Haftungshinweis:
Das „Schulfach Glückskompetenz“ ersetzt keine notwendigen Therapien oder Behandlungen. Lehrkräfte, die im Rahmen des „Schulfachs Glückskompetenz“ die erlernten Techniken vermitteln, üben diese auf eigene Verantwortung aus. Das „Schulfach Glückskompetenz“ stellt keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung dar. Es ist nicht geeignet, um psychische Störungen aufzuarbeiten. Die Autorin haftet nicht für Schäden, insbesondere an Eigentum und Gesundheit, vor, während und nach Einsatz der Arbeitsmaterialien. Für die Korrektheit, Aktualität und Vollständigkeit der Unterrichtsinhalte sowie die Erreichung des jeweils angestrebten Lernziels übernimmt die Autorin keine Haftung. Ebenso nicht für etwaige Folgeschäden, welche aus fehlerhaften und/oder unvollständigen Seminarinhalten entstehen.
Wenn die Leute so schnell gehen,
können sie den Regenbogen gar nicht sehen.
Sie schauen auch nicht, wie bunte Schmetterlinge fliegen,
oder sich die Grashalme im Wind verbiegen.
Sie würden gerne glücklich sein,
doch da fällt ihnen keine Idee zu ein.
Sie könnten so viel Schönes machen,
hüpfen, singen oder lachen.
Stattdessen zeigen sie nur ein mürrisches Gesicht,
und spüren den kleinen Glückskäfer auf ihrer Nase nicht.
Und so vergehen viele Tage
und ich stelle mir die Frage:
Gibt es etwa nicht für alle Glück
oder gibt man es irgendwann zurück?
Und wenn das Glück am Ende nicht für alle reicht,
bin ich dann irgendwann auch mürrisch vielleicht?
Gibt es einen, der das versteht?
Ich möchte selber lernen, wie das geht.
Eine Glücksschule für Kinder, das wäre fein
dann können wir für immer glücklich sein!
(Gedicht von Carina Mathes, entstanden in ihrer Grundschulzeit)
Liebe Leserinnen und Leser,
dieses Buch für Lehrkräfte dient der Vorbereitung der Schulstunden im „Schulfach Glückskompetenz“ für Mädchen und Jungen ab dem Grundschulalter. Damit der Text schneller gelesen und verstanden werden kann, ist im Plural von Schülerinnen und Schülern (anstatt von Schüler/-innen) die Rede. Im Singular wird „Schüler“ gleichwohl für Mädchen und Jungen verwendet, denn sobald die zugehörigen Possessive sein/ihr im Satz vorkommen, hemmt die Schreibweise mit Schrägstrich den Lesefluss. Die von der Autorin verwendete Schreibweise und die direkte Ansprache der Lehrkraft erleichtern das Textverstehen.
Im Jahr 2006 hatte ich einen Traum, der so real war, dass er mich noch tagelang in Gedanken begleitete:
Ich sitze, mitten in einer Gruppe von Kindern, irgendwo auf einem fremden Planeten, auf einer weichen Wiese in der Frühlingssonne. Vor uns steht ein älterer, sehr weise wirkender Herr, der uns über das Glück berichtet.
Die Kinder hängen gebannt an seinen Lippen und auch ich verfolge aufmerksam seine Worte: „Kinder, jeder von euch ist selbst für sein Glück zuständig. Ihr könnt niemand anderen dafür verantwortlich machen. Und deshalb werden wir gemeinsam lernen, wie ihr zu glücklichen und zufriedenen Menschen werden könnt.“
Dieser Traum dauerte nicht sehr lang, er glich eher einer kurzen Sequenz, in der es mehr zu spüren als zu sehen gab. Rückblickend kann ich jedoch sagen, dass zu diesem Zeitpunkt die Idee zu „Schulfach Glückskompetenz“ ihren Ursprung fand und zu reifen begann.
Und so ist es, nachdem fast zehn Jahre vergangen sind, eine großartige Freude, das fertige Curriculum „Schulfach Glückskompetenz“ endlich und tatsächlich in den Händen zu halten.
Es ist mir ein Herzenswunsch, dass unsere Kinder lernen, was sie selbst für ein glückliches und erfülltes Leben tun können.
Das Wort Glück stammt vom mittelniederdeutschen gelucke (ab dem 12. Jahrhundert) bzw. von dem mittelhochdeutschen gelücke und beschreibt die Art, wie etwas gut endet oder gelingt.
Und so wünsche ich mir, dass bereits die Kinder erkennen, dass sie es zum größten Teil selbst in der Hand haben, ob ihnen ihr Leben gelingt und ob es „am Ende gut ausgeht“.
