Tronetica. Ein gigantischer Planet, der um eine fast erloschene Sonne kreiste. Vor Jahrtausenden war es ein schöner, lebendiger Planet. Nun war er vollständig von einem Eispanzer umgeben. Licht gab es nur noch wenig. In unregelmäßigen Abständen traf rotes Licht, von einer Supernova aus einer benachbarten Galaxie, zu Tronetica durch. Ansonsten waren die Lichtverhältnisse eher trostlos. Ein schwach glühender, weißer Zwerg, der einst eine starke und grelle Lichtquelle war, erhob sich jeden Morgen über dem Horizont des Planeten. Außer Tronetica hatte nur noch ein weiterer Planet die Phase des roten Riesen überstanden. Hibis, der in einer ungleichmäßigen, elliptischen Umlaufbahn um Tronetica kreiste und ihm alle sieben Wochen relativ nahe kam. Ein Tag auf Tronetica hatte bedingt durch seine Größe und Rotation vierunddreißig Stunden, eine Woche bestand aus zwölf Tagen.
Die Bewohner von Tronetica waren erst seit zweihunderttausend Jahren auf dem Planeten, und doch in ihrer Evolution und Technologie sehr weit fortgeschritten. Das humanoide Volk musste sehr früh um das nackte Überleben kämpfen. Das Leben auf der Oberfläche war nur noch mit starken Einschränkungen möglich. Durch die enorme Größe des Planeten und die unwirtlichen Verhältnisse war die Logistik stark eingeschränkt. Geflogen wurde kaum noch, da selbst hochmoderne Triebwerke der großen Kälte ihren Tribut zollen mussten. Nachts konnten auf Tronetica Temperaturen von minus einhundert Grad Celsius erreicht werden und der Planet kühlte immer weiter ab. Gebäude befanden sich unter der Oberfläche. Und überhaupt, spielte sich das ganze Leben der Troneticaner nur noch unter der eisigen Oberfläche ab. Die Waffenentwicklung der Troneticaner wurde vernachlässigt, da die Kälte immer mehr zunahm und es seit dem Bestehen des troneticanischen Volkes noch nie zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit einer anderen Rasse kam.
Alle Forscher und Wissenschaftler arbeiteten daran das Leben auf Tronetica leichter zu machen. So kam es, dass Waffenforschung, Raumfahrt und Unterhaltungstechnologie irgendwann komplett wegfielen. Die goldene Zeit des Planeten, als das Leben noch fröhlich und sorglos war, lag über dreitausend Jahre zurück. Doch das Volk des gesamten Planeten zog stets an einem Strang, um das Überleben der troneticanischen Rasse zu sichern.
Inmitten von diesem Mix aus Überlebenswillen, Solidarität und Zusammenhalt erhob sich eines Tages ein Troneticaner. Es war ein einflussreicher Gorun. So wurden die männlichen Troneticaner bezeichnet, die das Recht hatten, sich fortzupflanzen. Auf Tronetica konnten die weiblichen Bewohner nur einmal gebären und die Chance, dass ein weiblicher Troneticaner das Licht der Welt erblickte, lag bei eins zu fünf. Daher wurde vom hohen Rat beschlossen, dass sich nur noch Gorun fortpflanzen sollen, um das Volk vor dem Aussterben zu bewahren. Doch Pahn, der Betreiber eines Kraftwerks, das zur Energieerzeugung und Wärmegenerierung erbaut wurde, wollte eines Tages nicht mehr zum Allgemeinwohl beitragen. Er litt an einer Depression, die von den schlechten Lichtverhältnissen verursacht wurde. Diese Krankheit traf viele Einwohner, deren Wunsch es war, auf der Oberfläche zu leben. Er ließ von seinen Untergebenen einen Tunnel an die Oberfläche graben und einen gigantischen Turm errichten. Er setzte den hohen Rat von seinem Vorhaben nicht in Kenntnis. Nach etwa achtzig Wochen war der Turm so gut wie fertiggestellt, der ein Symbol seiner Macht darstellen sollte. War er doch der einzige Gorun, der es sich erlauben konnte, auf der Oberfläche zu leben. Die Energie die dafür notwendig war, bezog er aus seinem Kraftwerk. Die unterirdische Siedlung um das Kraftwerk herum bekam daher kaum noch Wärme und Energie. Die Bewohner wurden unruhig und fürchteten um ihre Existenz. Als Pahn seine Lebensräume in den Turm verlagerte, wurde er vom Ausblick über den Eisplaneten überwältigt. Da er selbst aus einer Generation stammte, die unterhalb des Eispanzers geboren wurde und noch nie die Oberfläche gesehen hatte. Er sah eine klare, kalte Eislandschaft mit Gletschern und weitläufigen Ebenen, eingetaucht in das rote Licht einer Supernova. Er nannte sich fortan Pahn – Herrscher der Oberwelt.
Es kam wie es kommen musste. Der erste Aufstand in der Geschichte der Troneticaner wurde entfacht. Wütende Siedler versuchten das Kraftwerk zu stürmen und den Betreiber zur Rede zu stellen. Dieser saß aber hoch oben in seinem Turm. Unter der Oberfläche ließ er sein Kraftwerk streng bewachen. Er nutzte die veralteten Waffen, die Tronetica einst zur Verteidigung angefertigt hatte, um den wütenden Mob unter Kontrolle zu halten. Die älteren Waffenmodelle funktionierten mit Druckluft, während neuere Waffen die Projektile mittels eines Metallplättchens und einem elektrischen Impuls aus dem Lauf katapultierten.
Einer der Siedler machte sich auf die lange Reise, um den hohen Rat davon in Kenntnis zu setzen. Ein langer, beschwerlicher Fußmarsch lag vor ihm. Er musste sich durch unzählige, unterirdische Eistunnel seinen Weg zum hohen Rat bahnen. Zwischen den Kolonien gab es nur kilometerlange Tunnel, ohne Wärme, ohne Licht. Der Siedler musste fast fünfhundert Kilometer auf diese Weise zurücklegen, bis er zur unterirdischen Siedlung gelangte, in der der hohe Rat tagte. Der hohe Rat bestand aus alten und gelehrten Troneticanern, die auch die Befehlsgewalt über eine kleine Streitmacht hatten. Ihre Exekutive diente allerdings nur zur Verteidigung und wurde noch nie gegen das eigene Volk eingesetzt.
Der hohe Rat schenkte dem Bericht des Siedlers seinen Glauben und beauftragte einen jungen Beihab mit der Situation. Beihabs waren ranghohe Troneticaner, die ihr Leben lang auf militärische Einsätze vorbereitet wurden. Dieser junge Beihab namens Kobalt hatte noch nie mit einem militärischen Ernstfall zu tun gehabt. Sein ganzes Wissen erlangte er aus theoretischen Übungen und Trainingsmissionen. Kobalt war einen Meter und fünfundachtzig groß, schlank und drahtig gebaut, wie die meisten Troneticaner. Er trug kurzes, braunes Haar und einen Oberlippenbart. Beihab Kobalt nahm sich der Sache an und bereitete den Einsatz gründlich vor. Innerhalb von zwei Tagen waren seine Planungen abgeschlossen. Er beorderte seine ihm unterstellten Soldaten zur Marschformation, setzte sich in ein Einsatzfahrzeug und beriet sich mit seinen Strategen. Sollte es wirklich so schlimm sein, wie es der Siedler berichtet hatte, wollte er auf alles vorbereitet sein. Die Projektilschusswaffen seines Einsatztrupps wurden geladen. Die Projektile wurden aus dem einzigen Material hergestellt, was auf Tronetica im Überfluss vorhanden war: Eis.
