An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.
Erich Kästner
Mein ganz besonderer Dank gilt nicht nur meinen Lesern, sondern vor allem den Unfug-Produzenten dieser Welt, die mich so reichlich mit Input versehen haben. Und anscheinend wird es täglich mehr. Weiter so, Herrschaften. Da geht noch was.
B.B. Boss
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2016 Barthle B. Boss
Illustration: Barthle B. Boss, Kurai
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-741244681
Es ist wieder an der Zeit, mich meinem Ehrenamt zu widmen. Ich bin Vorsitzender der Initiative zur Förderung der Verachtung pseudoschwedischer Möbelbausätze. Die Aktivisten der Initiative bestehen derzeit aus exakt einer Person. Dem großen Vorsitzenden persönlich. Ich bin quasi eine Minigruppe. Klein…aber motiviert. Die Anzahl der Sympathisanten wächst allerdings ständig. Es ist schön, nicht ganz allein zu sein.
Es ist Samstag und somit Möbelhaustag. Frau und Tochter haben abgestimmt. Gegen mich. Ich darf mitmüssen. Wir pilgern zum Hotdog-Tempel am Rande der Stadt mit angeschlossenem Factory-Outlet-Store für Spanplattenmöbel. Für Kinder gaaaanz toll. Ballparadies. Hotdogstand. Öffentliche Playstation. Dazu gigatonnenweise Aufstellerchen, Hinguckerchen, Plunderkrams und Schnickschnack. In Farbe. Und bunt.
Alles trägt unaussprechliche Namen in flottem Schweineschwedisch. Es fehlt nur noch der spaßige, mettbällchenwerfende schwedische Koch aus der Muppetshow.
„Möbelschrott Möbelschrott römtömtömtöm...!“
Klonk...Klirr...Rabautz...
„Und heute wir wollen schrauben eine Möbel nach die Anleitung von die Tante Oooolsen!“
Schepper...Krach...zerbrech...
Natürlich ist der Parkplatz voll. Das bedeutet drei Kilometer Fußmarsch bis zum Eingang, umzingelt von Heerscharen beseelt dreinschauenden, erwartungsvoll sabbernden und giggelnden Frauen im Jagdfieber. Wozu noch Sex? Der ultimative Kick ist Möbelshopping. Im Schlepptau folgt die Hotdog-lüsterne Brut. Und zu guter Letzt folgt die Karawane von missmutig und abgestumpft dreinschauenden Zahlknechten, Packeseln und Transportsklaven.
Der Eintritt ins mutmaßliche Paradies erfolgt durch eine gigantische gläserne Schiebetür...zischhhhhhhh... und es öffnet sich die Vorhölle. Ich nehme allen Mut, den ich nur finden kann, trete ein und wieder...zischhhhhhhh...schließt sie sich hinter mir.
Da liegt es vor mir, das Labyrinth des Möbelschreckens. Der Albtraum hat viele Namen und Gesichter. Das Sortiment ist wacklig, spillerig, abstoßend hässlich und instabil. Ein Regal namens „Kötzig“. Betten aus der Serie „Wacklög“. Ein Tisch mit dem verheißungsvollen Namen „Ürks“.
Ich will hier nicht sein. Also hilft nur eins: Die direkte Konfrontation mit der Ursache.
Nach dem 15 Minuten dauernden Versuch, die Aufmerksamkeit der nach Schnäppchen gierenden Expeditionsleiterin zu erheischen, erhalte ich eine partielle Begnadigung. Gnädigste billigt meinen Rückzug ins Männerghetto. Ich bin eh nur Störfaktor. Allein schon die angewiderten Blicke des Packesels sind lusttötend. Also fort mit dem Kerl. Frau Königin will fröhlich sein. Juchheee.
In einer Art Foyer finde ich ein Sofa „Klapprig“ und einen Tisch “Windschöf“. Alles ist voller Prospekte, angefüllt mit Hölle pur. Bosch und Hohlbein waren unschuldige Kinder im Vergleich dazu. Und doch...ich bin im Vergleich zu anderen vom Glück verwöhnt. Keinesfalls alle Männer dürfen ins Ghetto „Männerfrieden“. Viele Transportsklaven benötigen im Anschluss eine fachkundige Therapie. Lebst Du wieder...oder schraubst Du noch? Es ist keinesfalls immer von Vorteil, handwerklich begabt zu sein. Mist.