Doch nur wer das nötige Handwerkszeug hat und seine Möglichkeiten kennt, der ist auch in der Lage, Verantwortung für sein Denken und Handeln zu übernehmen. Mit dem Curriculum „Schulfach Glückskompetenz“ möchte ich meinen Beitrag dazu leisten.
Mögen viele, viele Schülerinnen und Schüler, deren Eltern, Erziehungsberechtigte, Lehrerinnen und Lehrer in den Genuss dieses Schulfachs kommen und dadurch bei der Chance unterstützt werden, dass ihnen ein glückliches und erfülltes Leben gelingt.
Mit besten Wünschen
Das „Schulfach Glückskompetenz“ kombiniert das Wissen und die Erkenntnisse sowohl aus der Resilienzforschung als auch aus der Glücks- und Gehirnforschung. Gleichzeitig basieren viele Übungen auf den Ansätzen der Positiven Psychologie. Das Schulfach soll dazu beitragen, die Schülerinnen und Schüler zu resilienten und authentischen Personen heranreifen zu lassen. Sie sollen lernen, Verantwortung für ihr Glücksempfinden zu übernehmen. Dabei wird Glück in diesem Zusammenhang nicht als Aneinanderreihung intensiver Glücksmomente verstanden.
Unter Glückskompetenz verstehen wir vielmehr die Fähigkeit, emotional stabil zu bleiben, egal, was das Leben gerade zu bieten hat. Die Herausforderung sowohl mit den glücklichen als auch den nicht so glücklichen Ereignissen des Lebens sinnvoll und produktiv umzugehen, ist eine Fähigkeit, die wir lernen können. Mit dem „Schulfach Glückskompetenz“ werden unterschiedliche Ideen, Strategien und Handlungsweisen vermittelt, die es dem Lernenden ermöglichen, adäquat auf eintreffende Lebensereignisse zu reagieren. Im Vordergrund steht hierbei immer das emotionale Erleben: „Wie kann ich in der jeweiligen Situation entscheiden, denken oder handeln, sodass es mir und meinem Gegenüber gut dabei geht?“
Der Begriff Resilienz leitet sich von dem lateinischen Wort resiliere ab und bedeutet soviel wie „zurückspringen, abprallen“. Die resiliente Person hat die Fähigkeit, Stress und Schicksalsschläge sozusagen von sich abprallen zu lassen und damit ihre psychische Gesundheit zu schützen.
Zunächst gingen Wissenschaftler davon aus, dass es sich bei der Resilienz um eine angeborene Fähigkeit handelt. Studien konnten diese Haltung aber widerlegen.
So kommt die amerikanische Entwicklungspsychologin Emmy Werner 1955 in der „Kauai-Studie“ zu dem Schluss, dass Resilienz nicht nur von der Persönlichkeit abhängt, sondern in der Kindheit erlernt wird. Werner untersuchte auf Hawai in einer Langzeitstudie über einen Zeitraum von 40 Jahren fast 700 Kinder eines Jahrgangs. Die Kinder wuchsen allesamt in schwierigen Lebensverhältnissen auf. Dennoch waren später einige von ihnen in ihrem Leben erfolgreich, machten eine gute Ausbildung und bekamen eine Arbeit. Andere wiederum brachen die Schule ab und wurden häufig straffällig. Werner zieht daraus den Schluss, dass Resilienz erlernbar ist. (Heller, Jutta, Prof. Dr.: Resilienz – 7 Schlüssel für mehr innere Stärke, 2014, S. 9)
Unter Resilienz versteht man auch die psychische Widerstandsfähigkeit, mit der ein Mensch es schafft, Krisen und Niederlagen zu meistern und mit den Widrigkeiten des Lebens gut umzugehen. Die Autoren Robert Brooks und Sam Goldstein kommen zu folgender Definition: „Der Begriff Resilienz umfasst die Fähigkeit eines Kindes, mit Druck und Belastungen fertig zu werden, die täglichen Herausforderungen zu bewältigen, sich angesichts von Enttäuschungen oder unerfreulichen und traumatischen Erfahrungen rasch wieder zu fangen, klare und realistische Zielvorstellungen zu entwickeln, Probleme zu lösen, gut mit den Mitmenschen zurechtzukommen, sich selbst und anderen mit Respekt zu begegnen.“ (Das Resilienzbuch – Wie Eltern ihre Kinder fürs Leben stärken, 2013, S. 21)
Einige Faktoren fördern die Resilienz in der Kindheit: Kinder, die in einem stabilen sozialen Umfeld aufwachsen, enge emotionale Beziehungen zu ihren Bezugspersonen haben und für das, was sie tun, sowohl Achtung als auch Akzeptanz der Erwachsenen erfahren, haben gute Chancen, diese innere Stärke zu entwickeln. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Eltern bzw. die Bezugspersonen als gute Vorbilder fungieren. Denn daraus lernen die Kinder, wie sie als Erwachsene mit Problemen, Niederlagen oder Schicksalsschlägen umzugehen haben. Soziale Netzwerke, feste Freundschaften und allgemein positive Erfahrungen mit anderen Menschen tragen dazu bei, dass sich ein Kind resilient entwickeln kann.