Der Trupp setzte sich in Bewegung. Etwa einhundert Fußsoldaten, einige kleinere Fahrzeuge und Transporter machten sich auf den Weg durch die Eishöhlen. Die Soldaten wurden zuvor über ihre Mission aufgeklärt, doch jeder hatte ein mulmiges Gefühl dabei. Sie würden einem Gorun gegenübertreten, der ein Verhalten an den Tag legte, wie es noch nie zuvor ein Troneticaner gewagt hatte. Ein Gorun, der die Siedler in seiner Umgebung mit Waffengewalt unter Kontrolle hielt. Ein Gorun, der sich Herrscher der Oberwelt nannte. Ein Gorun, der sich über alle anderen Troneticaner stellte.
Nach einem Marsch von achtzehn Tagen Dauer erreichten sie schließlich das Ziel ihrer Mission. Die Siedlung, die von den troneticanischen Planern schlicht als Siedlung Nummer zwölf getauft wurde. Beihab Kobalt verließ das Kommandofahrzeug und schaute sich um. Es war still und in den Behausungen waren keine Lichtquellen auszumachen. Gorun Pahn hatte der Siedlung die komplette Energiezufuhr entzogen. Kobalt ließ die Behausungen von seinen Soldaten durchsuchen, um Überlebende zu bergen. Diese waren dem Anschein nach schon vor längerer Zeit in die benachbarten Kolonien geflohen. Er selbst ging weiter in Richtung Zentrum, wo das Kraftwerk stehen musste. Nach wenigen Minuten Fußmarsch konnte er schon den gigantischen Schacht erkennen, der direkt zur Oberfläche führte. Daraufhin sah er auch das Energiekraftwerk, welches als einziges Gebäude in der gesamten Umgebung noch Licht ausstrahlte. Er befahl zwei seiner Soldaten an Ort und Stelle zu bleiben. Einen schickte er zurück zum Haupttrupp, um dort einen etwaigen Einsatz vorzubereiten. Danach ging der junge Beihab in Richtung Haupttor des Kraftwerks. Er hatte sich fest vorgenommen, die angespannte Situation aufzuklären und zur Deeskalation beizutragen. Er wollte die Sache friedlich lösen, wie es der hohe Rat ihm angeraten hatte. Er ging langsam und ruhig auf das Haupttor zu. Eine der Wachen bemerkte ihn und erkannte auch, dass Kobalt eine Uniform trug. Beihab Kobalt stellte sich vor. Name, Rang und Funktion innerhalb der troneticanischen Exekutive, wie er es in der Akademie gelernt hatte. Kobalt bat um ein Gespräch mit Gorun Pahn. Die Torwache antwortete mit einem flapsigen: » Moment « und ging in Richtung Wachhaus, um Gorun Pahn im Turm zu benachrichtigen.
Während Kobalt wartete, blickte er sich um, wobei er keine Sekunde lang von der zweiten und dritten Torwache aus den Augen gelassen wurde. Er schaute nach oben und dachte sich, er könne mit einem Scherz die angespannte Situation etwas auflockern. Er blickte auf zum Schacht, der zum Turm führte, sah die zweite Wache an und sagte: » Ist Ihr Kollege nun nach oben gegangen, um Bescheid zu geben? « Die Wache schaute ihn streng an, ohne eine Mine zu verziehen. Dann kam die Antwort in forschem Ton: » Wir benutzen eine interne Kommunikation, um im Turm Meldung zu machen. « Kobalt konnte bei dieser Gelegenheit sehen, dass die Wachen geladene Projektilschussgeräte trugen. Ein Vorgängermodell von dem Schussgerät, was er selbst bei sich trug. Damit sollten Kraftwerke und deren Energiekerne vor außerirdischen Invasoren geschützt und verteidigt werden. Nun musste er, als Troneticaner, um sein Leben bangen. In der Akademie hatte er sehr wohl gesehen, was so ein Eisprojektil anrichtete wenn es auf organisches Material traf, sprich auf ein Lebewesen abgeschossen wurde.
Die Wartezeit kam ihm ewig vor. Dann sah er wie der erste Wachposten aus dem Wachhaus zurückkam. Er lief zum Tor und sagte, dass Gorun Pahn kein Interesse daran habe mit Beihab Kobalt zu sprechen. Kobalt sagte, er könne diese Antwort nicht akzeptieren. Wenn der Gorun nicht zu einem Gespräch bereit wäre, würde das dem hohen Rat nicht sehr gefallen. Der Wachposten schaute die anderen beiden Wachposten an, drehte sich um und verschwand abermals im Wachhaus. Kobalt beobachtete sehr aufmerksam, was sich hinter dem Gittertor nun abspielte. Dabei hielt er stets die anderen beiden Wachposten im Auge. Das Verhalten des Wachpersonals war ihm ganz und gar nicht geheuer.
Der Wachposten kam nach seiner zweiten Meldung wieder zurück. Sein Gang sah sehr angespannt aus. Kobalt beobachtete ihn genauestens. Die Wache ging bis zum Tor und richtete dem jungen Beihab aus, dass er heute vergebens gekommen war und dass der Herrscher der Oberwelt demnächst persönlich den hohen Rat besuchen würde. Kobalt sah aus dem Augenwinkel, dass der dritte Wachposten bereits die Hand am Projektilschussgerät hatte. Kobalt sagte: » Ich werde das dem hohen Rat mitteilen « und entfernte sich langsam vom Tor. Er drehte sich um und ging weiter in Richtung Randbezirk, wo noch zwei seiner Soldaten warteten. Dann hörte er plötzlich ein lautes Klicken und einen dumpfen Knall. Er drehte sich schnell um und blickte in Richtung Tor. Dort sah er, dass einer der Wachposten die Waffe gezogen und den ersten Schuss bereits abgegeben hatte. Der zweite Wachposten öffnete das Haupttor und zwei der Wachen begannen ihn zu verfolgen. Kobalt war nur einige Meter vom Tor entfernt. Einen Schusswechsel mit drei bewaffneten Wachen wollte er vermeiden und er entschloss sich zu fliehen. Als er losrannte, bemerkte er, dass er bereits getroffen worden war. Kobalt blutete und vernahm einen stechenden Schmerz in der Nierengegend.
Doch er wusste, wenn er jetzt nicht zu seinen Soldaten gelangen würde, würden ihn die Wachen töten. Während er rannte, schlug ein weiteres Eisprojektil neben ihm in einer Wand ein. Kobalt lief um sein Leben. Bei einem hastigen Blick nach hinten erkannte er, dass ihm zwei der Wachen weiterhin auf den Fersen waren. Kobalt rannte so schnell er konnte und als ein weiteres Projektil sein Gesicht streifte, begann er zu schreien. Er brüllte seinen beiden Soldaten zu, sie mögen die Waffen unverzüglich durchladen. Nun erkannte er auch, die Silhouetten seiner beiden Soldaten. Er wiederholte seinen Befehl und schlug einen Haken, um nicht in der Schusslinie zu stehen.