Ich organisiere mir einen Kaffee „Blopp“ und einen Keks „Drösel“. Dann ergreife ich mein Handy...es lebe die Flat...und kommuniziere mit der freien Welt. Man spricht mir jeweils Mut zu. Es bestehe Hoffnung. Irgendwann würde auch die einkaufsstärkste Königin müde werden.
Bei Einbruch der Dämmerung nähert sich mir eine skandinavische Wanderdüne aus Tüten, Taschen und Berge von Kram. Obenauf, als Surf-Prinzessin der Plunderwelle, sitzt mein sich einen Hotdog quer in den Mund schiebendes Tochterkind. Sie ist mit Ketchup bekleckert, mit Röstzwiebeln bestreuselt, einem Gurkenscheibchen hinterm Ohr verziert und durch und durch glücklich.
Dann folgt die wellenschiebende Tsunami-Königin, die Einkaufsgewaltige und Verfügungsberechtigte der Konten des großen Vorsitzenden und Packesels. Und mit ihr der vernichtende „Blick“.
„Sitz doch nicht so rum...sei doch wenigstens einmal im Leben hilfreich!“
Aber das war ich bereits.
Der jüngst via Handy bestellte Tieflader fährt gerade vor. Im Anschluss an den Transport wandert der ganze Krempel in die jüngst angemietete und doch schon fast gefüllte Lagerhalle.
Demnächst landet alles bei Ebay. Vom Erlös kaufe ich Urlaub.
Und den machen wir in „Stockholm“.
Wir alle kennen den bewussten Möbelmarkt. Bösen Gerüchten nach hat der schwedische Möbelbastelshop gar keine echten Mitarbeiter, sondern nur Besucher, die einfach den Ausgang nicht mehr gefunden haben. Manche haben auch sicherlich überlegt, dort einzuziehen, anstatt weiterhin ihr Monatseinkommen im Möbelnirwana zu verbraten. Andere hingegen versuchten es im Labyrinth mit einer Abkürzung und kamen in Barcelona wieder raus.
Nichts geht über gute Möbel. Ich selbst liege gern, nur mit Socken und guter Laune bekleidet, auf dem Bett und schaue mir via PC Filme an. Leider mögen die Äköl-Möbäl-Verkäufer das überhaupt nicht. Intolerantes Pack, möbelverkaufendes. Und das Essen wird auch nicht am Bett serviert. Verbesserungsfähig. Vielleicht sollte das mal jemand anregen.
Trotz aller Ablehnung kommt „Mann“ oftmals nicht gegen den Möbelkoloss an. Die Gnädigste ist da gnadenlos. Aber auch dort setzt ein Prozess des Umdenkens ein. Nach der letzten femininen Aufforderung: „Wir müssen noch das neue Regal zusammenbauen!“ kam postwendend die maskuline Antwort vom Gefahrensucher: „Dann fang doch schon mal damit an!“ Und nachdem sie sich wutschnaubend mit dem beigelegten Fusselwerkzeug bewaffnet hatte und einen kreativen Nachmittag mit dem lustigen Bausatz-Teilchen verbrachte, war das Werk vollendet. Seitdem haben wir einen prima Rodelschlitten, der uns im Winter viel Freude bereitet.
Hurra! Endlich! Mein Telefon bimmelt. Ein Anruf. Für mich.
Freude. Ich greife zum Hörer.
„Einen schönen Tag, Herr Boss!“
Eine sympathische Stimme einer sicherlich attraktiven Frau haucht mir auf subtil erotische Weise meinen Namen ins Ohr. Gänsehaut pur.
Dann ein Kontrollblick auf das Display.
Mist auch. Eine Falle. Ich kenne diese Nummer.
Meine heißgeliebte Hausbank. Das Unternehmen, das mir rotzfrech 15 % Zinsen auf den Disporahmen berechnet.
Egal. Die Maus hat einfach die ultimative Stimme. Dynamit. Wow.
Ja...ich mache den Termin. Und sei es, um ihr zu gefallen.
Ich freue mich schon auf...wen bitte? Herrn Müller? Wer in aller Welt ist Herr Müller? Dreck! Callcenter! Ich hasse Callcenter. Ich Depp, ich.
Medienbedingt weiß ich, dass meine Rente gerademal für eine seniorengerechte Pappkiste unter der nächsten Brücke sowie Lebensmittel von den Tafeln reicht. Coole Aussichten.
Idyllisch. Mit den anderen zahnlosen Losern um die Reste aus dem Müll fighten.
Am Tag der Wahrheit betrete ich die Höhle des Löwen. Ich weiß: “Dilettanten überfallen eine Bank. Könner gründen eine.“
Ich bin weder das eine noch das andere.