„Resiliente Kinder fühlen sich als die, die sie sind, und damit als etwas Besonderes, und sie wissen, dass sie wertgeschätzt werden. Sie haben gelernt, sich realistische Ziele zu setzen und realistische Erwartungen zu hegen. Sie haben die Fähigkeit zur Problemlösung und Entscheidungsfindung entwickelt und betrachten folglich Fehler, widrige Umstände und Hindernisse eher als Herausforderungen, denen man sich stellen muss, und nicht als Belastungen, denen man besser aus dem Weg gehen sollte“, so Brooks und Goldstein. (Das Resilienzbuch – Wie Eltern ihre Kinder fürs Leben stärken, 2013, S. 26)
Dank der Resilienzforschung kennen wir heute eine Reihe von Faktoren, die die seelische und körperliche Widerstandsfähigkeit stärken können und somit zur Resilienz eines Menschen beitragen können:
Akzeptanz:
Zukunftsorientierung:
Selbstwirksamkeit:
Verantwortung:
Selbstvertrauen:
Soziale Kontakte:
Optimismus:
Lösungsorientiertheit:
Ressourcen:
Resiliente Menschen lassen sich von schwierigen Lebenssituationen und Rückschlägen nicht dauerhaft entmutigen. Einer Redensart nach werden resiliente Menschen daher auch mit einem Stehaufmännchen verglichen. Ähnlich wie die Spielzeugfigur scheinen sie ihre aufrechte Haltung aus jeder beliebigen Lebenslage wieder einnehmen zu können. Sie reagieren kreativ und flexibel in Krisensituationen und sehen Belastungen und Probleme eher als Herausforderung denn als unüberwindbares Hindernis an. Gleichzeitig lassen sie sich von Krisen nicht unterkriegen und erholen sich schneller von Fehlschlägen oder Niederlagen als weniger resiliente Menschen.
Brooks und Goldstein beschreiben resiliente Kinder folgendermaßen:
„In ihrem Selbstkonzept herrschen die Vorstellungen von Stärke und Kompetenz vor. Sie haben wirksame interpersonale Fertigkeiten sowohl im Verhältnis zu ihren Altersgenossen als auch im Verhältnis zu Erwachsenen entwickelt und können sich Hilfe und Unterstützung in angemessener und unaufgeregter Weise von solchen Erwachsenen holen, die eben diese Unterstützung leisten können. Und schließlich können sie diejenigen Aspekte ihres Lebens benennen, die sie beherrschen, und ihre Energien und ihre Aufmerksamkeit auf diese Faktoren richten anstatt auf andere, die sie nur begrenzt oder gar nicht beeinflussen können.“ (Das Resilienzbuch – Wie Eltern ihre Kinder fürs Leben stärken, 2013, S. 26)
Der Begriff Positive Psychologie bezeichnet einen Forschungszweig der wissenschaftlichen Psychologie und wurde vom US-amerikanischen Psychologen Martin E. P. Seligman geprägt. Dieser hat darüber nachgedacht, wie die Menschen „in ihrem Leben von plus 2 auf plus 7 kommen können, und nicht nur darüber, wie sie von minus 5 auf minus 3 kommen und sich von Tag zu Tag ein bisschen weniger unglücklich fühlen können.“ (Der Glücks-Faktor – Warum Optimisten länger leben, 2008, S. 11)
Wurde bis vor einigen Jahren hauptsächlich darüber geforscht, warum Menschen psychisch krank werden, um entsprechende Behandlungsmöglichkeiten entwickeln zu können, so erforscht die Positive Psychologie, was Menschen stärkt und wie es gelingen kann, dauerhaft psychisch gesund zu bleiben. Leitgedanke hierbei ist, dass sich durch den Wegfall von Unglück nicht automatisch Glück ergibt. Glück und subjektives Wohlergehen können und sollten aktiv angestrebt werden.