Er hechtete hinter eine Bank aus Eis, zog sein Projektilschussgerät und versuchte, eine der Torwachen ins Visier zu bekommen. Doch diese hatten sich bereits hinter einer überschüssigen Mauer verschanzt. Kobalt blickte zu seinen Soldaten. Diese waren gut zwanzig Meter von ihm entfernt, doch er sah, dass sein Befehl angekommen war, da sie das Feuer erwiderten. Alle fünf Protagonisten befanden sich nun auf der Straße in einem Schusswechsel – dem ersten Schusswechsel in der Geschichte des Planeten.
Kobalt nutzte die kurze Zeit, die ihm seine zwei Soldaten verschafft hatten, um die Wunde zu prüfen, die er erlitten hatte. Er fasste mit der linken Hand hinter sich und tastete den unteren Rückenbereich ab. Dann fühlte er ein Loch in seiner Uniform und eine Fleischwunde, die sich direkt darunter befand. Er spürte kaum Schmerz, da das Projektil eisig kalt war und auch die Umgebungstemperatur befand sich unter dem Gefrierpunkt. Kobalt konzentrierte sich wieder auf das Gefecht. Er versuchte einen der Torwächter ins Visier zu bekommen und drückte ab.
Allerdings konnte er nicht erkennen, ob sein Projektil getroffen hatte, da es zu dunkel war. Seine Soldaten nahmen die beiden Wachposten unter heftigen Beschuss. Sie flohen schließlich zurück in Richtung Kraftwerk. Die beiden Soldaten der troneticanischen Exekutive wollten hinterher, doch Kobalt gab den Befehl zum Rückzug. » Schnell! Wir müssen zurück zum Trupp! Es werden hier gleich jede Menge Anhänger von Pahn auftauchen! «
Ein Soldat half Kobalt beim Gehen, der andere sicherte den Rückzug der beiden. Sie schafften es, ohne weitere Zwischenfälle zum Trupp zurückzukehren.
Kobalt wurde in das Einsatzfahrzeug gebracht. Er wollte persönlich mit dem hohen Rat Kontakt aufnehmen, doch das Kommunikationsnetz unter dem Eis wurde mehr und mehr vernachlässigt. Immer mehr Sende- und Empfangsstationen fielen der Witterung zum Opfer. Es war nicht unüblich, an manchen Stellen in den Eistunneln überhaupt keine Verbindung mehr zu haben. Kobalt befahl einem seiner Soldaten trotzdem weiterhin Meldung zu machen und auf Antwort zu warten. Inzwischen bekam er starke Schmerzen und kämpfte mit der Ohnmacht.
Ein troneticanischer Versorger betrat das Fahrzeug und kümmerte sich um Kobalts Wunde. Noch während der Versorgung gab Kobalt den Befehl zur Gefechtsformation. Dann warteten sie auf ihren Feind. Doch die Straßen blieben leer. Keine Anhänger von Gorun Pahn waren ihnen mehr gefolgt. Da immer noch keine Verbindung mit dem hohen Rat aufgebaut werden konnte, gab Beihab Kobalt den Befehl zum Vormarsch. Er war nun fest entschlossen, das Kraftwerk mit Waffengewalt einzunehmen. Der komplette Trupp setzte sich in Bewegung und wenig später war das Kraftwerk in Sichtweite. Die Soldaten suchten Schutz und Deckung und brachten sich in Stellung. Kobalt öffnete die Tür des Einsatzfahrzeuges, stieg aus und rief in Richtung Kraftwerk, welches nur noch einhundert Meter entfernt war: » Hier spricht Beihab Kobalt von der troneticanischen Exekutive! Sie haben sich der Order des hohen Rats widersetzt und Schussgeräte gegen diese Instanz eingesetzt. Dies ist die letzte Gelegenheit sich zu ergeben, bevor wir das Kraftwerk stürmen und alle Beteiligten zur Rechenschaft ziehen! « Vonseiten des Kraftwerks kam keine Reaktion. Kobalt war geschwächt. Er musste sich am Einsatzfahrzeug abstützen bevor er den endgültigen Befehl zum Angriff gab. Die ersten Soldaten liefen los und näherten sich dem Haupttor. Plötzlich wurden starke Scheinwerfer eingeschaltet. Sie waren direkt auf den Trupp und seine Einsatzfahrzeuge gerichtet. Die Soldaten der Exekutive waren geblendet und suchten Schutz in den Seitengassen und an Gebäuden. Am Haupttor und auf den Mauern des Kraftwerks positionierten sich Untergebene von Gorun Pahn und starteten sofort den Beschuss. Viele Soldaten, die bereits nah am Kraftwerksgelände standen, wurden getroffen. Der Trupp befand sich in einem heftigen Eisprojektilhagel. Überall hörte man das Klirren von einschlagenden Projektilen in der Umgebung. Kobalt lag in seinem Einsatzfahrzeug und bekam nur noch wenig von dem überfallartigen Angriff mit. Seine Wunde wurde gerade genäht.
Es war schwer abzuschätzen, wie viele Anhänger Pahn hatte. Der Beschuss wollte nicht enden. Ein Trupp der Exekutive wollte stürmen und geriet in Bedrängnis. Ein anderer Trupp wollte die Verletzten bergen und wurde selbst niedergeschossen. Die Einsatzfahrzeuge waren teils verbeult, teils durchlöchert von Eisgeschossen. Erst als sich die Exekutive neu ordnete und geschlossen zurückschoss, gelang es ihnen einige Anhänger von Pahn zu treffen. Als auch am Haupttor einige Wachen fielen und viele Anhänger von Pahn in Richtung Kraftwerk verschwanden, versuchte die troneticanische Exekutive erneut das Gebäude zu stürmen. Sie handelten inzwischen auf Befehl des Nokeb, ein Beihab, der die endgültige Graduation noch nicht erreicht hatte.
Die Soldaten stürmten das Tor und brachen es auf. Die restlichen Wachen liefen schnell in das Kraftwerk. Kobalt, der einige Male das Bewusstsein verloren hatte, war in den vorderen Teil des Einsatzfahrzeuges gegangen, um den Zugriff zu beobachten. Plötzlich gingen die großen Sicherheitsleuchten aus. Die Dunkelheit wurde von einem markerschütternden Grollen begleitet. Hoch oben im Tunnel, der direkt zum Turm von Pahn führte, öffnete sich eine riesige, metallene Tür. Unter großem Lärm schob sie sich hinter die Tunnelwand und gab ein schreckliches Geheimnis preis. Kobalt schaute ungläubig nach oben. Durch das gesprungene Glas des Einsatzfahrzeugs konnte er nur mit Mühe erkennen, was sich im Tunnel verbarg.
