Trish Morey, Nina Milne, Ally Blake, Sharon Kendrick

JULIA EXTRA BAND 477

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 477 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2018 by Trish Morey
Originaltitel: „Consequence of the Greek’s Revenge“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Trixi de Vries

© 2018 by Nina Milne
Originaltitel: „Conveniently Wed to the Prince“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Valeska Schorling

© 2019 by Ally Blake
Originaltitel: „Hired by the Mysterious Millionaire“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Emma Luxx

© 2019 by Sharon Kendrick
Originaltitel: „The Sheikh’s Secret Baby“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Valeska Schorling

Abbildungen: Harlequin Books S.A., WitR / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733714772

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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TRISH MOREY

Der gefährliche Plan des griechischen Milliardärs

Milliardär Alexios Kyriakos verführt die bildschöne Athena nur zu einer Nacht der Lust, weil sie die Tochter seines Erzfeindes ist! Doch sein leidenschaftlicher Racheplan hat ungeahnte Folgen …

NINA MILNE

Süßer als der Duft der Zitronenblüten

Soll Holly es wagen, Prinz Stefan zu heiraten? Wenn sie ihr Erbe behalten will, hat sie keine Wahl. Aber er sieht ihre Ehe als geschäftliches Arrangement – während sie sich heimlich nach ihm verzehrt …

ALLY BLAKE

Flirte niemals mit dem Boss!

Die süße Evie weckt ungeahnt sinnliche Sehnsucht in Selfmade-Milliardär Armand Debussey. Trotzdem sollte er sich von ihr fernhalten – denn er will nie wieder einen geliebten Menschen verlieren!

SHARON KENDRICK

Heimliche Küsse mit dem Scheich

Jasmines Herz schlägt höher, als ihr sexy Ex-Geliebter Scheich Zuhal überraschend bei ihr auftaucht. Doch statt endlich die magischen drei Worte zu sagen, macht er ihr ein unerhörtes Angebot …

Der gefährliche Plan des griechischen Milliardärs

PROLOG

Unternehmer Stavros Nikolides plötzlich und unerwartet verstorben.

Beim Lesen dieser Online-Meldung ballte Alexios Kyriakos unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Sein Vater hatte zu diesem Mann aufgeschaut, ihm blind vertraut, und Stavros hatte dieses Vertrauen schamlos ausgenutzt. Er hatte Alexios’ Vater hintergangen und sein Leben zerstört.

Nun hatte der Mann also das Zeitliche gesegnet. Während einer feuchtfröhlichen Champagnerparty mit seiner leicht bekleideten Geliebten an Bord seiner Luxusjacht hatte er einen tödlichen Herzinfarkt erlitten.

Alexios stand auf, ging zur Fensterfront seines Büros und ließ geistesabwesend den Blick über die Akropolis mit dem Parthenon schweifen.

Endlich hatten die Götter sich gerächt. Der Mann war tot. Damit sollte das Kapitel abgeschlossen sein.

Aber das war es nicht.

Alexios fühlte sich um die Gelegenheit betrogen, selbst Rache zu nehmen. Dabei war er fast am Ziel gewesen. Oh, es war so verdammt ungerecht! Wie sehr hatte er sich darauf gefreut, Vergeltung zu üben für das, was Stavros Nikolides seinem Vater angetan hatte. Auf dem Totenbett hatte er seinem alten Herrn versprochen, dem verhassten Widersacher das Handwerk zu legen. Zehn Jahre lang hatte er unermüdlich darauf hingearbeitet. Nun hatten die Götter ihn um die Früchte seiner harten Arbeit gebracht.

Frustriert betrachtete er das Panorama der Stadt. Trotz der fast unerträglichen Hitze in Athen waren viele Touristen unterwegs, um die historischen Sehenswürdigkeiten mit eigenen Augen anzuschauen – die Akropolis, den Parthenon, den Tempel der Athena Nike …

Athena. Alexios stutzte. Da war doch etwas …

Wie elektrisiert kehrte er zum Schreibtisch zurück und scrollte den Artikel hinunter bis zu den Fotos. Eins war extrem unscharf und zeigte sie in einem winzigen Bikini auf einer vor der Amalfiküste ankernden Jacht. Offensichtlich war die Aufnahme mit einem Teleobjektiv geschossen worden. Das andere Bild zeigte sie beim Verlassen des Leichenschauhauses. Dorthin hatte man den Leichnam ihres Vaters gebracht. Sie trug eine Sonnenbrille und wirkte sehr mitgenommen, als sie sich einen Weg zwischen den Reportern hindurchbahnte, die sie bedrängten, um ein Statement zu erhalten.

Athena Nikolides, siebenundzwanzig Jahre alt und das Produkt von Stavros Nikolides’ kurzer Ehe mit einem australischen Model, das es zur Schauspielerin gebracht hatte. Zweifellos war Athena nun die Alleinerbin eines stattlichen Vermögens, das ihr Vater durch unrechtmäßige Machenschaften zusammengerafft hatte.

Athena Nikolides.

Bildschön wie ihre Mutter, reich wie ihr Vater.

Da hatte er seine Rache …

1. KAPITEL

Wie in Trance saß Athena in einem Café in Thera. Nur am Rande nahm sie wahr, dass ihr der bestellte Kaffee gerade serviert worden war. Sie hatte auch keinen Blick für die Caldera von Santorin oder das in der strahlenden Septembersonne glitzernde Meer weit unter ihr.

Nein, sie hatte nur Augen für die Beiboote der drei Kreuzfahrtschiffe. Das ständige Hin und Her der kleinen Boote, auf denen die Passagiere nach einem abwechslungsreichen Tagesausflug zurück zu den Schiffen befördert wurden, wirkte hypnotisierend auf Athena.

Auf Eseln waren die Touristen die steilen Hänge hochgeritten und hatten danach die kleinen, an die Felsen geschmiegten pittoresken Orte mit den engen Kopfsteinpflastergassen besucht.

Tief atmete Athena die salzige Meeresbrise ein und kam langsam zur Ruhe. Die Kopfschmerzen, die sie seit dem Termin in der durchgestylten Kanzlei der Anwälte ihres Vaters in Athen geplagt hatten, ließen allmählich nach.

Noch immer stand sie unter Schock. Daher war es ihr besonders schwergefallen, den in schnellem Griechisch vorgetragenen rechtlichen Ausführungen der Anwälte zu folgen. Zwar beherrschte sie die Muttersprache ihres Vaters in Wort und Schrift, hatte sogar ihren Universitätsabschluss auf Griechisch gemacht und konnte sich fließend unterhalten, aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich auch mit der juristischen Terminologie auskannte.

