Lieber Leser,
Die Helden dieser Geschichte, sind auch im realen Leben Helden. Sie haben vielleicht keine Flügel und magische Kräfte, aber dafür ein gutes Herz und einen wachen Verstand. Ich bedanke mich mit diesem Buch bei ihnen – für ihre Hilfe und ihre Freundschaft. Es war nicht immer leicht authentisch zu bleiben, doch ich hoffe ich konnte ihnen gerecht werden.
Et misit Dominus angelum suum ad veritatem
„Und der Herr schickte seine Engel, um die Wahrheit zu finden.“
Gott würfelt nicht!
(Albert Einstein)
In diesem Sinne
Romy Gläser
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2016 Romy Gläser
Illustration: Uta Dittrich
Lektorat: Ela Schäfer
weitere Mitwirkende: Die Engel und Dämonen
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7431-4428-6
Einen wunderschönen guten Morgen! Es ist kalt, es schneit. Der Kaffee ist auch alle und es ist Oster-Sonntag. Toll, so ein richtiger Tag um gar nicht erst aufzustehen. Aber ich will euch ja eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte über Himmel und Hölle, naja oder sowas ähnliches. Ich sollte euch zuerst einmal erzählen wer ich bin: Ich bin Euer Erzähler! Das dachtet Ihr Euch schon? Alles klar, dann vielleicht wo wir uns befinden. Und wann und warum!
Vielleicht fangen wir mit Jürgen Drews, besser bekannt als König von Mallorca, an. Der sang vor nicht allzu langer Zeit "Ich bau dir ein Schloss, das in den Wolken liegt..."
Unser "Tatort" liegt auch in den Wolken, oder ein wenig darüber. Dieses tolle Schloss in den Wolken hat die Form eines gigantischen, milchfarbigen Ei‘s. Da wir Ostern haben ein treffender Vergleich. Dieses Ei ist weder von der Erde noch vom Weltraum aus sichtbar. Jetzt könnten wir philosophieren, wenn da ein Ei ist und niemand sieht es, ist es dann da? Aber das geht jetzt echt zu weit! Es ist das Jahr 2015. In diesem Ei befinden wir uns gerade. Wenn ihr aber glaubt, da drin wäre Schokolade, Nugat oder Marzipan...äääääh falsch geraten. Darin befindet sich ein langer Tisch. An diesem Tisch stehen wiederum zehn Stühle. Weiter im Text, was bringt ein nicht sichtbares Osterei mit einem ovalen Tisch und 10 Stühlen im Weltraum? Berechtigte Frage, nun es ist das Konferenzzimmer. Hier finden Meetings statt, um es mit den heutigen Begriffen zu erklären. In den letzten Jahrzehnten sind diese Meetings immer weniger geworden, doch heute steht wieder eines an. Kommen wir also zu den, nennen wir sie einfachheitshalber Personen, die sich um den Tisch versammelt haben.
Während sich fünf der zehn Anwesenden bereits auf ihre Plätze setzen, stehen die anderen noch in einer Gruppe zusammen und flüstern verschwörerisch:
"Weißt du was der Alte von uns will?"
"Sie haben die Rolle der Erkenntnis ausfindig gemacht, oder sowas."
"Egal wie, wir müssen vorher an sie rankommen, dass das klar ist!"
Schließlich nehmen auch diese Konferenzteilnehmer Platz. Im Gegensatz zu ihren Konkurrenten, sehen sie wesentlich ernster und angespannter aus.
Fangen wir mit der Vorstellung an:
An der oberen Seite des Tisches sitzt ein alter bärtiger Mann, in weißem Gewand und mit gütigem Lächeln. Wer dieser alte Mann mit dem langen Bart und dem gütigen Gesicht ist, das wisst ihr sicher auch schon. Nein, es ist nicht der Nikolaus und auch nicht der Weihnachtsmann, auch wenn die Ähnlichkeit nicht abzustreiten ist. Dieser Mann ist sozusagen der Chef über den Himmel. Einige nennen ihn Allah, andere nennen ihn Shiva, Jehova oder auch Theta und die meisten einfach nur Gott. Er ist der Inbegriff des tollen einzigartigen Vorgesetzten. Ein Traum von Chef. Dieser Mann führt sein Unternehmen mit Hingabe an die Mitarbeiter. Sorgt für Kindertagesstätten für die Mütter, für regelmäßige und außerplanmäßige Pausen.
Stellt in Pausenräumen Billardtische und Flipperautomaten auf. Hat für drei verschiedene Arten Mittagessen gesorgt, so dass sich der Arbeiter überlegen kann, ob er lieber Vegan, Kalorienarm oder Fastfood zum Essen hätte. Alles natürlich auf Kosten des Chefs. Sollte einmal etwas schieflaufen, vergibt er sehr schnell und bittet den Mitarbeiter höflich darum den Fehler nicht zu wiederholen. Doch was soll schon schieflaufen? In dieser Firma arbeitet ja niemand.
Wenn sie nicht gerade Pause machen, dann Essen sie, was dazu führt, dass man danach eine Pause braucht. Und so weiter und so weiter. Nun gut, Gott hat sein Regiment gut im Griff.
Links von Gott sitzt eine wunderschöne, vollbusige Brünette. Sie trägt ein kurzes Kleid, das kaum die Oberschenkel verdeckt. Goldene Ketten hängen um ihren Hals. Ihre lange Mähne hat sie zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammen gebunden.
"Meine Liebe Aphrodite, du bist noch so schön wie am ersten Tag!" begrüßt Gott sie höflich.
"Hey Chef, du bist noch so alt wie am ersten Tag!" kommt es gelangweilt und respektlos zurück. Augenscheinlich hat Aphrodite andere Probleme als hier an diesem Tisch zu sitzen, sie sieht aus wie eine Schülerin in der zehnten Klasse. Na gut, ihr Land ist gerade pleite und kurz vor dem Untergang, klar, dass sie echt keine Lust mehr hat. Dennoch ist sie immer noch die Göttin der Liebe, jedenfalls für einige. Das die Liebe die Staatskassen leider nicht wieder auffüllt, ist ihr augenscheinlich bewusst.
Direkt neben ihr sitzt eine blonde Frau. Wenn man genau hinsieht könnte man noch erkennen, dass sie einmal schön war. Sie hält einen Spiegel in der Hand und kneift sich ständig in die Wangen. Zieht die Haut hin und her, ihre Lippen formen sich zu Luftküsschen. Nun, Venus war auch mal schöner, doch bei ihr ist definitiv der Schönheits-Op-Wahn ausgebrochen. Ihre Lippen sehen aus wie Schlauchboote, das Gesicht durch zu viel Botox wie eine Maske und ihr Dekolleté, holla die Waldfee. Wenn sie sich auszieht, schreien ihre Füße "Bombenalarm!". Alles in allem sieht die römische Göttin der Liebe einer Puppe ähnlicher als jeder lebenden und Untoten und toten Person. Sie begrüßt Gott mit einem Luftküsschen, was ihr sowieso schon entstelltes Gesicht grotesk aussehen lässt.