Vier gigantische, nebeneinander angereihte Geschütze justierten sich auf den Trupp ein. Noch bevor sich die Soldaten in Deckung werfen konnten, begann diese Apparatur mit riesigen Eisgeschossen auf sie zu schießen. Einige Soldaten wollten sich retten, indem sie in Richtung Kraftwerk liefen, doch sie wurden von den restlichen Anhängern Pahns niedergeschossen. Gebäude, Mauern, selbst der Boden wurde von diesen Geschützen durchsiebt. Mit einer enormen Schussrate dezimierte diese teuflische Erfindung den gesamten Trupp. Manche Soldaten wurden in zwei Hälften gerissen, andere verloren Arme und Beine. Die Umgebung war übersät mit Leichenteilen. Kobalt musste im Fahrzeug mit ansehen, wie sein Trupp niedergemetzelt wurde. Selbst die leicht gepanzerten Einsatzfahrzeuge hatten diesem Geschütz nichts entgegenzusetzen. Er gab den Befehl zum Rückzug. Er wusste nicht, ob überhaupt noch ein Soldat seines Trupps am Leben war. Dann legte er den Rückwärtsgang ein und fuhr das Einsatzfahrzeug aus der Schusslinie. Die hintere Tür stand noch offen. Abermals brüllte er nach draußen, dass sich alle Soldaten in Sicherheit bringen sollten. » Voller Rückzug! «, lautete sein letzter Befehl. Er fuhr in die dunklen Eistunnel. Die Scheinwerfer des Fahrzeugs waren zerstört worden. Als er wieder mit der Ohnmacht kämpfte, wollte er dem Versorger befehlen, das Fahrzeug weiterzuführen. Er blickte nach hinten und erkannte erst jetzt, dass auch sein Lebensretter dem Kugelhagel zum Opfer gefallen war. Kobalt war alleine, schwer verwundet und hatte einen langen Weg vor sich. Er konnte sich es nicht leisten, stehenzubleiben oder einzuschlafen. Nach etlichen Kilometern sah er nur noch einen Weg, sich wachzuhalten. Er gab seiner frisch genähten Wunde einen Klaps und schrie den Schmerz aus seinem Körper.
Nach weiteren Kilometern, die ihm endlos vorkamen, bekam er endlich Kommunikationskontakt mit seiner Heimatsiedlung. Er konnte nun den hohen Rat erreichen.
Er berichtete von den Ereignissen in Siedlung Nummer zwölf. Der hohe Rat entsendete einen Rettungstrupp, der dem jungen Beihab entgegenkam. Außerdem entsandten sie einen weiteren Spähtrupp in Richtung Siedlung Nummer zwölf. Dieser sollte aber aus sicherer Entfernung beobachten und keine Risiken eingehen.
Beihab Kobalt wurde gerettet und zur Siedlung Nummer eins gebracht, dem Sitz des hohen Rates. Er hatte seine Rettung und den Transport nicht mehr im Wachzustand miterlebt. Er wachte erst einige Tage später in einem warmen und gut eingerichteten Zimmer der Akademie wieder auf, als er von einem Albtraum aufgeschreckt wurde. Er schaute sich um und versuchte zu begreifen, was passiert war. Dann verließ er sein Zimmer und suchte den nächsten Wachposten auf. Er wollte eine Audienz beim hohen Rat. Nach zwei Stunden wurde ihm diese auch genehmigt und er stand abermals vor den sieben Gelehrten, die ihn vor ihrem u-förmigen Ratstisch begrüßten. Alle sieben Ratsmitglieder hatten ein stattliches Alter erreicht. Das Haar war bei allen ergraut und sie trugen große, edle Gewänder, die nur Mitglieder und ehemalige Mitglieder des hohen Rates tragen durften. In der Mitte saß das älteste und wichtigste Mitglied des Rates: Krom. Sollte er eines Tages aus Alters- oder Gesundheitsgründen den Posten aufgeben, würde einer seiner Nebensitzer nachrücken. Ganz außen saßen die neuesten Mitglieder des Rates.
Beihab Kobalt ging langsam in den großen, für troneticanische Verhältnisse, prunkvollen Raum. Seine Wunde schmerzte und verhinderte eine aufrechte, gerade Körperhaltung. Der Streifschuss in seinem Gesicht war inzwischen zu einer unschönen, nässenden, wulstigen Narbe geworden. Er verneigte sich vor Krom, dem höchsten Ratsmitglied und sah ihm dabei ins Gesicht.
» Nun, Beihab Kobalt, was ist der Grund deines Ersuchens? «
» Ich möchte wissen, was in Siedlung Nummer zwölf geschehen ist und wie es meinen Soldaten geht. «
» Laut unserem Spähtrupp haben vier Soldaten überlebt. «
» Nur vier? « Sein Blick wanderte gen Boden und auf seiner Stirn bildeten sich Runzeln. » Sei froh, dass du es überlebt hast. Dein junges Leben kann fortgesetzt werden. Ich entbinde dich von der Mission. «
» Nein, bitte, hoher Rat. Ich möchte die Mission zu Ende bringen. «
» Du hast fast alle deine Soldaten verloren und Gorun Pahn hat eine neuartige Waffe, die den Turm und sein Kraftwerk schützen. «
» Wir können versuchen aus der Luft anzugreifen, oder wir versuchen es an der Eisoberfläche. «
» Der Turm hat hoch oben nochmals das gleiche Geschütz installiert. Unsere Späher haben dies berichtet. Es gibt momentan kein Mittel, um Gorun Pahn erfolgreich anzugreifen. Jedenfalls nicht, ohne noch mehr Opfer zu riskieren. «
» Was ist mit den Energiewaffen der Exekutive? Können wir keine Energiewaffen einsetzen? «
» Wir brauchen die Energiezellen für unsere Kraftwerke. Alle Energiewaffen werden langfristig abgerüstet «, antwortete Ratsmitglied Nosak. » Aber… hoher Rat. Wollt Ihr denn nichts unternehmen? Wollt Ihr Gorun Pahn einfach so gewähren lassen? «
» Wir haben beschlossen, dass die Siedlung Nummer zwölf ab sofort gemieden werden muss. So verhindern wir wenigstens weitere Opfer. «
» Was? Das ist alles? Wir meiden ihn und belassen alles so wie es jetzt ist? «
» Für den Moment können wir nichts weiter tun. Wir versuchen noch herauszufinden, was Gorun Pahn zu solch einem Verhalten getrieben hat. Solange wir sein Motiv nicht kennen, hilft es nichts, mit ihm zu verhandeln. Auf weitere Einsätze der Exekutive wollen wir vorerst verzichten. Wie ich schon sagte, bist du von der Mission entbunden, Beihab Kobalt. «
Die Mitglieder des hohen Rats erhoben sich. Kobalt verbeugte sich, doch er konnte diese Entscheidung nicht akzeptieren und blickte zu Krom, der langsam in die hintere Kammer ging. Ein Ort, hinter dem Ratsraum, der nur von Ratsmitgliedern und deren Dienern betreten werden durfte. Kobalt blickte ihm nach. In seinem Gesicht stand die pure Verzweiflung. Alle Ratsmitglieder hatten den Raum verlassen und Krom ging langsam weiter in Richtung hintere Kammer. Da konnte Kobalt nicht mehr an sich halten und äußerte sich nochmals. Es galt als äußerst unhöflich, den hohen Rat nach der Besprechung nochmals anzusprechen, war das letzte Wort doch eigentlich schon gesprochen.
» Bitte… können wir denn wirklich nichts mehr tun? Ich… bin bereit alles dafür zu opfern! Für meine Soldaten. Ich… ich schäme mich so. Ich möchte den Fehler wenigstens annähernd wiedergutmachen. Bitte, ehrwürdiger Krom, gebt mir noch eine Chance. Ich flehe Euch an. « Krom blieb stehen, drehte sich langsam um und ging auf Kobalt zu. Dieser verneigte sich ehrfürchtig was auch gleichzeitig eine Geste der Entschuldigung war. Er nahm erst wieder eine aufrechte Haltung ein, als Krom vor ihm stand. So weit aufrecht, wie es seine Rückenverletzung noch zuließ.