Ihr schwirrte der Kopf, und sie befürchtete, die Anwälte gründlich missverstanden zu haben. Schließlich hob sie die Hand, um den Redeschwall aufzuhalten und zu erklären, dass sie nicht verstanden hatte, worauf die Rechtsanwälte hinauswollten.

Endlich erbarmte sich einer der Herren und wechselte ins Englische.

„Es ist ganz einfach, Athena. Ihr Vater hat alles Ihnen hinterlassen. Sein gesamtes Vermögen. Jeden einzelnen Euro. Sie sind seine Alleinerbin.“

Auch auf Englisch ergab das für sie keinen Sinn. Als sie die Kanzlei nach einer Stunde wieder verlassen hatte, konnte Athena noch immer nicht begreifen, dass ihr Vater sie zu einer der reichsten Frauen Griechenlands gemacht hatte. Wieso? Er hatte sie doch enterbt, als sie noch ein Teenager gewesen war. Und plötzlich gehörte ihr sein gesamtes Vermögen: ein Haus in Athen, eine Luxusjacht mit Hubschrauberlandeplatz und – zur Krönung des Ganzen – eine Insel namens Argos in der Ägäis.

Noch immer völlig überwältigt griff Athena nach der Kaffeetasse und leerte sie in einem Zug.

Ein alter Mann führte gerade einige Esel am Café vorbei. Die Tiere wirkten erschöpft. Kein Wunder, hatten sie doch den ganzen Tag lang die Passagiere der vor Anker liegenden Kreuzfahrtschiffe den steilen gepflasterten Weg zum Vulkankegel hinauf- und wieder hinuntergetragen. Die armen Kreaturen, dachte Athena mitleidig.

Aber die wunderschöne Kykladeninsel Santorin mit ihrer durch mehrere Vulkanausbrüche entstandenen Kesselform, dem unglaublich blauen, endlos tief erscheinenden Meer, das den Krater füllte, mit den von Vulkanasche dunkel gefärbten Klippen, den um den Krater herum erbauten strahlend weißen Häusern und den spektakulären Sonnenuntergängen zog Touristen nun einmal geradezu magisch an.

Auch Athena liebte diese Insel, nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihrer historischen Bedeutung und der Wetterphänomene. Manchmal war der Wind so stark, dass man Angst hatte, in den Krater geweht zu werden.

Genau dieses Gefühl empfand Athena gerade. Herausgerissen aus ihrem alten Leben und herumgewirbelt in einem mächtigen Sturm.

Es war die richtige Entscheidung gewesen, nach Santorin zu kommen. Umgeben von den Naturgewalten kehrte sie langsam wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Wohin hätte sie auch sonst reisen sollen? Zurück nach Melbourne? Dort war sie nach der Scheidung ihrer Eltern aufgewachsen, dort hatte sie noch alte Schulfreunde. Oder zu dem kleinen Dorf, aus dem ihr Vater stammte? Sie hatte es nur ein einziges Mal besucht – als Kind. Freunde und Verwandte hätten sie herzlich begrüßt, sich um sie gesorgt. Das wäre sicher sehr schön gewesen, hätte sie jedoch zu sehr abgelenkt. Zunächst musste sie erst einmal in Ruhe über alles nachdenken. Auf dieser magischen Insel inmitten der Ägäis konnte sie das ungestört tun.

„Darf ich?“

Der Klang der angenehm tiefen Männerstimme weckte Athenas Interesse. Normalerweise hätte sie nur mit einer einladenden Handbewegung auf die Frage reagiert.

Die Stimme passt zu ihm, stellte sie einen Moment später fest. Der Mann sah fantastisch aus: groß, südländischer Teint, markantes Kinn, dichte dunkle Locken. Und dann diese Augen – dunkel, umrahmt von langen schwarzen Wimpern. Sein intensiver Blick ging ihr durch und durch.

Als der Mann sie anlächelte, wurde ihr bewusst, dass sie seine Frage, ob er sich zu ihr setzen dürfte, noch nicht beantwortet hatte.

„Ja, natürlich.“

Sofort nahm er neben ihr Platz. Dabei streifte er ihren Oberschenkel mit seinem, und die Berührung entfachte ein Feuer in Athena. Schnell rückte sie von ihm ab und atmete tief durch.

„Sie mögen Ihren Kaffee anscheinend stark“, stellte er fest.

„Ja.“ Sie verstärkte den Griff um die kleine Tasse. „Das hilft beim Denken.“

„Denken ist gut“, meinte er, nippte an dem Kaffee, den die Kellnerin ihm gerade serviert hatte, und fügte dann hinzu: „Jetzt brauchen Sie nur noch etwas, das ein Lächeln auf Ihr trauriges Gesicht zaubert.“

Verblüfft schaute sie ihn an. „Entschuldigung, kennen wir uns?“

„Auch ohne Sie zu kennen, sehe ich, dass eine große Last auf Ihren Schultern ruht.“

Wie konnte ein Wildfremder so mit ihr reden? Athena war völlig entgeistert.

„Nein“, sagte er schließlich, wandte den Blick ab und drehte die Kaffeetasse in seinen schönen, gepflegten Händen. „Hätten wir uns schon kennengelernt, würde ich mich garantiert daran erinnern.“

Sein Blick, seine Worte umschmeichelten sie wie eine liebkosende Berührung. Es war eine halbe Ewigkeit her, seit sie sich zuletzt zu einem Mann hingezogen gefühlt hatte. Deshalb sah sie ihm den Kommentar bezüglich ihres Seelenzustands fast nach. Statt aufzustehen und ihrer Wege zu gehen, blieb sie sitzen, vielleicht um die ungewohnten Gefühle noch etwas länger auszukosten.

„Ich heiße Alexios“, sagte er und lehnte sich entspannt zurück, als hätte er alle Zeit der Welt.

„Athena.“

„Aha, die Göttin der Weisheit, der Kunst und des Handwerks.“

„Nicht zu vergessen der Strategie und des Kampfes“, gab sie lächelnd zu bedenken.

Er nickte zustimmend. „Ja, aber sie zeichnet sich durch Gelassenheit aus und kämpft nur für die Gerechtigkeit.“

„Offensichtlich kennen Sie sich sehr gut in der griechischen Mythologie aus“, antwortete Athena beeindruckt.

„Ich bin Grieche. Es wäre eine Schande, wenn ich mein kulturelles Erbe nicht pflegen würde.“

Obwohl sie sich auf Englisch unterhielten, hatte sie bereits vermutet, dass er Grieche war.

Nachdenklich betrachtete sie ihn. „Alexios … Sie setzen sich zum Wohle der Menschheit ein, stimmt’s?“

Sein charmantes Lächeln machte ihn schier unwiderstehlich. Geistesabwesend ließ sie den Blick weiter nach unten gleiten, bis er am Kragen des blütenweißen Oberhemdes hängen blieb, wo der oberste Knopf gelöst war. Fasziniert betrachtete Athena die nackte Haut.