Die schöne rothaarige gleich neben der blondierten Barbie bekommt von all dem nichts mit. Sie zieht genüsslich an ihrem Joint und bläst kleine Rauchkringel in die Luft. Diana ist die Göttin der Hexen. Und da Hexen alle verbrannt worden waren und sie also nicht mehr wirklich etwas zu tun hatte, hatte sie beschlossen ihr Fachwissen der Kräuterkunde darauf zu verwenden, die beste Marihuana Pflanze des Universums zu züchten. Weil niemand außer ihr das Zeug testen will, ausgenommen die vielleicht drei - vier Untertanen, die für sie die Ernte einholen, muss sie jede neue Züchtung selbst testen. Die Folge daraus ist, dass sie schon vor dem ersten Tageslicht, stoned in einer Ecke liegt und blöd kichert.
Doch der Besucher neben ihr, ist genauso interessant. Wo fangen wir da nur an? Vielleicht bei seiner Kleidung. Er trägt rosa Windeln, die mit mehreren Sicherheitsnadeln seitlich zusammengehalten werden. An diesen Sicherheitsnadeln hängen silberne Ketten, wie sie Rocker oder ähnliche Randgruppen oft tragen. Um den etwas speckigen Bauch hängt ein Nietengürtel, eine lederne Weste schafft es nicht das Brustpiercing zu überdecken. Auf dem rechten Oberarm prangt ein großes Herz mit "MOM" darin. Die linke Armhälfte musste einem Schlangentattoo Platz machen.
Die blonden kurzen Haare sind zu einem Irokesenschnitt gestylt. Hinter ihm hängt eine Armbrust.
"Es ist schön, dass du kommen konntest Amor!" wendet sich Gott nun dem letzten seiner Prokuristen zu.
Dann begrüßt der Herr des Himmels auch die anderen Anwesenden.
Werfen wir einen Blick auf die andere Seite des Tisches: Gott gegenüber sitzt ein attraktiver Mann mittleren Alters. Schicker Anzug. Der Kerl hat echt was. Solariumbräune, schneeweiße Zähne mit angespitzten Eckzähnen und die niedlichen Hörner auf dem Kopf. Rotbraunes lockiges Haar und auf Hochglanz polierte rot-schwarz gemusterte Schuhe. Er sieht aber ziemlich ernst und böse aus. Also diese Augen, da merkt man, mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Okay fassen wir zusammen, der Typ ist heiß. Sollte er auch sein, denn immerhin ist er der Chef der Hölle. Oft Teufel oder Luzifer genannt. Aber nennen wir ihn lieber nicht Luzifer, denn der Name wurde ihm irrtümlich gegeben. Satan mag er am liebsten.
Unser Teufel ist natürlich der Chef in der Hölle. Er lässt keine Fehler zu, knechtet seine Untergebenen bis zum Umfallen und die Gewerkschaft hat so viel Angst vor ihm, dass sie sich nicht mal trauen "Piep" zu sagen. Pausen? Sowas gibt es in der Hölle nicht. Urlaub, hahaha. Mindestlohn, wobei der unter dem Tarif liegt. Dreizehntes Monatsgehalt, oh ja, denn die dreizehn ist eine teuflische Zahl. Doch wer denkt da gäbe es was Schönes, viel Geld oder so, Pustekuchen! Eine Extra-Portion Arbeit - das bekommen die Untergebenen in der Hölle. Wenn das Verdi wüsste, oder die Post. Naja die Leute von der Bahn werden es schon noch merken. Um seinen Hals hängt eine große schwere goldene Kette mit einem riesigen T. Dieses T besteht aus Diamanten, klar nobel geht die Hölle zu Grunde. Obwohl der Teufel es heutzutage nicht mehr nötig hat, selbst Menschen zu verführen, so merkt man ihm an, dass er es ohne weiteres könnte.
Der Mann neben ihm ist wohl sein Buchhalter. Akkurater Anzug, schicke Kurzhaarfrisur mit blonden Strähnen, etwas zu lange Nase, auf der eine Hornbrille prangt. Der braune Anzug und die orangene Krawatte lassen ihn seriös und unheimlich zugleich aussehen. Ihr kennt das sicher, wenn die Leute vom Finanzamt Schulden eintreiben, die sehen auch so aus. Oder noch besser die GEZ-Leute. Diesem Mann kann man nichts verbergen. Geldeintreiber durch und durch. Sein Namen wollt ihr sicher auch noch wissen. Darf ich bekannt machen? Hades, er ist der heimliche Boss in der Unterwelt. Geld ist eine Waffe. Politik ist zu wissen, wann man abdrückt. Sein Motto. Der Sherriff von Nottingham ist ein Witz dagegen. Dennoch, auch hier muss man neidlos anerkennen, ansehnliche Gestalt. Wie könnte man ihn noch vergleichen, na klar mit Al Capone. Mafia, genauso stell ich mir einen Geldeintreiber der Mafia vor.
Direkt neben dem Buchhalter sitzt der General. Ja echt, tadellose Uniform und tausend Auszeichnungen, Mann, diese Montur muss eine Tonne wiegen. Breite Schultern, polierte Glatze, dazu böse kleine graue Augen und eine Miene wie in Stein gehauen. Blitzblanke Schuhe und sicher zwei Meter groß. Er hat eine sportliche Figur. Sicher dopt der, so riesige Muskeln kann ein Mann doch gar nicht haben. Mars ist ja auch kein „normaler“ Mann. Aber man sieht ihm an, dass er es gewohnt ist, Befehle zu erteilen. Hoffentlich kommt der nicht auf die Idee mir hundert Liegestütze aufzubrummen, mit dem will ich mich lieber nicht anlegen. Um auf einen meiner liebsten Vergleiche zurückzugreifen: Major Payne-Verschnitt. Genau er ist ein schwarzer. Wahnsinn, wie fortschrittlich die Hölle ist. Nichts mit Sklaven und so. Hier werden Schwarze genauso behandelt wie weiße oder rote oder grüne oder blaue.... ich schweife ab. Auch Mars, seines Zeichens Kriegsgott, wer hätte das gedacht, hat ein tolles Motto: Spielst du mit mir, spielst du mit dem Tod. Ich glaube, der spielt nie. Oder besser, ich spiele nie gegen ihn. Gehen wir einen Stuhl weiter.
Oh du liebe Hölle. Was für eine heiße Braut. Kein Gramm Fett, absolut ebenmäßiger Teint, gleichmäßige feste große Brüste und das alles mehr oder weniger verpackt in einemaufreitzenden Outfit. Ganz ehrlich Jungs, ich bewundere eure Standhaftigkeit, angesichts dieser Sexbombe. Ihre braunen Haare sind zu einem festen Knoten zusammengebunden. Perfektes dezentes Make-Up und eine schicke Designer-Brille. Eine fast durchsichtige Bluse mit tiefem Einblick auf einen schwarzen Spitzen-BH. Diese Taille ist ein Traum. Neunzig - sechzig - neunzig, nein oben sind es bestimmt hundert. Ich werde echt neidisch, dieser Busen, wow. Heidi Klum hätte ohne Auswahl sofort ihr neues Top-Model gefunden. Allein ihr sinnlicher Kussmund, verspricht mehr als tausend Worte. Ein Minirock und darunter natürlich halterlose Strümpfe. Die böse Oberlehrerin aus vielen feuchten Träumen in Person. Ganz ehrlich die Männer, die in der Hölle landen, haben echt Glück. Wer sie ist? Lillith. Wenn die Lady der Unterwelt und vor allem der Bestrafung loslegt, dann kann der stärkste Mann einpacken. Ihr Wahlspruch, ja sie hat auch sowas tolles: Du kennst das Spiel! Du spielst das Spiel schon dein ganzes Leben!