Herr Müller ist völlig anders, als ich ihn mir vorgestellt habe. Nicht irgend so ein alter Sack mit hoher Stirn und Froschaugenbrille. Müller ist der Typ „junger dynamischer Überflieger mit stereotypen Dauergrinsen und viel zu großem blauen Anzug“.
Gleich zur Begrüßung erhalte ich ein Blatt in die Hand gedrückt, auf dem ich via Autogramm bestätigen soll, dass ich selbst ausdrücklich darauf bestanden haben soll, über die Riesterrente informiert zu werden. So nicht, Bürschlein. Ich verweigere die Kooperation. Müllers freundliches Dauergrinsen wird deutlich frostiger.
Jetzt identifiziert er mich als Gegner, nicht als Opfer. Nach 50 Minuten mir unendlich vorkommender Litaneien über Förderquote, tolle Rendite und Zulage und noch mehr Förderquote und noch tollere Rendite und ganz viel Zulage bläst er erneut zum Angriff.
Er nötigt mir einen Kuli und einen Antrag auf, hypnotisiert mich versuchsweise und betet weiter das Mantra der Vorteile sowie den Imperativ des Unterschreibens. Alles zu meinem Besten. Reine Nächstenliebe. Geschenke vom Staat. Na warte, Du Monetärvampyr. „Packen Sie es mir ein, ich nehme es mit. Dann recherchiere ich in Ruhe, überlege es mir und komme auf Sie zu.“
Das gefrostete Müllergrinsen sinkt auf den absoluten Nullpunkt. Weltraumkälte. Mundwinkel um das markante Kinn geschlungen.
Müller identifiziert mich nun nicht mehr als Gegner. Sondern als Feind.
Ich darf gehen müssen.
Seine Drohung, mich anzurufen, kommt nicht unerwartet.
Ich verlasse „Riester-Doom“ mit zitternden Synapsen, wackligen Knien sowie post-riesterialem Schweiß auf der Stirn.
Zu Hause höre ich meinen Anrufbeantworter ab. Es sind sechs Nachrichten. Eine ist von Müller.
Er bedankt sich nochmals für das angenehme Gespräch und bietet mir Entscheidungshilfe an.
Ich lösche die Nachricht. Genau wie die nächsten vier von HMI, ARAG, OVB und AWD.
Alles wegen Riester. Woher kennen die mich? Ich kenne die doch auch nicht. Will ich auch gar nicht. Der letzte Anruf ist von meiner Mutter. „Nie meldest Du Dich. Hast Du endlich abgenommen? Und...sag mal...tust Du inzwischen was für Deine Rente? Also...meine Bank hat da was gaaaaanz Tolles!“
„Bieeeeep“. Gelöscht.
Ich suche am AB die Riester-Anrufer-Sperrfunktion. Die gibt es aber nicht.
Am nächsten Tag hat mein Lebensmitteldiscounter zwar keinen Räucherlachs, dafür aber flotte Riesterprospekte. Mein Kaffee-Dealer spendiert pro Riesterrente zwei Pfund Supimocca.
Alte Freunde erinnern sich an mich und rufen mich an. Sie berichten spontan und caritativ über Riester und die DVAG. Und...ich bin mir sicher...die Zeugen Jehovas an meiner Tür haben gar keinen Wachturm in der Hand, sondern die „Königreichs-Rente“.
Abends sinke ich völlig paralysiert in meinen Lieblingsfernsehsessel. Bier, Fernbedienung und CSI. Von wegen CSI...Riesterwerbung von SAT1 bis RTL, von VIVA bis n-tv, von Teletext zu Teletext. Was genug ist, ist genug. Und das hier ist eindeutig zu viel.
Ich befrage meinen allerbesten Freund Google.
Fazit: Riester lohnt sich. (In meinem Hirn triumphieren lautstark alle Müllers dieser Welt).
Man muss nur älter als 98 Jahre werden. Ansonsten: Dickes Defizit für den Kunden. Pech gehabt. Aus die Maus. Von Versicherungsmathematikern ganz ohne Zweifel bewiesen.
Ich vernehme tief in meinem Inneren die Klagelaute des Müller-Geldvampyrs.
Dann trinke ich die restlichen neun Bier, lache laut und verbrenne den Antrag in meinem Papierkorb. Anschließend atomisiere ich den AB mit dem Hammer.