Die Positive Psychologie sucht nach Faktoren und Prozessen, die sowohl dem Einzelnen als auch der Gesellschaft ein „gutes Leben“ ermöglichen. Seligman signalisiert: „[…Jetzt aber] ist die Zeit der Positiven Psychologie gekommen, einer Wissenschaft, die positive – und nicht nur negative – Emotionen zu verstehen sucht, die bemüht ist, Stärken und Tugenden aufzubauen und Wegweiser aufzustellen, um [… Ihnen] zu ermöglichen, das zu finden, was Aristoteles das ‚gute Leben‘ genannt hat“. (Der Glücks-Faktor – Warum Optimisten länger leben, 2008, S. 12)
Um universelle, überall auf der Welt geltende Tugenden herauszufinden, wurden insgesamt 200 Tugend-Kataloge gesichtet und ausgewertet. (daselbst, S. 219)
Ergebnis dieser groß angelegten Recherche war, dass sechs Tugenden, verteilt über die ganze Erde und im Zeitraum von über 3.000 Jahren in allen Traditionen immer Bestand hatten:
Weisheit und Wissen,
Mut, Liebe und Humanität, Gerechtigkeit,
Mäßigung, Spiritualität und Transzendenz.
Martin E. P. Seligman ist der Auffassung, dass wir mithilfe unserer Stärken diese Tugenden erlangen können. Daher wurden diesen sechs Grundtugenden insgesamt 24 Charakterstärken zugeordnet, von denen man ausgeht, dass sie in engem Zusammenhang mit der Lebenszufriedenheit eines Menschen stehen:
1. Weisheit und Wissen
2. Mut
3. Liebe und Humanität
4. Gerechtigkeit
5. Mäßigung
6. Transzendenz
(Quelle: http://www.seligmaneurope.com/files/ruch_2014.pdf; Stand: 27.06.15, 14:38 Uhr)
Laut Positiver Psychologie spielen die Charakterstärken eines Menschen eine große Rolle für das eigene Wohlbefinden. – Das Konzept von „Schulfach Glückskompetenz“ orientiert sich deshalb an den Ideen der Positiven Psychologie. So haben viele der praktischen Übungen das Ziel, Charakterstärken zu erkennen, zu trainieren und zu kultivieren, die die Lebenszufriedenheit fördern.
Der folgende Abschnitt vermittelt einen Eindruck darüber, wie das „Schulfach Glückskompetenz“ im Kontext der Glücks- und Gehirnforschung zu sehen ist. Exemplarisch werden Ergebnisse des deutschen Neurobiologen Prof. Dr. med. Joachim Bauer und des deutschen Entwicklungsbiologen und Hirnforschers Prof. Dr. Gerald Hüther zitiert.
Der Neurobiologe Prof. Dr. med. Joachim Bauer schreibt in seinem Buch „Lob der Schule“, „dass es derzeit sowohl um die Schüler- als auch um die Lehrergesundheit schlecht bestellt ist.“ (Lob der Schule – Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern, 2010, S. 7) Vielen Kindern fehle heutzutage die Motivation in Bezug auf Schule.
Was für den Psychologen Albert Bandura schon in den sechziger Jahren feststand, konnte durch die Entdeckung der Spiegelnervenzellen inzwischen wissenschaftlich belegt werden; so schreibt Bauer: „Kinder lernen am Modell, sie orientieren sich also an dem, was sie um sich herum sehen“ (daselbst, S. 8). Doch konstruktives und effizientes Lernen ist nur dort möglich, wo das richtige Betriebsklima herrscht. Laut Bauer mangelt es an stabilen und persönlichen Beziehungen. „Die Schule scheitert an der Unfähigkeit der Beteiligten, die wichtigste Voraussetzung für gelingende Bildung zu schaffen: konstruktive, das Lernen befördernde Beziehungen.“ (daselbst, S. 14)
Denn laut Bauer reiche bereits „die bloße Aussicht auf Anerkennung und Wertschätzung“ (daselbst, S. 22) aus, um bei einem Menschen seine Motivationssysteme zu aktivieren.
