Zuletzt erschienen in dieser Reihe
(Deutsch/Griechisch)
Mykonos Crime 20 Darknet
Mykonos Crime 21 Yariv
Mykonos Crime 22 Pontifex
Mykonos Crime 23 Sisa
Mykonos Crime 24 Lebendig begraben
Mykonos Crime 25 Schläfer
Mykonos Crime 26 Smyrna
Mykonos Crime 27 Goldrausch
Frühere Bände: siehe hinterer Buchteil
Bisher erschienen auf Englisch:
Mikonos Crime 1: Abducted
Mikonos Crime 2: Confusion
Mikonos Crime 3: The prince
Mikonos Crime 4: Spy
Mikonos Crime 5: Beast
Mikonos Crime 6: Nightkids
Mikonos Crime 7: Yariv (Mai)
Impressum
Titel: Shutterstock/istockphoto
Innenteil Shutterstock/ istockphoto
Copyright Paul Katsitis 2021: Der Inhalt als auch Buch- und Reihentitel sowie der Autorenname sind urheberrechtlich geschützt oder unterliegen dem Titelschutz. Jedwede Verwendung ist strafbar.
ISBN 978-3-7543-6342-3
Druck und Verlag Books-on-Demand GmbH
Angelos Nikakis, 31, ist nicht nur der Hauptkommissar auf Mykonos, sondern auch Bürgermeister der Insel, verheiratet mit Yariv. Angelos´ erster Mann Alex starb.
Yariv Nikakis, 28, ursprünglich Kommissar in Athen. Beide trafen sich im Rahmen von Ermittlungen und verliebten sich ineinander. Da Yariv nur 1,75 m groß ist, ergab sich sein Spitzname von allein: Kleiner. Sein Hobby: Malen.
Abu Bakar, 38, beherrscht den Drogenhandel in der Ägäis. daher waren er und Kommissar Angelos Nikakis per se Feinde. Doch dann schließen die beiden ein Friedensabkommen der besonderen Art – und wurden Freunde.
Gabriel Markarov, 35, ist Angelos´ rechte Hand im Rathaus. Er sitzt seit einem Schusswechsel im Rollstuhl. Da die Kugel eigentlich Angelos galt und sich Gabriel in die Schussbahn warf, fühlte sich Angelos verpflichtet, ihm zu helfen.
Maria Karnezis, 29, ist Leiterin der „normalen“ Polizeistation.
Alexandros Mantzaris, 67, ist Amtsrichter auf Mykonos.
Antonis Migiakis, 55, ist griechischer Premierminister.
Paris, Oktober 1888
E mile Chappe war bester Laune. Über Paris und der Place du Tertre schien die Sonne. Die letzten Zuckungen des Herbstes. Da er am Morgen schon ein geschäftliches Positiverlebnis hatte, packte er seinen Klappstuhl und setzte sich vor seine Galerie.
Ein letzter Nachmittag in der Wärme, bevor der besonders grausame Pariser Winter beginnt.
Emile Chappe war Kunsthändler. Seine Versuche, als Maler selbst berühmt zu werden, waren – wie von seinem Vater vorausgesagt - kläglichst gescheitert. Was Emile aber schnell begriffen hatte, war, dass man mit dem Verkauf von Gemälden erstaunlich wohlhabend werden konnte. Vor allem dann, wenn die Herkunft zweifelhaft ist und so manches Objekt dem Verkäufer nicht gehört. Hinzu kamen Skulpturen, die in großer Stückzahl in Italien und Griechenland einfach herumliegen und nur gepflückt werden müssen. Die meisten Verkäufer waren Briten, die dachten, eine „Grand Tour“ beinhalte nicht nur den Besuch alter Stätten, sondern auch deren Plünderung.
Aber Emile war kein Hehler im strengen Sinne. Die antiken Stätten waren sein Hobby. Für den April hatte er eine Reise nach Griechenland geplant. Athen, Delphi, Knossos. Sein besonderes Augenmerk galt einer kleinen Insel, die fast keiner kannte. Ihr Name war Delos. Um zu ihr zu gelangen, würde er ein Fischerboot mieten müssen. Auf einer Nachbarinsel namens Mikinos.