Was macht noch mehr Angst als Soldaten, böse Lehrerinnen und Buchhalter? Natürlich Anwälte! Paragraphenreiter und Winkeladvokaten! Die Männer, die, die Regeln machen! Allein weil keiner versteht wovon die reden, wenn sie reden. Also mir sind Anwälte zuwider, wie geht's euch? Sie kommen gleich nach Politikern. Und nach Zahnärzten. Und nach Spinnen. Dieser Anwalt hier hat entfernte Ähnlichkeit mit Tom Cruise in "Die Jury". Geiler Film, sollte man gesehen haben. Aber zum Thema Anwälte gibt es einige gute Filme. Er trägt ebenfalls wie auch der Buchhalter einen perfekt zugeschnittenen Anzug. Ich glaube der ist sogar von BOSS. Also eins muss man der Hölle lassen, die haben echt Top-Designer. Unser Anwalt ist niemand geringerer als Loki. Irgendwie voll passend, denn Loki hat ja den Ruf, alles so zu drehen wie er es grad brauch. Ob aus Willkür oder Spaß ist dabei nicht wirklich wichtig. Hat unser Anwalt auch ein Zitat? Aber sicher doch. Die Wahrheit liegt im Auge des Anwalts. Also bei uns hier auf der guten alten Erde geht der Spruch. glaube ich, ein wenig anders.
Da sitzen also die zehn wichtigsten „Götter“ des Himmels und der Hölle an einem Tisch und haben ein Meeting!
Gott räuspert sich vernehmlich und sagt nur:
"Die Schriftrolle wurde gefunden!"
Diese vier Worte haben nun die unterschiedlichsten Reaktionen zur Folge. Während Venus aufhorcht und dabei versucht ihre geliftete Stirn in Falten zu legen, lässt Aphrodite gelangweilt eine Kaugummiblase platzen. Amor sieht etwas verwirrt aus.
"Welche Schriftrolle?" fragt er dann auch.
Gott lächelt gütig wie immer, ob der Dummheit seiner Schafe und wiederholt, mit einer deutlichen Betonung:
"DIE SCHRIFTROLLE!"
Anscheinend reicht dies, um bei Amor eine Lampe aufgehen zu lassen.
Das muss diese Rolle der Erkenntnis sein. Warum die so heißt? Keine Ahnung, vielleicht wurde das Papier aus Material vom Baum der Erkenntnis gewonnen. Heutzutage macht man ja aus allem irgendwas Praktisches. Die Partei des Bösen will diese Rolle natürlich genauso dringend haben wie die andere Seite. Selbst wenn sie nicht mal wissen, welche Erkenntnisse darauf festgehalten worden waren, es geht rein ums Prinzip.
"Warum holst du sie dann nicht einfach ab?" fragt Aphrodite laut schmatzend.
"Du weißt, wir dürfen nicht in das weltliche Geschehen eingreifen!"
"Darüber sollten wir nochmal abstimmen!" meint die griechische Göttin.
"Amor darf das ja schließlich auch!"
Amor reagiert auf diese Spitze nicht. Er war ja schließlich kein ganzer Gott, nur ein Halbgott.
"Nun, ich dachte bereits daran meine Engel loszuschicken,..." ehe der Chef noch etwas sagen konnte lacht Diana laut auf.
"Auch wenn Diana keinen Durchblick hat, sie hat Recht. Deine Engel sind fett und faul, die werden sich sicher nicht auf die Suche nach dem Schriftstück machen!" wirft Amor ein.
"Dann werden wir einen Menschen dazu bringen." schlägt Venus vor.
Nun ist es an Satan laut aufzulachen:
"Ihr glaubt doch nicht, dass ihr auch nur einen Menschen findet, der für euch uneigennützig arbeitet? Selbst der Papst ist bestechlich. Pilger? Gottesfürchtige Menschen? Heuchler, nichts als Heuchler und selbst wenn, wie weit glaubt ihr würden die Menschen denn kommen? Ihr habt keine Chance!"
Böse Blicke werden über den Tisch hinweg ausgetauscht. Dieses wer schaut zuerst weg Spiel gewinnt Venus, denn selbst für ihr Gegenüber ist ihr entstellter Anblick zu grausam.
Trotzdem, leider muss auch Gott seinem Widersacher zustimmen. Kein Mensch würde uneigennützig irgendetwas für ihn tun. Seligkeit hin- oder her!
"Wenn ihr euch jedoch auf die Suche nach diesem Artefakt macht, werden wir ebenfalls eine Gruppe Abgesandter losschicken!" Man hört schon, sowas kann nur ein Anwalt formulieren.
"Ey, bevor ich mir hier meine grauen Zellen zermartere wie wir an den Papyrus rankommen, wie wäre es mit ‘nem kühlen Blonden?" Amor reibt sich mit seinen Händen über den Bierbauch, der über der Windel hinaus quillt.
Dabei kann man die Nietenarmbänder und großen silbernen Schlagringe gut erkennen. Auf den Fingern erkennt man ein weiteres Tattoo - da steht in altgriechischen Buchstaben LOVE. Gott schnipst kurz mit dem Finger und ein Maß Bier steht vor dem Liebesboten.
"Kein Wunder das die Liebe kaputt geht, du bist ja zu besoffen um zu treffen!" schimpft Venus los. "Solange ich auf dem Boden liegen kann, ohne mich festzuhalten, bin ich nicht besoffen!" grölt der Windelträger und hebt den Krug zum Mund. Nachdem er diesen zur Hälfte geleert hat, rülpste er laut und räuspert sich:
"Also gut, Aphrodites Untertanen können wir nicht nehmen, die haben ihre Fähigkeiten versetzt, die sind pleite!"
Wie Blitze schießen die Blicke der brünetten Schönheit auf Amor zu.
"Venus‘ Meute besteht aus Mitarbeitern eines Schönheitssalons, jede Fähigkeit in deren Repertoire hat mit Beauty zu tun. Ich glaube nicht, das Fingernägel lackieren und Augenbrauen zupfen zum Artefakt führen."
Dem bösen Blick der römischen Liebesgöttin weicht er in weißer Voraussicht aus.
"Und unsere lieben Hexen hier, die sind so stoned das man ihnen jegliche Fluglizenz abgenommen hat."
Diana kichert nur dümmlich.
"Die Menschen taugen nichts, die können wir auch vergessen, was bleibt uns also?"
Der Bote sieht abwartend in die Runde.
