Der in Braunschweig geborene Autor Jürgen Warmbold hat viele Jahre im kommunikativen Bereich des Marketing gearbeitet und dort als Werbe- und Marketingleiter verantwortliche Positionen in den Bereichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Werbung und Verkaufsförderung bekleidet. Seit 1992 ist Warmbold als freiberuflicher Fachjournalist in technischen Themenbereichen tätig. Mit Kalte Schreie, Erfrorene Seelen, Falsche Schatten und Dumpfe Angst hat der Autor, der im Bremer Umland lebt, vier Kriminalromane veröffentlicht. Darüber hinaus sind in Anthologien Kurzgeschichten von ihm erschienen. Die Short Story Mord im Tussitoaster ist auch als E-Book erhältlich.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Überarbeitete Neuauflage Dezember 2016
Erstveröffentlichung August 2011
Copyright © 2011 by Jürgen Warmbold
http://warmbold-krimi.de
Titelfoto: Jürgen Warmbold
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Autors
ISBN 9783743107595
Schemenhaft löst sich eine Gestalt aus dem gleißenden Gegenlicht und schwebt ihm entgegen. Er will schreien, aber seine Angst schnürt ihm die Kehle zu. Die Gestalt beginnt zu zerfließen. Ihr nahezu transparenter Körper windet sich in der flirrenden Hitze, bevor er sich auflöst. Das Spiel startet von vorn. Obwohl die Gestalt näher kommt, erkennt er sie nicht. Er meint allerdings, ein wutverzerrtes Gesicht zu sehen. Eine Fratze, die seinen Namen ruft. Begleitet von Schritten, die in einem unwirklichen Rhythmus auf den Boden trommeln. Endlich begreift er, wer ihn bedroht. Er fährt hoch, ist hellwach. Instinktiv versucht er, den Traum festzuhalten, aber seine Gedanken tasten bereits ins Leere. Nur die wutverzerrte Fratze hat sich in sein Hirn gebrannt. Für immer.
Sven Bothur ahnt nicht, dass er in der kommenden Nacht sterben wird. Sonst hätte er anderes im Sinn, als ein Schäferstündchen. Er möchte Britta Freese, das Objekt seiner Begierde, an sich ziehen, aber sie schiebt ihn sanft zurück. »Ich muss rein, sonst gibt’s Ärger. Außerdem bist du um Mitternacht mit Mark verabredet. Willst du ihn etwa versetzen?«
Sven schaut mürrisch drein. Er steht auf der Waschbetontreppe vor der Haustür des Reihenhauses, in dem Britta mit ihren Eltern wohnt. In seinem dunklen Outfit wirkt er wie ein Schauspieler aus einem billigen Film, der nach der Aufführung vergessen hat, aus seiner Rolle zu schlüpfen. Das Licht der Außenlampe hebt sein schmales, von langen schwarzen Locken umrahmtes Gesicht hervor.
Drückend schwüle Luft raubt Sven den Atem. Zusammen mit seiner wachsenden Anspannung macht sie ihn aggressiv. »So kann das nicht weitergehen. Deine Eltern terrorisieren uns.«
Britta wischt sich die purpurrote Haarsträhne aus der Stirn, die wie ein Fanal in ihren schwarzen, halblangen Haaren leuchtet. »Wegen der Geschichte auf dem Riensberger Friedhof hast du bei meinen Eltern den letzten Rest Ansehen verspielt.«
»Du wärst doch auch gern dabei gewesen, aber deine Alten haben ja um ihr liebes Kleines gefürchtet.«
»Wir haben das doch zigmal beredet. Meine Eltern wollen nicht, dass du mich tiefer in die Grufti-Szene reinziehst. Außerdem kann ich mir was Besseres vorstellen, als nachts auf einem Friedhof zu hocken.«
Sven schweigt. Aus dem Nachbarhaus dringen Musikfetzen zu ihnen herüber. Eine Opernarie, die er schon mal gehört hat, die er aber nicht erkennt. Was soll's, er steht sowieso nur auf Dark Wave.