Nein, Mykonos. Ein Fest würde es werden. Für seine Archäologen-Seele, aber auch für den Verkäufer Emile. Das eine oder andere Andenken würde er bestimmt mitbringen können.
Sein Tagtraum wurde unterbrochen, als er inmitten des wärmebedingten Gewimmels ein bekanntes Gesicht sah. Das ist Paul, dachte Emile. Aber offensichtlich übelst gelaunt. Hinzu kam, dass Paul Gauguin einen Wintermantel trug und einen Schal. Als Emile sah, dass Gauguin eine Rolle unter dem Arm trug, wusste er: der Tag wird noch besser. Pauls Bilder verkauften sich gut, auch wenn die meisten Kunden immer noch nach schweren Holländern oder Turner fragten. Holländern und Briten sollte man das Malen verbieten. Ihnen fehlen die Leichtigkeit und die Lebensfreude. Farbe war ein Fremdwort.
Gauguin verkaufte sich in der aufstrebenden Bourgeoisie in Paris gut – kein Renner, aber man fand immer Abnehmer.
„Bonjour, Paul. Hast du dich im Kalender geirrt?“
„Ich bin heute nicht zu Scherzen aufgelegt“, sagte Gauguin.
„Du klingst erkältet“, sagte Emile.
„Erkältet? Das ist die Untertreibung des Jahres. Wenn ich das überlebe, habe ich Glück“, knurrte Paul.
„Warst du in den Bergen?“
„Schlimmer. Ich war in der Provence. In Vincents ‚Atelier des Südens‘. ‚Atelier des Grauens‘ wäre treffender. Dieser elende Mistral. Man kann ihm nicht entkommen. Es war kälter als jeder Winter in Paris. Und dann Vincent. Ehrlich, er wird immer wunderlicher und seine Freunde sind lauter schräge Gestalten. Ohne Laudanum hätte ich die drei Wochen nicht überstanden!“
„Aber du hast mir ein neues Werk mitgebracht! Ich finde bestimmt …“
„Ich muss dich leider enttäuschen“, sagte Gauguin.
„Oh nein. Bitte nicht noch ein van Gogh. Den krieg ich nicht los. Wer will den schon?“, klagte Emile.
„Ich habe es ihm versprochen“, sagte Gauguin.
„Manchmal kann man sich seine Freunde nicht aussuchen!“
„Und was für eine Banalität ist es dieses Mal?“
Gauguin öffnete die Rolle und Emile holte die Staffelei mit den Klemmen.
„Das ist doch nicht sein Ernst!“
„Ich fürchte doch“, meinte Gauguin.
„Ein Heuschober im Nichts?“, fragte Emile.
„Na ja. Die Farben sind ganz ansprechend“, antwortete Gauguin.
„Schläfst du mit einer hässlichen Bäuerin, nur weil sie geschminkt ist?“
Gauguin lachte.
„Stell dir vor: er hat denselben Heuschober drei Mal gemalt. Im Sommer, Herbst und wie du siehst auch im Winter! Aber sei beruhigt: er ist in einem erbärmlichen Zustand. Verwirrt und aggressiv. Stell dir vor: er hat mich als ‚Schmeißfliege‘ bezeichnet. Das Bild zu dir zu bringen, ist das Letzte, was ich für diesen Irren tue!“
„Nur auf Kommission. Wäre es ein Bild von dir: jederzeit. Aber van Gogh wird nie ein gefragter Maler!“
„Wer weiß das schon. Wir sehen uns, Emile!“
Kopfschüttelnd betrachtete Emile das Gemälde. Dann kam ihm eine Idee.
Morgen käme dieser Jude aus Smyrna. Der lässt sich in der Regel alles aufschwatzen.
Und so wartete Emile Chappe auf Philipos Ischowitz, dem er tatsächlich am nächsten Tag den „Heuschober im Winter“ verkaufte.
Mykonos, Ornos
H auptkommissar Angelos Nikakis lag im abgedunkelten Schlafzimmer. Als sein Ehemann Yariv Nikakis das Haus betrat und kein Mucks zu hören war, wusste er Bescheid. Angelos litt noch immer unter den Folgen des Yussuf-Falls.