„Gemeinsam könnten wir die Welt retten“, schlug er leise und mit samtweicher Stimme vor.

Ihr wurde bewusst, dass sie ihn anstarrte. Schnell wandte sie den Blick ab. Er flirtet mit mir, dachte sie. Und auch wenn sie nicht wusste, wie sie darauf reagieren sollte, gefiel es ihr. Sie hatte noch nie geflirtet. Außerdem war es eine gefühlte Ewigkeit her, seit sie sich für einen Mann interessiert hatte. „Ach, ich weiß nicht“, sagte sie schließlich.

In diesem Moment drängte sich ein amerikanisches Paar an ihrem Tisch vorbei. Angeregt unterhielten die beiden sich über den faszinierenden Ausblick. Vermutlich waren sie auf einem der Kreuzfahrtschiffe angereist.

Athena ergriff die Gelegenheit, mit ihrem Stuhl wegzurücken und selbst wieder hinaus auf die Caldera zu schauen, wo die Motorboote noch immer unermüdlich zwischen den großen Schiffen und der Insel unterwegs waren. Eindringlich ermahnte sie sich, dass ihr Tischnachbar nur eine kurze Abwechslung gesucht hatte und sich verabschieden würde, sowie seine Tasse ausgetrunken war.

„Ich habe da ein Problem, bei dem mir die Göttin der Weisheit eventuell helfen könnte“, sagte er jedoch und widerlegte damit ihre Theorie.

Misstrauisch musterte sie ihn. „Ich wüsste nicht, wie.“

„Bald wird die Sonne hier am Horizont der romantischsten Insel der Welt im Meer versinken, und ich esse allein zu Abend.“

„Was hat das mit mir zu tun?“

„Sie würden mir sehr helfen, wenn Sie mit mir zum Dinner gehen.“

Enttäuscht wandte Athena sich ab und betrachtete das glitzernde Meer. Sich bei einer Tasse Kaffee unverbindlich mit einem Fremden zu unterhalten, in dessen Gesellschaft sie ein heißes Prickeln verspürte, war eine Sache, aber ein gemeinsames Abendessen? Man hörte ja immer wieder die altbekannten Geschichten von verhinderten Romeos, die sich an einsame Frauen heranmachten und ihnen das Paradies auf Erden versprachen, um sie dann eiskalt auszunehmen.

Nach dem völlig unerwarteten Ausgang des Gesprächs in der Kanzlei heute Morgen musste sie erst recht auf der Hut sein. Natürlich konnte Alexios nichts von der Erbschaft wissen, trotzdem konnte man gar nicht vorsichtig genug sein.

„Tut mir leid, ich bin nicht an einem Date mit einem Playboy interessiert. Vielleicht sollten Sie woanders nach einer Lösung für Ihr … Problem suchen.“

Alexios warf den Kopf zurück und lachte laut. Fasziniert betrachtete Athena die harten Muskeln, die sich unter dem dünnen Stoff seines Hemds abzeichneten, und bildete sich ein, das Testosteron förmlich zu riechen.

„Playboy?“, stieß er hervor. „Das hat noch keine Frau zu mir gesagt.“

Athena schaute ihm wieder in die Augen. Er war wirklich attraktiv und ausgesprochen sexy.

„Nein? Dann machen Sie sich normalerweise nicht an traurige, einsame Frauen auf Santorin ran?“

„Nur wenn sie bildhübsch sind“, antwortete er mit einem unwiderstehlich charmanten Lächeln.

Jetzt lachte auch Athena. Das Gespräch war absurd, der Mann unverschämt, gleichzeitig aber auch sehr erfrischend. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt so amüsiert hatte.

„Da haben Sie’s! Wenn Sie lachen, sind Sie noch schöner.“

Das traf auch auf ihn zu. Die Lachfältchen nahmen ihm das Strenge. Wie er sie anschaute … fast liebevoll, als würden sie sich schon ewig kennen. Irgendwie beunruhigend.

Dabei kannte niemand auf dieser Insel Athena. Keiner wusste, dass sie sich auf Santorin aufhielt. Von der Anwaltskanzlei war sie direkt in ihre Wohnung zurückgekehrt, hatte schnell eine Reisetasche gepackt und im Taxi zum Flughafen den Flug gebucht.

„Also, wie sieht’s aus?“, fragte er. „Leisten Sie mir beim Abendessen Gesellschaft oder wollen Sie den Abend allein und schlecht gelaunt verbringen und Ihren Entschluss ein Leben lang bereuen?“

„Sie sind ja ganz schön selbstsicher.“

„Nein, aber ich möchte mit Ihnen zu Abend essen und Sie näher kennenlernen.“

„Warum?“

„Weil ich spüre, dass mir das sehr gefallen wird.“

Unglaublich, aber sie war gar nicht mehr so abgeneigt, auch wenn es völlig untypisch für sie war, sich mit einem Fremden zu verabreden. Das war viel zu gefährlich. Die Anwälte hatten sie eindringlich gebeten, ab sofort besonders vorsichtig zu sein.

Wäre es wirklich so schlimm, dem einladenden Blick dieser schokoladenbraunen Augen zu erliegen? Sie fand Alexios anziehend. Warum sollte sie nicht auch mal ein wenig Spaß haben? Niemand kannte sie. Möglicherweise hätte man sie früher mal erkannt, als sie noch öfter auf Zeitungsfotos aufgetaucht war. Aber diese Zeiten waren vorbei. Als Teenager war sie eine Zeitlang über die Stränge geschlagen. Inzwischen war Athena klüger, verantwortungsbewusster und entschlossen, nicht wieder für Schlagzeilen zu sorgen. Sie wollte kein Risiko eingehen.

„Ich kann nicht“, sagte sie schließlich. Der Verstand hatte die Oberhand gewonnen. „Vielen Dank für das Gespräch. Es war …“

„… verführerisch?“

„Interessant.“ Sie korrigierte ihn, obwohl seine Beschreibung eher zutraf. Jemand drängte sich hinter ihren Stuhl. Vermutlich ein Kellner, der schnell den Nebentisch abräumen wollte. Daher wartete Athena einen Moment, bevor sie den Stuhl zurückschob und aufstand.

„Es war wirklich nett, mit Ihnen zu plaudern. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“ Sie wollte nach ihrer Tasche greifen, fasste jedoch ins Leere. Suchend sah sie auf dem Boden nach. Nichts.

„Was ist los?“, erkundigte sich Alexios.

„Meine Handtasche ist weg.“ Im nächsten Moment beobachtete Athena, wie ein Mann Richtung Ausgang eilte – mit ihrer Handtasche unter dem Arm!