Umgekehrt konnten Studien aber auch zeigen, dass bei Menschen, die isoliert oder sozial ausgegrenzt werden, Gene im Bereich dieser Motivationssysteme inaktiv werden. (daselbst, S. 22)
Auch Prof. Dr. Gerald Hüther, Entwicklungsbiologe und Hirnforscher, weist in seinem Buch „Gehirnforschung für Kinder“ daraufhin, wie wichtig ein gesundes Betriebsklima für die Entwicklung ist. Seiner Meinung nach brauchen Kinder Geborgenheit und Herausforderung. Laut Hüther ist die Lust am Entdecken und Gestalten angeboren: „Probleme bewältigen, daraus Selbstvertrauen und Zuversicht gewinnen, neue Herausforderungen suchen – das ist der natürliche Lernzyklus, den Kinder mit Lust und Begeisterung immer wieder durchlaufen.“ (Gehirnforschung für Kinder – Felix und Feline entdecken das Gehirn, 2009, S. 57)
Doch schreibt er weiter, dass genau dieser natürliche Lernzyklus sehr empfindlich ist und allzu schnell gestört werden kann. Kinder, denen das Gefühl vermittelt wird, dass sie ihre Aufgaben nicht gut oder schnell genug erledigen und deren Anstrengungen nicht gewürdigt werden, verlieren ihre natürliche Lust am Lernen. Durch Gleichaltrige, die angeblich alles besser können und wissen, werden die Kinder manchmal entmutigt. Dann machen die eigenen Bemühungen keinen Spaß mehr und die Kinder sehen in ihrer Arbeit nur noch eine lästige Pflicht. Oft genug geschieht dies auch durch die eigenen Eltern, Erzieher oder Lehrer, die die Bemühungen des Kindes nicht sehen und nicht wertzuschätzen wissen, nicht zufrieden sind mit dem Ergebnis oder zu ungeduldig sind, und dem Kind keine Zeit lassen, selbst auf die Lösung zu kommen.
So schreibt die Zeitschrift Focus online: „Mit der Entdeckung der neurobiologischen Zentren für Motivation und Zielstrebigkeit fanden die Forscher heraus: Lebensfreude und Erfolgsstreben werden durch die Botenstoffe Dopamin, Oxytozin und Opioide gesteuert. Diese werden verstärkt oder vermindert ausgestoßen, je nachdem, wie viel Interesse, Aufmerksamkeit, Anerkennung und persönliche Wertschätzung einem Menschen entgegengebracht wird – besonders einem Kind.“ (http://www.focus.de/familie/lernen/forschung/angst-ist-ein-bildungskiller-lernen_id_1960875.html; Stand: 01.07.15, 14:14 Uhr)
Eine Redewendung sagt: „Kinder brauchen Wurzeln und Flügel“. Einerseits brauchen sie Geborgenheit und Stabilität und andererseits Veränderung und Herausforderung. Hier das gesunde Mittelmaß zu finden, ist für Eltern, Erzieher und Lehrkräfte sicherlich eine der schwierigsten, aber auch eine der wichtigsten Aufgaben, um das heranwachsende Kind optimal zu fördern. Kinder benötigen gewisse Rahmenbedingungen, innerhalb derer sie sich frei entfalten können. Laut Hüther blühen Kinder dann auf, wenn sie sich geborgen und mit der Gemeinschaft verbunden fühlen und sich gleichzeitig immer wieder kleineren Herausforderungen stellen können, an denen sie sich ausprobieren und wachsen können.
Zusammenfassend wird deutlich, welch großen Stellenwert die emotionale und soziale Kompetenz im Bereich der Schule und des Lernens allgemein einnimmt. Nur wenn es Lehrenden und Lernenden gelingt, stabile und persönliche Beziehungen aufzubauen, ist eine fruchtbare Zusammenarbeit machbar; ist effizientes Lernen möglich.
Das „Schulfach Glückskompetenz“ kann dazu beitragen, die soziale und emotionale Kompetenz sowohl bei Schülerinnen und Schülern als auch bei Lehrerinnen und Lehrern zu fördern und zu steigern. Durch die neugewonnene Achtsamkeit sich selbst, aber auch anderen gegenüber, ist der Grundstein für positive und gelingende Beziehungen gelegt.
Eine Schule, die dem Wohlbefinden des Einzelnen und der Gemeinschaft einen deutlichen Stellenwert einräumt, trägt dazu bei, ein Betriebsklima zu entwickeln, in dem Schülerinnen und Schüler ihre natürliche Lust am Lernen wiederentdecken und erleben können.
Es gibt mehrere Faktoren, die für die Einführung des „Schulfachs Glückskompetenz“ sprechen. Nicht nur das natürliche Streben der Menschen nach Glück, sondern auch die Tatsache, dass Glück erlernbar ist, unterstreichen die Relevanz dieses Schulfachs. Außerdem macht die alarmierende Zahl von depressiven Grundschülern eine Beschäftigung mit den emotionalen Kompetenzen der Kinder beinahe unabdingbar. Ein weiterer Punkt ist, dass dank der Gehirn- und Lernforschung immer deutlicher wird, welch negativen Einfluss Stress und Angst auf das Lernen haben und wie positiv auf der anderen Seite angenehme Gefühle das Abspeichern von Lerninhalten unterstützen können.