»Geh lieber«, sagt Britta. »Wenn meine Eltern dich sehen, ist der Teufel los.«
»Dass ich nicht lache, deine Mutter ist doch immer los.«
Britta Freese verdreht die Augen. Sie greift seine Hand und zieht ihn auf den Bürgersteig. Dann läuft sie die Treppe hinauf und verschwindet im Haus. Sven wendet sich enttäuscht ab.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite tritt eine Gestalt aus dem Halbdunkel einer Mauer und verschmilzt mit dem Schatten eines Lieferwagens. Sven nimmt sie nicht wahr. Ein paar Meter von Brittas Elternhaus entfernt meint er aber Schritte zu hören. Er dreht sich um. Die Horner Straße liegt ruhig hinter ihm. Leidet er neuerdings unter Paranoia? Er entspannt sich erst, als er in den lauten Teil des Bremer Viertels eintaucht.
Sven geht an Kneipen und Trendlokalen vorbei, die sich in bunter Folge mit Läden und Designer-Boutiquen abwechseln. Menschen zahlloser Nationalitäten kreuzen seinen Weg. In allen Arten und Abarten. Bürgerliche, Gepiercte, Tätowierte, Penner und Fixer ziehen seine Blicke an. Auch Mischformen begegnen ihm. Nun, Gottes Garten ist groß.
An der Sielwallkreuzung, die in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts traurige Berühmtheit als Zentrum der Bremer Drogenszene erlangt hat, muss Sven an der Ampel warten. Er blickt zurück. Es scheint zwecklos zu sein, unter den vielen Leuten nach einem Verfolger Ausschau zu halten.
Das Gefühl, von einem unsichtbaren Schatten begleitet zu werden, ist nur einer der Gründe für seine Unruhe. Noch mehr schlägt ihm das geplante Treffen mit Mark Günther im Café Engel auf den Magen. Sven lässt seinen Blick nervös über die Terrasse der ehemaligen Apotheke am Ostertorsteinweg schweifen. Es ist bald zwölf. Mark, sonst die Pünktlichkeit in Person, ist nirgendwo zu sehen.
Angeheiterte Jugendliche, die sich auf dem kleinen Platz vor dem Lokal neben einer Steinskulptur amüsieren, lenken Sven kurz ab. Ihre Versuche, die neuesten englischen Hits nachzusingen, enden regelmäßig in unverständlichem Gestammel. Hin und wieder springt einer von ihnen auf, um die Bewegungen eines Passanten nachzuäffen.
Wo bleibt Mark nur? Er hat am Telefon sauer reagiert, als Sven seine Teilnahme an der geplanten Erpressung abgesagt hat. Mit seinem Anteil hätte Sven Britta beeindrucken und sie vielleicht aus ihrem elterlichen Mief herauslocken können. Doch je länger er darüber nachgedacht hat, je heikler ist ihm die Geschichte erschienen. Heute Abend will Mark noch mal mit ihm über das Thema reden. Ein Streit ist programmiert.
Warum kommt Mark nicht? Ist er alleine vorgeprescht, ist ihm dabei was zugestoßen? Oder muss sich Sven jetzt vor Mark in Acht nehmen, weil er zu viel über die beabsichtigte Erpressung weiß? Ist Mark etwa der Schatten, von dem er sich verfolgt fühlt? Er wählt die Handynummer seines Freundes, aber der meldet sich nicht. Sven blickt sich um, versucht, Mark noch einmal in der Menschenmenge zu entdecken. Vergebens. Seine Unruhe wächst, kriecht bis in die letzten Winkel seines Körpers, wie ein böses Gerücht, dass sich nicht stoppen lässt. Sven beschließt, sich diesem Stress zu entziehen und nach Hause zu gehen. Auch auf die Gefahr hin, dass Mark ihm vorausgegangen ist und irgendwo auf ihn wartet.
