Gerd Haufe

Zum Glück gibt es Aktien!

Wer nichts wagt, hat schon verloren.

Kapitelübersicht

1. Theorie und Praxis

Wie es begann

2. Hilfe, Hilfe! Wohin mit dem Geld?

Ein warmer Wintermantel

3. Was ist eine Aktie?

4. Alles Vorurteile – oder?

Mit 5 Cent zum Vermögen

5. Aktien – ja klar!

Ohne Arbeit leben ?

6. Spekulieren oder investieren?

Nach dem Gipfel geht es weiter

7. Zwei Schritte, um Aktien zu kaufen

8. Die fünf Erfolgsfaktoren der Aktienanlage

8 a. Erfolgsfaktor 1: Qualität kaufen

Gepflegte Haut und gepflegtes Depot

8 b. Erfolgsfaktor 2: Risiko senken

Das Eichhörnchen-Prinzip

8 c. Erfolgsfaktor 3: Mut aufbringen

Nur irgendwelche Aktien

8 d. Erfolgsfaktor 4: Zeit lassen

Der Wohlfühlfaktor: Habe ich zu viel oder zu wenig Aktien ?

8 e. Erfolgsfaktor 5: Kosten

Die werden mich überleben

9. Nachhaltige Aktien finden

10. Gibt es Alternativen zu Aktien?

Weine nicht um mich, Argentinien

11. Wo finde ich Rat und Unterstützung?

12. Crash-Propheten

Zufall oder Bestimmung?

13. Börse spielend ausprobieren

14. Wer nichts wagt, hat schon verloren

Nachwort

Glossar

Literaturverzeichnis

1. Theorie und Praxis

Aus kleinem Anfang entspringen alle Dinge.

Marcus Tullius Cicero

Wer noch nie Aktien gekauft hat, stellt sich allerlei Fragen und hat möglicherweise Angst, etwas falsch zu machen. Für viele sind Aktien komplettes Neuland. Wir kennen das Gefühl aus anderen Situationen im Leben. Es ist das erste Mal: Der Sprung ins tiefe Wasser, die freie Rede, der erste Kuss. »Tue, was du fürchtest, und die Angst stirbt einen sicheren Tod.« Diese Weisheit wurde so oder ähnlich bereits von Friedrich Nietzsche und Dale Carnegie formuliert. Und sie stimmt: Mit zunehmender Übung nimmt das Lampenfieber ab.

Doch wie ist das mit den Aktien? Hier scheinen die Hürden für viele besonders hoch zu liegen. Nur jeder sechste Mitbürger in Deutschland hat den Sprung gewagt und besitzt aktuell Aktien oder Fonds mit Aktien1.

Mit diesem Buch tun Sie jedoch den ersten Schritt! Denn hier finden Sie relevante Informationen und einige anschaulichen Geschichten rund um das Thema Aktien. Sie sollen anregen, über eine der ertragsreichsten Formen der Kapitalanlage nachzudenken, weiter zu recherchieren, und vor allem soll das Buch motivieren, praktische Erfahrungen mit Aktien zu sammeln. Mein Ziel als Autor ist erreicht, wenn Sie nach der Lektüre ein sicheres Fundament anlegen, um im Laufe der Zeit mit Aktien eine angemessene Rendite auf Ihr Sparkapital zu erzielen.

Zwar sagt man, dass aller Anfang schwer sei, doch jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Der Anfang kann zauberhaft sein, wie Hermann Hesse in dem Gedicht „Stufen“ schrieb. Also fangen Sie an!

Wie es begann

Für die „Sendung mit der Maus“, die damals im Jahre 1971 zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, fühlte sich Silvia entschieden zu alt. Ihre Interessen lagen ganz woanders. Nach der Schule saß sie wie jeden Mittag in der Küche. Ihre Mutter hatte Bratkartoffeln mit Spiegelei gekocht. »Geht schnell, ist gesund und kostet nicht viel«, sagte sie gelegentlich. Nebenher lief das Radio, gegen 14 Uhr wurden im Bayerischen Rundfunk die täglichen Aktienkurse vorgelesen. »BMW 889 plus 2, Bekula 189 minus 1 …« Minutenlang folgten Namen und Zahlen. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Nur nicht am Wochenende. Anfangs hörte Silvia die Notierungen nur mit halbem Ohr, mit der Zeit kam es allerdings vor, dass ihr ein neuer Namen auffiel oder besonders viele „Minus“ oder „Plus“ verlesen wurden. Meist stiegen die Kurse um ein paar Groschen, manchmal sank ein Kurs, doch für Silvia schienen diese Bewegungen ohne erkennbares Muster zu sein. Ein Rätsel, das sie zunehmend beschäftigte. Ihre Mutter warnte sie einmal, Aktien seien nichts für Kinder und sehr riskant.

