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Über dieses Buch

»Die Schönheit, auf die sich Fräulein Else kapriziert, hilft nicht. Bei wesentlichen Dingen hilft Schönheit nicht. Sie bringt einem zum Beispiel kein Jota mehr Respekt ein oder hilft dabei, dass man ernst genommen wird.«
  Terézia Mora

Fräulein Else kennt die gesellschaftlichen Erwartungen, dennoch will sie ganz sich selbst gehören. Sie hadert, überdenkt, verzweifelt – denn Unabhängigkeit ist keine Selbstverständlichkeit.

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Das war ein ganz guter Abgang. Hoffentlich glauben die zwei nicht, dass ich eifersüchtig bin. – Dass sie was miteinander haben, Cousin Paul und Cissy Mohr, darauf schwör ich. Nichts auf der Welt ist mir gleichgültiger. – Nun wende ich mich noch einmal um und winke ihnen zu. Winke und lächle. Sehe ich nun gnädig aus? – Ach Gott, sie spielen schon wieder. Eigentlich spiele ich besser als Cissy Mohr; und Paul ist auch nicht gerade ein Matador. Aber gut sieht er aus – mit dem offenen Kragen und dem Bösen-Jungen-Gesicht. Wenn er nur weniger affektiert wäre. Brauchst keine Angst zu haben, Tante Emma …

»Guten Abend, Fräulein Else.« – »Küss die Hand gnädige Frau.« – »Vom Tennis?« – Sie sieht’s doch, warum fragt sie? »Ja, gnädige Frau. Beinah drei Stunden lang haben wir gespielt. – Und gnädige Frau machen noch einen Spaziergang?« – »Ja, meinen gewohnten Abendspaziergang. Den Rolleweg. Der geht so schön zwischen den Wiesen, bei Tag ist er beinahe zu sonnig.« – »Ja, die Wiesen hier sind herrlich. Besonders im Mondenschein von meinem Fenster aus.« –

»Guten Abend, Fräulein Else. – Küss die Hand, gnädige Frau.« – »Guten Abend, Herr von Dorsday.« – »Vom Tennis, Fräulein Else?« – »Was für ein Scharfblick, Herr von Dorsday.« – »Spotten Sie nicht, Else.« – Warum sagt er nicht ›Fräulein Else?‹ – »Wenn man mit dem Rakett so gut ausschaut, darf man es  – Esel, darauf antworte ich gar nicht. »Den ganzen Nachmittag haben wir gespielt. Wir waren leider nur drei. Paul, Frau Mohr und ich.« – »Ich war früher ein enragierter Tennisspieler.« – »Und jetzt nicht mehr?« – »Jetzt bin ich zu alt dazu.« – »Ach, alt, in Marienlyst, da war ein fünfundsechzigjähriger Schwede, der spielte jeden Abend von sechs bis acht Uhr. Und im Jahr vorher hat er sogar noch bei einem Turnier mitgespielt.« – »Nun, fünfundsechzig bin ich Gott sei Dank noch nicht, aber leider auch kein Schwede.« – Warum leider? Das hält er wohl für einen Witz. Das Beste, ich lächle höflich und gehe. »Küss die Hand, gnädige Frau. Adieu, Herr von Dorsday.« Wie tief er sich verbeugt und was für Augen er macht. Kalbsaugen. Hab ich ihn am Ende verletzt mit dem fünfundsechzigjährigen Schweden? Schad’t auch nichts. Frau Winawer muss eine unglückliche Frau sein. Gewiss schon nah an fünfzig. Diese Tränensäcke, – als wenn sie viel geweint hätte. Ach wie furchtbar, so alt zu sein. Herr von Dorsday nimmt sich ihrer an. Da geht er an ihrer Seite. Er sieht noch immer ganz gut aus mit dem graumelierten Spitzbart. Aber sympathisch ist er nicht. Schraubt sich künstlich hinauf. Was hilft Ihnen Ihr erster Schneider, Herr von Dorsday? Dorsday! Sie haben sicher einmal anders geheißen. – Da kommt das süße kleine Mädel von Cissy mit ihrem Fräulein. – »Grüß dich Gott, Fritzi. Bon soir,

Eine hübsche Person. Warum ist sie eigentlich Bonne? Noch dazu bei Cissy. Ein bitteres Los. Ach Gott, kann mir auch noch blühen. Nein, ich wüsste mir jedesfalls was Besseres. Besseres? – Köstlicher Abend. ›Die Luft ist wie Champagner‹, sagte gestern Doktor Waldberg. Vorgestern hat es auch einer gesagt. – Warum die Leute bei dem wundervollen Wetter in der Halle sitzen? Unbegreiflich. Oder wartet jeder auf einen Expressbrief? Der Portier hat mich schon gesehen; – wenn ein Expressbrief für mich da wäre, hätte er mir ihn sofort hergebracht. Also keiner da. Gott sei Dank. Ich werde mich noch ein bissl hinlegen vor dem Diner. Warum sagt Cissy ›Dinner‹? Dumme Affektation. Passen zusammen, Cissy und Paul. – Ach, wär der Brief lieber schon da. Am Ende kommt er während des ›Dinner‹. Und wenn er nicht kommt, hab ich eine unruhige Nacht. Auch die vorige Nacht hab ich so miserabel geschlafen. Freilich, es sind gerade diese Tage. Drum hab ich auch das Ziehen in den Beinen. Dritter September ist heute. Also

»Bitte sehr, Fräulein, ein Brief.« – Der Portier! Also doch! – Ich wende mich ganz unbefangen um. Es könnte auch ein Brief von der Karoline sein oder von der Bertha oder von Fred oder Miss Jackson? »Danke schön.« Doch von Mama. Express. Warum sagt er nicht gleich: ein Expressbrief? »O, ein Express!« Ich mach ihn erst auf dem Zimmer auf und les ihn in aller Ruhe. – Die Marchesa. Wie jung sie im Halbdunkel aussieht. Sicher fünfundvierzig. Wo werd ich mit fünfundvierzig sein? Vielleicht schon tot. Hoffentlich. Sie lächelt mich so nett an, wie immer. Ich lasse sie vorbei, nicke ein wenig, – nicht als wenn ich mir eine besondere Ehre daraus machte, dass mich eine Marchesa anlächelt. – »Buona sera – Sie sagt mir buona sera. Jetzt muss ich mich doch wenigstens verneigen. War das zu tief? Sie ist ja um so viel älter. Was für einen herrlichen Gang sie hat. Ist sie geschieden? Mein

Nun, Fräulein Else, möchten Sie sich nicht doch entschließen, den Brief zu lesen? Er muss sich ja gar nicht auf den Papa beziehen. Könnte es nicht auch etwas mit meinem Bruder sein? Vielleicht hat er sich

›Mein liebes Kind‹ – Ich will mir vor allem den Schluss anschaun. – ›Also nochmals, sei uns nicht böse, mein liebes gutes Kind und sei tausendmal‹ – Um Gottes willen, sie werden sich doch nicht umgebracht haben! Nein, – in dem Fall wär ein Telegramm von Rudi da. – ›Mein liebes Kind, du kannst mir glauben, wie leid es mir tut, dass ich dir in deine schönen Ferialwochen‹ – Als wenn ich nicht immer Ferien hätt,