Als Sven am Wilhelm-Wagenfeld-Haus vorbeikommt, fällt ihm die Geschichte von Gesche Gottfried ein. Die Serienmörderin, die als Engel von Bremen fünfzehn Menschen mit Arsen vergiftet hat, hat drei Jahre in diesem Gebäude gesessen, das damals als Untersuchungsgefängnis gedient hat. Von hier aus ist sie 1831 zum Schafott geführt worden. Zur letzten öffentlichen Hinrichtung in der Hansestadt.
Sven schaudert. In dem Moment erlischt die Straßenbeleuchtung. Er dreht sich um. Auch die Schaufenster am Ostertorsteinweg und das Theatercafé liegen jetzt im Dunkeln. Ein Stromausfall hat ihm noch gefehlt.
Als er am ehemaligen Polizeipräsidium vorbeigeht, wird das Gefühl, nicht allein zu sein, übermächtig. Er blickt zurück, entdeckt aber niemand. Starr vor Angst bleibt er stehen. Nur sein Herz bewegt sich. Immer schneller schlägt es in seiner Brust. Der schwarze Mann, der sich im Finstern fürchtet, das darf kein Mensch erfahren. Sven lehnt an der dicken Außenwand des Gebäudes, als könnten ihn die Steine beschützen. Gedämpfte Schritte reißen ihn aus seinen Gedanken. Im fahlen Mondlicht taucht ein großer Schädel auf. Ein Drahtseil legt sich um Svens Hals. Er versucht, seine Hände dazwischen zu schieben, schafft es aber nicht. Verzweifelt rudert er mit den Armen und trifft den Kopf seines Gegners. Kunststoff, ein Helm? Die Schlinge zieht sich zu, schneidet in Svens Fleisch.
Clemens Kaltenbach, Polizeireporter beim Bremer Tageskurier, sieht sein Gegenüber prüfend an. Er weiß, dass der Typ mit der hohen Stirn und den ersten Anzeichen einer Tonsur, der missmutig seine Quatro Stagioni kaut, von Sorgen erdrückt wird. Kein Geld, Angst um den Job und Beziehungsprobleme machen ihm zu schaffen. Neununddreißig Jahre hat er schon auf dem Buckel, von einem geregelten Leben ist er dennoch weit entfernt, von einem sorgenfreien erst recht. Aber hat der Typ nicht selbst Schuld, dass er so tief in der Tinte steckt? Kaltenbach taxiert den Mann, lässt seine Augen über dessen dunkle, fast schwarze Haare schweifen, unter denen sich die Ohren halb verstecken, über die Locken, die sich im Nacken kräuseln, und über den unattraktiven Bauchansatz. Er wirft einen letzten Blick in das breite, mäßig rasierte Gesicht, bevor er sich von seinem Spiegelbild abwendet.
Kaltenbach sitzt in einer eleganten Trattoria in der Martinistraße. Ihm gegenüber hängt ein wandhoher Spiegel, eingefasst in einen goldenen Rahmen. Der Appetit auf das Kantinenessen im Verlagsgebäude ist ihm vergangen. In den zehn Jahren, in denen er bisher für die Zeitung gearbeitet hat, hat es nie größeren Ärger mit Kollegen oder Vorgesetzten gegeben. Nun steht er seit Wochen mit Ralf Sondermann, seinem Chefredakteur, auf Kriegsfuß.
Heute Morgen hat es geknallt. Sondermann hat ihm vorgehalten, in einem Artikel Verständnis für eine Frau gezeigt zu haben, die ihren Mann nach jahrelangen schweren Misshandlungen vergiftet hat. Kaltenbach weiß, was Sondermann an dem Bericht missfällt: Der Mann ist sein Parteifreund gewesen. Kaltenbach nimmt auf solche Befindlichkeiten keine Rücksicht, schließlich ist er kein Opportunist.
Nach dem Disput hat Sondermann angeordnet, dass sich Kaltenbach bei seinen Recherchen vorerst auf einen Vermissten konzentrieren soll, trotz der vielen dringenden Themen, die im Moment zu bearbeiten sind. Kaltenbach ist klar, dass Sondermann ihn in der Redaktion isolieren will. Das geht ihm zwar gegen den Strich, aber so lange Sondermann ihn in Ruhe recherchieren und arbeiten lässt, kann er damit leben.