War es der komische Name oder Zufall ? Sie begann, den Kurs der Mannesmann-Aktie in einem karierten Schulheft zu notieren. Jeden Tag. Nach ein paar Monaten lag eine Zahlenkolonne vor ihren Augen, deren Werte wie im Fahrstuhl rauf und runter gingen. Als Einzelkind spielte sie oft mit sich selbst als Partner Mensch ärgere dich nicht oder Schach. Bei den Mannesmann-Kurszahlen war die Börse der Mitspieler. Blind tippte Silvia einen Wert auf dem Papier; wenn er niedrig genug war, merkte sie sich die Zahl als Kaufkurs und tippte blind eine weitere Zahl. War sie deutlich höher, dann tat Silvia so, als verkaufe sie die Aktie wieder, sonst behielt sie die Aktie weiter, bis ein Kurs realisiert werden konnte, der über dem Kaufkurs lag. Dieses Spiel wiederholte sie, bis es sicher schien, dass regelmäßig Gewinn entstand. Das war der Tag, an dem sie beschloss, sich mit echten Aktien ein zusätzliches Taschengeld zu verdienen.

Nach der Schule marschierte Silvia zur örtlichen Sparkasse, um eine Mannesmann-Aktie zu kaufen. Das Geld dazu lag auf ihrem Sparbuch, das sie vorlegte. Sie stand am Schalter und blickte auf die Durchreiche der Panzerglasfront, als sich die Schaltermitarbeiterin freundlich weigerte, den Börsenauftrag zu notieren. Sie verwendete dabei die Worte »für so was« und »zu jung«, und es klang ähnlich wie bei Onkel Siegfried, als Silvia einmal an dessen Zigarre ziehen wollte. »Nichts für kleine Mädchen«, hatte er augenzwinkernd gesagt.

Allenfalls mit Zustimmung der Mutter könne die Sparkasse da eine Ausnahme machen, lenkte die Dame am Schalter ein. Doch die Mutter lehnte ab. »Zu riskant, Kind, da kannst du dein gespartes Taschengeld verlieren!«

»Aber Mama, die Börse funktioniert eigentlich ganz einfach. Wie ein Fahrstuhl, wenn man nach oben will. Man steigt ein, und egal, ob er nach unten oder oben geht, man steigt erst dann aus, wenn man im gewünschten Stockwerk angekommen ist.«

»Ein Aufzug kann auch ausfallen oder sogar abstürzen«, entgegnete die Mutter.

Erst Silvias Argument, dadurch würde ihr viel zusätzliches Taschengeld entgehen, konnte sie umstimmen. Die Mutter schlug vor, dass sie beide erst mal so tun würden, als ob. Quasi ein Spiel, ein Aktienspiel, bei dem am Ende mit echtem Geld abgerechnet werden würde. Silvia dürfe sagen, wann die Aktie gekauft werde, und nachfolgend solle der echte Kursverlauf der Aktie entscheiden, wer wem einen Ausgleich zahlen müsse. Einverstanden! Silvia hüpfte vor Freude und nannte gleich den aktuellen Kurs: 169 Mark für eine Mannesmann-Aktie.

Die folgenden Wochen und Monate schienen der Mutter recht zu geben. Der Kurs fiel. Besorgt um das Taschengeld ihrer Tochter fragte die Mutter, ob sie nicht mal abrechnen sollten. Immerhin seien schon über 20 Mark Verlust aufgelaufen. Doch Silvia blieb gelassen und meinte, sie würde jetzt noch nicht verkaufen.

Es dauerte über ein Jahr, bis Silvia endlich den Verkaufsauftrag bei ihrer Mutter aufgab. Diese hatte das Spiel bereits vergessen und schien hin- und hergerissen, als sie Silvia 41 Mark zahlen musste.

Als gleich darauf Silvia 10 Chase Manhattan Bank-Aktien kaufen wollte, meinte die Mutter, jetzt sei es wohl besser, wenn sie der Sparkasse die Einwilligung gebe.

Auf diese Weise wurde Silvia im Alter von 14 Jahren stolze Besitzerin von echten Aktien.

1 Nähere Informationen siehe Homepage Deutsches Aktieninstitut e.V.; Link: https://www.dai.de/;abgerufen am 19.07.2021.

2. Hilfe, Hilfe! Wohin mit dem Geld?

In letzter Zeit werde ich oft gefragt, wo und wie noch ertragreich Geld angelegt werden könne. Das anlagesuchende Kapital stammt beispielsweise aus folgenden Quellen:

• Eine Anleihe oder ein Sparbrief mit attraktiver Rendite wurde fällig,

• dem Verkauf einer Immobilie,

• eine Lebensversicherung wurde fällig,

• aus der Abfindung des ehemaligen Arbeitgebers,

• eine Erbschaft wurde ausbezahlt,

• ehemals hohe Tagesgeldzinsen schrumpften im Laufe der Zeit zu Magerzinsen, und inzwischen droht die Bank mit einem Verwahrentgelt.