"Kommt schon, bin ich denn der einzige der hier denken kann?"
Wieder eine Pause. Schweigen und ratlose Gesichter beziehungsweise Masken blicken ihn an.
"Wir müssen neue ausbilden!" Diana klatscht erfreut in die Hände, während die anderen zuerst verwirrt, dann mit dem typischen „Aha!“-Ausdruck Blicke wechseln.
"Die Idee, neue Rekruten auszubilden, die gefällt mir."
Der Teufel kann ja lächeln! Wow, er hat Grübchen! Sorry, aber ich steh nun mal auf Grübchen.
Also gut, zurück zum Thema, was haben die vor? Eine sagenumwobene Schriftrolle? Engel und Teufel in Ausbildung? Ist das überhaupt ein Ausbildungsberuf? Was verdient man da so? Dieser Amor ist echt ‚ne Nase. Na mal abwarten wo das hinführt.
"Das ist eine wirklich gute Idee. Und wer genau soll bei uns in die Lehre gehen?" fragt Aphrodite gehässig.
"Das, meine Liebe, lassen wir Fortuna entscheiden!" Gott ist sichtlich angetan von der Idee.
Satan nickt leidenschaftslos. Fortuna, damit kann er auch leben:
"Holt das Schicksal, Fortuna soll unsere Rekruten bestimmen, damit wir gleiche Voraussetzungen haben."
Fortuna gehört keiner Seite an, sie ist der Inbegriff des Neutralen. Auch wenn man hier auf Erden sagt, sie ist ein mieser Verräter. Es dauert nicht lange, da erscheint diese außergewöhnliche Gestalt. Bei ihr kann man nicht mal sagen, ob sie weiblich oder männlich ist. In unserem Fall ist sie Chinesin. Das erklärt vielleicht, warum das Schicksal so mies ist, wahrscheinlich entscheidet sie, wer welches Schicksal bekommt, anhand von Glückskeksen. Nun gut, lauschen wir den Entwicklungen:
"Fortuna wir brauchen deine Hilfe bei der Auswahl unserer Lehrlinge. Das Glück soll entscheiden, wer in die Kunst der himmlischen Magie eingewiesen werden soll." Fortuna nickt nur.
Dann zieht die Lady im Kimono, wie aus dem Nichts ein Fischglas hervor.
"Auf diesen Zetteln,“ sie zeigt auf den Inhalt des Fischglases, "stehen die Namen aller lebender Menschen. Wählt den besten Schützen unter euch. Jeder von euch bekommt fünf Schuss!"
Jetzt unterbrach der sexy Teufel mit den süßen Grübchen, Entschuldigung (grins).
"Sechs!"
Gott sieht ihn an. "Was hast du nur immer mit dieser verfluchten sechs?"
Der Teufel lacht böse. "Eine schöne runde Zahl, findest du nicht?"
Der Himmelschef seufzt nur und stimmt zu.
"Alles klar, sechs Schuss, dann also, darf ich jetzt weiter erklären?" Fortuna mag es nicht unterbrochen zu werden.
"Euer bester Schütze wird also mit sechs Dartpfeilen auf die Zettel schießen, die ich in die Luft werfe und so die Auswahl treffen."
Satan sieht sich den besten Schützen der Gegenseite an, dabei umspielt ein böses Lächeln seinen Mund. Sie hatten so gut wie gewonnen!
"Amor, es war deine Idee, du hast einen Waffenschein und bist der am meisten geübte Schütze!"
"Das kann ja nichts werden!" kommentiert Venus.
"Wollt ihr es lieber versuchen?" zickt der Windelträger zurück.
Abwehrend heben die Ladies ihre Hände. Diana verfolgt nun aufmerksam das Geschehnis, ihr Joint qualmt vor sich hin und erfüllte die Luft mit süßem, betörendem Duft. In dem Ei herrscht dank der Hexengöttin mittlerweile dichter Nebel und Amor hat schon seinen zweiten Bierkrug leer.
Ob das gut geht? Will das Schicksal echt dort stehen bleiben?
Fortuna wirft die kleinen Papierschnitzel in die Luft und Amor zielt ins Blaue. Wie er es in den letzten Jahren immer tat. Trotzdem, wie ein Wunder erwischt er sechs bunte Zettelchen und verfehlt die Schicksalsgöttin nur um Millimeter.
Klar, dass auch Satan seinen besten Schützen ins Rennen schickt. Wer anderes als General Mars kommt dafür in Frage? Gegen diesen versoffenen Windelträger anzutreten wird ein Kinderspiel für den Gott des Krieges.
Denn Mars ist ausgebildeter Scharfschütze. Scharfschütze in der Hölle, was bedeutet, er kann auch mit den hier vorherrschenden schwierigen Lichtverhältnissen gut umgehen. Leider hat er vergessen, seine Augentropfen zu nehmen. Böser General! Fortuna wirft die Zettel in die Luft, die Dartpfeile fliegen und nageln die sechs gefalteten Papierchen knapp neben dem Schicksal an die Wand. Ich sagte doch, sie lebt gefährlich! Siegessicher lächeln die Untertanen der Hölle. Klar, dass sie die Besseren gefunden haben, denken sie zumindest.
Jetzt bin ich aber gespannt, wer das (fragwürdige) Glück hatte auserwählt zu werden. Ihr auch?
Das Telefon riss sie aus dem Schlaf. Es war erst kurz nach sieben, dennoch wusste die junge Frau, dass sie verschlafen hatte. In einigen Minuten schon würde ihre Mutter auftauchen. Dreimal die Woche kam sie, um sich um die Buchhaltung zu kümmern. Ute hatte das Glück das sie von zu Hause aus arbeiten konnte. Sie war Anfang fünfzig, sah jedoch viel jünger aus. Ihre offene und meist positive Einstellung machte sie auf Anhieb sympathisch.
"Guten Morgen mein Kind!" ihre Mutter war am anderen Ende.
"Ich bringe uns Brötchen vom Bäcker mit, kochst du schon mal Kaffee?"
"Aber sicher tu ich das, bis gleich!" Ute schwang sich aus dem Bett, schlug die Decke nur kurz auf. Dann riss sie das Fenster auf, um die frische Luft hereinzulassen. Sie trug ihre Haare modisch zu einem Bob frisiert. Ihre braunen Augen und der immer zu lachende Mund ließen sie viel jünger wirken. Ihre Arbeit war auf der einen Seite mit dem Esoterik-Shop den sie schon Outgesourced hatte, auf der anderen baute sie sich gerade ein Standbein als Grafikerin und Youtuberin auf. Den Esoterik-Shop hatte sie noch mit ihrem Ex-Freund aufgezogen. Dieser war eines Tages nach Thailand abgehauen und nie wieder gekommen.