In der Mappe, die sein Chefredakteur ihm vor der Mittagspause in die Hand gedrückt hat, findet er eine Notiz der Polizeipressestelle über einen Mark Günther und ein Foto des Mannes. Der dreiundzwanzigjährige Günther, ein Student der Universität Bremen, ist am Montag vermisst gemeldet worden. Normalerweise erscheint in solch einem Fall nur eine kurze Zeitungsnotiz. Name, Aussehen und Kleidung, das Datum, wann man den Vermissten zuletzt gesehen hat und die Bitte der Polizei um sachdienliche Hinweise. Warum soll er, Kaltenbach, über diesen Mann alles Private ins Licht der Öffentlichkeit zerren? Seinen Charakter, seine Wünsche und seine Ängste offenlegen? Damit sich die Leser am Leid eines anderen berauschen können? Wer hat eigentlich ein Anrecht darauf, derartige Details über das Schicksal von Mark Günther zu erfahren? Gibt es eine Frau, die ihn vermisst? Warten Eltern voller Sorge auf ein Lebenszeichen ihres Sohnes? Kaltenbach hofft, dass Günther bald wieder auftaucht. Dann müsste er nicht in seiner Intimsphäre wühlen. Er schaut auf das Foto. Ein muskulöser junger Mann, der halblange blonde Haare trägt, sieht ihn mit einem Lächeln an, das aufgesetzt wirkt. Hat Mark Günther Probleme? Hat er was zu verbergen?
Kaltenbach winkt dem Kellner und bestellt noch ein Viertel Montepulciano. Heute ist es ihm egal, dass für die Verlagsangestellten während ihrer Dienstzeit, und dazu zählen auch die Pausen, striktes Alkoholverbot gilt.
Er beschließt aber, zu bezahlen, sobald der Ober den Wein bringt. Als er sein Portemonnaie aufklappt, blickt er in das fröhliche, schlanke Gesicht seiner Freundin, das von mittellangen rötlichen Haaren umrahmt wird. Franziskas grüne Augen gucken wie immer interessiert in die Welt. Er mag sie und hat Angst davor, sie zu enttäuschen. Deshalb kämpft er mit sich, als seine Fingerspitzen hinter dem Foto ein weiteres Bild ertasten. Schließlich holt er es hervor. Das Porträt, das er aus einer Gruppenaufnahme herausgeschnitten hat, zeigt eine Frau mit langen, schwarzen Haaren und einem schmalen Gesicht. Kaltenbach weiß, dass er das Bild von Maren nicht bei sich tragen sollte. Dass es zum Eklat käme, wenn Franziska es fände. Und dass in dem Fall seine langjährige, tiefe Freundschaft zu Gunnar Neuhaus, Marens Lebensgefährten, auf dem Spiel stünde. Er findet sich selbst erbärmlich. Was zieht ihn wieder mit solcher Macht zu Maren hin? Warum kann er sich nicht dagegen wehren, obwohl er ihre Fehler kennt? Liegt es auch daran, dass in seiner Beziehung zu Franziska irgendetwas aus dem Ruder gelaufen ist? Hat er sie nicht ausreichend beachtet? Ist er nicht sensibel genug gewesen? In letzter Zeit streiten sie oft, und Kaltenbach kann sich immer weniger vorstellen, zu alter Harmonie zurückzufinden.
Er schreckt auf, als der Kellner den Rotwein mit einem »salute« auf den Tisch stellt, denkt nicht mehr daran, zu bezahlen, nimmt das Glas, prostet seinem Spiegelbild zu und beschließt, die Pause zu überziehen.
Kaltenbach schaut erst wieder auf die Uhr, als er das klimatisierte Kontorhaus am Markt betritt, in dem, abgesehen von der Druckerei, der komplette Verlag untergebracht ist. Eine Dreiviertelstunde überzogen, na ja, das ist nicht mehr zu ändern. Wäre er nicht hinausgegangen, wäre er erstickt. Er fährt mit dem Lift in den ersten Stock.
