Da er selbst über 20 Jahre lang an Asthma und anderen Atemstörungen litt, ist Patrick McKeown das Thema Atmen ein großes persönliches Anliegen. 2002 schloss er seine Ausbildung in der Buteyko-Methode, einem Verfahren der Komplementärmedizin zur Behandlung obstruktiver Atemwegserkrankungen, an der Buteyko-Klinik in Moskau ab. Heute ist er Leiter der Asthmacare-Klinik und Mitglied mehrerer medizinischer Gremien und Gesellschaften. Er gibt weltweit Workshops und Vorträge zum Thema Atemstörungen und lehrt die Buteyko-Methode. Außerdem hat er bereits mehrere Bücher geschrieben, die in über zehn Sprachen übersetzt wurden, darunter der Bestseller Erfolgsfaktor Sauerstoff (riva 2018). Weitere Infos zur Buteyko-Methode finden Sie auf der Website www.buteykoclinic.de.
Datum |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Uhrzeit |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Puls |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
KP-Wert |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
4 Minuten |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
KP-Wert |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
4 Minuten |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
KP-Wert |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
4 Minuten |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
KP-Wert |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
4 Minuten |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
KP-Wert |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
4 Minuten |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Puls |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Machen Sie jeweils eine Minute Pause, bevor Sie den KP-Wert messen.
1 Demeter, S. L., Cordasco, E. M.: »Hyperventilation syndrome and asthma«. In: Am J Med 1986; 81 (6): 989–994
2 Chaitow, L., Bradley, D., Gilbert, C.: Multidisciplinary approaches to breathing pattern disorders. Elsevier Churchill Livingstone, 2002
3 Gibbs, D. M.: »Hyperventilation induced cerebral ischemia in panic disorder and effects of nimodipine«. In: Am J Psychiatry 1992; 149 (11): 1589–1591
Ball, S., Shekhar, A.: »Basilar artery response to hyperventilation in panic disorder.« In: Am J Psychiatry 1997; 154 (11): 1603–1604
4 Balestrino, M., Somjen, G. G.: »Concentration of carbon dioxide, interstitial pH and synaptic transmission in hippocampal formation of the rat«. In: J Physiol 1988; 396: 247–266
Huttunen, J., Tolvanen, H., Heinonen, E., Voipio, J., Wikstrom, H., Ilmoniemi, R. J., Hari, R., Kaila, K.: »Effects of voluntary hyperventilation on cortical sensory responses. Electroencephalographic and magnetoencephalographic studies«. In: Exp Brain Res 1999; 125 (3): 248–254
5 Rakhimov, A.: Wieder natürlich atmen. Norderstedt: BoD, 2013
6 Fried, R.: The hyperventilation syndrome: research and clinical treatment. Johns Hopkins University Press, 1987
7 Lum, L. C.: »Hyperventilation: the tip and the iceberg«. J Psychosom Res 1975; 19: 375–383
8 Lynch, T.: Prozac me. Monmouth: PCCS Books, 2004
1
Wovon hängt
Ihr Glück ab?
Psychologen schätzen, dass wir jeden Tag 60 000 Gedanken denken. 95 Prozent dieser Gedanken wiederholen sich immer wieder und sind nutzlos. In Unkenntnis der Inhalte unseres eigenen Geistes sind wir diesem buchstäblich ausgeliefert.
Gewohnheitsmäßiges Grübeln und, noch entscheidender, der Mangel an Bewusstsein für das, was sich in unserem Geist abspielt, sind das Ergebnis dieser Disposition des menschlichen Geistes. Der jeweils individuelle Inhalt ist geprägt durch die Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, durch unsere Erziehung und durch gesellschaftliche und soziale Einflüsse. Aufrechterhalten wird er durch ständige Wiederholung.