Sie selbst war in Thailand groß geworden. Eine alte Fotografie an der Wand zeigte sie als kleines Mädchen mit einem Kapuziner Äffchen auf der Schulter. Dodo, der Affe mit dem sie nur Ärger hatte. Wann immer sie damals auf Dodo traf, endete das in Geschrei und Gezänk. Dieser Affe war ihr Erzfeind gewesen. Nicht nur, dass er ihr immer das Eis geklaut hatte, sie mit Dreck oder Wasser bespritzt hatte, nein er hatte ihr auch schon Ohrfeigen gegeben. Sie hatte sich allerdings auch nicht zurück gehalten, dem Affen das Leben schwer zu machen. Nur wenn sie mit dem Fahrrad fuhr, saß Dodo brav vorne in ihrem Fahrradkorb und ließ sie in Ruhe. Wenn sie diese Geschichte ihren Neffen erzählte, lachten sie jedesmal vergnügt und sie konnten nie genug von der Geschichte bekommen. Das war nun schon lange her.
Ihre Website mit den selbst erstellten Grafiken lief gut, wie Kommentare und Lob auf der Gästebuchseite bewiesen. Bei Youtube hatten ihre kleinen Videos schon einige Follower. Alles in allem kam sie gut voran. Bevor sie sich nun ins Bad begab, um sich frisch für den Tag zu machen, ging sie in die Küche und setzte den Kaffee auf. Heute sollte die neue Lieferung mit den neuen Programmen für ihre Arbeit kommen.
Sie freute sich nun schon seit einem Monat darauf die Neuerungen zu erkunden, die eben erst auf den Markt gekommen waren. Ja auch wenn es Arbeit war, für sie war es spielen, kreative Ideen auf dem Bildschirm zum Leben zu erwecken war einfach nur Spaß.
Während die Maschine aufheizte stellte sich Ute unter die Dusche. Es dauerte nicht lange da war auch ihre Mutter eingetroffen. Sie hatte wohl die Klingel überhört, oder aber Elvira hatte sie gar nicht erst benutzt. Sie hatte schließlich einen Schlüssel.
"Guten Morgen mein Fröschi," wurde sie wie jeden Morgen mit einer Umarmung und einem Küsschen begrüßt. Das Verhältnis zu ihrer Mutter war nicht immer so gut gewesen, doch inzwischen waren sie ein Herz und eine Seele. Gemütlich in den neuen Tag startend, mit frischen Brötchen und Kaffee, das kam jedoch eher selten vor. Meistens saß Ute schon am PC und war in ihre Arbeit vertieft. Ihr Bruder und Mitbewohner Thorsten arbeitete die Woche über auswärts. Utes kurzes braunes Haar war noch feucht, als sie Kaffee schlürfend und wohlig seufzend mit ihrer Mom am Tisch in dem geräumigen Esszimmer saß.
Ute war eine Frohnatur durch und durch. Sie lachte viel und gerne und war immer höflich, freundlich und zuvorkommend. Dafür wurde sie sehr geschätzt.
Auch ihre Hilfsbereitschaft und klugen Ratschläge wurden gerne in Anspruch genommen. Ute wusch gerade die Teller vom Frühstück ab, als es an der Tür klingelte.
"Machst du mal auf? Das wird die Post sein!" freute sie sich und fühlte gleichzeitig einen kleinen Piecks in ihrem Oberschenkel. Ihre Mutter nahm das Päckchen entgegen. Als sie jedoch in die Küche kam, war Ute verschwunden.
Melanie hieß früher mal Sven. Richtig gelesen, sie war mal ein Mann. Wie ihr Spitzname Susi allerdings zustande kam, dass weiß keiner so genau. Bleiben wir aber bei Melanie. Als Melanie noch Sven war, machte er/sie Karriere bei der Bundeswehr. Nach der Bundeswehr, fuhr er/sie LKW. Während dieser Zeit wurde der Wunsch danach eine Frau zu sein immer größer in ihr. Sie ging regelmäßig zur Psychotherapie, um feststellen zu lassen, dass sie nicht paranoid oder schizophren war. Mit diesen Gutachten schaffte sie es nach ewigen Hin- und her endlich auch vor Gericht als Frau anerkannt zu werden und in ihrem Ausweis ihren Wunschnamen Melanie eintragen zu lassen. Sie begann eine Hormontherapie. Keine Frau der Welt würde freiwillig Hormone schlucken, denn diese brachten alles durcheinander. Melanie nahm das alles auf sich. Mittlerweile hatte sie lange rotgefärbte Haare und auch schon eine ansehnliche Oberweite. Den endgültigen Schritt konnte sie wegen des Behördenkrams und vor allem den Kosten noch nicht vollziehen. Mehr unglücklich als glücklich lebte sie ihr Leben weiter wie bisher. Dazu gehörte auch eines ihrer zahlreichen Hobbies: Westernreiten. Nachdem sie mit ihrem Hund Barney eine Runde gedreht hatte, zog sie sich eine bequeme Jeans an und setzte sich in das Auto, welches vorrübergehend ihr eigen war. Sie hatte in letzter Zeit nur Pech mit Autos, eins nach dem anderen blieb aus den unterschiedlichsten Gründen einfach mal stehen. Einmal stahl man ihr die Reifen, dann war die Zylinderkopfdichtung kaputt und schließlich brauchte sie einen neuen Auspuff und Luftfilter. Andere Hobbies von ihr waren schießen, noch aus ihrer Zeit beim Militär und Geschichte. Sie las die Bücher nicht, nein sie fraß sie in sich hinein.
Sie war realistisch und manchmal etwas flippig. Auch hielt sie sich selbst für eine Hexe. Die Utensilien, um sogenannte Beschwörungen und Zauber zu wirken, lagen bei ihr überall verstreut herum. Oft jedoch war sie einfach nur einsam. Dann zog es sie in die Natur, wie auch heute. Zu ihrem Pferd. Ihren Hund Barney nahm sie natürlich mit zum Reiterhof. Sie pfiff einmal schrill und rief ihn. Barney mochte es nicht mit dem Auto zu fahren. Aber er war gut abgerichtet und sprang auf einen "Barney hopp" Befehl von ihr direkt in das Vehikel. Auf der Fahrt hörte sie ihre Lieblingsmusik, Gothic. Je härter, desto besser. Sie brauchte nicht lang zu dem Reiterhof, auf dem ihr Pferd NoWay untergebracht war. Barney freute sich sichtlich als er endlich das Auto mit dem "Lärm" verlassen konnte und wedelte freudig mit dem Schwanz. Hier, so wusste der kluge Hund durfte er nach Herzenslust umherstreifen. Melanie begrüßte einige der ihr bekannten Gesichter. Stallburschen, Reitlehrer und auch den Gutsbesitzer. Dann ging sie direkt in den Stall. NoWay freute sich sie zu sehen.
"Na mein Guter, wir reiten jetzt aus. Heute ist herrliches Wetter und du brauchst Bewegung, sonst wirst du noch dick!" Sie sattelte das edle Tier mit gekonnten Griffen. Führte es aus dem Stall und überprüfte routinemäßig die Hufe. Dann pfiff sie schrill.
