2. aktualisierte Auflage 2016

(Ausgabe im Großdruck)

Stand: September 2016

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detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© Marianne Moldenhauer

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Umschlaggestaltung: Marianne Moldenhauer

ISBN: 978-3-7412-7814-3

Vorbemerkungen

Die Bezeichnung weiblicher oder männlicher Personen durch die jeweils maskuline Form in dieser Broschüre bringt die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung von Mann und Frau nicht angemessen zum Ausdruck. Auf die Verwendung von Doppelformen oder andere Kennzeichnungen für weibliche und männliche Personen wird jedoch ausdrücklich verzichtet, um die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit zu wahren. Mit allen im Text verwendeten Personenbezeichnungen sind stets beide Geschlechter gemeint.

Der Inhalt dieses Buches ist seitens vorgenannter Autorin nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die enthaltenen Informationen erheben allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Rechtssicherheit. Insbesondere bietet diese Information keine Rechtsgrundlage für Haftungsansprüche gegen die Autorin.

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„FÜR MICH IST MOBILITÄT

EIN STÜCK PERSÖNLICHE FREIHEIT

UND VORAUSSETZUNG

FÜR SOZIALE INTEGRATION.“

Autorin

Marianne Moldenhauer, Jg. 1965, geb. in Vechta (Niedersachsen), an Multipler Sklerose (MS) erkrankt seit 1989, lebt als selbstständig tätige Rechtsanwältin in Baunatal (Hessen). Mit ihren fachlichen Publikationen zu arbeits- und sozialrechtlichen Themen bietet sie MS-Erkrankten, Angehörigen und Interessierten bereits seit zwei Jahrzehnten praktische Lebenshilfen und zeigt Perspektiven auf. Irgendwann folgten Texte, Gedichte und Aphorismen rund um das Leben mit MS, das Tanzen, Einblicke in die persönliche Gefühlswelt und zum achtsamen Umgang mit der eigenen Lebensenergie hin zu einem aktiven und positiven Leben sowie eine Reise zum persönlichen Herzensglück. Ihren fünf Büchern folgt hiermit eine Neuauflage ihres vor fünf Jahren im Eigenverlag publizierten Ratgebers zum Thema Mobilität für Menschen mit Behinderung.

Liebe Leserin, lieber Leser,

ob im Beruf oder im Privaten - nie zuvor war es wichtiger als heute sich unabhängig und möglichst uneingeschränkt bewegen zu können.

Mobilität bestimmt die persönliche, soziale sowie berufliche Entwicklung eines jeden Einzelnen und bedeutet daher einen sehr großen Gewinn an Selbständigkeit und Lebensqualität.

Auch mobilitätseingeschränkte, behinderte Menschen wollen und sollen trotz ihrer gesundheitlichen Defizite ein selbstbestimmtes Leben führen können und per Gesetz soviel Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wie möglich haben. Demgemäß können Inhaber eines Schwerbehindertenausweises je nach Schwere der Beeinträchtigung sowie u. U. dem Vorliegen bestimmter gesundheitlicher Merkmale verschiedene Hilfen und Erleichterungen - sog. Nachteilsausgleiche - in Anspruch nehmen, wenn sie im Alltag unterwegs sind oder verreisen wollen.

Nachfolgend möchte ich Ihnen Informationen zu speziellen rechtlichen Ansprüchen, Hilfen und Adressen rund um das Thema Multiple Sklerose-Erkrankung, Behinderung und Mobilität geben.

Der Ratgeber richtet sich dabei insbesondere an MS-Erkrankte, Angehörige und interessierte Dritte.

Um Ihnen gerecht zu werden, habe ich großen Wert auf einfache und für Laien verständliche Formulierungen gelegt.

Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre.

Ihre

WAS MIR MOBILITÄT BEDEUTET:

SELBSTBESTIMMTE BEWEGLICHKEIT

SICHERE UND SELBSTSTÄNDIGE

FORTBEWEGUNG

UNTERWEGSSEIN

FLEXIBILITÄT IM ALLTAG

UND VERÄNDERUNG

GRÖßTMÖGLICHE PERSÖNLICHE

UNABHÄNGIGKEIT

SPONTANITÄT UND FREIHEIT

WOHLBEFINDEN UND ERFOLG

TEILHABE AM GESELLSCHAFTLICHEN,

KULTURELLEN UND POLITISCHEN LEBEN

ERLEBNISSE UND KONTAKTE

MIT EINEM WORT:

LEBENSFREUDE

PHIL HUBBE

(http://www.hubbe-cartoons.de)

Treppenstufen?