In der westlichen Welt gilt Denken grundsätzlich als etwas Gutes, während Nichtdenken als ein Zeichen von Faulheit oder Stumpfsinn angesehen wird. Wir hören oft von »brillanten Denkern«, die umwälzende Entdeckungen gemacht haben oder denen tiefgründige Einsichten zuteilwurden. Doch um die Wahrheit zu sagen: Derartige Aha-Erlebnisse kommen meist nicht durch Nachdenken zustande, sondern wenn das Denken zum Stillstand kommt.
Unser Bildungssystem lehrt uns, wie wir denken sollen. In Schule und Universität wird der Geist ausgebildet und zu einem ausgezeichneten analytischen Werkzeug geformt. Wir betrachten Denken als Lösung für alle Lebenslagen. Wenn wir ein Problem haben, dann glauben wir, dass die Chancen, es zu lösen, steigen, je mehr wir darüber nachdenken. Als Kinder haben wir nicht auf diese Weise nachgedacht. Dieses Nachdenken ist eine erlernte Gewohnheit, die wir im Laufe der Zeit entwickelt haben.
Sollten Sie der Auffassung sein, dass es gut ist, viel nachzudenken, dann sehen Sie sich an, unter welchem Druck Menschen stehen, die ihr Geist mit ständigen Grübeleien quält. Ich sehe in der Einkaufsstraße von Galway oft einen Mann, dem das so zusetzt, dass er alles, was ihm in den Kopf kommt, laut auf der Straße ausspricht. Sein Geist hat komplett die Herrschaft über ihn übernommen. Das Gewicht seiner Gedanken drückt ihn buchstäblich zu Boden. Er ist depressiv.
Vielen von uns geht es ähnlich wie diesem Mann, nur dass wir unsere Gedanken nicht laut aussprechen. Stattdessen rattert in unserem Kopf ständig ein inneres Gespräch. Wir grübeln tagein, tagaus über dasselbe, ohne Unterlass und ohne dadurch wirklich etwas zu klären. Wenn Sie Ihre eigenen Gedanken einmal eingehender beobachten, dann werden Sie zweifellos zu dem Schluss kommen, dass der menschliche Geist in der westlichen Welt wirklich übergeschnappt sein muss.
In praktischen Zusammenhängen über etwas nachzudenken, ist eine gute Sache und erfüllt eine wichtige Funktion. Allerdings geht es bei einem Großteil unserer Grübeleien um keine solchen praktischen Zwecke. Den Großteil unserer Gedanken verwenden wir auf sinnlose, sich endlos wiederholende Sorgen und Ängste.
Wenn es Ihnen gelingen würde, dieses Gedankenkreisen um 50 Prozent zu reduzieren, könnten Sie sich glücklich schätzen. Könnten Sie das nutzlose, anhaltende Grübeln ganz einstellen, würden Sie ein Leben in Glückseligkeit führen.
Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Grübeln macht Sie unglücklich. Eine geringere gedankliche Aktivität hingegen erhöht die Zufriedenheit. Grübeln ist im Grunde eine Krankheit.
Das menschliche Denken hat vor einigen Zehntausend Jahren seinen Anfang genommen. Es ist mit Abstand die wichtigste Funktion, die unsere Fähigkeiten von denen der Tiere unterscheidet.
In praktischer Hinsicht ist Denken wie gesagt ausgesprochen nützlich. Wir brauchen es, um Auto zu fahren, Entscheidungen zu treffen, Strategien festzulegen, Veranstaltungen zu planen oder mit spezifischen Situationen zurechtzukommen. Wenn Sie vorhaben, einkaufen zu gehen, dann denken Sie darüber nach, welche Lebensmittel in Ihrem Vorratsschrank fehlen. Wenn Sie Flugreisen organisieren, dann machen Sie sich Gedanken über den Terminrahmen, den Preis und die Route. Wenn Sie einen Brief schreiben, dann denken Sie zunächst darüber nach, was Sie mitteilen möchten. Wenn Sie zur Tankstelle fahren, dann denken Sie darüber nach, welche Zapfsäule Sie ansteuern und welche Summe Sie ausgeben möchten. Wenn Sie eine Lieferfirma kontaktieren, überlegen Sie sich vorher, was Sie brauchen, in welchen Mengen, zu welchem Preis und zu welchem Lieferdatum. Wenn Ihnen jemand zu viel berechnet hat, entscheiden Sie, was Sie ihm sagen möchten, und tun es. Nachdenken ist, wenn es wie in diesen Beispielen für praktische Zwecke genutzt wird, eine wunderbare Sache – unerlässlich und produktiv.