Das Bedürfnis nach Glück ist in jedem Menschen fest verankert.
So ist es nicht verwunderlich, dass das Streben nach Glück ein fester Bestandteil der amerikanischen Verfassung vom 4. Juli 1776 ist: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Unabh%C3%A4ngigkeitserkl%C3%A4rung_der_Vereinigten_Staaten; Stand: 08.07.15, 13:33 Uhr)
Jeder Mensch stillt diese Glücksbedürfnisse auf seine ganz spezielle Art.
Wir gehen zum Beispiel arbeiten, um Geld zu verdienen, oder weil uns die Arbeit Spaß macht. Im Idealfall können wir beides miteinander verbinden. Wenn wir uns bei unserer Arbeit mit unseren persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen können, dann beschert uns dies ein Gefühl von Nützlichkeit, was wiederum Glücksgefühle in uns hervorruft. Verdienen wir mit unserer Arbeit nicht nur Anerkennung, sondern auch Geld, können wir uns weitere Glücksbedürfnisse erfüllen. Zum Beispiel erwerben wir ein eigenes Dach über dem Kopf, bezahlen unseren Kindern die Ausbildung, fahren regelmäßig in den Urlaub und kaufen uns die Lebensmittel, die uns satt und gesund halten. So kann man sagen, dass Geld letztlich ein Platzhalter für Glück ist, ein Tauschmittel, um Glücksbedürfnisse erfüllen zu können.
Bei all den Möglichkeiten, die uns heute geboten werden, kommt es dann auch vor, dass wir uns verzetteln. Ein Dschungel an Verlockungen gaukelt uns das ganz große Glück vor, und mit unserer Sehnsucht nach dem permanent anhaltenden Glücksmoment fallen wir manchmal nur allzu gern darauf hinein. So schreiben die Autoren Köcher und Raffelhüschen in ihrem „Glücksatlas Deutschland 2011“: „Eine regelmäßige Erkenntnis lautet entsprechend, dass Menschen nicht immer genau wissen, was sie zufrieden macht, und dass sie manchmal sogar mehrheitlich auch entgegen ihrem Glück handeln.“ (Glücksatlas Deutschland, 2011, S. 42)
So scheint es wichtig und sinnvoll, sich dem Bedürfnis nach Glück auch in der Schule thematisch anzunehmen, vor allem in einer Zeit, in der Werbung und Medien den Blick auf das echte Glück leicht verstellen können. Wir alle wenden tagtäglich ein Höchstmaß an Energie auf, um unsere Glücksbedürfnisse erfüllen zu können.
Das „Schulfach Glückskompetenz“ kann dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler ein besseres Bewusstsein für ihre eigenen Glücksbedürfnisse erlangen und ihnen dadurch vielleicht der ein oder andere Irr- oder Umweg in ihrem Leben erspart bleibt. Gleichzeitig sollen sie lernen zu erkennen, was tiefes Glücksempfinden ausmacht, um es von dem flüchtigen, oft in der Werbung versprochenen Glücksmoment unterscheiden zu können.
Das Streben nach Glück ist nach dem Willen zu Leben unser zweitwichtigstes Bedürfnis. Es ist Grundlage all unserer Gedanken, Gefühle und Handlungen und darum ein elementarer Bereich unserer Lebenskompetenz.
Schon in der Grundschule leiden viele Kinder unter Angst, Stress und Leistungsdruck. Der Schulalltag, inklusive Unterricht, Hausaufgaben und Pauken am Nachmittag, ist für viele Kinder eine enorme Belastung. Schon Zweit- und Drittklässler fühlen sich gestresst.
Laut einer Studie des Kinderschutzbundes im Sommer 2011: „[…] ist die Schule für die Kinder fast bundesweit der meistgenannte Stressfaktor, noch vor „Ärger und Streit“ und Auslösern in der Familie. Bereits ein Viertel der Zweit- und Drittklässler fühlt sich oft oder sogar sehr oft gestresst.“ (http://www.sueddeutsche.de/bildung/studie-des-kinderschutzbundes-grundschueler-leiden-unter-stress-1.1529302; Stand: 05.08.15, 10:54Uhr)
Auslöser für Stress in der Schule sind heutzutage sicherlich auch die gravierenden Leistungsunterschiede unter den Schülerinnen und Schülern. Da gibt es Kinder, die schon vor der Einschulung vereinzelt lesen und ein paar Buchstaben schreiben können, andere, die dies erst noch lernen wollen und wiederum andere Kinder, die noch mit Sprachentwicklungsproblemen zu kämpfen haben. All diesen Kindern gerecht werden zu wollen, bedeutet auch für die Lehrerinnen und Lehrer eine enorme Herausforderung. Zusätzlich ist der Umgangston der Schülerinnen und Schüler untereinander deutlich rauer geworden und der Lärmpegel in den Schulen gestiegen. Auch der Lebensalltag vieler Kinder und Jugendlicher hat sich verändert. Ein erhöhter Konsum an digitalen Medien sorgt dafür, dass die Kinder sich mehr in ihre eigenen vier Wände zurückziehen und sich weniger an der frischen Luft bewegen.