„Haltet den Dieb!“ Aufgeregt zeigte sie auf den flüchtenden Mann. „Er hat meine Handtasche gestohlen.“

„Sie warten hier!“ Blitzschnell schaltete Alexios und nahm die Verfolgung auf.

Ein Kellner eilte heran. „Ich bin untröstlich. Hoffentlich wird der Dieb schnell dingfest gemacht. Darf ich Ihnen noch eine Tasse Kaffee bringen? Das geht natürlich aufs Haus“, versicherte er ihr.

Einen weiteren Kaffee konnte sie jetzt nicht gebrauchen. Ihr Herz klopfte sowieso schon viel zu heftig. In der Handtasche befanden sich Pass und Brieftasche. Alexios musste den Dieb zur Strecke bringen, sonst war sie verloren. Der Typ hatte einen Vorsprung und kannte sich in den Gassen von Thera sicher gut aus.

„Danke, ich hätte lieber ein Wasser.“

Im Handumdrehen kehrte der Kellner mit einer Flasche Mineralwasser und einem kleinen Glas Ouzo zurück. „Der beruhigt die Nerven.“ Aufmunternd lächelte der Mann ihr zu. Eine amerikanische Touristin am Nebentisch schimpfte laut über die Unverfrorenheit des Diebs, fügte aber beruhigend hinzu: „Ihr Mann hat schnell reagiert und wird ihn sicher fangen.“

Abwesend nickte Athena. Gerade war ihr ein schrecklicher Verdacht gekommen: Vielleicht steckten Alexios und der Dieb unter einer Decke. Einer lenkte das Opfer mit Komplimenten ab, der andere schlug zu, wenn die Gelegenheit günstig war.

Ausgerechnet ihr musste das passieren! Statt hier tatenlos herumzusitzen, sollte sie zur nächsten Polizeistation gehen. Athena versprach dem Kellner, später zu bezahlen, doch der winkte nur ab. In diesem Moment erklang lauter Jubel, die Gäste applaudierten, denn Alexios betrat das Café – außer Atem, aber … mit ihrer Handtasche!

Erleichtert schloss Athena kurz die Augen. Dann war Alexios auch schon bei ihr und reichte ihr triumphierend die Tasche.

„Vielen, vielen Dank.“ Schnell überprüfte sie, ob auch nichts fehlte, und sah dann auf. „Ich wollte gerade zur Polizei gehen. Sollten wir den Dieb nicht anzeigen, damit er nicht noch mehr Leute bestiehlt?“

„Das wird nicht nötig sein. Ich habe ihm gründlich die Leviten gelesen. Glauben Sie mir, der schlägt so schnell nicht wieder zu.“

„Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll“, sagte Athena leise.

Seine schönen Augen funkelten vergnügt. „Ich wüsste da schon etwas. Essen Sie zusammen mit mir zu Abend.“

Konnte sie jetzt noch Nein sagen? Sie hatte ihn für einen Komplizen des Diebes gehalten, doch Alexios hatte sich als vertrauenswürdig erwiesen. Schuldbewusst blickte Athena zu Boden. Dann fasste sie einen Entschluss und sah strahlend auf. „Ich würde mich sehr freuen, Sie heute Abend zu begleiten.“

2. KAPITEL

Er hatte sie am Haken! Alexios’ Plan war aufgegangen. Nicht, dass er je daran gezweifelt hätte. Alles war wie am Schnürchen gelaufen. In Gedanken rieb Alexios sich die Hände, während er Athena durch die labyrinthartig schmalen, sich windenden Gassen zu dem Tisch führte, den er für zwei Personen hatte decken lassen. Der Ausblick auf den Sonnenuntergang war von hier aus atemberaubend.

„Santorin ist meine Lieblingsinsel. Genau genommen ist Santorin sogar mein Lieblingsort auf diesem Planeten“, erzählte er schließlich, um das Schweigen zu brechen.

„Meiner auch.“

„Tatsächlich? Dann haben wir ja schon was gemeinsam. Ein guter Start, oder?“

Sie lächelte amüsiert. „Das haben wir wohl mit vielen Menschen auf dieser Welt gemeinsam.“

„Stimmt.“ Nachdenklich ging Alexios weiter. Ihm war bewusst, dass er Athena noch lange nicht da hatte, wo er sie haben wollte. Sie war noch immer sehr misstrauisch. Aber sie war auch eine wahre Schönheit. Wenn sie lachte, funkelten ihre tiefblauen Augen, und bezaubernde Grübchen bildeten sich neben ihren aufregend sinnlichen Lippen. Außerdem bewegte sie sich sehr graziös in ihrem verführerischen Kleid im Stil der Fünfziger. Er konnte es kaum erwarten, es ihr auszuziehen …

Mit ihr ins Bett zu gehen wäre sicher ein Vergnügen. Wenn sie dann nach lustvollen Stunden im siebten Himmel schwebte, konnte er sie um ihr Vermögen bringen, ohne dass sie es merkte.

Falls sie ihm dann doch auf die Schliche käme, hätte er seine Rache.

Es war perfekt.

Sie unterhielten sich angeregt, während sie immer wieder müden Eseln auswichen, die ihnen mit Touristen auf dem Rücken entgegenkamen, und standen schließlich hoch oben auf dem Berg vor einem verschlossenen Tor. Alexios gab einen Code ein, stieß das Tor auf und überließ Athena höflich den Vortritt.

Die staunte nicht schlecht, als sie sich weit über der Caldera auf dem Vorplatz eines im venezianischen Stil erbauten Palastes wiederfand. Ein Zeugnis der Besatzung Santorins durch die Venezianer Jahrhunderte zuvor.

„Ich dachte, Sie führen mich in ein Restaurant aus“, sagte sie verblüfft.

„Es ist ein sehr privates Restaurant“, behauptete er. „Mit dem besten Ausblick von ganz Thera. Ich bin hier abgestiegen.“

„Sie sind Gast hier?“

„Kommen Sie, wir gehen auf die Terrasse.“

Athena stand am Tor und rührte sich nicht von der Stelle. „Wer sind Sie?“, fragte sie misstrauisch.

„Alexios. Alexios Kyriakos.“ Mit Blick auf das noch offen stehende Tor erklärte er: „Von innen kann man es ohne Code öffnen. Aber ich kann es auch offen lassen. Falls Sie meinen, flüchten zu müssen.“ Er legte eine Kunstpause ein. „Falls Sie mir immer noch nicht über den Weg trauen.“

Las er da etwa Schuldbewusstsein in ihrem Blick? Nein, er musste sich getäuscht haben. Sie vertraute ihm jetzt.

Zerknirscht schüttelte sie den Kopf und schob sich eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr. „Entschuldigung, aber ich bin heute etwas nervös. Insbesondere nach dem Vorfall im Café. Sie können das Tor ruhig schließen.“ Athena trat einen Schritt vor, damit Alexios das imposante Tor zuziehen konnte.