Allerdings setzen wir 95 Prozent unserer Gedanken nicht ein, um mit einer ganz konkreten, praktischen Situation zurechtzukommen. Die meisten unserer Gedanken sind unnötig und repetitiv. Sie können das an sich selbst feststellen, wenn Sie ihre geistigen Aktivitäten aufmerksam beobachten.
Eine typische Situation, die viele kennen: Sie schlendern durch einen wunderbar ruhigen Park, und anstatt die Sonne zu genießen, die Ihren Rücken wärmt, den Anblick der Blumen zu genießen und den spielenden Kindern zuzuhören, ist Ihre Aufmerksamkeit vollkommen davon in Anspruch genommen, was Sie Ihrem Nachbarn zurückgeben, der Ihnen gestern eine Standpauke gehalten hat. Diese Art von Nachdenken ist die reinste Folter. Sie trägt nichts zur Verbesserung Ihrer Situation bei; sie hilft Ihnen nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil: Wenn Sie unablässig auf diese Weise grübeln, kann Sie das in die Depression treiben.
Und nicht nur, dass Sie sich auf diese Art selbst verrückt machen: Sie versäumen außerdem all die wunderbaren Dinge, die das Leben für Sie bereithält.
Unabhängig davon, wie schnell sich das Gedankenkarussell bereits dreht, hat jeder die Fähigkeit, wieder selbst die Kontrolle über seinen Geist zu übernehmen. Das mentale Getöse hat sich wie eine Hülle über den ruhigen, unbewegten Geist gelegt. Alles, was dazu beiträgt, Ihren Geist zu »entstören«, wird die ursprüngliche Ruhe wieder an die Oberfläche treten lassen.
Es liegt an Ihnen, ob Sie das Gedankenkarussell weiter durch Ihren Kopf kreisen lassen und mit den Konsequenzen leben oder ob Sie lernen, sich wie ein kundiger Gärtner der Pflege Ihres Geistes zu widmen, der das Unkraut ausreißt, damit die Blumen gedeihen können. Bei einem Gärtner, der schläft und unaufmerksam ist, wird das Unkraut bald zu einem undurchdringlichen Dschungel herangewachsen sein. Ein guter Gärtner ist wach und aufmerksam. Er weiß in jedem Moment genau darüber Bescheid, was vor sich geht, hat ein wachsames Auge auf sein Land und entfernt Unkräuter bereits, wenn sie ihre ersten Triebe hervorstrecken.
Seien Sie Ihrem Geist ein guter Gärtner. In einem Geist, der sorgsam beobachtet wird, können Ängste und Depressionen keine Wurzeln schlagen; beide finden nur einen Nährboden, wo das notwendige Bewusstsein fehlt.
Ein ruhiger Geist befähigt uns dazu, ganz anders mit dem Leben in Beziehung zu treten und unser Leben wirklich zu leben, anstatt unsere Aufmerksamkeit an nutzlose Grübeleien zu verschwenden. Wenn unser Geist ruhig ist, vergeuden wir nicht länger so viel von unserer Energie auf irgendwelchen schädlichen Unsinn und können uns stattdessen mit verbesserter Konzentration den Dingen widmen, die uns wirklich wichtig sind. Obwohl es im Grunde ganz einfach ist, wieder die Kontrolle über seinen Geist zu übernehmen, sind dafür Aufmerksamkeit und Sorgfalt notwendig.
Wünschen Sie sich ein Leben ohne Sorgen und Unzufriedenheit? Im folgenden Kapitel stelle ich Ihnen einfache Atem- und Achtsamkeitsübungen zur Selbsthilfe vor, mit denen sich die physiologischen und psychologischen Aspekte von Depressionen, Angstzuständen und Stress behandeln lassen.