Dabei sind vor allem Bewegung, Licht und Sauerstoff gute Mittel gegen emotionale Verstimmungen. „Bei zwei bis vier Prozent der Kinder im Grundschulalter stellen Fachärzte eine depressive Episode von mehreren Wochen oder Monaten fest, bei Jugendlichen sind es 14 Prozent, fast so viel wie bei Erwachsenen mit 20 Prozent.“ (http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article/37984700/Zahl-depressiver-Kinder-nimmt-dramatisch-zu.html; Stand: 05.08.15, 11:23 Uhr)
Symptome wie Bauch- und Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schlafstörungen oder auch Aggressionen können Anzeichen einer solchen Depression sein. Neben Leistungsdruck, Versagensangst und schulischer Überforderung ist Mobbing einer der Risikofaktoren, die zu einer Depression führen können. Stress und Belastung durch Beschimpfungen in der Schule oder in sozialen Netzwerken sind nicht zu unterschätzen.
Laut Gerd-Schulte Körne von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität München seien fast 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler damit konfrontiert, aber die wenigsten würden darüber sprechen, weil sie sich für ihr vermeintliches Versagen schämen. (http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article137984700/Zahl-depressiver-Kinder-nimmt-dramatisch-zu.html; Stand: 05.08.15, 11:41 Uhr)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Stress und Mobbing schon in der Grundschule ein ernst zu nehmendes Thema darstellen, dem mit geeigneten Methoden und der Aufklärung bei Schülern, Eltern und Lehrern begegnet werden sollte.
Schülerinnen und Schüler, die mit Angst und unter Druck lernen, speichern den Lernstoff mit den Gefühlen der Angst und des Druckes ab. Rufen sie später den Lernstoff ab, so rufen sie auch gleichzeitig die Angstgefühle wieder ab. Gehirn- und Lernforscher Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer beschreibt es so: „Wenn sie unter einer negativen Emotion lernen, also einer unangenehmen Emotion, dann wird der Inhalt – und der kann ganz neutral sein – abgespeichert in einem Bereich, der für negative Emotionen zuständig ist.“ (Interview vom 28.11.2004, Start 2, Seite 1: www.2.ibw.uni-heidelberg.de; Stand: 01.07.15, 13:42 Uhr)
An diesem Prozess beteiligt ist unter anderem die Amygdala (auch Mandelkern genannt). Diese verwaltet wie ein Filter alle Informationen, die auf unser Gehirn eintreffen. Sind wir ruhig und entspannt, dann ist dieser Filter weit geöffnet und lässt die Informationen durchfließen zu höher liegenden Gehirnarealen. In diesem Zustand ist es möglich, zu einem Thema oder einer Fragestellung noch viele weitere damit verknüpfte Gedanken und Ideen abzurufen. Der Schüler ist fähig, kreative Problemlösungen zu finden, Verknüpfungen von Themen herzustellen oder auch eine gelernte Regel auf eine neue Aufgabe anzuwenden. Genau diese Transferleistungen sind in einem gestressten oder angstvollen emotionalen Zustand kaum möglich. Spitzer erklärt: „Da gibt es schöne Experimente, die das zeigen: Wenn sie [die Schüler, A.d.V.] ängstlich sind, sind sie nicht mehr kreativ. Wenn Sie also heute dafür sorgen, dass jemand etwas lernt und zwar mit seinem Mandelkern, weil die Atmosphäre schlecht ist, weil Sie mit dem Rohrstock immer noch, zumindest im Kopf, die Pädagogik betreiben, dann sorgen Sie, selbst wenn jemand etwas dabei lernt, dafür, dass er das Gelernte in dreißig Jahren nicht für die Probleme, die er oder die Gesellschaft dann hat, wird benutzen können. Deswegen ist es so unglaublich wichtig, dass wir dafür sorgen, dass in unseren Schulen mit Spaß gelernt wird und nicht mit Angst.“ (Interview vom 28.11.2004, Start 3, Seite 2: www.2.ibw.uni-heidelberg.de; Stand: 01.07.15, 13:42 Uhr)
Unser Gehirn reagiert auch heute noch ähnlich wie in Urzeiten mit bestimmten geistigen und körperlichen Reaktionen auf akuten Stress. War man als Urmensch einer Gefahrensituation ausgesetzt, wurde man zum Beispiel von einem gefährlichen Tier bedroht, so hatte man keine Zeit, das Problem in Ruhe zu durchdenken. Eine schnelle Reaktion war notwendig. In Stresssituationen reagiert unser Gehirn heute noch wie vor Urzeiten.
