Groß und Klein,
Die Gotts Gesetze nit erkennen
Und unter das Vieh gefallen sein.
Der sein Herz hat auf irdisch Gut geworfen,
Den will ich mit einem Streich treffen,
Daß seine Augen brechen
Und er nit findt die Himmelspforten
Es sei denn, daß Almosen und Mildtätigkeit
Befreundt ihm wären und hilfsbereit.
Jedermann tritt aus seinem Haus hervor,
ein Knecht hinter ihm
JEDERMANN
Springt ihr um meinen Hausvogt schnell,
Muß ihm aufgeben einen Befehl.
Der Knecht geht hinein.
Mein Haus hat ein gut Ansehn, das ist wahr,
Steht stattlich da, vornehm und reich,
Kommt in der Stadt kein andres gleich.
Hab drin köstlichen Hausrat die Meng,
Viele Truhen, viele Spind,
Dazu ein großes Hausgesind,
Einen schönen Schatz von gutem Geld
Und vor den Toren manch Stück Feld,
Auch Landsitz, Meierhöf voll Vieh,
Von denen ich Zins und Renten zieh,
Daß ich mir wahrlich machen mag
So heut wie morgen fröhliche Tag.
Hausvogt tritt auf.
Vogt, bring einen Säckel Geldes straff,
Den hab ich vergessen in Gürtel zu tun,
Und merk, was ich dir noch anschaff:
Für heute wird ein Festmahl gericht,
Das muß bereit’t sein aufs allerbest
Kommen Verwandte und fremde Gäst.
Der Tisch muß prächtig sein bestellt,
Schick her den Koch, du geh ums Geld.
Vogt geht hinein, Koch tritt sogleich auf.
Ein köstlich Mahl befehl ich an
Für heut.
KOCH
Ja, und soll ich dann
Einen jeden Gang bereiten frisch?
JEDERMANN
Daß dich das Fieber rüttel, frisch!
Kein Überbleibsel auf meinen Tisch.
KOCH
Es wär von gestern geblieben die Meng
Zumindest für zwei kalte Gäng.
JEDERMANN
Du Esels-Koch bist so vermessen,
Soll ich eine Bettlermahlzeit essen?
Der Koch geht ab. Der Vogt ist herausgekommen mit
einem Beutel.
JEDERMANN nimmt den Beutel
Acht du auf meine Mägd und Knecht,
Gefallen mir allermaßen nit recht.
Der arme Nachbar wird sichtbar.
Jedermanns Geselle kommt zugleich.
JEDERMANN zum Hausvogt
Dafür stehst du an der obersten Stell,
Daß du auf sie – Da kommt mein Gesell.
Hausvogt geht ins Haus.
Hätt beinah müssen auf dich warten,
Wir wollen jetzt vors Stadttor gehen
Und uns dort das Grundstück ansehen
Obs tauglich ist für einen Lustgarten.
GESELL
Hast Fortunati Säckel in der Hand
Dann ist die Sach schon recht bewandt.
Ja, bei dir gilts: gewünscht ist schon getan,
Du hasts danach, drum steht dirs an.
ARMER NACHBAR hebt bittend die Hände
Oh, Jedermann, erbarm dich mein.
GESELL
Kennst du leicht das Gesicht?
JEDERMANN
Ich? Wer solls sein?
ARMER NACHBAR
Oh, Jedermann, zu dir heb ich die Hand,
Hab auch einst bessre Tag gekannt.
War einst dein Nachbar, Haus bei Haus,
Dann hab ich müssen weichen draus.
JEDERMANN gibt ihm eine Münze aus dem Gürtel
Schon gut!
ARMER NACHBAR nimmt sie nicht
Das ist eine Gabe gering.
JEDERMANN
Meinst du? Gottsblut! So reut mich doch das Ding.
Jedermann steckt die Münze wieder ein
ARMER NACHBAR weist auf den Beutel
Davon mein nachbarlich Bruderteil,
So wär ich wieder gesund und heil.
JEDERMANN
Davon?
ARMER NACHBAR
Es ist an dem, ich knie vor dir,
Nur diesen Beutel teil mit mir.