» Du sagtest, du bist bereit alles zu tun? «
» Ja. Wenn es einen Weg gibt, bin ich bereit ihn zu gehen. «
» In der Tat fällt mir noch eine Sache ein. Diese sollte aber unter uns bleiben, Beihab Kobalt. «
» Was auch immer Ihr wünscht. Bitte, sagt mir was ich tun kann. «
» Vor einiger Zeit, ich schätze es war noch vor deiner Geburt, gab es eine Troneticanerin. « Die Stimme von Krom wurde leiser. Er begann zu flüstern.
» Sie sollte gebären, doch es gab Probleme. Was sie zur Welt brachte… war kein Troneticaner. « Kobalt schaute ihn ungläubig an. Krom blickte sich im Raum um, als wollte er sich vergewissern, dass keines der anderen Ratsmitglieder in der Nähe war. Dann fuhr er fort: » Ich weiß, ich weiß, es hört sich sehr befremdlich für dich an. Doch sie brachte an dem Tag eine Entität zur Welt, wie sie noch nie ein Troneticaner sah. Der Gorun dieser Troneticanerin sah das Neugeborene und verbannte beide aus seiner Behausung. Als sie die Siedlung verließ, gab es einige Zeugen, die ihr Neugeborenes gesehen haben wollen. Bis die Nachricht den hohen Rat erreichte, war sie aber schon längst in Richtung Kamur unterwegs. Der Rat unternahm nichts. Ich gehe davon aus, dass sie es nicht überlebt hat, doch einige Arbeiter, die sich in Kamur aufhielten, berichteten von einer seltsamen Entität, die sich dort aufhalten soll. Diese Berichte rissen nie ab. Der letzte Bericht stammte von einem Abbautrupp, der die Anlagen in Kamur demontierte. Das ist ungefähr einhundertfünfzig Tage her. Das Wesen soll sehr schlau, sehr stark und sehr schnell sein. Wir meiden seitdem das Gebiet um Kamur. « Kobalt wusste nicht, wie er auf die Geschichte von Krom reagieren sollte. Die Verwirrung war ihm ins Gesicht geschrieben. » Ihr wollt, dass ich dieses… Wesen um Hilfe bitte? «
» Es gibt keine nachweislichen Aufzeichnungen. Es wurde mehr oder weniger totgeschwiegen, doch wenn auch nur ein Funken Wahrheit in den Berichten steckt, dann hat dieses Wesen die Macht, Gorun Pahn zur Strecke zu bringen. Ist es nicht das, was du wolltest? «
Kobalt nickte nur. » Es darf niemand erfahren, was ich dir erzählt habe. «
» Natürlich, ehrwürdiger Krom. «
» Du hast die Erlaubnis, alles Material auf deine Reise mitzunehmen, was du benötigst. Doch Soldaten oder Helfer untersage ich dir. Diesmal musst du deine Mission alleine bestreiten, Beihab Kobalt. «
» Wie Ihr wünscht. Ihr könnt Euch auf mich verlassen und ich danke Euch, für Euer Vertrauen. «
Krom legte seine Hand auf Kobalts Schulter. Er verweilte kurz und machte den Eindruck, als wolle er noch etwas sagen. Dann drehte er sich um und ging langsam in Richtung hintere Kammer. Kobalt sah ihm nach. Schließlich kehrte er zurück zur Akademie und legte sich schlafen. Er hatte vor die Mission gleich am nächsten Morgen zu starten. Als er im Bett lag, dachte er noch lange über die Worte Kroms nach.
Am nächsten Morgen, noch bevor der weiße Zwerg am Himmel zu sehen war, machte Kobalt sich auf zur Fahrzeughalle. Er nahm sich ein kleines Zwei-Mann-Fahrzeug, einen Udus fünf, was oft von Spähern und Kundschaftern der troneticanischen Exekutive zu Übungszwecken verwendet wurde. Das Modell war wegen seiner Zuverlässigkeit und seiner starken Heizung sehr beliebt.
Er fuhr in Richtung Kamur, ein Gebiet am Rande einer Gletscherkette, in dem früher nach Erzen und Mineralien gegraben wurde. Die Ressourcenknappheit auf Tronetica wurde jedes Jahr schlimmer, trotz Pläne zur optimalen Wiederverwertung bereits gebrauchter Materialien.
Er wusste nicht genau, wonach er suchen sollte, doch Krom genoss sein vollstes Vertrauen, selbst wenn er ihm eine scheinbar zwielichtige Lösung des Problems vorschlug.
Kobalt fuhr bis an den Rand der Gletscherkette. Einige Stunden waren bereits vergangen. Er passierte eine große Eisplatte, ein verlassenes Arbeitercamp und die Überreste der Grabungsstätte, an der man sich einst die großen Vorkommen erhoffte. Dann gelangte er an den Gletscherrand. Sein Fahrzeug konnte ihn hier nicht mehr weiterbefördern. Er überprüfte noch einmal die Uhrzeit und traf Vorkehrungen, damit er sein Fahrzeug wiederfinden und es auch betreten konnte. Bis zum Einbruch der totalen Dunkelheit hatte er noch ein paar Stunden. Die wollte er nutzen und die Entität suchen.
Er lief den Fuß des Gletschers hinauf. Er rief, um auf sich aufmerksam zu machen, zündete eine Lichtfackel, die man normalerweise nur in Notfällen benutzte. Anschließend leuchtete er mit einer kleinen Notleuchte in Gletscherspalten hinein, um dort etwaige Lebensformen ausfindig zu machen. Ein sehr kluges Verhalten für jemanden, der noch nie eine andere, intelligente Spezies, außer der eigenen, gesehen hatte. Jedoch blieb die Suche erfolglos. Beihab Kobalt kehrte völlig entkräftet zu seinem Fahrzeug zurück. Die Wunde schmerzte wieder und die Kälte nahm rasch zu. Er ließ die Heizung warmlaufen und bereitete sich ein Heißgetränk zu. Er markierte die Punkte auf einer Karte, die er bereits abgesucht hatte.
Am nächsten Tag wollte er ein wesentlich größeres Gebiet durchkämmen. Kobalt schlief schnell ein während der eisige Wind draußen heulte.
Früh am nächsten Morgen wachte er auf. Es war ein, für troneticanische Verhältnisse, sehr heller Tag. Es war still. Kein Wind, kein Niederschlag, der auf das Fahrzeug prasste. Er streckte sich und rieb sich die Augen. Dann prüfte er die Restenergie des Fahrzeugs. Schließlich musste er noch irgendwie in Sieldung Nummer eins zurückkehren können. Die Instrumente zeigten ihm keine kritischen Werte an. Kobalt bemerkte den starken Lichteinfall im Fahrzeug. Nur am linken Fenster war es dunkel. Er beugte sich zum linken Fenster und wischte mit dem Ärmel seiner Uniform über das angelaufene Glas. Draußen hinter der Scheibe starrten ihn zwei große, schwarze Augen an. Kobalt schrie vor Schreck und wich zurück auf den Nebensitz. Bevor er realisierte, was eben passiert war, verschwand das Gesicht hinter der Scheibe. Er flüsterte: » Warte. « Dann wiederholte er es etwas lauter. Dann schrie er und riss die Tür seines Fahrzeugs auf. » Warte! « Er drehte sich mehrmals um die eigene Achse. Er sah hinter und vor dem Fahrzeug nach und er blickte hinauf zum Gletscher. » Wo bist du? « Seine verzweifelten Rufe verhallten im starren Eis.