"Barney!" rief sie mit ihrer noch männlichen Stimme und lautes Kläffen ertönte hinter dem Stall. Barney kam mit einem Affenzahn angesaust und konnte kaum vor ihr bremsen. Eine Staubwolke hinter sich herziehend rutschte er an ihr vorbei und drehte sich wild um sich selbst, total ausgelassen. Melanie lachte. "Na du bist ja gut drauf!" dann bestieg sie das Pferd. NoWay schritt gemächlich an der Koppel entlang. Fing dann nach nur leichtem Schenkeldruck von Melanie an zu traben. Wenig später jagten alle drei im Galopp über die Felder. So gut und frei hatte sich Melanie lang nicht gefühlt, da spürte sie einen Stich, im Nacken. Zurück blieben ein galoppierendes Pferd und ein verdutzter jaulender Hund. Melanie war wie weggehext.
Marjam war sauer. Stinkwütend und fluchte laut vor sich hin. Diese kleine Ratte, dieses dreckige kleine Miststück. Es war Montagmorgen und sie war schon für den Rest der Woche bedient. Warum? Ihr kleiner Bruder. Sie hatte sich angezogen und ihre Haare gestylt und wollte einfach nur einen Kaffee trinken. Ihr kleiner verblödeter Bruder saß schon am Tisch und schlürfte Kakao, mit einem Strohhalm. Und weil kleine Brüder nun mal einfach nur Arschlöcher sind, mache er Blubberblasen mit dem Kakao.
"Lass, das!" giftete Marjam auch gleich los. Daraufhin macht er natürlich genau das Gegenteil. Er blubberte noch mehr und zwar so heftig, dass der Kakao in alle Richtungen davon spritzte. Unter anderem auf ihre Bluse, in ihre Haare und in ihr Gesicht. Marjam tobte. Sie packte ihren kleinen Bruder und riss ihn am Ohr. Was zur Folge hatte, dass ihre Mutter herein kam und sich wie immer auf die Seite ihres kleinen Bruders stellte. Ja, klar, Mamas Liebling. "Lass ihn los!" brüllte sie Marjam an.
"Schau dir meine Klamotten an! Nur, wegen diesem kleinen Penner hier!" schrie das Mädchen zurück. Der Kleine trat Marjam gegen das Schienbein, rannte davon, schnappte sich seinen Schulranzen und war binnen Sekunden aus dem Haus. Marjam blieb verdattert und sich das Schienbein reibend zurück.
"Mach das sauber bevor du auf Arbeit gehst!" sagte ihre Mutter nur kalt und verließ ebenfalls das Haus.
Marjam dachte gar nicht daran den Tisch abzuwischen. Sie hatte auch gar keine Zeit mehr dafür.
Schnell rannte sie die Treppen zu ihrem Zimmer hoch und suchte sich etwas Neues zum Anziehen heraus.
Wusch sich ihr Gesicht, musste es daraufhin neu schminken und versuchte vorsichtig den Kakao aus den blonden Haaren zu bekommen. Als sie all das erledigt hatte, immer noch vor sich hin fluchend und schimpfend, stellte sie fest, dass sie ihren Bus schon verpasst hatte.
"Verdammt!" ihre unbändige Wut auf ihren kleinen Bruder ließ nicht nach. Schließlich packte sie noch ihre Schuhe ein und zog ihre Inlineskates an. Da der Bus schon weg war, blieb ihr gar nichts anderes übrig als mit den Inlinern zu fahren. Schnell suchte sie die Kopfhörer für ihr Handy heraus, startete ihre Musik-App und knallte die Tür hinter sich zu. Gott sei Dank war sie sportlich genug. So flitzte sie also jetzt in einem aberwitzigen Tempo die zwanzig Kilometer in die nächste Stadt. Der neue Fußweg, den es erst seit einem knappen Monat gab, war ideal für sportliche Betätigung wie Inlineskaten. Dennoch es war Montagmorgen, kurz nach halb acht und sie durfte nicht zu spät kommen. Ihre Frisur löste sich während der Fahrt, das würde sie im Geschäft noch einmal machen müssen. Ihre blonden Haare, mit der einen schwarzen Strähne flatterten ihr immer wieder ins Gesicht und in den Mund. Marjam war nicht sehr groß und sie war gerade erst 17 Jahre jung. Sie machte in der Stadt bei einem Modediscounter eine Ausbildung. Schon allein deswegen durfte sie nicht zu spät kommen. Die Chefin sah es nicht gern wenn Azubis nicht pünktlich waren und dann hieß es eine Eintragung im Verhaltensbuch. Bis jetzt war ihre Weste weiß und sie wollte, dass es auch so blieb. Sie schaffte es zwei Minuten vor 8 Uhr vor dem Geschäft anzukommen. Total außer Puste und erschöpft. Man das war ein Tag. Normalerweise war um die Uhrzeit an einem Montag nichts zu tun. Normalerweise kam die Chefin montags auch erst um neun, so dass die Mädels, ihre zwei Kolleginnen und sie, in Ruhe Kaffee trinken konnten und sich vom Bäcker noch das eine oder andere Plunderstück holten. Normalerweise. Doch heute schien nichts normal zu sein. Die Chefin war da. Mehr noch, sie war da und hatte eine Scheißlaune.
"Marjam, sieh zu das du die Kleider hier ordnest und zurückhängst, bügel sie notfalls noch auf!" Kein „Hallo“, kein „Guten Morgen“, sofort Arbeitsanweisungen.
"Alles klar!" lächelte Marjam und fügte leiser hinzu: "Stur lächeln und winken, stur lächeln und winken!"
Ihre Kolleginnen warfen ihr einen mitleidigen Blick zu. Aber auch sie waren schon mit diversen Aufgaben versorgt. Marjam stöhnte, zog ihre Inlineskates aus und stellte sie in den Aufenthaltsraum, dann zupfte sie ihre Kleidung zurecht und kümmerte sich um ihre Arbeit. Das junge Mädchen liebte ihre Arbeit. Und je mehr Kleider an ihren Platz zurück gebracht waren, umso ruhiger und gelassener wurde sie. Die Gedanken an ihren Bruder verschwanden im Hintergrund.
"Wenn du damit fertig bist, dann hole den Staubsauger, hinten bei den Männern muss gesaugt werden!"
"Alles klar, mache ich sofort!" rief Marjam und verdrehte die Augen hinter ihrer Chefin. Normalerweise wurde am Sonntag durch ein Reinigungsteam alles gesaugt, anscheinend hatten sie das vergessen. Aber wie schon festgestellt nichts war NORMAL an diesem Tag. Und er würde noch Unnormaler werden. Fakt ist, diese Aktion war wieder reine Schikane.
Ihre Kollegin kam an ihr vorbei: "Die hat wieder keinen Sex gehabt!" raunte sie Marjam zu.
Marjam kicherte leise. "Ich räum noch die Röcke weg, dann hole ich den Staubsauger!" beschloss sie. Ihre Kollegin folgte ihr in einer Minute Abstand. Nur so konnte man im Beisein der Chefin mal eine Minute in Ruhe quatschen.
Marjam betrat den Abstellraum, in dem ein heilloses Durcheinander herrschte und zog an dem Kabel des Staubsaugers, als sie einen Stich im rechten Arm wahrnahm. Als ihre Kollegin nur zwei Sekunden später die Abstellkammer betrat, war Marjam verschwunden.