JEDERMANN lacht
Nur?
GESELL
Selbig ist besessen alls!
Hättst tausend Bettler auf dem Hals.
Was tausend, hunderttausend gleich!
ARMER NACHBAR
Bist allermaßen mächtig reich.
Teilst du den Beutel auf gleich und gleich,
Dir bleiben die Truhen voll im Haus,
Dir fließen Zins und Renten zu.
JEDERMANN
Mann, wer heißt dich, mein Schrank und Truh,
Mein Zins und Rent in Mund nehmen?
GESELL zu armem Nachbarn
Ich tät mich allerwegen schämen.
JEDERMANN
Laß! –
Er wendet sich zum Nachbarn
Das Geld ist gar nit länger mein,
Muß heut noch abgeliefert sein
Als Kaufschilling für einen Lustgarten.
Ich steh dem Verkäufer dafür im Wort.
Er will aufs Geld nit länger warten.
ARMER NACHBAR
Wenn dieses Geld für den Garten ist
So brauchts für dich nur einen Wink,
Für einen Beutel hast du zehn.
Heiß einen anderen bringen flink
Den teil mit mir, bist du ein Christ.
JEDERMANN
Der nächste, brächt man ihn herbei,
Der Beutel, der wär auch nit frei.
Mein Geld muß für mich werken und laufen …
Mit Tod und Teufel hart sich raufen.
Weit reisen und auf Zins ausliegen,
Damit ich soll, was mir zusteht, kriegen.
Auch kosten mich meine Häuser gar viel,
Pferd halten, Hund und Hausgesind
Und was die anderen Dinge sind,
Die alleweil zu der Sach gehören,
Lustgärten, Fischteich, Jagdgeheg,
Das braucht mehr Pfleg als ein klein Kind,
„Ein reicher Mann“ ist schnell gesagt,
Doch unsereins ist hart geplagt
Und allerwegen hergenommen,
Das ist dir nit zu Sinn kommen!
Da läufts einher von weit und breit
Mit Anspruch und Bedürftigkeit.
Tät unsereins nit der Schritte drei.
Von hier bis an die nächste Wand
Ohn eine allzeit offne Hand.
Ist alls schon recht, muß nur dafür
Ein Fug und ein Gesetz auch walten
Und jeglich Teil daran sich halten,
Und achten gnau was ihm gebühr.
Dawider hast du dich verfehlt,
Wär all mein Geld und Gut gezählt
Und ausgeteilt auf jeden Mann,
Der Almosen gebrauchen kann.
Es käm mein Seel nit mehr auf dich
Als dieser Schilling sicherlich,
Drum empfang ihn unverweil,
Ist dein gebührend richtig Teil.
Nachbar nimmt den Schilling und geht.
GESELL
Dem hast dus gegeben recht mit Fug,
Ja, das weiß Gott, viel Geld macht klug.
JEDERMANN
Nun wollen wir gehen, es dustert schon.
Schuldknecht kommt, von zwei Bütteln geführt, hinter
ihm sein Weib und seine Kinder in Lumpen.
GESELL
Was ist das für einer Mutter Sohn?
Mich dünkt, das geht an ein Schuldturmwerfen,
Hätt sich auch mehr in acht nehmen derfen.
Jetzt muß er’s bei Wasser und Brot bedenken
Oder sich an einen Nagel henken.
Ja, Mann, du hast halt ein Reimspiel trieben
Und Schulden auf Gulden, die reimen gar gut.
SCHULDKNECHT
Hat mancher sein Schuldbuch nit in der Hut
Und ist drin vieles in Übel geschrieben.
JEDERMANN
Auf wen geht das?
SCHULDKNECHT
Auf den, der fragt allweil.
JEDERMANN
Bins nit bewußt für meinen Teil,
Weiß nit, für wen du mich willst nehmen.
SCHULDKNECHT
In deiner Haut wollt ich mich schämen.
JEDERMANN
Gibst harte Wort mir ohn Gebühr,
Dir gehts nit wohl, was kann ich dafür?