2
Die Buteyko-Methode
Die Buteyko-Methode wurde in den 1950er-Jahren in der damaligen Sowjetunion von dem Arzt Konstantin Buteyko entwickelt. Seine Methode wurde von Hunderttausenden Menschen praktiziert, um Probleme und Krankheiten wie Asthma, Schnarchen, Schlafapnoe, Schlaflosigkeit, hohen Blutdruck, Ängste, Stress, Panikattacken und Depressionen zu behandeln.
Als junger Arzt verbrachte Buteyko viele Monate an den Krankenbetten seiner Patienten und beobachtete ihren Gesundheitszustand. Er stellte fest, dass jeder von ihnen begann, schwerer zu atmen, sobald sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechterte. Mit Fortschreiten der Krankheiten verstärkten sich die Atembewegungen von Brust und Bauch; der Atem wurde deutlicher hörbar, beschleunigte sich, sie seufzten häufiger und atmeten durch den Mund. Mit der Zeit lernte er, den Beginn des Sterbeprozesses allein anhand der Beobachtung ihres Atems vorherzusagen.
Das warf für Buteyko eine fundamentale Frage auf: War es die Krankheit, die zu der schweren Atmung beitrug, oder wirkte sich die schwere Atmung auf den Gesundheitszustand aus?
Zu diesem Zeitpunkt litt Buteyko unter sehr hohem Blutdruck, und seine Werte verschlechterten sich zusehends. Er begann, mit seiner Atmung zu experimentieren, indem er ruhiger und reduzierter atmete. Binnen Kurzem verschwanden die Schmerzen, die ihn über Monate geplagt hatten.
In den darauffolgenden Jahrzehnten forschte Buteyko sehr intensiv zu diesem Thema und unterhielt ein eigenes Labor, um seine Erkenntnisse voranzubringen. 1990 wurde seine Methode auch im Westen aufgegriffen und wird heute in vielen Ländern gelehrt.
Die Atmung, diese Grundbedingung für das Leben, muss bestimmte Bedingungen erfüllen: Bereits kurz andauerndes heftiges Überatmen kann sehr gesundheitsgefährdend sein. Daher ist es nahe liegend, dass zwar weniger ausgeprägtes, aber dennoch übermäßiges Atmen über einen langen Zeitraum ebenfalls negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat.
Bei normaler Atmung machen wir pro Minute zehn bis zwölf Atemzüge. Jeder Atemzug hat ein ungefähres Volumen von einem halben Liter. Das entspricht einem gesunden Atemzugvolumen von fünf bis sechs Litern Luft pro Minute – so wird es in jedem medizinischen Lehrbuch beschrieben. Die normale, gesunde Atmung ist ruhig, leise, entspannt, regelmäßig und von wenig Bewegung begleitet.
Menschen, die an Ängsten und Depressionen leiden, weisen ein Atemzugvolumen auf, das diesen gesunden Umfang übersteigt. Zum Beispiel nimmt eine durchschnittlich große Person mit Angstzuständen 15 bis 20 Atemzüge pro Minute und mit jedem Atemzug mehr als den normalen halben Liter Luft auf. Zudem ist ihre Atmung häufig von Seufzern unterbrochen. Wenn wir davon ausgehen, dass jeder Atemzug ein Volumen von 700 Millilitern hat, hat die Person ein durchschnittliches Atemzugvolumen zehn bis 15 Litern Luft pro Minute. Übertragen auf die Ernährung entspräche das sechs bis neun Mahlzeiten am Tag!
Chronisches Überatmen oder Hyperventilation bedeutet, dass wir gewohnheitsmäßig mehr Luft aufnehmen, als unser Körper benötigt. Das ist in vielerlei Hinsicht ähnlich wie bei Menschen, die sich angewöhnen, übermäßig zu essen.