Zu enge Türen?

Zu weite Wege?

Zu wenig Parkplätze?

Andere Stolpersteine?

Inhaltsverzeichnis

  1. Diagnose: Multiple Sklerose
  2. Schwer-/Behinderung
    1. Sozialrechtliche Definition der Behinderung
    2. Ermittlung des Grades der Behinderung
    3. Der Schwerbehindertenausweis
    4. Zusätzliche Ausweismerkzeichen
    5. Missbrauch eines Schwerbehindertenausweises
    6. Weiterführende Info-Tipps
    7. Rechtsgrundlagen
  3. Unentgeltliche Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln
    1. Ausweis mit Freifahrtberechtigung
    2. Wichtige Voraussetzung: Wertmarke für die Freifahrt
      1. Gültigkeitsdauer
      2. Kosten
      3. Ausstellung eines neuen Beiblattes wegen Ablaufs der Gültigkeitsdauer
      4. Verlust des Beiblattes
    3. Beförderung einer Begleitperson und/oder Mitnahme eines Hundes
    4. Mitnahme eines Hilfsmittels
    5. Übersicht: Unentgeltliche Beförderung (...)
    6. Weitere Nachteilsausgleiche im Bahnverkehr
    7. Nachteilsausgleiche auf Reisen in Europa
    8. Weiterführende Info-Tipps
    9. Rechtsgrundlagen
  4. Erleichterungen für behinderte Menschen bei der Kfz-Steuer
    1. Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung von 50 Prozent
    2. Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung
    3. Benutzungseinschränkungen
    4. Zweckfremde Benutzung des Kfz
    5. Wechsel von der Freifahrt zur Kfz-Steuerermäßigung oder umgekehrt
    6. Kosten
    7. Weiterführende Info-Tipps
    8. Rechtsgrundlagen
    9. Übersicht: Freifahrt oder Kfz-Steuerermäßigung für schwerbehinderte Menschen
  5. Behinderung und Hundesteuer
    1. Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung/-ermäßigung
    2. Rechtsgrundlagen
  6. Mobilitätseingeschränkt mit dem Flugzeug unterwegs
    1. Übersicht: Betreuungscodes
    2. Voraussetzungen
    3. Beispiele für Unterstützungsleistungen
    4. Wenn etwas nicht klappen sollte
    5. Weitere Informationen, u. a. zu Fluggastrechten
    6. Rechtsgrundlagen
  7. Fahrerlaubnis für Menschen mit Behinderung
    1. Erwerb der Fahrerlaubnis
    2. Gutachten
    3. Finanzielle Hilfen
    4. Weiterführende Info-Tipps
    5. Rechtsgrundlagen
  8. Kraftfahreignung
    1. Mindestanforderungen
    2. Möglichkeiten zum Ausgleich von Eignungsmängeln
    3. Abklärung der Fahreignung
    4. Fazit
    5. Rechtsgrundlagen
  9. Sonderrechte in Umweltzonen
  10. Befreiung von der Gurt-/Schutzhelmpflicht
    1. Möglichkeiten der Befreiung
    2. Gültigkeitsdauer
    3. Kosten
    4. Rechtsgrundlage
  11. Parkerleichterungen
    1. Der (hell-)blaue Parkausweis
      1. Berechtigung zur Nutzung eines Behindertenparkplatzes
      2. Antrag auf Ausnahmegenehmigung mit Parkausweis
      3. Parkberechtigung
      4. Folgen unbefugter Nutzung
      5. Kosten
    2. Der orangefarbene Parkausweis
      1. Vier Personengruppen
      2. Parkberechtigung
    3. Der dunkelblaue Parkausweis mit dem Vermerk „BY“
    4. Regionale Besonderheiten
    5. Persönlicher Behindertenparkplatz
    6. Erleichterungen für Ohnhänder und kleinwüchsige Menschen
    7. Rechtsgrundlagen
  12. Sondernachlässe für schwerbehinderte Menschen beim Autokauf
    1. Übersicht: Folgende Hersteller gewähren Vergünstigungen
    2. Wie bekomme ich den sog. Abrufschein?
    3. Weiterführende Info-Tipps
  13. Beitragsermäßigungen, Assistenz- und Beratungsleistungen bei Automobilclubmitgliedschaft
  14. Hilfen an Tankstellen
  15. Behinderungsbedingte Kfz-Kosten im Steuerrecht
    1. Privatfahrten
    2. Fahrten zur Arbeit
    3. Rechtsgrundlage
  16. Zusätzliche Gebühren für Autobesitzer
  17. Versicherungsschutz für Elektrokrankenfahrzeuge
    1. Haftpflichtversicherung
    2. Diebstahlschutz
    3. Betriebserlaubnis
    4. Rechtsgrundlage
  18. Versicherungsschutz für Kraftfahrzeuge
  19. Krankenfahrtenregelungen zur Kostenübernahme
    1. Grundsatz
    2. Generelle Zulässigkeit
    3. Krankenfahrten mit Genehmigung
    4. Ausnahmen von der vorherigen Genehmigung
    5. Zuzahlungsregelung
      1. Belastungsgrenze
      2. Überschreiten der Belastungsgrenze
    6. Rechtsgrundlagen
    7. Übersicht: Voraussetzungen für Krankenfahrten
  20. Hilfsmittel
    1. Definition
    2. Wunsch- und Wahlrecht
    3. Umfang des Anspruchs
    4. Musterbrief: Antrag auf Stromkostenerstattung
  21. Toilettenschlüssel für Behinderten-WC´s
  22. Fahrdienste
  23. Reisen mit dem Rollstuhl
    1. Reiseveranstalter
    2. Ratgeber
    3. Weiterführende Info-Tipps
  24. Versorgungsamt oder Amt für Soziale Angelegenheiten

