Drei Mal große Liebe auf der Insel!
Sophies Leben liegt in Scherben und sie flüchtet aus der Schweiz ins malerischen Cornwall. Dort verliebt sie sich nicht nur in die Landschaft, sondern auch in den charmanten Lucas.
Jo ist pleite und es verschlägt sie für ein Gartenpraktikum nach Schottland. Blöd nur, dass sie von gärtnern eigentlich keine Ahnung hat und der Chefgärtner Duncan nicht nur gut aussieht, sondern auch ziemlich mürrisch ist.
Hetty hat es satt von ihrer Familie herumgeschubst zu werden und fährt nach Abbotswood Castle in Schottland. Dort trifft sie nicht nur auf kauzige Schlossbewohner, sondern auch auf den attraktiven Nachbar Jules.
Von Alexandra Zöbeli sind bei Forever erschienen:
Ein Bett in Cornwall
Ein Ticket nach Schottland
Die Rosen von Abbotswood Castle
Der Himmel über den Black Mountains
Der Pub der guten Hoffnung
Die Sterne über den Black Mountains
Drei Romane in einem Bundle
Forever by Ullstein
forever.ullstein.de
Sonderausgabe bei Forever
Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Juni 2020 (1)
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Titelabbildung: © FinePic®
Autorenfoto: © privat
ISBN 978-3-95818-582-1
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Ein Bett in Cornwall:
Originalausgabe bei Forever.
Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
November 2014 (1)
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014
Ein Ticket nach Schottland:
Originalausgabe bei Forever.
Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Mai 2015 (1)
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015
Die Rosen von Abbotswood Castle:
Originalausgabe bei Forever.
Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Februar 2016 (1)
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016
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Sophie saß auf ihrem Bett und blickte mit ausdruckslosem Gesicht zum Fenster hinaus. In ihren zitternden Händen hielt sie den letzten Brief ihres Mannes. Es war noch keine Woche her, seit ihr vor ihrer Tür eine Polizistin mit einfühlsamen Worten die Nachricht überbracht hatte, dass ihr Mann bei einem Unfall auf der Autobahn Richtung Flughafen ums Leben gekommen sei. Er war mit einer Arbeitskollegin in seinem Geschäftsauto unterwegs gewesen, als ein achtzigjähriger Geisterfahrer ihrer beider Leben abrupt beendet hatte. Von einem Moment auf den anderen wurde Sophies Welt aus den Angeln gehoben. Sie hatte die Polizistin ungläubig angesehen und ihr versichert, es müsse sich um einen Irrtum handeln, denn ihr Mann käme in einer halben Stunde nach Hause, so wie jeden Abend. Er hätte zudem am Nachmittag eine Sitzung gehabt und könne unmöglich unterwegs gewesen sein. Die Polizistin hatte sie ins Innere des Hauses zum Sofa begleitet, sich neben sie gesetzt und ihr dann den blutverschmierten Führerschein ihres Mannes gezeigt. »Es tut mir sehr leid, Frau Steiner, aber das ist doch Ihr Mann, oder?«
Sophie glaubte, ihr würde die Kehle zugeschnürt. Sie hatte kein Wort herausgebracht und nur genickt.
»Gibt es irgendjemanden, den ich für Sie verständigen soll? Der sich um Sie kümmern könnte?«, hatte sich die Polizistin einfühlsam erkundigt. An diesem Tag war ihre Schwägerin Barbara bei ihr eingezogen und hat ihr seither geholfen, sich um all die mühsamen bürokratischen Dinge zu kümmern, die bei einem Todesfall anstehen. Sophie war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen und fühlte sich mit der kleinsten Aufgabe überfordert. Jürgen und sie waren erst drei Jahre verheiratet gewesen. Sie hatten sich auf einer Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Freundes kennengelernt, waren ein paar Mal miteinander ausgegangen, dann folgte eine stürmische Beziehung, und bereits nach kurzer Zeit waren sie zusammengezogen. Fünf Jahre hatten sie zusammengelebt, bis Jürgen ihr auf einer Ferienreise in Portugal einen Heiratsantrag gemacht hatte. Kurz nach der Hochzeit zogen sie in ein Haus und Sophie erfüllte sich ihren Herzenswunsch, indem sie aus dem Tierheim den jungen Kater Pepe holte. Mit Kindern haben sie sich noch Zeit lassen wollen, da sie ihre Unabhängigkeit noch etwas ausleben wollten.