Dann ging er mit ihr ums Haus herum, wo die riesige Terrasse mit dem spektakulären Ausblick auf die kleinen Inseln jenseits der Caldera lag. Durch heftige Vulkanausbrüche vor Tausenden von Jahren war diese zauberhafte Landschaft entstanden. Direkt unter ihnen befand sich die Ausbuchtung einer nackten, aus Vulkangestein geformten Felswand, sodass der Eindruck entstand, sie würden über dem Kraterrand schweben.

Zwischen den Inseln des Archipels ging langsam die Sonne unter.

Athena stützte sich mit den Händen auf die Balustrade und genoss das faszinierende Schauspiel. Der Wind hatte etwas aufgefrischt und trug eine salzige Meeresbrise zu ihnen herüber. „Einfach fantastisch“, sagte sie andächtig.

„Ja, nicht wahr?“ Alexios stand etwas abseits und ließ ihr alle Zeit der Welt, sich an dem Naturschauspiel zu erfreuen. Sie sollte sich sicher und geborgen fühlen. Außerdem bereitete es ihm Freude, Athena einfach nur zu beobachten, bis der richtige Moment gekommen war.

Verzückt wandte Athena sich kurz um. Im Licht des roten Sonnenuntergangs glänzten ihre blauen Augen wie Edelsteine.

„Wir können es uns auch bequem machen und etwas essen“, schlug Alexios vor und deutete auf die offenen Terrassentüren.

Athena folgte seinem Blick und entdeckte einen festlich für zwei Personen gedeckten Tisch.

Misstrauisch kniff sie die Augen zusammen. „Wie ist das möglich? Wir haben uns doch erst heute Nachmittag kennengelernt.“

Sie ist wirklich sehr misstrauisch, dachte er vergnügt. Wenn sie wüsste …

„Das Personal hat mich zum Abendessen erwartet. Als Sie meine Einladung angenommen haben, brauchte ich nur kurz zu telefonieren und darum zu bitten, für zwei Personen zu decken.“

Sie kam näher, atmete tief den Duft von Thymian und Rosmarin ein, der in kleinen Vasen den Tisch zierte.

„Verstehen Sie jetzt, warum ich diesen Abend nicht allein genießen wollte?“

„Ja. Es ist wunderschön hier oben. Vielen Dank für die Einladung.“

Höflich rückte er ihr einen Stuhl zurecht, setzte sich ihr gegenüber, und schon wurde das Festmahl serviert: frisches, noch warmes Brot; verschiedene Dips; Saganaki mit eingelegten Feigen; fangfrischer, wunderbar zarter Tintenfisch; Fleisch vom Grill und dazu ein wunderbarer Vinsanto.

„Einfach köstlich“, befand Athena, lehnte sich zurück und hob ihr Glas.

Alexios prostete ihr zu. „Freut mich, dass es Ihnen schmeckt.“

„Sagen Sie mal, Alexios, was tun Sie eigentlich hier so ganz allein auf der Insel?“

„Ich habe geschäftlich hier zu tun.“

„Ach ja?“

„Ja. Und ich habe keine Partnerin, die ich hätte mitbringen können.“

Interessiert sah Athena ihn an „Wie kommt’s? Sie machen einen wohlhabenden Eindruck, und hässlich sind Sie auch nicht gerade, wie Sie sehr wohl wissen.“

„Das ist ja mal ein Kompliment.“ Er lachte amüsiert. „Ich bin wohl ein Workaholic. Manche werfen mir vor, ich wäre regelrecht besessen.“

Besessen von der Suche nach Gerechtigkeit.

„So schlimm kann es nicht sein, sonst hätten Sie mich nicht angesprochen.“

„Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, wie einsam es um mich geworden ist. Als ich Sie dann im Café entdeckt habe, war mir klar, dass sich etwas ändern muss.“

„Da laden Sie mir aber ziemlich viel Verantwortung auf die Schultern. Hoffentlich werden Sie nicht enttäuscht.“ Sie lächelte keck.

„Jetzt machen Sie sich über mich lustig“, beschwerte er sich, erwiderte aber gleich darauf ihr Lächeln.

„Tut mir leid, ich bin nicht besonders gut im Flirten.“

„Ich auch nicht. Aber es fängt an, Spaß zu machen. Darf ich fragen, warum Sie allein hier sind?“

„Santorin ist meine Lieblingsinsel. Ich komme her, wenn ich nachdenken will“, erzählte sie.

„Müssen Sie denn über viele Dinge nachdenken?“

„Ja, das müssen wir wohl alle mal“, antwortete sie ausweichend. „Was machen Sie eigentlich beruflich?“

Gut gekontert, dachte er. Irgendwann wird sie mir schon erzählen, was sie umtreibt. Je desinteressierter er sich gab, desto eher würde er ans Ziel kommen.

„Ich habe mit Containerschiffen zu tun, mit Frachtern, mit Fahrplänen. Viel langweiliger Papierkram.“

„Langweilig ist das ganz bestimmt nicht. Führen Sie ein Familienunternehmen?“

„Nein, ich habe keine Familie.“

Erstaunt musterte sie ihn. „Niemanden?“

Verbitterung machte sich in ihm breit. Sein Leben würde ganz anders aussehen, wenn Athenas Vater in seiner Gier nicht alles zerstört hätte. Entschlossen schluckte er seinen Frust hinunter. Immerhin hatte der ihn darin bestärkt, sein Ziel weiterzuverfolgen.

„Nein, niemanden.“

„Oh.“ Sie biss sich auf die Lippe und drängte aufsteigende Tränen zurück. „Dann haben wir noch etwas gemeinsam. Meine Mutter ist gestorben, als ich sechzehn war. Und meinen Vater habe ich vor einem Monat verloren.“

Er warf ihr einen mitfühlenden Blick zu. Insgeheim triumphierte er jedoch. Athenas Geschichte war traurig, aber sie war nichts, verglichen mit seiner eigenen, die von Verrat und Gier handelte. „Sind Sie nach Santorin gekommen, um darüber nachzudenken?“

„Vielleicht.“ Tränen schimmerten in ihren Augen. Schnell wandte sie den Blick ab und betrachtete das in Rot und Gold getauchte Meer. „Sehen Sie doch! Die Sonne geht gleich unter.“ Sie stand auf und ging zur Terrassenbrüstung.

Alexios folgte ihr. Gemeinsam bewunderten sie die nun rosa schimmernden weißen Häuser entlang der Caldera.

„Wunderschön“, hauchte Athena ergriffen.

Du bist wunderschön, dachte Alexios. Und bald bist du mein. Bei der Vorstellung loderte Verlangen in ihm auf. Es war die perfekte Rache, sogar noch viel verheerender als ursprünglich geplant. Schade nur, dass Stavros sie nicht mehr erlebte.