Dann hörte er ein lautes Rumpeln. Etwas war auf dem Dach seines Fahrzeugs gelandet. Er drehte sich um und da sah er sie: Die Entität. Humanoide Grundform, doch die Körperhaltung war stark gebeugt. Das Wesen schien sich auf allen vieren fortzubewegen. Auf dem Rücken hatte es zwei große, gefiederte Flügel. Kobalt hatte noch nie Flügel gesehen, doch er begriff, dass dieses Wesen in der Lage sein musste, zu fliegen. Nur so konnte es sich so schnell aus seinem Blickfeld entziehen und sich ihm danach wieder ungesehen nähern. Da stand es nun, auf dem Dach seines Fahrzeugs und beobachtete ihn mit schräger Kopfhaltung. Jetzt fiel ihm auf, dass es sich tatsächlich um ein weibliches Wesen handelte. Eine lange, wilde Haarmähne in weiß und dunkelblau wucherte förmlich aus ihrem Kopf und bedeckte den halben Rücken. Ihre Haut war weiß wie Schnee. Sie trug Kleidungsfetzen an den Füssen, Schienbeinen, Oberarmen und den Stellen, die sie als weibliches Wesen identifizierten. Außerdem trug sie einen zerfetzten Schal vor Mund und Nase. Vermutlich um die extrem kalte Luft besser atmen zu können. Sie war bei aufrechter Körperhaltung nicht größer als einen Meter siebzig, was für weibliche Troneticaner eher unterdurchschnittlich war. Ihre Füße und Hände hatten lange, dunkelblaue Krallen. Ihre Ohren, sofern er sie unter der Mähne erkennen konnte, liefen nach außen hin spitz zu. Insgesamt machte sie eher einen ausgehungerten Eindruck. Das Wesen schien nicht wesentlich schwerer als fünfundvierzig Kilogramm zu sein. Kobalt schaute ihr in die Augen. Was bei humanoiden Lebensformen weiß war, war in ihrem Auge schwarz. Darin befand sich eine länglich, schmale Pupille, die ebenfalls in einem dunklen Blau schimmerte.
Kobalt fasste sich ein Herz und begann zu sprechen. Er nannte seinen Namen, Rang und Funktion, doch bevor er den Satz zu Ende bringen konnte, sprang ihn die Entität an. Ein gewaltiger Satz vom Dach des Fahrzeugs, direkt auf ihn. Sie riss ihn zu Boden, drehte ihn auf den Rücken, hielt seine Arme fest und kniete sich auf ihn. Dann zog sie den Schal etwas nach unten. Ihre kleine, längliche, spitz zulaufende Nase kam zum Vorschein. Jetzt kam sie Kobalt ganz nahe und machte seltsame, gurgelnde Geräusche. Sie beugte sich über sein Gesicht und roch an ihm. Ihre langen, zerzausten Haare gaben ihr Gesicht frei, als sie sich über ihn beugte. Er blickte sie verängstigt an. Sie hatte wirklich weibliche Züge in ihrem Gesicht, doch das Verhalten und die seltsamen Geräusche machten ihm Angst. Obwohl sie kleiner und leichter war als er selbst, merkte er doch, wie kräftig dieses Wesen war. Ihre Hände waren klein, doch durch die langen Krallen an ihren Fingern schienen sie groß und bedrohlich. Sie fasste sein Gesicht an, fuhr mit ihrer Hand nach unten und hielt sein Kinn zwischen Daumen und Fingern fest. Wieder machte sie ein glucksendes Geräusch. Kobalt sagte leise: » Du verstehst doch was ich sage, oder? Du bist doch auch Troneticaner. «
Das Wesen ließ ihn los, stand für einen kurzen Moment aufrecht, spreizte die Flügel und sprang mit einem Satz über ihn hinweg auf einen Eisfelsen, der gut zehn Meter weit entfernt war. Kobalt drehte sich auf den Bauch und blickte ihr hinterher. Er stand auf, wischte und klopfte sich den Schnee von der Uniform und lief langsam auf sie zu. Sein Gang war stark zur Seite geneigt, da sich seine Rückenwunde eben wieder geöffnet hatte, als er von der Kreatur zu Boden gedrückt wurde. Er ging weiter auf sie zu und streckte eine Hand aus.
» Ich komme nicht als dein Feind, falls du das glaubst. « Seine Stimme klang zittrig und angsterfüllt. » Kannst du mich verstehen? Wie ist dein Name? « Da antwortete die Entität endlich. Ihre Stimme klang rau und bizarr.
» Was willst du? «
Manche Satzteile presste sie durch den Hals ohne ihre Stimmbänder zu nutzen. Zischlaute wurden von ihr übertreiben ausgesprochen und in die Länge gezogen. Außerdem konnte sie keinen Satz richtig betonen. Von einem tiefen Fauchen bis zu einem hohen Krächzen schwang die Tonlage unkontrolliert bei jeder ihrer Aussagen. Kobalt vermutete, dass sie so gut wie nie Kontakt zu anderen Troneticanern gehabt haben könnte.
» Ich benötige deine Hilfe. Viele Troneticaner sind in Gefahr. Aber bitte, nenn mir doch erst deinen Namen. « Er fasste sich dabei mit beiden Handflächen auf die Brust. » Ich bin Kobalt. « Das Wesen antwortete nur mit einem übertrieben langgezogenen Wort: » Agony. «
Kobalt war sich immer noch nicht sicher, ob er diese Zusammenkunft überleben würde.
» Wie konntest du hier überleben? Hast du keine Unterkunft? «
Agony deutete auf den Gletscher hinter ihr.
» Du lebst dort oben? «
» Höhle im Gletscher. «
» Und von was ernährst du dich? «
Agony blickte ihn mit schiefer Kopfhaltung an.
» Essen. « Er machte eine Handbewegung zum Mund.
» Smirre. «
» Was? Da oben gibt es noch Smirre? Das habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen. «
Smirre war ein sehr resistenter Pilz, der selbst auf Schnee und Eis wachsen konnte. In manchen Siedlungen wurde er kultiviert, doch der Anbau und die Ernte waren ermüdend, da Smirre nur langsam wächst.
» Warum fragst du mich? « Agony zog sich den Schal wieder über Mund und Nase.
» Was… was meinst du? «
» Warum soll ich dir helfen? «
» Weil ein Gorun zu viel Macht bekommen hat. Er ist sogar mächtiger als der hohe Rat und wir befürchten, dass er mehr für sich beanspruchen wird, als nur Siedlung Nummer zwölf. Es sind schon sehr viele Troneticaner gestorben, wegen Gorun Pahn. « Agony riss die Augen auf. Ihr Blick war starr und hasserfüllt. Sie spreizte ihre weißen Flügel, stieß sich von dem Eisblock ab, auf dem sie stand und flog auf Kobalt zu. Dieser hatte zwar die Hand an seinem Projektilschussgerät, doch er wagte es nicht, es aus dem Halfter zu ziehen und zu benutzen. Kurz bevor Agony ihn erreichte dachte er: Jetzt ist es aus.