Wenn wir über einen Zeitabschnitt von 24 Stunden mehr atmen, als unser Körper braucht, etabliert sich diese Gewohnheit. Dr. Stephen Demeter bestätigt das mit seiner Aussage: »Länger andauernde Hyperventilation (für mehr als 24 Stunden) scheint das Gehirn zu sensibilisieren und zum Fortdauern der Hyperventilation zu führen.«1
Die Verstärkung der Atmung ist eine Folge unseres modernen Lebens. Eine ganze Reihe von Faktoren tragen zur Überatmung bei, darunter starke Emotionen, Zeitnot, Druck, Ärger, Stress, Ängste, übermäßiges Essen, industriell verarbeitete Lebensmittel, der Irrglaube, dass es gut sei, tiefe Atemzüge zu nehmen, Bewegungsmangel, vermehrtes Sprechen und hohe Temperaturen in Wohnräumen.
Vielleicht gehen Sie davon aus, dass Sie nicht hyperventilieren. Bei den meisten Menschen tritt Überatmung jedoch sehr subtil auf. Sie läuft im Hintergrund ab, sodass sie oft unbemerkt bleibt. Zu den typischen Merkmalen, mit denen Patienten in meine Praxen kommen, gehören:
Wie viele dieser Merkmale treffen auf Sie zu? Seufzen Sie häufig? Atmen Sie durch den Mund? Wachen Sie morgens mit trockenem Mund auf? Beschleunigt sich Ihr Atmen oder wird er unregelmäßig, wenn Sie gestresst sind?
Später in diesem Buch erkläre ich Ihnen, wie Sie die Qualität Ihrer Atmung mit einem einfachen Atemanhaltetest, den Dr. Buteyko entwickelt hat, selbst überprüfen können; dazu messen wir die sogenannte Kontrollpause (KP), also die Atemanhaltezeit.
Wie wichtig eine effiziente Atmung ist, wird deutlich, wenn Sie sich klarmachen, dass die Sauerstoffmenge, mit der Gewebe und Organe versorgt werden, abnimmt, wenn wir zu viel Luft über unsere Lungen aufnehmen.
Überatmung hat einen nachteiligen Effekt auf zwei Gase, die grundlegend für die Sauerstoffversorgung unseres Körpers sind: Stickstoffmonoxid und Kohlendioxid. 1991 wurde Stickstoffmonoxid (NO) in der Ausatemluft nachgewiesen und daraufhin einsetzende intensive Forschungsanstrengungen brachten zutage, dass die Produktion des Gases sowohl in den Blutgefäßen als auch in den Nasennebenhöhlen stattfindet. Wenn wir durch die Nase einatmen, werden große Mengen an NO innerhalb der nasalen Atemwege freigesetzt. Das NO folgt dem Luftstrom zu den Lungen und hilft dort, die Blutgefäße zu weiten. Auf diese Weise steigert es die Sauerstoffaufnahme ins Blut. Wenn wir langsam und sanft durch die Nase einatmen, ermöglichen wir unserem Körper, die positiven Effekte des Stickstoffmonoxids aus der Nase zu nutzen, während dieses außergewöhnliche Gas bei der Mundatmung nicht zu den Lungen transportiert und damit nutzlos wird.
Kohlendioxid (CO2) ist eine weitere lebenswichtige Komponente einer gesunden Atmung und der Sauerstoffversorgung des Körpers. CO2 ist ein Stoffwechselprodukt: Es wird bei der Umwandlung von Nahrung und Sauerstoff in Energie gebildet und zu den Lungen transportiert, über die der Überschuss dann wieder ausgeatmet wird. Es ist allerdings ausgesprochen wichtig, dass der Körper einen bestimmten Anteil des Kohlendioxids zurückbehält. Wenn wir zu heftig atmen, befördern wir zu viel Kohlendioxid aus unserem Körper; das führt zu einem Ungleichgewicht der Blutgase. Kohlendioxid ist mehr als ein Abfallprodukt – es ist unentbehrlich, um die ordnungsgemäße Sauerstoffversorgung des Körpers zu gewährleisten.