Und nun war die Seifenblase geplatzt, sie saß allein auf dem großen Bett, den Brief in der Hand und Pepe zu ihren Füßen. Der Kater war in den letzten Tagen kaum von ihrer Seite gewichen, als spürte er ihre Trauer. Morgen sollte die Beerdigung von Jürgen und seiner Arbeitskollegin sein, und Sophie hatte keine Ahnung, wie sie diesen Tag überstehen sollte, vor allem nicht nach diesem Brief. Die Polizei hatte ihr gestern seine restlichen Kleider und privaten Dinge, die sich im Auto befunden hatten, vorbeigebracht. Verwirrt hatte sie Jürgens Koffer und Aktenkoffer entgegengenommen. Sie hatte nichts von einer Geschäftsreise gewusst und schon gar nicht mitbekommen, dass er einen Koffer gepackt hatte. Anscheinend war er am Unglücksmorgen nochmal zurückgekommen, als sie bereits bei der Arbeit war.
Sie hatte dem Polizisten gedankt, dass er ihr die Sachen gebracht hatte. Doch erst an diesem Morgen hatte sie dann die Kraft gefunden, Jürgens Sachen durchzusehen. In seinem Aktenkoffer fand sie seinen Reisepass, Geld, ein paar persönliche Dokumente und einen Umschlag, der an sie adressiert war. Mit zitternden Fingern hatte sie ihn geöffnet. Noch immer konnte sie nicht glauben, was sie da gelesen hatte, und überflog die Zeilen nochmals:
Sophie,
diese Zeilen hier schreibe ich mit meinem größten Bedauern, da ich weiß, wie sehr ich Dich verletzen werde. Wenn Du diesen Brief liest, bin ich bereits auf dem Weg in mein neues Leben. Ich hatte das alles gar nicht beabsichtigt, aber Du weißt ja, wie das mit der Liebe ist: Wenn sie einen erwischt, ist man völlig machtlos. Und glaube mir, ich habe wirklich versucht, gegen meine Gefühle anzukämpfen, aber ich liebe Jeannette aus tiefstem Herzen. Wir haben beschlossen, gemeinsam einen Neustart in einem anderen Land zu wagen.
Natürlich kannst Du vorerst in unserem Haus wohnen bleiben, aber ich wäre froh, wenn wir es gegen Ende des Jahres verkaufen könnten, so dass jeder die Hälfte des Erlöses für sich beanspruchen kann. Selbstverständlich werde ich bei der Scheidung die Schuld auf mich nehmen. Wenn wir uns eingerichtet haben, werde ich Kontakt mit einem Anwalt aufnehmen und die notwendigen Schritte veranlassen, so dass Du Dich um nichts kümmern musst.
Sophie, es tut mir wirklich leid, aber ich denke, auf Dauer wäre es nicht gut gegangen mit unserer Ehe. Ich wünsche Dir alles Gute und danke Dir für die schöne Zeit.
Jürgen
Sophies Hände zitterten noch immer, als sie den Brief auf die Bettdecke legte. Wie hatte sie nur so blind sein können!? Sie fragte sich, wie lange die Beziehung zwischen Jeannette und Jürgen bereits gedauert hatte. Hatten sich die beiden womöglich sogar über sie lustig gemacht, wie dämlich sie doch wäre und wie langweilig? Ihr wurde so kalt, dass sie sich eine Fleecejacke überzog, obwohl draußen die Frühlingssonne schien. Doch auch die Jacke wärmte sie nicht, denn die Kälte kam aus dem Inneren ihres Körpers.
Sie hatte Jürgen geliebt – das hatte sie doch, oder? Gut, ihre Beziehung war im letzten Jahr etwas abgeflaut, es fehlte die Leidenschaft, aber das war doch verständlich nach acht Jahren. Beziehungen verändern sich doch andauernd. Mal ist man sich etwas näher und mal eher etwas fremder. Man gewöhnt sich aneinander und der Alltag hält Einzug. Jürgen war die Karriereleiter in der Bank nach oben gestolpert und hatte immer häufiger Auswärtstermine. Langsam begann Sophie, daran zu zweifeln, dass diese Auswärtstermine stets geschäftlicher Natur gewesen waren. Sie selbst arbeitete im Büro eines großen Kaufhauses, und da viele ihrer Arbeitskollegen und -kolleginnen mit ihren Familien während der Osterferien verreist waren, war für sie mehr Arbeit angefallen, so dass sie Überstunden machen musste. In letzter Zeit arbeitete sie häufig auch samstags und Jürgen wiederum wollte an den Sonntagen nicht auf sein Golfen verzichten. Ihr hatte die gemeinsame Zeit mit ihm gefehlt, sie hatte sich aber vorgenommen, sich spätestens Ende April wieder mehr um ihr Liebesleben zu kümmern. Doch dazu würde es nun nicht mehr kommen. Jetzt war alles vorbei.