Yariv ging die Treppe hoch und schaltete das Licht im Schlafzimmer ein.
„Aufstehen! Du hast dich lang genug gequält. Wir setzen uns auf die Terrasse und reden. Und das ist ein Befehl!“
Tatsächlich kroch Angelos aus dem Bett, allerdings mit getrübtem Blick.
„Ich mache Espresso und du legst dich auf das Sunbed“, befahl Yariv, ging in die Küche und war nach drei Minuten wieder zurück.
Er legte sich neben Angelos.
„Du musst aufhören, dich selbst zu zerstören. Ich weiß, was in dir vorgeht. Die eine Stimme sagt, du hast einen Massenmörder zum Selbstmord gezwungen und damit Menschenleben gerettet. Nebenbei nur nochmal die Zahl: etwa 200 Menschen verdanken dir ihr Leben. Die andere Stimme sagt, du hättest ihn laufenlassen können, denn er wurde schon als Kind manipuliert und war für seine Taten nicht verantwortlich. Aber wenn du ihn hättest laufen lassen: er wäre von den Israelis oder den Amerikanern geschnappt worden – und säße jetzt in Guantanamo oder – noch schlimmer: er wäre in einem Folterkeller gestorben. Es gab keine Rettung für ihn und du hast die humanste Lösung gewählt. Du hast ihn nach muslimischem Ritus im Meer bestatten lassen. Moralisch hättest du nicht besser handeln können. Das Problem ist, dass du mit ihm geschlafen hast und dadurch eine Verbindung zwischen euch entstand!“
„Wir hatten nichts in der Hand. Und er stand auf mich. Es war die einzige Möglichkeit, ihn zu knacken und zu einem Geständnis zu bringen. Es gab keinen Plan B – das weißt du. Aber ich hatte Mitleid. Und einem Menschen beim Sterben zuzusehen, zwanzig elende Minuten lang, ist etwas anderes als einen flüchtigen Bankräuber zu erschießen!“
„Bankräuber? So etwas gibt´s heute nicht mehr. Was sollten sie denn erbeuten? Den Kontoauszugsdrucker?“, fragte Yariv.
„Du weißt genau, was ich meine“, knurrte Angelos.
„Ja. Gestatte mir aber, dass ich nicht erfreut war, dass mein Mann seinen Penis in einen Dschihadisten rammt!“
„Ich konnte keine andere Waffe mitnehmen“, antwortete Angelos und grinste.
„Das ist keine Waffe, sondern eine Haubitze. Ein Wunder, dass Yussuf nicht schon während des Sex´ gestorben ist!“
„Sehr witzig. Du hast es doch auch überlebt. Und hast immer ordentlich Spaß, oder nicht?“
„Natürlich. Sonst hätte ich dich nicht geheiratet. Also: wir packen die Geschichte um Yussuf in ein Päckchen und versenken es im Meer. Danach musst du wieder auf die Beine. Du bist nicht nur Kommissar, sondern auch Bürgermeister und die Bürger erwarten, dass ihr Chef sich um sie kümmert!
Yariv drehte sich zu Angelos und legte seine Hand auf Angelos´ rechten Schenkel.
„Und ich brauche dich noch mehr. Na holla, fünf, sechs, sieben. Fast so schnell wie vorher!“, sagte Yariv und grinste. „Du bist auf dem Weg der Besserung!“
„Ohne Desinfektion wegen Yussuf?“, fragte Angelos.
„Wer war Yussuf?“
Smyrna (Izmir) 9.September 1922
D ie Straßen waren unpassierbar geworden. Es war das real gewordene Chaos. Griechen und Armenier versuchten noch, aus der Stadt zu fliehen. Aber es war vergeblich, denn die türkischen Truppen hatten Smyrna bereits eingekreist. Fliehen konnte man nur noch über das Meer und skrupellose Fischer machten das Geschäft ihres Lebens.
Philipos Ischowitz stand auf dem Balkon seines kleinen Hauses im Judenviertel Smyrnas. Es lag genau zwischen dem armenischen Viertel und dem Hafen. Keine andere Gruppe fürchtete sich so vor den Türken wie die Armenier. Zu Recht, denn die meisten hatten keine Angehörigen mehr. Sie fielen dem Genozid der Türken zum Opfer und nun sollte sich das Geschehen vier Jahre nach dem Krieg wiederholen.