Auf dem Weg zu seinem Schreibtisch begegnet er Peter Dohrmann, der in der Redaktion Bremen für Politik zuständig und mit Kaltenbachs Exfreundin Brigitte Bunk liiert ist. Dohrmann hat wie immer eine knallrote Fliege umgebunden und ein überhebliches Lächeln aufgesetzt. Sie gehen grußlos aneinander vorbei. An Dohrmann dürfte die Stelle des Redaktionsleiters für den Bereich Bremen fallen, die Kaltenbach ebenfalls anstrebt. Für ihn ist dieser Zug wohl abgefahren. Weil er sich in diesem Punkt sicher ist, sucht Kaltenbach eine neue Aufgabe. Bislang erfolglos. Deshalb will er vorerst versuchen, mit Sondermann klarzukommen und nicht auch noch seinen jetzigen Job aufs Spiel setzen, zumal er mit seinem Geld freigiebig umgegangen ist und keinerlei Rücklagen gebildet hat.
Schon von Weitem hört Kaltenbach sein Telefon klingeln und eilt in sein Büro. Zu spät. Er blickt sich in dem engen Raum um und fragt sich, weshalb er nicht in der Trattoria geblieben ist. Warum sitzt er immer noch auf und zwischen zerkratzten braunen Möbeln, während die meisten Kollegen längst mit zeitgemäßem Interieur ausgestattet sind? Dekoratives Highlight seines Büros ist ein großer Picassokalender vom Vorjahr, der schief hängt.
Sein Telefon klingelt erneut. Es ist Bärbel Bauer, Sondermanns Sekretärin. »Der Chef sucht Sie. Wo waren Sie so lange?«
Kaltenbach übergeht die Frage. »Was will er denn schon wieder?«
»Wissen, ob Sie was in der Vermisstensache unternommen haben.«
»Er hat nicht gesagt, dass es dringend ist.«
»Bremen Netnews hat bereits eine Meldung gebracht. Herr Sondermann schätzt es nicht, wenn wir hinterherhinken. Das ist Ihnen doch bekannt. Sie sollen sich den Text der Konkurrenz ansehen.«
Kaltenbach lädt die Nachricht von Netnews aus dem Internet herunter. Sie enthält nur die Informationen, die in der Pressemitteilung der Polizei stehen.
Er fragt sich erneut, ob Mark Günther Sorgen hat. Weiß er keinen anderen Ausweg als unterzutauchen? Sollte er, Kaltenbach, auch von der Bildfläche verschwinden und sich eine neue Existenz aufbauen? Den beruflichen Ärger könnte er ebenso zurücklassen wie die innere Zerrissenheit, in die ihn seine Empfindungen für Maren Petersen immer tiefer hineintreiben.
Gunnar Neuhaus lässt sich auf den Besucherstuhl vor Kaltenbachs Schreibtisch fallen. Das Knarren, mit dem das greise Möbel protestiert, ignoriert er. Neuhaus ist Fotograf beim Bremer Tageskurier. Kaltenbach arbeitet gern mit ihm zusammen. Nicht nur, weil sie dicke Freunde sind, sondern auch, weil Neuhaus am kreativsten und zuverlässigsten fotografiert.
»Hey Clemens, dein Picasso hängt schief.«
»Hallo Zausel.« Kaltenbach blickt in das spitze, von einem strubbeligen Vollbart eingefasste Gesicht seines Freundes. Abstehende Haare, die sich nie bändigen lassen, unterstreichen den zauseligen Eindruck. Neuhaus ist schlanker als Kaltenbach und mit einem Meter sechsundachtzig drei Zentimeter größer.
»Hast du morgen schon Termine, Gunnar? Ich soll in einem Vermisstenfall recherchieren. Wenn du mitkommst, könnten wir gemütlich einen Cappuccino trinken.«
»Um was geht’s denn bei der Story?«
»Um einen Studenten. Möglicherweise hat er nur Ärger zu Hause und taucht bald wieder auf.«
»Hast du mehr Informationen?«
»Nein, ich rufe meinen Kontaktmann bei der Polizei an. Du kannst mithören, dann bist du auf dem aktuellen Stand.« Er greift zum Hörer.