I. Diagnose: Multiple Sklerose

Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark; auch der Sehnerv ist ein Teil des Gehirns), von der in Deutschland vermutlich mehr als 200.000 Menschen betroffen sind. Das häufigste Erkrankungsalter liegt zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr; zwei Drittel der Erkrankten sind Frauen.

Gesunde Nervenbahnen sind – einem Kabel vergleichbar – von einer Isolierschicht umhüllt und geschützt, die als Myelin bezeichnet wird. Bei dieser sog. Myelinschicht (auch Markscheide oder Nervenscheide genannt) handelt es sich um eine Schicht aus Fett und Eiweiß.

Bei der MS wird diese Schicht aufgrund einer Fehlreaktion des Immunsystems angegriffen oder zerstört, so dass die einzelnen Nervensignale nur noch verlangsamt bzw. überhaupt nicht mehr weitergegeben werden können. Auch ganze Nervenbahnen können davon betroffen sein. Man spricht hierbei von einer sog. Demyelinisation (= Entmarkung) der Axonen (= Nervenfasern), die an ganz unterschiedlichen – multiplen – Stellen auftreten kann und zur Entstehung einer verhärteten (griech, sklero = hart), narbenartigen Gewebeschicht führt. Dieses Gewebe ist nicht mehr imstande, die elektrischen Nervensignale weiterzuleiten.

Da die Vernarbungen bei jedem Erkrankten anders auftreten, sind auch die Beschwerdebilder ganz unterschiedlich. Sie äußern sich z.B. in Seh-, Sprach-, Bewegungs-, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen, Blasen- und Darmstörungen, extremer Müdigkeit und Energielosigkeit, Taubheitsgefühlen, spastischer Versteifung und Lähmung sowie auch kognitiven Störungen.

Bei der MS geht man von drei grundsätzlich zu unterscheidenden Krankheitsverläufen aus: Bei einer schubförmigen MS (Erscheinungshäufigkeit ca. 40 %) treten ein oder mehrere neurologische Symptome nur kurzzeitig auf, d. h. sie klingen bereits nach wenigen Tagen wieder (fast) vollständig ab. Bei einem sekundär-fortschreitenden Krankheitsverlauf (Erscheinungshäufigkeit ebenfalls ca. 40 %) entwickelt ein Großteil der Patienten mit einer schubförmigen MS in einem Zeitraum von zehn bis 15 Jahren kontinuierlich zunehmende Beeinträchtigungen. Im Unterschied dazu ist die primär fortschreitende Verlaufsform, bei der sich die auftretenden neurologischen Symptome nicht mehr zurückbilden, eher selten. Es treten auch Mischformen dieser Grundformen der Erkrankung auf.