Wieder blickte sie zum Fenster hinaus und sah, wie eine dunkle Wolke sich vor die Sonne schob. Was sollte sie nur tun? Wie sollte es weitergehen?
Pepe sprang aufs Bett und schlich sich auf ihren Schoß. Völlig mit ihren Gedanken beschäftigt streichelte sie unbewusst über das dicke, hellrot getigerte Fell des Katers, der leise zu schnurren begann.
Ein Klopfen an der Tür ließ sie aufblicken, ihre Schwägerin Barbara trat ein. Ob sie es wohl gewusst hatte? Hatte auch sie über ihre Naivität und ihre Dummheit gelacht? Sie wandte ihren Blick von ihr ab, sie wollte es gar nicht wissen.
»Sophie, ich habe uns was gekocht. Komm doch rüber ins Esszimmer zum Abendessen.«
Sophie schüttelte nur den Kopf und brachte kein Wort heraus.
»Du hast die letzten Tage schon kaum etwas gegessen.« Sie setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. »Jürgen würde das gar nicht gefallen, wenn du so vom Fleisch fällst. Du darfst dich jetzt nicht so hängen lassen. Nun komm schon.« Sanft strich sie ihr eine braune Haarsträhne aus dem bleichen Gesicht.
Bei der Erwähnung von Jürgens Namen kroch der kalte Schauer weiter in ihr hoch. Sie fühlte sich, als wäre sie innerlich völlig erstarrt, als hätte sich eine Eisschicht um ihr Herz gelegt.
»Na gut, wenn du nicht willst«, seufzte Barbara und stand auf. »Ich stelle dir einen Teller in die Küche. Wenn du später Hunger hast, kannst du dir das Essen ja in der Mikrowelle warm machen.« Als sie bei der Tür war, drehte sie sich nochmals zu Sophie um. »Sag mal, wollte Jürgen eigentlich verreisen? Ich war völlig erstaunt, als gestern die Polizei seinen Koffer brachte.«
Sophie nickte nur und legte sich mit ihrem Kater aufs Bett, um Barbara anzudeuten, dass sie nun schlafen wollte. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um den Brief, die Affäre ihres Mannes und den Unfall. Sie war völlig durcheinander vor Trauer, Wut und Hilflosigkeit. Und dennoch vermisste sie ihn ganz schrecklich. Wie dumm sie nur war! Sie hätte so gerne mit ihm darüber gesprochen, warum und wieso er denn von ihr weg wollte. Sie hätte alles getan, um ihre Ehe zu retten, aber diese Chance hatte er ihr nicht mehr gegeben.
Die Beerdigung fand bei strahlendem Sonnenschein statt, was Sophie völlig unpassend vorkam. Wie konnte der Himmel lachen, wenn die Menschen so voller Trauer waren? Ihr Blick wanderte durch die versammelten Menschen. Jürgens Mutter schniefte in ein Taschentuch, ihr Mann stand links neben ihr und hatte einen Arm um sie gelegt. Auch er war blass und hatte dunkle Schatten unter den Augen. Barbara stand mit ihrem Mann auf der anderen Seite ihrer Mutter, sie versuchte ihre Tränen unter Kontrolle zu halten, was ihr aber nicht wirklich gelang. Daneben trauerten ein paar Freunde und Kollegen aus dem Büro um Jürgen; die meisten kannte sie nur vage. Ihre eigene Mutter stand neben ihr und sah ebenfalls erschüttert aus. Sophie hatte in der letzten Nacht wieder kein Auge zugetan und fühlte sich völlig gerädert. Sie hörte die Worte des Pfarrers, fühlte sich jedoch völlig unbeteiligt an dem Geschehen, als wäre es nicht ihr Mann, der hier zu Grabe getragen wurde. Keine einzige Träne war seit dem Brief mehr über ihre Wangen gerollt und auch hier auf der Beerdigung blieben ihre Augen trocken. Sie konnte einige Verwandten bereits hinter ihrem Rücken tuscheln hören, wie kaltherzig sie doch sei. Stoisch nahm sie anschließend die Trauerbekundungen entgegen. Noch immer hatte sie kein Wort über die Lippen gebracht und nickte nur. Auch gegessen hatte sie noch nichts, und Barbara machte sich langsam wirklich ernsthafte Sorgen um ihre Schwägerin. Der Verlust des Ehemannes war verständlicherweise ein Schock, aber das Leben ging nun mal weiter, so hart das klingen mag. Im Anschluss an die Beerdigung hatte Barbara einen Leichenschmaus in einem nahegelegenen Restaurant organisiert, und sie hoffte, dass Sophie wenigstens dort einen Happen zu sich nehmen würde. Doch als sie Sophies Mutter gerade ihre Besorgnis mitteilte, nahm sie aus dem Augenwinkel wahr, wie Sophie zu ihrem quietsch-orangenen Volvo rannte und davonbrauste.