Kohlendioxid beziehungsweise CO2 ist ein Gas, das als ein Endprodukt unserer Stoffwechselprozesse entsteht. Die menschlichen Lungen brauchen fünf Prozent CO2 beziehungsweise einen CO2-Partialdruck von 40 mmHg. Wenn wir mehr atmen als nötig, dann wird zu viel CO2 ausgeatmet. Ein übermäßiger Verlust von CO2 aus den Lungen führt zu einem niedrigeren CO2-Anteil im Blut, im Gewebe und in den Zellen.
Die Freigabe von Sauerstoff aus den roten Blutkörperchen hängt vom sogenannten Kohlendioxid-Partialdruck ab, also dem Kohlendioxidanteil in den Lungen beziehungsweise im arteriellen Blut. Bei Überatmung wird zu viel Kohlendioxid aus dem Körper transportiert. Dieser Mangel an Kohlendioxid führt dazu, dass der Sauerstoff am Hämoglobin (das ist der Blutfarbstoff in den roten Blutkörperchen) »kleben bleibt«. Er kann nicht mehr ausreichend an die Gewebe und Organe abgegeben werden. Dieser Zusammenhang wurde 1904 entdeckt. Er ist als Bohr-Effekt bekannt.
Der Schlüssel zu einem verbesserten Sauerstofftransport innerhalb des Körpers ist, leicht oder sogar über kurze Zeitspannen hinweg etwas »zu wenig« zu atmen. Wenn wir etwas weniger als gewohnt atmen, dann sammelt sich in der einströmenden Luft eine höhere Konzentration von Stickstoffmonoxid aus der Nase, und der Kohlendioxidanteil im Blut steigt. Das wiederum öffnet die Atemwege und die Blutgefäße und steigert den Sauerstoffeintrag.
Möglicherweise sind Sie bestürzt, wenn Sie feststellen, dass die Ursache Ihres Stresses, Ihrer Ängste, Panikattacken und Depressionen sehr wahrscheinlich übermäßiges Atmen ist. Wie oft haben uns wohlmeinenden Yogalehrer, Pilatestrainer, Ärzte und Stressberater gesagt, wir sollen tiefe Atemzüge nehmen – und jetzt sollen wir auf einmal genau das Gegenteil tun? Tatsächlich: Entgegen dem verbreiteten Glauben erzielt man mit tiefen Atemzügen keine positiven Effekte, da sie ja vor allem zur Überatmung führen und somit die Stickstoffmonoxid- und Kohlendioxidwerte senken.
Es mag sich vielleicht gut anfühlen, einen tiefen Zug frischer Luft in die Lungen zu saugen, aber das liegt vor allem an der Dehnung und der daraus resultierenden Entspannung der Atemmuskulatur, die damit einhergeht. Das tiefe Einatmen an sich steigert den Sauerstoffanteil in Ihrem Blut nicht. Der Grund dafür ist, dass die Sauerstoffsättigung des Blutes fast schon durch die normale Atmung erreicht ist. Sie liegt im Ruhezustand bei um die 97 bis 98 Prozent, wenn der Atem leicht und kaum wahrnehmbar fließt. Und für den Fall, dass Sie jetzt einwenden, dass da ja noch Platz nach oben ist: Sie müssen sich bewusst machen, dass die ganze Zeit über Sauerstoff vom Blut zu den Zellen wandert, sodass eine hundertprozentige Sättigung schlicht nicht notwendig ist. Genau genommen atmen Sie unter normalen Umständen bei einem gesunden Atemzugvolumen von vier bis fünf Litern pro Minute sogar 75 Prozent des aufgenommenen Sauerstoffs wieder aus. Selbst bei intensiven Trainingseinheiten atmen wir Schätzungen zufolge 25 Prozent des aufgenommenen Sauerstoffs wieder aus – ein klares Zeichen, dass wir über mehr als genug Sauerstoff verfügen, um den Bedarf unseres Körpers zu stillen.