Agony packte ihn mit beiden Händen and der Uniform und riss ihn mit. Sie stieg steil auf. Mit jedem Flügelschlag, den sie machte, bekam Kobalt einen kräftigen Ruck zu spüren. Er blickte nach unten. Sie hatten bereits etliche Meter an Höhe gewonnen. Erst jetzt realisierte er die ganze Kraft und Schnelligkeit dieses Wesens. Agony flog mit ihm fast bis zur Spitze des Gletschers. Dort machte sie eine halbe Drehung und flog in einem schrägen Winkel auf eine recht unauffällige Spalte zu. Das alles geschah rasend schnell. Kobalt hatte noch nie eine solch extreme Erfahrung mit Geschwindigkeiten gemacht.
Sie flogen in die Höhle. Agony verlangsamte ihr Tempo, indem sie mit ihren Flügeln nach vorne schlug. Sie ließ Kobalt los, landete und ging auf allen vieren in Richtung Höhlenkammer. Kobalt folgte ihr. Sie betraten die Hauptkammer, in der Agony offensichtlich lebte. Kobalt sah in einer Ecke der Kammer, die Leiche einer alten Troneticanerin. Er lief dorthin, um ihr Alter abzuschätzen. Das Durchschnittsalter eines Troneticaners lag umgerechnet auf Erdenjahre bei ungefähr sechzig. Die Leiche, die offensichtlich Agonys Mutter war, war wohl sehr alt geworden und an Altersschwäche gestorben. Durch die Kälte wurde sie von einer Eisschicht überzogen und konserviert. Dann drehte er sich um. Die Eiskammer war voll von Gegenständen, die Agony gestohlen hatte. Das Meiste stammte aus der Ausrüstung der Minenarbeiter, die kurz vor Kamur gruben. Weiter hinten erkannte er ein großes Smirrefeld, was dort künstlich angelegt wurde. Agony musste hier mit ihrer Mutter eine lange Zeit verbracht haben.
» Ist das deine Mutter? «
Agony nickte minimal.
» Woran ist sie gestorben? «
» Sie ist eingeschlafen. Vor langer Zeit. «
» Wie konntet ihr der Kälte trotzen? «
Agony deutete auf mehrere ausgebrannte Heizzellen, die sie gestohlen hatte. Manche davon trugen das Logo der troneticanischen Exekutive. Daneben lag ein Satz unbenutzter Lichtquellen. » Du hast das alles für deine Mutter gestohlen. Brauchst du kein Licht und keine Wärme? «
» Ich sehe in der Finsternis und in der Kälte bin ich zu Hause. «
» Warum bist du so wütend geworden, als ich dich um Hilfe bat? «, fragte Kobalt, zog seine Jacke etwas nach oben und tupfte seine nässende Rückenwunde ab.
» Sieh dir meine Mutter an. Ihr hat auch niemand geholfen. Sie wurde damals aus der Siedlung gejagt, weil sie mich zur Welt brachte. «
» Aber nur, weil der hohe Rat von nichts wusste. Man hätte euch bestimmt geholfen. «
» Eure Probleme gehen mich nichts an. Ich bin hier oben zu Hause und ihr wohnt dort unten, unter dem Eisboden. « » Du musst doch irgendetwas brauchen. Ich könnte zum Beispiel dafür sorgen, dass deine Mutter anständig beerdigt wird. Auf einem richtigen Ahnenhof. «
» Das würde sie nicht wollen. Außerdem kann ich mir alles selber beschaffen, was ich benötige. Das habe ich schon als kleines Kind gekonnt. «
Kobalt wusste sich nicht mehr zu helfen. Er grübelte darüber nach, wie er vom Gletscher herunterkommen sollte, wenn Agony ihn nicht hinunter brächte. Er prüfte die Heizzellen für eine eventuelle Übernachtung in der Eishöhle. Doch würde ihn Agony überhaupt dort übernachten lassen? Seine Mission schien wieder zu scheitern. Da kam ihm noch eine Idee, wie er sie doch noch für seine Mission gewinnen konnte.
Kobalt fing an von Gorun Pahn zu erzählen. Er lief in der Kammer umher und erzählte alles. Vom brutalen Verhalten des Gorun Pahn und von seinem Einsatz, der so vielen Soldaten das Leben kostete. Agony hörte ihm zu, auch wenn ihre Körpersprache ein leichtes Desinteresse signalisierte. Während er erzählte, reichte sie ihm etwas Smirre. » Dieser Pahn, nennt sich Herrscher der Oberwelt. Er beansprucht die Oberfläche für sich. Wenn er nur von deiner Existenz wüsste, würde er sich sicher nicht so nennen. « Agony horchte auf.
» Wie auch immer, die Energie, die er für seinen Turm benötigt, könnte ganze Siedlungen versorgen. Doch er opfert nichts mehr der Allgemeinheit. Du weißt doch, was ein Gorun ist, oder? «
» Gewiss. Meine Mutter erzählte mir davon. «
» Und wenn ich dir sage, dass Gorun Pahn Schuld an der Vertreibung deiner Mutter ist? Er hat ihr das angetan. Er hat euch das angetan. «
Agony kniff die Augen zusammen, ihre Mine verfinsterte sich. Sie stellte sich aufrecht hin und zeigte seit längerer Zeit so etwas, wie eine Gefühlsregung.
» Ja es ist wahr. Pahn ist dein Vater. «
Kobalt wusste genau, das Gorun Pahn viel zu jung war, um ihr Vater zu sein. Doch mit dieser Lüge, diesem Gerüst, was er um sie herum erschaffen hatte, schien er endlich zum Erfolg zu kommen.
» Wo finde ich ihn? «, fragte Agony mit zornerfülltem Blick.
» Es ist schwer an ihn heranzukommen, der Turm und diese neue Waffe… wir sind machtlos gegen ihn. « Kobalt sagte das nur, um Agony noch mehr anzustacheln.
» Ich töte ihn. Wo finde ich ihn? «
» Der hohe Rat hat angeordnet, ihn gefangenzunehmen und zu verurteilen. «
» Der hohe Rat ist nicht von Bedeutung. Sag mir, wo dieser Turm ist! « In diesem Gemütszustand wurden ihre Stimmlagenschwankungen wieder extremer.
» Also gut. Ich bringe dir morgen eine Karte der taktischen Luftraumüberwachung. Damit solltest du in der Lage sein, den Turm zu finden. Aber sag mir bitte, wie willst du das anstellen? Wie willst du einen schwer bewachten Gorun töten? «
Agony hob die linke Hand und richtete sie auf eine der Kammerwände. Um ihren Unterarm und ihr Handgelenk sammelte sich ein kalter Nebel. Er verdichtete sich und schien in Richtung Handfläche zu wandern. Dann stieß sie plötzlich einen kurzen Eisstrahl aus ihrer Handfläche, der mit lautem Klirren gegen die Wand prallte.