Irgendwo weit entfernt vernehme ich Müllers Schluchzen. Quote nicht erfüllt. Mecker vom Chef. Zur Strafe: Aktensortieren im Keller.
Nimm dies, Du Wurm.
Rache ist süß.
Das Wunderschöne an Besuchen beim Kreditinstitut der Wahl ist die Selbstschutzfunktion „Ich nehme das mit und lese es in Ruhe durch“, dicht gefolgt von „Ich muss das noch mit meiner Frau besprechen“. Der weise Mann geht also niemals in Begleitung der Gnädigsten in den Tempel der Kundenübervorteilung. Das hilft ungemein beim passiven Widerstand. Wie kommt es eigentlich, dass so viele mündige Menschen den völlig unrealistischen Versprechungen der meist dubiosen Hochdrucksverkäufer auf den Leim gehen? Ist denn heutzutage niemand in der Lage, im Internet ein wenig Recherche zu betreiben? Oder gibt es wirklich nur noch Titten- Fußball- und Autoseiten? Ach ja…und die Diät- und Modeseiten für die holde Weiblichkeit natürlich.
Aber anscheinend ist es so, wie das alte Sprichwort sagt: „Jeden Morgen steht ein neuer Tölpel auf, der betrogen werden will.“
Es tut gut, Freunde zu haben. Wahre Freunde sind selten.
Es klingelt an der Tür. Wer mag das wohl sein?
Neugier treibt den Menschen an. Ich öffne.
In der Tür steht, adrett und ordentlich, mein Freund Dietmar. Mist!
Nächstes Mal schaue ich, bevor ich die Tür öffne, durch den Spion. Insbesondere am Sonntagmorgen um 09.00 Uhr. Ich mag Dietmar. Er ist, so sagt er, mein bester Freund. Und ich bin sein bester Freund. Zudem sein einziger.
Außer...Mama natürlich.
Dietmar ist 30. Und lebt bei Mutti.
Mama macht alles für den jüngsten ihrer Kinder. Sie kocht, putzt, wäscht, kauft ein und sucht auch die passende Kleidung für den Jungen aus. Mama hat einen guten Geschmack aus den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dietmar trägt Leinenhosen, Hemd mit Blümchendekor, weiße Tennissocken und eine Windjacke in dezentem Beige. Weiße Tennissocken sind heutzutage ein totales No Go. Aber er trägt sie aus Überzeugung, so wie er auch bester Freund aus Überzeugung ist. Er fordert nichts als Gegenleistung, außer vielleicht der Gewissheit, der einzige und eben wirklich aller-, aller-, allerbeste Freund zu sein. Und...selbstverständlich...150 %-ige Zuwendung.
„Heyyy...Dietmar! Lange nicht mehr gesehen!“ Anklagender Blick. War wohl schon zu lange. Mein (nach eigener Ansicht) bester Freund tritt ein, leidend und mit feuchtem Blick.
Ich mag das nicht...und bin mir sicher in Bezug auf das, was gleich folgen wird.
Dietmar ist bedrückt, wenn nicht gar depressiv mit rudimentären manischen Anteilen.
Es gelingt ihm stets, das Leiden zu einer Kunstform zu erheben und episch zu zelebrieren.
„Was ist los mit Dir? Wieder voll im Stress?“
Dietmar setzt sich in den nächsten verfügbaren Sessel und...leidet stumm.
„Nun sag schon...was ist passiert?“
Zuerst 10 Minuten Litanei über den Ärger im Job, Stress mit der Familie und den neusten Begebenheiten aus dem Leben von Buffy, der Vampirjägerin. Dietmar ist Vorsitzender einer treuen Fangemeinde irgendwo im www. Sie alle lieben abgöttisch Buffys Art, Vampire mit mächtig spitzen Holzpflöcken zu durchbohren und in Staub zu verwandeln. PC-Spiele mit brutalen Inhalten stehen ebenfalls hoch in der Gunst dieser eingeschworenen Gemeinschaft. Nur reale Kontakte nicht. Menschen sind ja so unzuverlässige und unberechenbare Kreaturen. Dem Risiko einer realen Enttäuschung würde man sich niemals aussetzen.
Dann kommt das befürchtete Thema.
Mutti.
„Ich halte das nicht mehr aus...!“
„Was genau...? Das übliche Thema?
„Ja...genau das.“
Dietmars Mama Gitti ist herzensgut. Sie sorgt für ihren Lütten wie am ersten Tag. Die anderen Jungs sind schon lange aus dem Haus.