Das ist positiv:

Die Chancen, sein Leben mit nur relativ geringen Beeinträchtigungen weiterleben zu können, haben sich insbesondere in den letzten Jahren auch durch verbesserte Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten deutlich erhöht.

Viele MS-Erkrankte sind auch noch nach Jahrzehnten weitgehend beschwerdefrei.

II. Schwer-/Behinderung

Für MS-Erkrankte, die aufgrund ihrer Erkrankung motorisch beeinträchtigt sind, ist die Anerkennung einer Behinderung bzw. Schwerbehinderung von enormer Bedeutung. Ein ganz wichtiger Aspekt ist hierbei der Lebensbereich MOBILITÄT, für den es einige Möglichkeiten der Förderung bzw. auch Nachteilsausgleiche gibt.

1. Sozialrechtliche Definition der Behinderung

Menschen sind gemäß der sozialgesetzlichen Definition „behindert“, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist (§ 2 Abs. 1 Neuntes Sozialgesetzbuch - SGB IX).

Unerheblich dabei ist, ob die Behinderung auf eine Erkrankung, auf ein Unfallereignis beruht oder ob sie seit der Geburt besteht.

2. Ermittlung des Grades der Behinderung

Das Vorliegen und der Grad der Behinderung (GdB) werden von den Versorgungsämtern auf Antrag festgestellt.

Je nach Bundesland werden die Versorgungsämter unterschiedlich bezeichnet oder sind unterschiedlich benannten Behörden zugeordnet, z.B. „Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS)“, „Landesamt für Soziales und Versorgung“ oder „Amt für soziale Angelegenheiten“.

Die Auswirkungen eines Leidens auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung bezeichnet und in Zehnerschritten von 10 bis 100 eingeteilt.

Gesundheitsstörungen, die keinen GdB von mindestens 10 erreichen, gelten nicht als Behinderung.

Eine Feststellung über den Grad der Behinderung wird nur getroffen, wenn insgesamt ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Behinderte Menschen, deren GdB wenigstens 50 beträgt und in der Bundesrepublik wohnen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder hier beschäftigt sind, werden als „schwerbehindert“ eingestuft.

3. Der Schwerbehindertenausweis

Schwerbehinderte Menschen erhalten einen Ausweis, seit dem 1. Januar 2013 – zunächst schrittweise und seit Anfang 2015 in allen Bundesländern – benutzerfreundlich als Plastikkarte im Bankkartenformat.

Hintergrund:

Der kleine Ausweis soll weniger diskriminierend wirken als die „alten großen Papierlappen“. Er ist zudem handlicher als der „alte“ Ausweis und damit für die meisten Ausweisinhaber benutzerfreundlicher.

(Quelle: BMAS)

HINWEIS: Für „alte“ Ausweise - bislang im Postkartenformat (DIN A5) und aus festem Papier - besteht kein Umtauschzwang, diese gelten bis zum jeweils aufgedruckten Ablaufdatum weiter, u. U. also unbefristet.

Für die Inhaber „alter“ Ausweise

BITTE BEACHTEN SIE:

Bei einem Antrag auf Umtausch kann (muss aber nicht!) das zuständige Amt eine Überprüfung der Schwerbehinderteneigenschaft vornehmen, was eventuell zu Nachteilen führen kann (z.B. die Herabstufung des Grades der Behinderung).

Mit dem Schwerbehindertenausweis führt der Ausweisinhaber den Nachweis seiner Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch mit sich.

Im Schwerbehindertenausweis wird im Unterschied zu dem Bescheid, mit dem die Feststellung des Behinderungsgrades bekanntgegeben wird (sog. Feststellungsbescheid), nicht angegeben, auf welchen Funktionsstörungen die Behinderung beruht. Ist die Schwerbehinderteneigenschaft nachzuweisen, reicht es aus, den Ausweis vorzulegen.

Bei Behinderungen mit einem GdB unter 50 aber wenigstens 20 erhält der Betroffene keinen Ausweis, sondern lediglich einen Feststellungsbescheid.

Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, wird ein Gesamt-GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.