„Selbst schuld“, dachte Ischowitz. Vor drei Jahren hatte die griechische Armee unter dem Jubel der Armenier die Türkei angegriffen, war sogar bis kurz vor Ankara vorgedrungen. Dann aber wendete sich das Kriegsglück und Kemal Pascha schlug die Griechen zurück. Smyrna wurde nervös. Mit jedem Sieg der Türken schlug die Stimmung mehr und mehr in Panik um. Und da die Griechen bei ihrem Rückzug nur verbrannte Erde und Massengräber zurückließen, erwartete Smyrna ein schreckliches Schicksal.
Das Schreien auf der Straße wurde immer hysterischer und Gerüchte die einzige Nachrichtenquelle.
Die Alliierten sind da.
Sie retten uns.
Englische Soldaten sind im Hafen gelandet.
Alles Humbug. Wunschdenken.
Philipos Ischowitz hatte nicht vor, sich auf die Flucht zu begeben. Er war Jude und beabsichtigte in Smyrna zu bleiben, auch wenn es denn in Zukunft Izmir heißen sollte.
Ischowitz war Antiquitäten- und Kunsthändler. Seine Klientel waren Europäer, meist Briten, die alle im Antik-Fieber waren. Und an Nachschub mangelte es nicht. Griechen wie Türken plünderten die Schätze ihrer eigenen Länder. Idioten.
Ischowitz ging in ein kleines Nebenzimmer, das ständig abgesperrt war. Er stellte sich vor das Bild auf einer Staffelei.
34 Jahre war es her, dass er das Bild in Paris gekauft hatte, aus einer Laune heraus, denn der Künstler war nahezu unbekannt. Vincent van Gogh.
Bei den Auktionen erzielte ein van Gogh mittlerweile bis zu 10.000 Pfund. Ischowitz lächelte.
Sein Sohn, Gabriel, kam hinzu.
„Vater, ich bitte dich: wir müssen weg!“
„Unsinn. Wir sind Juden. Armeen marschieren seit 3000 Jahren über uns hinweg und wir bleiben dennoch!“
„Ich bin da nicht so zuversichtlich wie du“, knurrte Gabriel, aber sein Vater lächelte.
„AH! Jetzt begreife ich. Du hast dich abgesichert.
Ich hätte es wissen müssen! Du bist ein Fuchs!“
„Nur so können wir überleben. Schneller und schlauer sein als die anderen!“
Plötzlich schepperte die Türglocke.
„Das ist bestimmt Oktay. Lass ihn rein und geh dann in den Laden“, sagte Philipos.
Philipos hörte das Knarzen der Stufen. Oktay Gemel war kein Leichtgewicht und schwitzte sichtlich ob der Anstrengung.
„Das nächste Mal treffen wir uns im Café“, knurrte Oktay.
„Gute Idee. Wir machen Geldgeschäfte in der Öffentlichkeit!“
„Als ob das im Moment jemand interessieren würde. In drei Tagen ist der Spuk vorbei“, sagte Oktay.
„Und dann sind zweitausend Jahre griechisches und jüdisches Leben in Kleinasien vorbei“, klagte Philipos.
„Haben wir den Krieg begonnen? Nein! Und euch Juden geschieht nichts. Nur für die Armenier wird es ungemütlich!“
„Was heißt, dass ihr sie ermordet, sollten sie nicht übers Meer flüchten können!“
„Das kommt davon, wenn man sich mit unseren Feinden verbündet. Wir haben ein langes Gedächtnis!“
„Du weißt, dass diese Meldungen nur Propaganda waren. Man wollte nur das Geld der Armenier!“
„Mit solchen Ansichten solltest du in Zukunft vorsichtig sein. Du willst ja weiterhin hier leben. In Izmir“, sagte Oktay.
Izmir. Nicht mehr Smyrna.
Hunderttausend waren bereits geflüchtet. Nach Festland-Hellas und auf die Inseln. Samos, Lesbos und die Kykladen.
„Lassen wir die Politik. Hast du das Geld dabei?“, fragte Oktay.