»Lunacek.«
Kaltenbach wird sich nie an den Namen des Pressesprechers der Bremer Polizei gewöhnen. Lunaceks Großvater stammte aus Wien. Er ist nach dem Niedergang des Großdeutschen Reiches in Bremen hängengeblieben, weil er geglaubt hat, dort seine große Liebe gefunden zu haben.
»Kaltenbach, hallo Herr Lunacek. Mein Chefredakteur hat mich auf den Vermisstenfall angesetzt. Gibt es in dieser Sache was Neues?«
»Wir haben nicht viele Informationen. Nur, dass Mark Günther der Gothic-Szene angehört und regelmäßig in einer Grusel-Disko verkehrt. Darklord heißt der Laden.«
»Was ist das für eine Szene?«
»Na diese Düsterszene. Sie nennen sich auch Gruftis.«
»Haben Sie mit seinen Eltern gesprochen?«
»Er ist Vollwaise, seine Vermieter haben ihn am Montag vermisst gemeldet. In der Nacht zu Samstag hat er angeblich zuletzt in seinem Zimmer geschlafen.«
Kaltenbach kratzt sich an seiner hohen Stirn. »Hat die Polizei sonst etwas unternommen?«
»Ehrlich gesagt, hat der Fall noch keine Priorität. Mark Günther hat einige Tage nichts von sich hören lassen. Das passiert schon mal. Seinen Freund Frank Stevens, der eventuell mehr weiß, erreichen wir derzeit nicht. Er soll seit Anfang letzter Woche Urlaub machen. Vielleicht ist Mark Günther ihm ja nachgereist. Moment mal.«
Kaltenbach hört, wie Lunacek mit jemanden spricht, versteht aber nicht, um was es geht.. Dann meldet sich Hauptkommissar Markus Sandman, mit dem Kaltenbach häufig zu tun hat.
»Hallo Herr Kaltenbach, am besten lassen Sie die Finger vom Fall Mark Günther. Ihre Konkurrenz von Bremen Netnews hat eine anonyme Todesdrohung erhalten. Der Absender fordert, Herr Raugang solle seine Recherchen einstellen. Die gotische Frakturschrift der Mail erinnert an die schwarze Szene.«
»Hört sich nach einer heißen Geschichte an«, sagt Neuhaus, nachdem Kaltenbach aufgelegt hat. »Geht es um die Typen, die schwarz gekleidet mit einem Sarg unter dem Arm herumlaufen?«
»Schwarz dürfte stimmen, aber ob mit Sarg, da bin ich mir nicht sicher.«
»Ist auch egal, die haben doch an ihren Depressionen genug zu schleppen.«
»Du solltest toleranter sein, Gunnar.«
Neuhaus winkt ab. »Jetzt wissen wir wenigstens, wo wir am Abend hingehen. Der Darklord befindet sich in Hemelingen in der Nähe vom Aladin.«
Kaltenbach sieht ihn entsetzt an. »Da werden unsere besseren Hälften nicht mitspielen.«
»Maren möchte sich den Laden schon länger ansehen. Und wenn du deinen Charme einsetzt, wirst du auch Franziska überzeugen.«
»Warten wir's ab. Sie hat sowieso keine rechte Lust, heute auszugehen.«
»Hoffentlich nicht wegen Maren. Ist Franziska immer noch eifersüchtig?«
Kaltenbach hebt die Arme. »Na klar. Und das völlig grundlos, wie du weißt.« Er hofft, ehrlich zu klingen.
»Deine Affäre mit Maren war doch lange vor ihrer Zeit.«
»Davon weiß Franziska nicht mal was.«
Neuhaus rauft sich die Haare. »Das ist nicht dein Ernst? Kein Wunder, dass Franziska eifersüchtig ist. Sie merkt, dass du einen besonderen Draht zu Maren hast und kann es sich nicht erklären.«
»Soll ich noch Öl ins Feuer gießen? Franziska hat von Anfang an gegen Maren gestänkert.«
Neuhaus winkt ab. »Ich sag weiter nichts dazu. Die Suppe hast du dir selbst eingebrockt.« Er klopft mit der Hand auf die Schreibtischplatte und steht auf. »Man sieht sich. Was hältst du von elf Uhr, vorher ist da tote Hose?«
»Ich werde pünktlich sein und versuchen, Franziska mitzubringen.« Kaltenbach blickt seinem Freund hinterher. Er beneidet Gunnar um Maren und fühlt sich dabei unglaublich mies.