„Schauen Sie mal!“ Mit den Fingerspitzen berührte er ihren Rücken und zeigte mit der anderen Hand auf eine Segeljacht, die von den Strahlen der untergehenden Sonne in rotgoldenes Licht getaucht wurde.

Athenas Körper reagierte sofort auf die federleichte Berührung. Nun wusste Alexios, dass er am Ziel war. Die geliebte Tochter seines Erzfeindes war reif für sein perfides Spiel. Zuerst würde er ihr den unersättlichen Liebhaber vorgaukeln, sie dann fallen lassen und ihr das Herz brechen. Sein Vater war ja auch an den Machenschaften ihres Vaters zerbrochen. Und dann würde er sie ihrem trostlosen Schicksal überlassen.

Wie verzaubert betrachtete Athena den spektakulären Sonnenuntergang. Es kam ihr vor, als wäre dieses Naturschauspiel exklusiv für sie und Alexios gemacht. Als wären sie die einzigen Menschen auf der Welt.

Als Alexios die Hand zurückzog, war Athena im ersten Moment enttäuscht, denn allein diese leichte Berührung hatte ein erregendes Prickeln in ihrem Körper ausgelöst. Aber sie spürte noch seine Nähe, atmete den Duft seines Aftershaves ein und war umfangen von seiner Körperwärme.

Er war ihr so nahe, unternahm jedoch keinen Versuch, die Stimmung zwischen ihnen zu nutzen. Fast unmerklich lehnte sie sich zurück, sodass ihr nackter Arm seinen berührte. Sofort wurde ihr heiß. Sie wünschte, er würde sie endlich küssen, sozusagen als Zugabe zu dem romantischsten Sonnenuntergang der Welt.

Die Luft zwischen ihnen knisterte förmlich. Doch Alexios machte keine Anstalten, darauf zu reagieren.

Nun war die Sonne im Meer versunken, und die Caldera lag im Dunkeln.

„Wunderbar“, murmelte er schließlich.

Athena stützte sich wieder auf die Brüstung und seufzte enttäuscht, weil Alexios nicht auf ihre sehnsüchtigen Signale reagierte. Offenbar war es ihm tatsächlich nur um eine nette Gesellschaft beim Abendessen gegangen.

Entschlossen wies Athena ihre Libido in die Schranken. „Ja, ein spektakuläres Schauspiel.“ Sie wandte sich um. „Vielen Dank, dass ich es gemeinsam mit Ihnen genießen durfte. Und natürlich auch für das köstliche Abendessen. Jetzt sollte ich mich wohl auf den Heimweg machen.“

„Wollen Sie nicht noch auf einen Kaffee bleiben?“

„Danke, nein.“ Sie schämte sich, weil sie offensichtlich zu viel in seine Einladung hineininterpretiert hatte. Langsam kehrte sie zum Tisch zurück, wo sie ihre Handtasche gelassen hatte. „Ich muss Ihnen etwas gestehen“, sagte sie leise.

„Ach ja?“

Sie nickte. „Ja. Als Sie vorhin dem Dieb nachgelaufen sind, habe ich einen Moment lang gedacht, er wäre Ihr Komplize und ich würde meine Handtasche nie wiedersehen.“

Amüsiert schüttelte er den Kopf. „Das haben Sie mir zugetraut?“

Sie ließ den Kopf hängen. „Es tut mir leid. Aber ich war so schrecklich aufgewühlt.“

„Zuerst haben Sie mich sogar für einen Playboy gehalten“, gab er vergnügt zu bedenken.

„Erinnern Sie mich bloß nicht daran.“

Mit einem Arm stützte er sich an der Wand neben ihr ab. „Sie dachten, ich wollte Sie verführen.“

„Ich habe keine Ahnung, was ich gedacht habe. Aber immerhin war ich allein, und Sie waren sehr charmant. Da habe ich wohl etwas missverstanden. Entschuldigung.“ Entschlossen streckte sie die Hand zum Abschied aus. „Vielen Dank für den bezaubernden Abend.“

Nachdenklich betrachtete Alexios die dargebotene Hand. „Bist du enttäuscht?“, fragte er leise.

„Wieso?“

„Weil ich nicht versucht habe, dich zu verführen.“

„Ach so. Ich weiß nicht …“

Ihre Blicke trafen sich. In seinem las sie Unsicherheit. Athena hätte nicht gedacht, dass dieser Mann ebenso unsicher war wie sie selbst. Eigentlich wirkte er doch sehr souverän.

„Ich wollte dich küssen“, sagte er schließlich leise.

„Wirklich?“

„Ja, als wir beide den Sonnenuntergang beobachtet haben und du vollkommen verzückt warst, habe ich mich danach gesehnt, dich zu berühren.“

„Und warum hast du es nicht getan?“, erkundigte sie sich und versuchte, möglichst beiläufig zu klingen.

„Ich hatte Angst, du würdest davonlaufen.“ Er schaute ihr tief in die Augen. „Wärst du weggelaufen?“

Wieder spürte sie diese Spannung zwischen ihnen. Athena stockte der Atem.

„Hättest du die Flucht ergriffen, Athena?“, hakte er nach.

Sie spürte, dass das keine leichtfertige Frage war. Dieser Mann konnte ihr gefährlich werden. Sie musste aufpassen.

Aber sie wollte nicht aufpassen. Nicht heute. Nicht an diesem besonderen Abend.

„Nein“, stieß sie heiser hervor.

Er beugte sich vor, streichelte zärtlich ihre Wange, ließ den Finger über ihre bebenden Lippen gleiten. „Du bist so wunderschön, viel atemberaubender, als selbst der spektakulärste Sonnenuntergang es sein könnte. Vom ersten Augenblick an habe ich dich begehrt.“

Athena genoss seine Liebkosung, spürte Alexios’ warmen Atem auf ihrer Haut, sehnte sich nach mehr Nähe.

„Ich will nichts mehr, als dich zu küssen. Du musst mich nur darum bitten“, flüsterte er an ihrem Mund.

Instinktiv spürte sie, dass es nicht bei einem Kuss bleiben würde. Dazu war das durch ihren Körper pulsierende Verlangen viel zu heftig. Athena ging aufs Ganze …

„Dann küss mich“, forderte sie.

Er stieß einen heiseren, gleichzeitig triumphierenden Laut aus, der wilde Lust in ihr entfesselte. Dann zog er Athena an sich und küsste sie.

Seine Lippen fühlten sich warm und erstaunlich weich auf ihren an. Sein Kuss war sanft, zärtlich, verführerisch. Als er fordernder wurde, stöhnte sie leise.