Es war mitten in der Nacht. Viel zu früh um schon von morgens zu reden, als Birte sich auf ihr Fahrrad schwang um zu ihrem ersten Job heute zu fahren. Sie liebte es in der Früh allein auf der Straße zu sein. Mit ihren Kopfhörern und dem Fahrtwind um die Ohren legte sie die Strecke zur Turnhalle schon im Schlaf zurück. Seit sie endlich eine vierzig Stunden Woche hatte, hatte sie zwar leider kaum mehr Zeit für ihre Kinder, aber immerhin konnten sie sich jetzt etwas mehr leisten. Die junge Frau war fleißig und meistens gut gelaunt. Birte arbeitete selbstständig und schnell.
Es war noch recht frisch, um die Uhrzeit, dennoch hatte sie die leichte Jacke offen und man konnte ihr blaues Arbeits-T-Shirt sehen. Jeden Morgen um fünf machte sie sich auf den Weg. Meistens gab es in der Turnhalle nicht viel zu putzen. Sie musste nur schauen ob die Mülleimer leer waren, die Dusche sauber und dann mit der Maschine durch die Halle düsen.
Ihre Chefin kam montagmorgens immer, um nach dem Rechten zu sehen. Dann rauchten sie zusammen eine und besprachen den neuesten Klatsch und Tratsch in der Firma. Wenn sie dann fertig war, fuhr sie beim Bäcker vorbei, holte Brötchen und Zigaretten für den Tag. Dann weckte sie ihren Mann und die drei Kinder. Während sie ihr erstes Soll am Tag erfüllt hatte und erst mal Pause hatte, mussten diese nämlich aus dem Haus. Die Kinder zur Schule, was nicht selten ohne Streit ablief und ihr Mann zu einer dieser lächerlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in eine Werkstatt. Vogelhäuschen bauen oder so. Birte traf wie immer zu früh an der Turnhalle ein, da sie einen Schlüssel hatte machte es nichts. Würde sie sich eben schon mal einen Überblick verschaffen. Sie schloss das Fahrrad ab und betrat das dunkle Gebäude. Eine Turnhalle, nur durch die Lichter der Notausgangbeleuchtung erhellt, hatte etwas Gruseliges. Das dachte sie jedes Mal. Das schwache grüne Licht, die hohe Halle, mit den Kletterseilen, die wie Lianen von der Decke baumelten. Alles in das schemenhafte Licht geworfen, welches schwach durch die milchigen Oberlichter von außen drang. Dazu diese gespenstige Stille, man erwartete fast, dass ein Mörder jetzt um die Ecke kam und einen erwürgte. Natürlich nur erwürgen, alles andere würde die Ruhe stören, die jetzt herrschte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie schüttelte sich kurz. Die junge Frau war kräftig gebaut, auch wenn sie schon viele Kilos durch das Radfahren abgearbeitet hatte. Die junge Frau Anfang dreißig hatte Energie bis zum Umfallen und nahm nie ein Blatt vor den Mund. Selbst wenn der Chef vor ihr stand, sagte sie einfach was sie grad dachte. Meistens waren diese Gespräche eh eindeutig zweideutig. Man konnte gut mit ihr Lachen und auch arbeiten. Sie half wo sie konnte und war alles in allem ein wahrer Engel. Birte auf seiner Seite zu haben, war das Beste was jemanden passieren konnte. Sie jedoch als Feind zu haben, lieber nicht. Alles was sie tat, tat sie zu eintausend Prozent. Wenn sie also jemanden nicht leiden konnte, dann auch zu eintausend Prozent. Wenn sie jemanden verteidigte, dann ebenfalls zu eintausend Prozent. Seit mehreren Monaten arbeitete sie nun schon jeden Morgen, außer in den Ferien, hier in der Halle. Sie kannte sich blind aus. Sie genoss die Ruhe.
Mit drei Kindern zu Hause und ständigen Nachbarn oder Verwanden die zu Besuch kamen, war es mit Ruhe nicht weit her. Hier war es ruhig. Sie liebte ihre Kinder und ihren Mann, das war klar, doch ab und zu mal RUHE tat ihr auch ganz gut. Schließlich fand sie den Schaltkasten für die Beleuchtung und knipste das Licht an. Einige Sekundenlang war sie wie blind, ob der aufflammenden Neonröhren. Als ersten auf ihrem Rundgang würde sie die Mülleimer leeren. Das machte sie immer so, denn dann wusste sie genau was noch zu tun war. Heute schien es wieder wenig zu sein. Für ihren Job hatte sie drei Stunden Zeit, meistens brauchte sie nicht mal eine. Doch das durfte niemand erfahren. Sonst kürzte man ihr die Stunden. Sie sah in die Dusch- und Umkleidekabinen. Da erst am Freitag groß raus gewischt wurde, war hier auch nicht wirklich etwas zu tun. Anscheinend hatte am Wochenende kein Turnier stattgefunden, alles sah noch genauso aus, wie sie es am Freitag zurückgelassen hatte. So lobte sie sich den Start in die neue Woche. Sie würde mit einem feuchten Lappen die Bänke abwischen, dann sah man weiter.
"Birte?" ihre Vorgesetzte war eingetroffen.
"Hier!" meldete sie sich. Jetzt gab es erst mal eine Zigarettenpause.
"Ah da bist du ja, neue Haarfarbe?" fragte die Chefin.
Birte hatte ein Faible dafür ihr Aussehen alle paar Wochen durch eine verrückte Farbe zu verändern.
Diesmal hatte sie sich für ein helles Lila entschieden.
"Öfter mal was neues, kennst mich doch." Die beiden Frauen gingen vor die Tür und genossen ihre Zigarette. Dabei erzählten sie sich vom Wochenende und von den Aufgaben der kommenden Woche. "Dein Urlaub für Samstag wurde genehmigt, Maik springt zwar im Dreieck, aber das kann mir egal sein!" Birte freute sich. Samstag ausschlafen, juhuuuuu.
"Okay ich werde jetzt mit der Maschine die Halle putzen, ist ja nicht viel zu tun heute."
"Lass das bloß niemanden hören, du weißt ja was dann passiert!" Birte grinste und holte die schwere Reinigungsmaschine aus dem kleinen Raum, der neben der Damentoilette war. Dort bunkerten sie Eimer, Lappen, Reinigungsmittel und auch die große Maschine, mit der sie die Halle abfahren und reinigen musste. Birte wickelte das Kabel ab, steckte den Stecker ein. Starte den Knopf. Dann spürte sie einen Stich im Bauch. Als ihre Chefin sich einige Minuten später verabschieden wollte, fand sie in der Halle die Maschine, die immer noch lief, aber Birte war verschwunden.
Ihr war schlecht, aber sowas von! Sie würde heute zum Arzt gehen und sich untersuchen lassen. Das kann ja nicht sein, dass sie ständig nur noch über der Schüssel hing. Daran war sicher nur der Stress schuld.
Christine hatte gerade erfahren das ihr Freund, der sie noch vor drei Tagen über alles liebte, plötzlich keine Gefühle mehr für sie hatte und eine andere Frau dazu.