Kobalt staunte. » Du… du kannst das Eis kontrollieren…. es…. es erschaffen? «
» Die Kälte ist mein zu Hause und das Eis ist ein Teil von mir. «
» Das ist… wirklich beeindruckend. Keine unserer Technologien könnte das nachahmen. «
Ohne weitere Worte brachte Agony den jungen Beihab wieder nach unten zu seinem Fahrzeug. Diesmal war der Flug angenehmer, da sie lautlos und sanft nach unten glitt. » Ich danke dir. Ich werde morgen mit der Karte wieder herkommen. «
Agony hob ohne Worte wieder vom Eisboden ab und flog zur Gletscherhöhle. Kobalt bestieg sein Fahrzeug und machte sich auf den Weg in Richtung Siedlung Nummer eins. Es war noch genug Zeit übrig, um den Rückweg vor Einbruch der völligen Dunkelheit zurückzulegen. Unter diesen neuen, aufregenden Umständen, war er auch bereit, in die Nacht hineinzufahren. Er wollte nur so schnell wie möglich zurück und startete das Fahrzeug mit dem Notstart. Normalerweise mussten Maschinen und Triebwerke lange vorgeheizt werden, da sie ständigem Dauerfrost ausgesetzt waren. Die Notstartfunktion war für Notfälle gedacht und bewirkte das sofortige Anspringen des Fahrzeugs, zu Lasten der Lebensdauer des jeweiligen Triebwerks oder Aggregats.
Der Rückweg dauerte aufgrund der früh einbrechenden Dunkelheit länger als gedacht. Er kam erst mitten in der Nacht in der Akademie an. Auf Anraten eines Versorgers, ließ er sich erst einmal die Rückenwunde behandeln. Danach schlief er etwas und erstattete früh am nächsten Morgen Bericht, bei einem inoffiziellen Treffen mit Krom. Diesmal fand das Gespräch im Privatgemach von Krom statt.
» Ihr hattet recht. Alles was Ihr erzählt habt, ist wahr. «
» Du hast an meinen Worten gezweifelt? «
» Nein, das nicht, aber die Berichte über die Schnelligkeit und Stärke der Entität sind absolut wahr. Ich konnte ihr Vertrauen gewinnen und sie mit einer List dazu bringen, Gorun Pahn töten zu wollen. «
» Was? Sie will ihn umbringen? «
» Eine Gefangennahme kommt für sie nicht in Frage und wenn ich ehrlich bin, für mich auch nicht. «
» Was redest du da? Der hohe Rat hat es so beschlossen. Pahn wird verurteilt und bestraft, sobald wir ein wirksames Mittel gegen ihn haben. «
» Bei allem Respekt. Er hat so viele Siedler unterdrückt und vertrieben, er hat meinen ganzen Trupp mit dieser neuen Waffe auf brutalste Weise umbringen lassen. Wollt Ihr ihn wirklich mit einer simplen Bestrafung davonkommen lassen? «
» Es ist die Ideologie unseres Volkes. Troneticaner dürfen sich niemals selbst auslöschen. «
» Er hat es aber getan. Er verdient den Tod und ich werde Agony nicht zurückhalten. Soll sie ihn haben. «
» Dein Verhalten ist absolut inakzeptabel. Du widersetzt dich der Order des hohen Rats? «
» Ich tue gar nichts. Agony wird ihn zur Strecke bringen. Aber da sie offiziell nicht existiert und niemand von ihr erfahren darf, wird das wohl kaum Konsequenzen für mich haben. «
» Was? Du willst mich hintergehen? Das darfst du nicht tun. Seit langer Zeit wird Tronetica von diesem Rat regiert. Wir beratschlagen uns, treffen Entscheidungen und geben diese an die Bevölkerung weiter. Alles was wir tun ist zum Wohle Troneticas. Noch nie wurde eine Order missachtet. Noch nie hat man den hohen Rat hintergangen. Tronetica braucht den Rat. Ohne unsere Führung bricht alles zusammen. Wir haben es doch ohnehin schon schwer genug. «
» Ihr habt auch schon viele falsche Entscheidungen getroffen, die niemand anzuzweifeln wagte. Wir hätten die letzten Ressourcen dazu nutzen sollen, Hibis zu kolonialisieren. Stattdessen entschied der Rat sich unter der Oberfläche zu verkriechen, wie Kleingetier! «
» Die Atmosphäre auf Hibis ist nicht geeignet für uns! Das weißt du doch! «
» Wir hätten einen Weg gefunden. Unsere Wissenschaftler hätten einen Weg gefunden! «
» Das reicht jetzt! Ich entbinde dich von deinem Rang als Beihab. «
» Das ändert gar nichts. Ihr könnt mich aus der Exekutive entfernen und ihr könnt mich einsperren. Aber die Genugtuung meine Soldaten gerächt zu haben, werde ich trotz allem haben. Pahn wird sterben, auch wenn ich dafür gegen Euren Willen handeln muss. Diese Mission werde ich zu Ende bringen. «
» Das hat nichts mehr mit einer Mission zu tun. Du sprichst von Rache! «
» Nein, ich spreche von Gerechtigkeit! «
Kobalt rannte aus dem Gemach von Ratsmitglied Krom. Er nahm sein Fahrzeug und machte sich direkt auf den Weg zur taktischen Luftraumüberwachung, um die Karte zu holen. Früher war diese Instanz groß. Doch mit dem Rückgang des Lufttransports wurden viele Soldaten abgezogen und in andere Einheiten versetzt. Jetzt fanden nur noch wenige Flüge statt. Meistens, um größere Bauteile in Siedlungen zu transportieren. Bauteile, die aufgrund ihrer Größe nicht durch das Eistunnelsystem transportiert werden konnten.
Kobalt ließ dort sein Fahrzeug mit neuen Energie- und Heizzellen ausrüsten. Dann eilte er zum Kartenarchiv, ließ sich die Karte der Region um Siedlung Nummer zwölf aushändigen und verließ das Gebäude wieder. Er war sich nicht sicher, ob Krom den Vorfall bereits gemeldet hatte. Als er aus der Siedlung fuhr, hatte Kobalt ein Lächeln im Gesicht. Nicht mehr lange und er würde die Karte an Agony übergeben. Er erhöhte nochmals das Tempo, da sich das Wetter zu verschlechtern schien.
In der Eishöhle kniete Agony vor dem Eisblock, in dem ihre Mutter lag. Sie gedachte ihr auf ihre eigene Art und Weise. Dann ging sie zum Höhleneingang, um nach dem Fahrzeug von Kobalt Ausschau zu halten. Lange musste sie nicht mehr warten, denn er kam ziemlich schnell angefahren. Der Wind blies eisig kalt und es begann zu schneien. Ein troneticanischer Eissturm war im Anmarsch.
Kobalt erreichte den Fuß des Gletschers. Er riss die Tür seines Fahrzeugs auf und verließ es recht hastig. Er rief nach Agony und wedelte mit den Händen in der Luft herum. In einer Hand hielt er die Luftraumkarte der Siedlung Nummer zwölf. Dann sah er etwas am Himmel. Erhaben und lautlos glitt es zu ihm herunter. Agony landete direkt neben ihm.
» Hier, siehst du? Ich habe die Karte. Der Turm von Pahn befindet sich direkt hier. «
Kobalt deutete auf einen nachträglich markierten Punkt auf der Karte.
» Du weißt wo das ist, nicht wahr? Du weißt doch, wie alles von oben aussieht? « Er klang nervös. Agony nahm die Karte und prägte sich den Standort des Turms ein.
» Kannst du ihn heute noch töten? Kannst du heute noch dorthin fliegen? «
Agony schaute ihn mit schiefer Kopfhaltung an und gab ein gurgelndes Geräusch von sich.