„Natürlich. Hier sind die vereinbarten 100 Golddollar“, sagte Philipos und gab Oktay den Lederbeutel.
„Ich brauche nicht nachzählen. Du bist ein korrekter Händler. Das wissen auch die Türken in dieser Stadt!“
„Hoffentlich. Ich muss mich darauf verlassen können, mein Freund. Solche Ereignisse haben ihre eigene Dynamik. Es brennt schon überall in der Stadt!“
„Mach dir keine Sorgen. Das sind die verfluchten Armenier. Im Judenviertel ist es sicher. Und alle Armeeeinheiten haben strikte Anweisung, bestimmte Häuser zu schonen!“
„Die berühmte Grüne Liste existiert also wirklich!“
„Wir sind doch nicht dumm und zerstören eine Stadt, die uns schon fast gehört!“
„Stimmt. Es wäre unfassbar dämlich, entspräche aber der Intelligenz von Militärs“, sagte Philipos.
„Hüte deine Zunge. Kemal Pascha ist ein Ehrenmann und von den Deutschen ausgebildet worden. Er weiß, was Effizienz und Organisation bedeuten. Gut, ich muss zurück nach Tekké und die Armee informieren!“
Philipos nickte.
„Ich danke dir, Oktay. Du warst immer ein guter Freund. Auf gute Geschäfte auch in Zukunft. Im neuen Izmir!“
Oktay verließ das Haus mit der Nummer 1455.
Straßennamen gab es in Smyrna nicht.
Er lief in Richtung Tekké, dem türkischen Viertel.
Der Anblick der Massen, die in Richtung Hafen strömten, bereitete ihm Freude. Endlich werden diese Schmarotzer aus der Stadt gejagt.
Er erreichte seinen Laden, ein kleines Antiquitätengeschäft, das deutlich schlechter lief als das von Philipos, der von der Nähe zum Hafen profitierte.
Er ging in einen Hinterraum und schaltete das brandneue Funkgerät ein.
Der Text lautete: HINZUFÜGEN 1455 GRÜNE LISTE.
Das entsprach der Vereinbarung mit Philipos.
Dann fügte Oktay noch hinzu:
HINWEIS: GEBÄUDE GRÜN, ABER ALLE BEWOHNER ELIMINIEREN.
Und so starb Philipos Ischowitz am 12. September 1922 – wie seine ganze Familie. Seine Kunsthandlung gehörte fortan Oktay Gemel,
Eingeschlossen ein Gemälde, das fast 100 Jahre später auf der anderen Seite der Ägäis wieder auftauchte.
Auf Mykonos.
Mykonos, Chora
E manuel Ypsilanti war auf dem Weg zu seiner Galerie am Drei-Brunnen-Platz inmitten der Altstadt.
Wie jeden Tag quälte er sich durch die Menschenmassen, die er verabscheute. Seine Kunden kämen erst nach 23 Uhr, da sie sich – zu recht – durch den Pöbel belästigt fühlten.
Emanuel Ypsilanti hatte die Galerie von seinem Vater übernommen, der sie in den 60ern gegründet hatte. Zu der Zeit, als der internationale Jet-Set St. Tropez fluchtartig verließ und ein neues Paradies suchte. Und fand.
Mykonos – eine kleine Insel, auf der nur Fischer lebten, der keinen Flughafen hatte und auch sonst nur schwer zu erreichen war. Kurzum: die Reichen und Schönen fühlten sich wohl. Und da unter den VIPs viele schwul waren (und sind), erkoren sie Mykonos zu ihrem Elysium. Erstaunlicherweise hielt die orthodoxe Kirche still und auch während der Militärdiktatur drohte den schwulen Gästen auf Mykonos keine Gefahr.
Emanuel Ypsilanti seufzte. Damals – Mitte der 60er – machte sein Vater das große Geschäft. In der Galerie hingen signierte Fotos von Alain Delon, Peter Sellers und Brigitte Bardot.
Und heute? Heute verachtete Ypsilanti seine Kunden. Russen, Ukrainer und Araber. Von Kunst keine Ahnung, aber Hauptsache teuer und schlagzeilenträchtig.
Aber leider brachten die das Geld.