SCHULDKNECHT
Für harte Stöß sind sanft meine Wort.
JEDERMANN
Wer stößt dich?
SCHULDKNECHT
Du, an einen harten Ort.
JEDERMANN
Ich kenn dich auch vom Ansehen nit.
SCHULDKNECHT
Ist doch dein Fuß, der auf mich tritt.
JEDERMANN
Das wär mir seltsam, daß ich so tät
Und nichts davon in Wissen hätt.
SCHULDKNECHT
Dein Nam steht auf einem Schuldschein,
Der bringt mich in diesen Kerker hinein.
JEDERMANN
Ich wasch in Unschuld meine Händ
Als einer, der diese Sach nit kennt.
SCHULDKNECHT
Deine Helfers-Helfer und Werkzeug halt,
Die tun mir Leibes- und Lebensgewalt.
Der Hintermann bist du von der Sach,
Das bring dir zeitlich und ewig Schmach.
In Grund und Boden sollst dich schämen.
JEDERMANN
Wer hieß dich Geld auf Zinsen nehmen?
Nun hast du den gerechten Lohn.
Mein Geld weiß nit von dir noch mir,
Und kennt kein Ansehen der Person.
Verstrichne Zeit, verfallner Tag,
Gegen die bring deine Klag.
SCHULDKNECHT
Wendet sich gegen sein Weib und seine Kinder
Er höhnt und spottet meiner Not!
Da seht ihr einen reichen Mann.
SCHULDKNECHTS WEIB
Kannst du dich nit erbarmen hier
Zerreißen ein verflucht Papier,
Anstatt daß meinen Kindern da
Der Vater wird in Turm geschmissen,
Von dem dir nie kein Leid geschah!
Hast du kein Ehr und kein Gewissen.
JEDERMANN
Weib, du sprichst was du schlecht verstehst,
Es ist aus Bosheit nit gewest
Man hat sich voll und recht bedacht,
Eh man die scharfe Klag einbracht.
GESELL
Wär schimpflich um die Welt bestellt
Wenns anders herging in der Welt.
JEDERMANN
Geld ist wie eine andere War,
Das sind Verträg und Rechte klar.
SCHULDKNECHT
Geld ist nicht so wie andre War
Ist ein verflucht und zaubrisch Wesen,
Wer seine Hand ausreckt darnach
Nimmt an der Seele Schaden und Schmach,
Davon er nimmer wird genesen.
Des Satans Fangnetz in der Welt
Hat keinen andern Nam als Geld.
JEDERMANN
Du lästerst als ein rechter Narr,
weiß nicht, wozu ich hier verharr,
Gibst vor, du achtest das Geld gering
Und war dir schier ein göttlich Ding!
Nun möchtest ihm sein Ansehen rauben?
Bist wie der Fuchs mit sauren Trauben.
Nimm die Belehrung von mir an.
Das war ein weiser und hoher Mann
Der uns das Geld ersonnen hat,
An niederen Tauschens und Kramens statt.
Dadurch ist unsere ganze Welt
In ein höher Ansehen gestellt
Und jeder Mensch in seinem Bereich
Schier einer kleinen Gottheit gleich.
Daß er in seinem Machtbezirk
Gar viel hervorbring und bewirk.
Gar vieles zieht er sich herbei
Und ohn viel Aufsehen und Geschrei
Beherrscht er abertausend Händ,
Ist allerwegen ein Regent.
Da ist kein Ding zu hoch noch fest,
Das sich um Geld nicht kaufen läßt.
Darüber weiß ich keine Gewalt,
Vor der muß jeglicher sich neigen
Und muß die Reverenz bezeigen
Dem, was ich da in Händen halt.
SCHULDKNECHTS WEIB
Du bist in Teufels Lob nit faul,
Wie zu der Predigt geht dein Maul.
Gibst da dem Mammonsbeutel Ehr,
Als obs das Tabernakel wär.
JEDERMANN
Ich gebe Ehr, wem Ehr gebühr,
Und läster nicht, wo ich die Macht verspür.
SCHULDKNECHT indem ihn die Büttel fortschleppen