Die Knie wurden ihr weich. Sie suchte Halt an Alexios’ muskulösem Körper, ließ die Hände über seine Schultern gleiten. Als auch er sie zu streicheln begann, lösten seine Berührungen ein heißes Pulsieren tief in ihr aus.

Voller Verlangen drängte sie sich ihm entgegen, spürte, wie sehr ihre Nähe und ihr Kuss ihn erregten.

Nein, ein Kuss reichte nicht. Sie wollte alles.

3. KAPITEL

Seufzend öffnete Athena den Mund. Sofort schlüpfte Alexios mit der Zunge zwischen ihre Lippen, lockte sie zu einem erotischen Tanz. Erneut drängte Athena sich enger an den harten Männerkörper, während Alexios ihre Brustknospen verwöhnte und sie damit schier um den Verstand brachte.

Er wurde kühner, umfasste ihren Po mit beiden Händen, und Athena stöhnte lustvoll auf.

Nur äußerst widerstrebend unterbrach Alexios schließlich den leidenschaftlichen Kuss und flüsterte an ihrem Mund: „Bleib bei mir, Athena. Komm in mein Bett.“

Darauf gab es nur eine Antwort. Fordernd küsste sie ihn, presste ihre Lippen auf seine und drängte sich an ihn, wollte ihn komplett spüren. Sie hungerte nach seiner Nähe, nach den intensiven Empfindungen, die er ihr schenken konnte.

Viel zu lange war sie wie betäubt gewesen. Der Tod ihres Vaters und die Folgen hatten sie sehr mitgenommen. Ihre Mutter hatte sie schon vor langer Zeit verloren, nun war sie ganz allein auf der Welt. Zwar war die Beziehung zu ihrem Vater schwierig gewesen, trotzdem fehlte er ihr jetzt. Wie in Trance hatte sie die vergangenen Wochen erlebt. Für Emotionen hatte ihr schlichtweg die Kraft gefehlt.

Zum Glück hatte Alexios sie nun aus diesem Zustand befreit. Endlich empfand sie wieder Lebensfreude, blühte auf wie eine Blume im Frühling, die kraftvoll durch die Schneedecke brach.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, hob Alexios sie hoch, stieß eine Tür auf und trug Athena in ein großes Zimmer mit hoher Decke. Dort ließ er sie behutsam auf ein Himmelbett mit rot-goldenen Vorhängen gleiten – die Farben des Sonnenuntergangs. Sein intensiver Blick ruhte auf ihr, ausgestreckt auf seinen Laken. „Du bist so wunderschön.“

Bei seinen liebevollen Worte keimte neue Hoffnung auf ein besseres Leben in ihr auf. Athena wünschte es sich so sehr.

Langsam knöpfte er sein weißes Hemd auf und streifte es ab, und Athena konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Zum Vorschein kamen breite Schultern, ein muskulöser Oberkörper und ein Waschbrettbauch. Die Hose folgte dem Hemd. Die ganze Zeit schaute er Athena tief in die Augen, daher merkte er es, als ihr kurz Zweifel kamen. Schnell beugte er sich vor und küsste sie wieder, während er geschickt den Reißverschluss ihres Kleides öffnete. Ohne Hast zog er ihr das Kleid aus, sodass sie nur in hauchdünnen Dessous seinem heißen Blick preisgegeben war. So schutzlos hatte sie sich noch nie gefühlt.

Erneut unterbrach er den Kuss, um sie eingehend zu betrachten. Dann begann er, sie sanft zu streicheln, die Innenseite ihrer Schenkel, ihre Hüften, die Taille, die Schultern. Fest zog er sie an sich. Ein Beben durchlief Athena. Sie wollte ihn endlich richtig spüren!

Doch er spannte sie auf die Folter, widmete sich ihren Brüsten, während sie seinen Rücken streichelte. Geschickt öffnete Alexios ihren BH, verwöhnte die harten Brustknospen mit Lippen und Zunge, bis Athena sich unter ihm vor Lust wand. Nun schob er die Hand unter ihren Seidenslip und widmete sich ihrem sensibelsten Punkt. Wildes, ungezügeltes Verlangen durchströmte sie, ihr Atem ging immer schneller, sie war dem Höhepunkt so nah. Als sie dann noch spürte, wie er einen Finger in sie hineingleiten ließ, ließ Athena sich fallen und gab sich ihrer Lust hin: Sie bäumte sich auf und kam – heftig, überwältigt von heißen Wogen, die durch ihren Körper liefen, sie in ungeahnte Höhen entführten. Ihr einziger Fixpunkt war der Mann, der ihr diese Freuden bereitete und sich nun über sie beugte und heiße Küsse auf ihrem Gesicht verteilte.

„Tut mir leid“, flüsterte sie verlegen. Sie war so unerfahren, wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.

Er verschloss ihr den Mund mit einem Kuss. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“

„Aber …“

„Das war erst der Anfang.“

Atemlos sah sie zu, wie er seine schwarzen Boxershorts auszog. Er ist noch größer, als ich dachte, stellte sie staunend fest und spürte erneut heißes Begehren.

Alexios zog eine Nachttischschublade auf und griff nach einem Kondom. „Da siehst du, was du mit mir machst, mikro peristeri.“

Erstaunt sah sie auf. „Wieso nennst du mich Täubchen?“

Langsam schob er sich zwischen ihre Beine, ließ die Hand zu ihrer Mitte gleiten. „Weil du die ganze Zeit kurz davor warst, mir davonzufliegen.“

Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, weil er erneut damit begann, sie zu reizen und zu verwöhnen. „Jetzt fliege ich nicht davon.“

„Nein.“ Lächelnd setzte er seine Liebkosungen fort. „Du bist ein wahres Geschenk. Ich bin so glücklich, dass ich dich getroffen habe.“

Er ließ sich alle Zeit der Welt, umspielte mit der Zunge ihre empfindsamen Brustknospen, küsste Athena halb um den Verstand und glitt mit dem Finger in sie. Als sie keuchte und sich um ihn zusammenzog, nahm er einen zweiten Finger dazu und rieb gleichzeitig ihren empfindsamsten Punkt mit dem Daumen. Vor Lust konnte Athena kaum mehr atmen. Nie hätte sie gedacht, dass sie so kurze Zeit später noch einen Orgasmus haben könnte, doch nun steuerte sie direkt darauf zu.

In diesem Moment zog Alexios seine Hand weg und drang mit einer geschmeidigen Bewegung tief in sie ein. „Du bist so unglaublich schön“, raunte er an ihrem Mund.