Maren Petersen und Gunnar Neuhaus warten vor dem Eingang des Darklord, als Franziska Bommer und Clemens Kaltenbach, beide ganz in schwarz, eintreffen. Petersen hat einen weinroten Hosenanzug gewählt, der die Vorzüge ihrer Figur betont. Unter dem offenen Blazer trägt sie einen schwarzen BH. Er passt zu ihren ebenfalls schwarzen Locken, die ihr über die Schultern herabfallen und ihr Gesicht noch schmaler wirken lassen. Geschickt versteckte Haarspangen verhindern, dass sich die Haare wie ein Vorhang vor ihren braunen Augen schließen. Auf aufdringliche Schminke hat sie, wie immer, verzichtet. Kaltenbach fragt sich nicht zum ersten Mal, woher die stets elegant gekleidete Maren den Mut nimmt, sich mit Gunnar zu zeigen. Der macht den Eindruck, als hätte er im Wäschetrockner gesteckt, ohne den Knitterschutz einzuschalten. Das trifft selbst heute zu, obwohl sein schwarzer Anzug frisch gebügelt ist und tadellos sitzt.
Maren Petersen küsst Kaltenbach zur Begrüßung auf den Mund. Sie verströmt einen leichten Geruch nach Rauch und einem dezenten Parfüm, das in Kaltenbach angenehme Erinnerungen weckt. Er schaut ihr lange in die Augen, traut sich aber nicht, sie zu umarmen. Neuhaus, der den Ärger kommen sieht, küsst Franziska Bommer ebenfalls, fasst ihr um die Taille und bugsiert sie Richtung Eingang.
»Ich habe dir doch gesagt, dass man nicht unbedingt in Schwarz erscheinen muss«, mault Bommer mit Blick auf Petersen. »Und modern ist mein Outfit auch nicht gerade.«
Kaltenbach weiß, dass Franziskas Kleid erst ein halbes Jahr alt ist, hat jedoch keine Lust zu streiten. »Lasst uns reingehen.«
Schon an der Kasse kommt er sich wie ein Außerirdischer vor. Ohne Amulette, Halsbänder, Kreuze und Tätowierungen fehlen ihm wesentliche Attribute. Er bezahlt die obligatorischen Verzehrbons und winkt den anderen, ihm zu folgen.
Der überfüllte Saal der Diskothek erinnert Kaltenbach an eine Sardinenbüchse. Die zusammengepferchten Gruftis haben ihr Outfit auf die Farben Schwarz und Dunkelrot beschränkt, setzen Letzteres aber eher zurückhaltend ein. Über dem Szenario schwebt düstere Musik. Der Sänger klagt über Schuld, leere Worte und Herzlosigkeit. Und das in einer Lautstärke, die jede Unterhaltung im Keim erstickt. Abgesehen davon ist es heiß wie in einer Sauna. Kaltenbach schlägt vor, in den Barraum zu gehen, wo die Musik ihre Trommelfelle weniger schmerzhaft bearbeitet. Sie drängen sich durch die kostümierten Menschen. Es riecht nach Rauch, Schweiß, Patchouli und abgestandenem Bier.
Im Barraum haben sich dutzende von Flaschen vor der hell erleuchteten Glasrückwand der Theke zu einem bunten Farbenspiel getroffen. Ein gedrungener Barkeeper beeilt sich, die ihm zugerufenen Bestellungen zu erfüllen. Der Mann stellt die Getränke, die Gunnar Neuhaus geordert hat, auf die Theke. Sein ärmelloses T-Shirt gestattet den Blick auf seinen rechten Oberarm und auf eine kleine Totenkopf-Tätowierung. Als Kontrast hat er ein grünes, mit Nieten besetztes Hundehalsband umgelegt. Kaltenbach fragt sich, ob der Typ Hundesteuer zahlen muss.