Super, eigentlich konnte sie sich gleich eine Tüte über den Kopf stülpen und nie wieder das Haus verlassen.
Ihre großen blauen Augen waren klein und angeschwollen. Die letzten Nächte waren grausam und einsam gewesen. Sie suchte nach dem WARUM. Ihre beste Freundin konnte ihr auch nicht helfen. Die kam mit Logik und der blöden Wahrheit. Total unpassend, auch wenn sie mal wieder recht hatte. So gut es ging, machte sie sich zurecht. Schminkte ihre Augen, legte Rouge auf und hoffte niemand würde ihr ansehen wie mies es ihr ging. Der Weg zum Arzt war zum Glück nicht weit und ihr Magen hatte sich zwischenzeitlich auch beruhigt. Hoffentlich war es nichts Schlimmes.
Chrissy war jung und leider schon sehr krank für ihr Alter. Sie hatte eine chronische Erkrankung, die auf einen Ärztefehler zurückzuführen war. Seitdem traute sie keinem Arzt mehr. Nur im äußersten Notfall und um ihre Medikamente abzuholen ging sie noch zu diesen Kurpfuschern. Nun, das war ja wohl ein Notfall. Sie war nicht sehr groß, hatte blonde kurze Haare, die sie auf der einen Seite mit Directions pink gefärbt hatte. Ihr etwas rundliches Gesicht war hübsch.
Chrissy hatte jedoch immer irgendetwas an sich auszusetzen, sie legte viel Wert auf ihr Äußeres. Ungeschminkt aus dem Haus? Niemals, nicht mal zum Müll wegbringen. Wenigstens Kajal und Wimperntusche mussten sein. Wenn sie diesen Besuch hinter sich hatte, würde sie sich etwas leisten und shoppen gehen. Ein paar neue Schuhe oder vielleicht eine Hose, irgendetwas, was ihr gut tat. Sie saß nicht lange im Wartezimmer. Da es sehr früh war, waren kaum andere Patienten da. Der Arzt, ein freundlicher älterer Mann, stellte lauter doofe Fragen.
"Wie sieht ihr Stuhlgang aus?"
Chrissy lachte: "Denken sie echt ich achte auf sowas?"
Schließlich ließ er sie in einen Becher pinkeln. Wie jede Frau, jedenfalls dachte Chrissy sich es, hasste sie es in einen Plastikbecher zu pinkeln. Zumal die aus dermaßen weicher Plastik waren, dass wenn man nur ein wenig zu fest drückte, ein Knick entstand, der sogar einen Riss in der Plastik hervorrufen konnte.
Jeder, der schon eine Urinprobe abgeben musste, kannte es. Es war ein demütigendes Gefühl! Da half keine Schminke, es war dennoch, als wäre man nackt vor der Klasse und müsse einen Aufsatz vorlesen. Am besten noch einen mit einem verfänglichen Thema, Sex oder sowas. All diese Gedanken beschäftigten sie, während sie versuchte der Aufforderung des Arztes nachzukommen. Noch dazu hatten diese Toiletten bei Ärzten die Angewohnheit unbequem eng zu sein.
Man konnte sich gar nicht richtig bewegen. Hätte sie das gewusst, dann wäre sie nicht vor dem Besuch noch aufs Klo gegangen. Was für eine Tortur. Ihr war es peinlich. Jeder der jetzt sehen würde, dass sie aus dem Klo kam, würde wissen, dass sie grade in einen verfluchten Becher gepinkelt hatte. Wegen einer scheiß Magenverstimmung. Sie schaffte es ungesehen den Becher an der Rezeption einfach abzustellen und im Wartebereich zu verschwinden. In den paar Minuten war es richtig voll geworden. Sie schnappte sich eine Modezeitschrift und blätterte desinteressiert darin. Einige Outfits gefielen ihr, der Preis dazu jedenfalls nicht. Chrissy hatte diverse Therapien hinter sich, sie hatte nicht das Gefühl das diese ihr irgendwie weiter geholfen hätten. Ihre Vergangenheit aufzuarbeiten war zwar im Prinzip nicht verkehrt, aber was zum Teufel nützte es ihr jetzt? Die Schwester holte sie und brachte sie in einen Raum mit einer Liege. Daneben stand ein merkwürdiger Apparat. Ein Ultraschall wie sie es von ihrem Frauenarzt her kannte. Was sollte sie denn hier? Der Arzt kam kurz in das Zimmer.
"Machen sie mal bitte ihren Bauch frei“, sagte er und wies auf die Liege. Dann drehte er sich um, denn eine der Schwestern hielt ihm ein Klemmbrett hin. Chrissy machte ihren Bauch frei, genau in diesem Moment spürte sie einen Stich, im Bauch. Als der Arzt sich wieder dem Behandlungszimmer zu wandte, war Chrissy spurlos verschwunden.
Der junge Mann schlurfte eher gelangweilt und noch todmüde durch die Straßen. Montag. Er hasste Montage. Die waren immer so lang. Um sieben musste er im Betrieb sein. Er drehte sich eine Zigarette, die Kopfhörer dröhnten mit der neuesten Metall Scheibe und die Sonne ging gerade auf. Maurice war gerade erst achtzehn geworden und machte eine Ausbildung zum Industriemechaniker. Der Job machte ihm Spaß.
Er war jetzt im dritten Lehrjahr und nebenbei auf der Suche nach einer eigenen Wohnung. Gleichzeitig dachte er darüber nach, ob er nicht nach der Ausbildung erst einmal der Bundeswehr einen Besuch abstatten sollte. Gebirgsjäger oder so. Maurice war sehr schlaksig und dennoch hatte er mehr Muskeln als Fett auf den Rippen. Das herausragendste an ihm war jedoch seine Menschenkenntnis. Er konnte normalerweise schnell seinen gegenüber einschätzen. Wenn er mit einer Person nicht so klar kam, dann sprach er nur wenig. Hörte zu, versuchte weg zu kommen. Alle anderen konnten sich auf ihn verlassen. Er war loyal seinen Freunden gegenüber, rannte jedoch niemanden hinterher. Das hatte er auch nicht nötig. Er war angesehen und jeder wollte ihn zum Freund haben. Dabei musste er sich noch nicht mal dafür anstrengen. Maurice‘s Wochenenden liefen immer gleich ab, oder wenigstens meistens. Irgendwo gab es immer etwas zu feiern und vor allem zu saufen. Dabei wusste er genau wo seine Grenze lag. Selten war er so besoffen, dass er einen Filmriss bekam. Doch das nächste Wochenende war noch so weit weg und er bog gerade auf den Hof seiner Firma ein. Seine Kollegen begrüßten ihn freundlich wie immer. Der neue Azubi hing sich sofort an ihn ran und der Chef kam dann auch in die Werkstatt. "Maurice, du bist heute an der Fräse."
Teilte er die Arbeit für ihn ein. Toll die Fräse, er war so müde und die Fräse war das langweiligste überhaupt. Knöpfchen drücken. Alle fünf Minuten musste er so einen blöden Knopf drücken. Mehr war es nicht.