Das Grundproblem ist aktuell sowohl für den Anleger als auch für eine beratende Bank oder Sparkasse, dass der Zinssatz am Geld- und Kapitalmarkt für viele Anlageformen negativ ist. Das bedeutet, dass ein Anleger für die sichere Anlage seines Geldes etwas bezahlen soll. Daran müssen sich viele Menschen erst gewöhnen, galt es doch zuvor als normal, dass der Sparer für seinen Konsumverzicht und die Hergabe des Spargeldes mit Zinsen belohnt wurde. Schließlich leiht der Sparer das Geld seiner Bank, teilweise für lange Zeit. Umgekehrt würde sicherlich niemand auf die Idee kommen, dass er Geld bekommen könnte, wenn er am Mietwagenschalter ein Auto ausleiht.

Will der Anleger dieser misslichen Situation entkommen und aktuell trotzdem einen positiven Zins erzielen, muss er ein Risiko eingehen. Allerdings darf man sich keine Wunder davon erwarten. Schauen Sie sich folgende Beispiele an (Stand 09.09.2021)2:

Lange Laufzeit: Staatsanleihe Frankreich fällig in 30 Jahren, Rendite 0,36 %

Währungsrisiko: Staatsanleihe USA in US-Dollar, 5 Jahre Laufzeit, Rendite 0,37 %

Rückzahlungsrisiko: Anleihe der Lufthansa3, fällig 2024, Rendite 1,21 %

Sind diese Angebote wirklich attraktiv? Trotz der Risiken liegt die erzielbare Rendite teilweise deutlich unter der Geldentwertungsrate. Zusätzlich müssen Kaufgebühren berücksichtigt werden und später bei der Verwahrung im Depot je nach Bank auch Depotgebühren.

Vor diesem Hintergrund ist es zunächst wichtig, die Rahmenbedingungen zur Kenntnis zu nehmen und zu akzeptieren. Die Zeiten, in denen der Anleger auf einem Sparbuch oder Festgeldkonto 2 % oder 3 % oder mehr Zins erzielen konnte, sind definitiv vorbei. Wann diese Zeiten wiederkommen, ist offen. Darauf zu warten kann lange dauern, vielleicht zu lange, da in der Zwischenzeit die Inflation und die negativen Zinsen beziehungsweise das Verwahrentgelt das Anlagekapital teilweise entwerten.

Welche Alternativen gibt es?

Im ersten Schritt kann überlegt werden, eventuell vorhandene Schulden zu tilgen. Auf der einen Seite Geld anzulegen und auf der anderen Seite Darlehen zu bedienen bedeutet, die Geldanlage mit dem Kredit zu finanzieren. Das kann sinnvoll sein, wenn zum Beispiel das eigene Wohnhaus mithilfe eines Baukredites finanziert wurde und gleichzeitig ein sogenannter Notgroschen in Höhe von ein paar Monatsgehältern auf dem Girokonto liegt. Ansonsten ist das allenfalls sinnvoll, wenn die Anlage ohne nennenswertes Verlustrisiko mehr Ertrag abwerfen würde, als das Darlehen kostet. Das wäre jedoch eine sehr seltene Konstellation. Obwohl die Zinsen für sichere Anlagen derzeit (Sommer 2021) negativ sind, liegen die Kreditzinsen in der Regel im positiven Bereich. Wäre es anders, würden die Banken im Zinsgeschäft Verluste machen.

Im zweiten Schritt kann erwogen werden, in langlebige Güter oder eine Renovierung zu investieren. Das Motiv wäre, zukünftig Geld zu sparen oder die Lebensqualität zu erhöhen und nebenbei noch etwas für die Umwelt zu tun. Eine alte Waschmaschine kann durch ein umweltfreundlicheres Exemplar ersetzt werden oder ein alter „Stinker” wird verkauft, um ein emissionsarmes Auto zu erwerben. Oder wie wäre es für den Immobilienbesitzer mit einer neuen Heizung im Wohnhaus?

Im dritten Schritt können Sie sich endlich mit dem Thema Aktien befassen. Gemäß dem Motto: „Zum Glück gibt es Aktien!”

Ein warmer Wintermantel

»Oma!«, rief Felix, als er in die Küche stürmte und den Zeigefinger gleich in den Kuchenteig steckte. »Oma, du hast mir doch vom Geldanlegen erzählt! Was war eigentlich deine beste Anlage?«

»Hast du saubere Finger?«, fragte Oma Silvia stattdessen.

»Nein. Und zwar nicht wegen der entlassenen Mitarbeiter. Daran hätte ich sowieso nichts ändern können. Aber ich habe im Winter auf dem Weg zur Uni immer so gefroren. Da hab ich mir von dem Geld einen warmen Steppmantel geleistet. Rot und lang. Sehr chic!«

»Und das war eine gute Geldanlage?« Felix runzelte die Stirn.

»Ja, die beste überhaupt. Anschließend hatte ich keine Blasenentzündungen mehr und konnte trotz Frost und Schnee mit dem Rad fahren. Schatz, Gesundheit ist mehr wert als alles Geld der Welt«, dabei wuschelte Oma Silvia Felix durchs Haar.

2 Quelle: Kursteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10.09.2021.

3 WKN: A2YNV6; Bonität BB; Quelle: www.boerse-stuttgart.de.