Spitzer erklärt: „Was immer Sie in den Mandelkern reintun, wenn Sie es rausholen, mobilisieren Sie gleichzeitig die Angst und die entsprechenden körperlichen Reaktionen. Angst kann zwar kurzfristig das Einspeichern von neuen Inhalten fördern und das rasche Ausführen einfacher gelernter Routinen fördern. Wer Angst hat, kann aber nicht mehr kreativ sein.“ (Badische Zeitung vom 17.05.2003, „Die Lust am Lernen“; BZ-Interview: Der Gehirnforscher Manfred Spitzer über Chancen und Fehler von Schulen; Seite 2, http://www.kultusportal-bw.de/site/pbsbw/get/documents/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/Projekte/smv-bw/pdf/SMV_Lust-am-Lernen_Spitzer.pdf; Stand: 01.07.15, 15:02 Uhr)
Diesen Zustand können wir zum Beispiel bei einem typischen Prüfungsblackout beobachten. Das Gehirn des Prüflings steht so unter Angst, Druck und Stress, dass es nur noch einen Ausweg sieht: Es muss den Prüfling auf die „drohende Gefahr“ vorbereiten. Stress fühlt sich für unser Gehirn an wie Gefahr. Für Gefahr kennt unser Gehirn nur drei sinnvolle Reaktionen: fight – flight – freeze (kämpfen – flüchten – totstellen). Und genau auf diese drei Reaktionsmöglichkeiten bereitet uns unser Gehirn in Bruchteilen von Sekunden vor: Die Muskulatur spannt sich an, Blutdruck und Puls steigen, der ganze Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt. In diesem Zustand sind wir bestens gerüstet, um zu kämpfen, schnell wegzulaufen oder wenn das nicht mehr möglich ist, dann in einer Art Starre, ähnlich dem Prüfungsblack-out, zu verharren.
Alle geistigen Funktionen des Gehirns sind in diesem Zustand eingeschränkt. Die Amygdala hat ihren Informationsfilter ganz eng eingestellt, sodass kaum noch Informationen durchfließen können. Die kognitiven Fähigkeiten sind in diesem Zustand sehr eingeschränkt, wir verfügen nur über einen Bruchteil unserer regulären geistigen Fähigkeiten. In dieser bedrohlichen Gefahrensituation sollen wir keine Zeit mit Nachdenken verlieren, sondern schnell und intuitiv reagieren.
Schülerinnen und Schüler, die mit Freude und Begeisterung bei der Sache sind, sind glücklich und haben Spaß am Lernen. Denn auch positive Emotionen koppelt das Gehirn mit dem Lernstoff. Schülerinnen und Schüler, die entspannt und mit Freude Lerninhalte aufnehmen, können diese nicht nur besser abspeichern, sondern auch bei Bedarf abrufen und auf neue Situationen anwenden. Diese Transferleistungen, Gelerntes abzurufen und auf neue Sachverhalte zu übertragen und so zu kreativen, neuen Denk- und Lösungsansätzen zu gelangen, können nur mit einem entspannten Gehirn gelingen. Beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler mit Aktivitäten, die sie gerne machen, so kommt es im Gehirn zur Ausschüttung von Dopamin und weiteren Botenstoffen, die dazu führen, dass die Aufmerksamkeit steigt und kreatives, konzentriertes Arbeiten und Lernen möglich wird. Eine entspannte Lernumgebung sowohl in der Schule als auch zu Hause ist daher unabdingbar für erfolgreiches Lernen.
Prof. Dr. med. Manfred Spitzer schlussfolgert: „Wir müssen dafür sorgen, dass das Lernen in einer positiven emotionalen Umgebung stattfindet. Nur dann werden unsere Kinder in 30 Jahren in der Lage sein, das Gelernte nicht nur herzubeten, sondern es zur kreativen Lösung von Problemen zu nutzen.“ (Badische Zeitung vom 17.05.2003, „Die Lust am Lernen“; BZ-Interview: Der Gehirnforscher Manfred Spitzer über Chancen und Fehler von Schulen; Seite 2, ; Stand: 01.07.15, 15:02 Uhr)