»Ich werde ihr nachfahren«, meinte Anne, Sophies Mutter, sofort. Doch Barbara hielt sie davon ab. »Vermutlich ist es besser, wir lassen ihr etwas Zeit, damit sie sich beruhigen kann. Die Beerdigung war wohl einfach zu viel für sie. Mach dir keine Sorgen, Anne, ich kümmere mich schon um sie.«
Sophie knallte die Haustür hinter sich zu und schnappte nach Luft. Ihr war, als drücke ihr jemand die Kehle zu. Ihr Blick schweifte durch die Wohnung, traf auf Jürgens Koffer und dann auf ihr Hochzeitsfoto an der Wand. Nein, das hielt ein normaler Mensch einfach nicht aus! Sie rannte nach oben auf den Dachboden und holte zwei Koffer herunter. In Windeseile schmiss sie an Kleidern hinein, was sie gerade greifen konnte, packte Pepe in seinen Transportkorb und griff nach ihrem Pass. Sie wusste nicht, wohin sie wollte, Hauptsache weg, ganz weit weg. Schnell war alles in ihrem Wagen verstaut. Sie packte noch ein paar Dosen Katzenfutter ein und schrieb eine Notiz an ihre Schwägerin, dass sie sich keine Sorgen machen müsse, sie werde sich bald bei ihr melden. Als sie die Tür hinter sich ins Schloss warf, lag Jürgens Brief noch immer auf ihrem Bett.
Ein Blick zum Briefkasten zeigte ihr, dass der Postbote schon da gewesen war. Sie griff nach den Briefen und legte sie auf den Rücksitz ihres Wagens und schon ging’s los. Schnell war sie auf der Autobahn und fuhr Richtung Basel. Sie beschloss, nach Frankreich in die Normandie zu fahren. Die Landschaft und das Meer würden ihrer Seele guttun. Sie fuhr die ganze Strecke in zehn Stunden durch und hielt nur an, um Pepe eine kurze Auszeit zu gönnen. Sie führte ihn auf den Rastplätzen an der Leine aus, so dass er sein Geschäft verrichten konnte. Die Reise schien ihn nicht groß zu stören, die meiste Zeit schlief er. Sie beneidete das Tier um seinen Schlaf, aber selbst hätte sie noch immer kein Auge zutun können. Es war Nacht, als sie in Calais ankam. Einem inneren Drang folgend, fuhr sie einem Pfeil nach, der in Richtung Eurotunnel nach England zeigte. Eigentlich hatte sie ja nicht vorgehabt, nach England zu reisen, aber jetzt kam ihr der Gedanke verlockend vor. In Coquelles angekommen, ließ sie Pepe im Auto zurück und erkundigte sich nach der nächsten Überfahrt und ob es auch ohne vorherige Buchung möglich wäre, noch ein Ticket zu bekommen. Sie hatte Glück, der nächste Zug fuhr um 03.05 Uhr los, und es war gerade noch ein Plätzchen für sie frei. Sie bezahlte mit ihrer EC-Karte und machte sich dann auf den Weg zurück zum Wagen, um ihn auf den Zug zu fahren. Die Überfahrt dauerte etwas länger als eine halbe Stunde. In dieser Zeit blieb sie im Auto und fütterte Pepe. Erst kurz vor der Ankunft steckte sie ihn wieder in die Box. Auf dem nächsten Parkplatz hielt Sophie an und gönnte sich und ihrem Kater einen Schluck Wasser, bevor sie sich auch schon wieder auf den Weg machte. Sie erinnerte sich, mal als Kind, als ihr Vater noch lebte, mit ihren Eltern in Cornwall Ferien gemacht zu haben, und beschloss, einfach mal in diese Richtung zu fahren. Lizard Village hatte der Ort geheißen. Sie erinnerte sich an gelbe Kornfelder, das Rauschen des Meeres, die kreischenden Möwen, das Muschelsuchen im Sand, die hübschen Cottages und den Geruch des Salzwassers. Ja, da wollte sie erst mal hin. Das Fahren auf der linken Straßenseite war mit ihrem linksgesteuerten Auto nicht ganz einfach, aber auf der Autobahn kam sie flott voran.