„Elke war wieder da?“
„Ja...wie üblich.“
Elke wohnt auf der anderen Straßenseite. Im Haus gegenüber. Sie ist Gittis ehemals beste Freundin. Ehemals...denn sie gebärdet sich seit einiger Zeit sehr unmanierlich. Elke hat einen Zweitschlüssel zu Gittis Wohnung. Und sie macht hemmungslos Gebrauch davon. Sie passt die günstigsten Gelegenheiten ab, wenn Gitti aus dem Haus ist. Dann beginnt sie ihr böses Treiben. Sie räumt in den Schränken alles um, entwendet Lebensmittel aus dem Kühlschrank, öffnet Fenster, macht überall Licht an. Sie verhält sich einfach heimtückisch. Und das, wo sie schon jahrelang tot ist. Wenn Buffy das wüsste?
Gitti hat ein Problem. So wie Dietmar. Nur eben anders. Dietmar lebt mit 30 noch in seinem Kinderzimmer. Spanplatte. Eichendekor in orange und grün. Blümchentapete an den Wänden. Nachts schläft er bei Mama. Im ehemaligen Ehebett. Es ist nicht leicht, zugleich Muttis Liebling und der Geschäftsführer eines mittelständigen Unternehmens zu sein.
Die Elke-Story ist so alt wie unsere Bekanntschaft. Die anderen Storys aus dem Alltäglichen auch. Dietmar hat seine Geschichte beendet und verabschiedet sich mit leidendem Blick.
Dann kehrt er heim...zu Mama.
Mach es gut, Dietmar. Bis morgen am Telefon. Und am nächsten Sonntag wieder um 09.00 Uhr an meiner Tür.
Der nächste Sonntag fiel dann doch aus. Es gab „Snooker“ und „Fußball“ auf dem Sportkanal. Und am Nachmittag auch noch ein Buffy-Special. Dagegen kann auch die dickste Freundschaft nicht anstinken. Man kann eben nicht immer gewinnen. Nicht einmal sonntags.
Ich liebe Busfahrten über alles. Busfahrten sind toll. Sie sind ein Beweis der Fähigkeiten menschlicher Schaffenskraft. Und Sie schützen sogar die Umwelt. Ich bin da Idealist. Zudem: Busfahren ist sozial.
Das Vehikel, der „Bus“ bzw. „Omnibus“ (lateinisch für „jedermann“), bietet tiefe Einblicke in die Abgründe des menschlichen Verhaltens. Ein Bus ist eine Art Mikrokosmos, in dem sich die Gesellschaft in all ihren Ausprägungen wiederspiegelt.
Beginnen wir mit dem Regenten, dem King Of The Road. Stechender Blick aus eiskalten Augen. Herrische Gesichtszüge. Sich seiner Macht voll bewusst. Seine Reichsinsignien bestehen aus dem Gangschaltungszepter und der Lenkradkrone. Der Staatsschatz: Die Fahrkartenkasse.
Dazu die Arroganz der Macht. In seinem Blick spiegelt sich die Abscheu vor dem Kontakt zum niederen Volke, den Fahrgästen, wieder. Er weiß um die Notwendigkeit eben dieser Kreaturen. Sie nähren sein Imperium. Aber mögen muss er sie deshalb noch lange nicht. Die meisten von ihnen sind verachtenswert. Einige verdienen sogar blanken Hass.
Wehe den Menschen, die das Vehikel besteigen und nicht unaufgefordert ihre Fahrkarte vorzeigen oder sonst wie die Pflichten von Untertanen ignorieren. Es hagelt Sanktionen. Öffentliche Schmähungen. Kübelweise Spott, Hohn und Häme durch die Anwesenden. Es gibt Ausnahmen.
Mit einem 1.000 Euro-Anzug am Körper und einem strahlenden Lächeln auf den Lippen darf man allerdings den plötzlich geneigten Herrn der Pferdestärken passieren.
Völlige Ungnade hingegen empfangen Trödler, Teenager, außereuropäische Fahrgäste, Frauen mit Kinderwagen, Punks, Emos oder Rentner mit Gehhilfen, wobei es völlig egal ist, ob sie im Einzelnen oder in Gruppen auftreten.
Die Potenzierung des Schreckens aus Sicht eines Busfahrers: Eine ausländische Großmutter mit Gehhilfe in Begleitung ihrer gerade volljährigen, kinderreichen Enkelin mit Kopftuch und Buggy sowie einem kleinen dönermampfenden und mit Zaziki vollgekleisterten Jussuf-Ahmed im Schlepptau.