Es fühlte sich wunderbar an, so von ihm ausgefüllt zu sein. Ihr ganzer Körper kribbelte vor Verlangen, schon bevor Alexios begann, sich zu bewegen. Erst langsam, dann immer schneller. Sie fanden einen gemeinsamen Rhythmus, und der Raum war erfüllt von Athenas Stöhnen, von Alexios’ Keuchen, von geflüsterten Koseworten. Die Spannung wuchs und wuchs, bis sie es beide nicht mehr aushalten konnten. „Alexios!“ In dem Augenblick, als Athena ihre Lust hinausschrie, gab auch er sich ganz dem unbeschreiblichen Gefühl hin, das sie gemeinsam geschaffen hatten.

Alexios stand am Fenster und schaute hinaus auf den schlafenden Vulkan. Am Himmel stand eine silberne Mondsichel, in der Bucht lag eine weiße Jacht vor Anker.

Er wandte sich um, warf einen Blick aufs Bett. Dort lag Athena im Mondschein, das lange Haar auf dem Kopfkissen ausgebreitet. Sie schlief tief und fest. Erst war sie auf seine List hereingefallen, dann war sie in sein Bett gesunken – einfach so. Das hatte er erwartet. Aber mit ihrem sexuellen Appetit hatte er nicht gerechnet. Oder damit, dass sie sich in seinen Armen so hingebungsvoll fallenließ. Er hatte den Eindruck, dass auch sie davon überrascht gewesen war.

Wie bedauerlich, dass Stavros Nikolides nicht mehr erleben konnte, wie seine wunderschöne Tochter nackt und höchst befriedigt auf dem Bett seines Erzfeindes lag. Auf dem Bett des Mannes, dessen Vater er eiskalt hintergangen und in den Ruin getrieben hatte.

Bei näherer Betrachtung musste Alexios jedoch feststellen, dass diese Vorstellung unlogisch war. Wäre Stavros noch am Leben, hätte er ja seinen ursprünglichen Rachefeldzug durchführen können, der Nikolides selbst zum Ziel hatte. Dann wäre Athena allerdings auch nicht in seinem Bett gelandet. Alles war gut so, wie es war. Rache schmeckte süß.

Ja, Stavros würde für seine gemeinen Machenschaften teuer bezahlen. Alexios ballte die Hand zur Faust und versetzte der Wand neben ihm einen Hieb. Diese unglaubliche Ungerechtigkeit ließ ihn fast zerspringen vor ohnmächtiger Wut. Doch nun hatte er ja ein Ventil gefunden.

„Alexios?“, fragte Athena verschlafen hinter ihm. Ihre heisere, schläfrige Stimme klang erstaunlich sexy. Am liebsten hätte er sich gleich wieder zu ihr gelegt. „Was ist los? Kannst du nicht schlafen?“

„Ich habe nachgedacht“, erklärte er.

„Worüber?“

Er massierte seine Hand. „Darüber, was wir morgen unternehmen könnten.“

„Musst du denn nicht arbeiten?“

„Die Arbeit kann warten. Es sei denn, du fliegst mir gleich wieder davon, mein Täubchen.“

Sie zögerte, biss sich auf die Unterlippe, kam dann zu einem Entschluss. „Wenn du willst, bleibe ich.“

Zufrieden lächelnd kehrte er zurück ins Bett und zog Athena in die Arme. „Perfekt.“

Die Segel blähten sich im warmen Wind der Ägäis, das Boot nahm Fahrt auf. Schließlich waren die Kreuzfahrtschiffe und die ausgetretenen Touristenpfade in weite Ferne gerückt. Athena und Alexios lagen an Deck und sonnten sich, nachdem sie ausgiebig im strahlend blauen Wasser der Caldera geschwommen waren.

Die Felswände auf dieser Seite der Insel waren so steil, dass man sie kaum erklimmen konnte. Vom Hafen aus gab es nur einen sehr gefährlichen Weg. Es war interessant, das um den Krater gelegene Inselarchipel aus dieser Perspektive zu betrachten. Die Lagen aus Bimsstein und Asche, die der Vulkan vor über dreitausend Jahren bei heftigen Eruptionen ausgespuckt hatte und die die Felswände bildeten, waren farblich deutlich voneinander zu unterscheiden. Die gewaltigen Explosionen hatten die Insel fast vollständig zerstört und damals fast alle Bewohner in den Tod gerissen.

„Was gibt’s denn da so Interessantes zu sehen?“ Alexios drehte sich auf die Seite und folgte Athenas Blick.

„Ach, ich finde es einfach erstaunlich, dass wir hier ganz friedlich auf einem aktiven Vulkan segeln, der vor Jahrtausenden eine ganze Zivilisation ausgelöscht hat. Wir schaukeln hier sanft auf der Caldera, die in der Sonne glitzert wie Brillanten, und können uns kaum vorstellen, dass sich so eine Katastrophe jemals wiederholen wird.“

„Die Menschen damals müssen panisch reagiert haben, als der Vulkan ausgebrochen ist“, vermutete Alexios. „Es muss eine schreckliche Katastrophe gewesen sein.“

„Na ja, die meisten Bewohner hatten die Insel schon lange davor verlassen.“ Athena richtete sich auf. „Es gab immer wieder verheerende Erdbeben. Viele Familien sind auf ihren Booten entkommen und haben in Anatolien und auf Kreta eine neue Heimat gefunden. Die Menschen, die die ursprüngliche Insel noch eher verlassen hatten und sich in weiter entfernten Regionen ansiedelten, haben richtig Glück gehabt.“

„Wieso?“

„Weil die verheerende Eruption einen Tsunami auslöste, der sich einige Hundert Meilen ausgedehnt hat. Die Flotte der Minoer an der Nordküste Kretas wurde vollständig zerstört. Nicht nur Santorin – oder Thera, wie die Insel damals genannt wurde – war betroffen, durch den Vulkanausbruch wurde auch Asche in die Luft geschleudert. Jahrelang verhinderte eine dunkle Aschewolke, dass das Sonnenlicht auf die Erde dringen konnte. Die Vegetation lag komplett brach, sodass die Menschen, die den Vulkanausbruch überlebt hatten, verhungerten. Das war das Ende der minoischen Zivilisation.“

Erstaunt setzte Alexios sich auf und musterte sie.

Athena lachte verlegen. „Entschuldige, da ist es mal wieder mit mir durchgegangen. Ich bin Archäologin, und mein Spezialgebiet ist die minoische Kultur.“

Zärtlich griff Alexios nach ihrer Hand und küsste ihre Fingerknöchel. „Kein Grund, sich zu entschuldigen. Ich habe leider nur wenig Ahnung von Geschichte. Erzähl mir mehr, ich finde das sehr interessant.“

Lächelnd gehorchte sie. „Die Legende um Atlantis soll hier vor mehr als dreitausend Jahren entstanden sein. Eine unglaublich reiche und kultivierte Zivilisation wurde vom Meer verschluckt.“

„Was hältst du davon?“, fragte er neugierig.