Der Leichenschmaus hatte länger gedauert, als Barbara angenommen hatte, und so kam sie erst am frühen Abend völlig gerädert in das Haus ihrer Schwägerin zurück. Ihr Mann war wieder zu ihrem eigenen Zuhause gefahren, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie zurechtkam. Barbara fand es besser, noch ein paar Tage bei Sophie zu verbringen. Sie vermisste ihren Bruder Jürgen auch sehr und konnte die Trauer ihrer Schwägerin gut verstehen. Aber einfach so von der Beerdigung abzuhauen und ihre Mutter und all die anderen Verwandten stehen zu lassen, das ging nun wirklich nicht. Sie wollte mit Sophie reden und sie davon überzeugen, sich wenigstens noch bei Anne zu melden, damit die sich nicht solche Sorgen machen müsste. Doch schon als sie zuhause ankam, bemerkte sie das Fehlen des orangefarbenen Volvos. Beunruhigt ging sie ins Haus und rief nach ihrer Schwägerin. Sie erhielt keine Antwort und fand dann gleich als erstes die Notiz auf dem Küchentisch. Kopfschüttelnd ging sie in Jürgens und Sophies Schlafzimmer. Die meisten ihrer Kleider waren verschwunden und auch Pepe schien nicht hier zu sein. Sie wollte schon hinausgehen, als sie auf dem Bett den Brief liegen sah. Sie wusste, dass es sich eigentlich nicht gehörte, aber da sie sich Sorgen machte, beschloss sie, den Brief trotzdem zu lesen.
»Du verdammter Idiot!«, stöhnte sie auf, als sie zu Ende gelesen hatte. Das erklärte Sophies Verhalten auf der Beerdigung. Wie konnte er nur?! Barbara hatte sich zwar heimlich gewundert, dass Jürgen Sophie geheiratet hatte. Er war schon immer ein kleiner Weiberheld gewesen und sie hatte sich nie vorstellen können, dass er sich irgendwann für immer binden würde. Doch sie hatte Sophie gemocht und sich für ihren Bruder gefreut, dass er sein Leben mit ihr teilen wollte, auch wenn sie eigentlich gar nicht sein Typ gewesen war. Sophie war ruhig, überlegt, hilfsbereit und eben irgendwie häuslich. Ach ja, und Tiere liebte sie über alles, dabei konnte Jürgen Tiere nicht ausstehen. Pepe duldete er nur Sophie zuliebe. Auch äußerlich entsprach Sophie nicht den Frauen, mit denen Jürgen sich früher umgeben hatte. Sein Typ war blond, schlank, vollbusig, halt eben sexy. Sophie war eher der Typ »herzerfrischend«. Ihre grünen Augen funkelten stets unternehmungslustig, die braunen geraden Haare trug sie schulterlang und mit einem Pony. Sie war zwar überhaupt nicht dick, hatte aber auch nicht gerade die Figur eines Models. Sophie war einfach eine stinknormale Frau, mit der man eher Pferde stehlen, als im Baywatch-Kostüm über den Sand preschen konnte.
Barbara schüttelte den Kopf, wenn ihr Bruder nicht schon tot wäre, hätte sie ihm dafür den Hals umgedreht. Dass Jürgen so ein Feigling war, hätte sie nicht gedacht. Sich nicht einmal einem Gespräch zu stellen, sondern einfach abzurauschen in sein sogenanntes neues Leben und dann seiner Frau auch noch das Zuhause wegnehmen zu wollen! Am liebsten hätte sie Sophie an seiner Stelle um Verzeihung gebeten, aber das ging nicht, solange sie nicht wusste, wo sie steckte. Da sie aber Pepe mitgenommen hatte, machte sie sich keine Sorgen, dass sie sich etwas antun würde, denn Pepe war ihr Ein und Alles. Sie würde immer für ihn sorgen und ihm nie etwas antun, dessen war sich Barbara sicher. Sie griff zum Telefon und rief Anne an, um ihr von Sophies Verschwinden zu erzählen. Zusammen beschlossen die beiden abzuwarten, bis Sophie sich meldete. Anscheinend brauchte sie Zeit und eine neue Umgebung, um den Schock zu verarbeiten.