»Kann ich euch helfen, sucht ihr jemanden?« Der Barkeeper lispelt leicht.
»Sehen wir so aus?«, gibt Maren Petersen schnippisch zurück.
»Ältere Darklords und Darkladys suchen hier meist ihre Kinder.«
Bevor sich Petersen aufregen kann, greift Kaltenbach ein. »Wir suchen Mark Günther.«
»Den suchen viele, was wollt ihr von ihm?«
»Ich schreibe für den Bremer Tageskurier einen Artikel über den Vermisstenfall.«
»Vermisstenfall, wie sich das anhört. Nur weil er sich einige Tage nicht gezeigt hat? Vielleicht ist er bei einer Braut oder bei einem Bräutigam versackt. Außerdem habt ihr euren Einsatz verpennt. Eure Kollegen von Bremen Netnews waren schon gestern hier.«
Kaltenbach wird angerempelt und verschüttet Weißwein auf seine Hose. Verärgert sieht er sich um, entdeckt den Schuldigen aber nicht.
»Netnews hat nur was Allgemeines über euch Gruftis gebracht, was jeder im Internet nachlesen kann«, sagt er, wieder an den Barkeeper gewandt.
Der lacht und zeigt seine gelben Zähne. »Denen habe ich auch nichts erzählt.«
»Warum nicht?«
»Wollten keine Kohle rüberschieben, da hat´s mir glatt die Sprache verschlagen.«
Obwohl es die Konkurrenz getroffen hat, ist Kaltenbach empört. Trotzdem legt er zwanzig Euro auf die Theke.
»Das soll wohl ein Scherz sein, fünfzig Piepen sind das Mindeste.«
Kaltenbach wird wütend. »Werde nicht unverschämt, mehr Geld kriegst du nur, wenn die Infos was wert sind. Außerdem brauchen wir Fotos vom Treiben in diesem Laden. Die sind aber im Preis mit drin.«
»Okay, okay, Fotos kannst du haben. Was willst du denn wissen?«
»Erzähl alles, was du über Mark Günther weißt.«
»Was gibt es da groß zu sagen, er verkehrt hier.«
»Das ist ja wohl gar nichts. Rück die Kohle wieder raus oder streng deinen Grips an.«
Der Barkeeper zuckt die Schultern. »Was soll's, ihr werdet ja ohnehin rausfinden, dass Mark Günther was mit dem Untoten hatte.«
»Mit welchem Untoten?«, fragt Maren Petersen.
»Frank Stevens, studiert in Münster.«
»Und warum haben sich die beiden getrennt?«, fragt Kaltenbach. Er schaut zu Franziska und Gunnar hinüber, die sich abseits gestellt haben.
»Mark hat das Verhältnis beendet. Fühlt sich anscheinend doch mehr zum Weiblichen hingezogen. Schade, ist ein hübscher Kerl.«
Kaltenbach stöhnt leise auf. »Wie hat Frank Stevens reagiert?«
»Rein äußerlich gelassen. Aber was weiß ich, so genau kenne ich die nun auch wieder nicht. Ich denke, die sind sowieso beide bi.«
»Das wird ja immer wilder. Wo finde ich diesen Untoten?«
»Keine Ahnung. Musst bei ihm zu Hause anrufen. Sein Vater hat einen Softwareladen, der steht bestimmt im Telefonbuch.«
Kaltenbach hat in der Enge Mühe, etwas zu notieren. Als Maren Petersen so dicht an ihn gedrückt wird, dass sein Gesicht in ihren Haaren versinkt, zeigt eines seiner Körperteile wachsende Begeisterung. Verdammtes Biest, denkt er, darauf hat sie es angelegt.
»Maren, wenn du mich so in die Ecke drückst, kann ich nicht schreiben.«
»Ich sehe keine Ecke.« Sie blickt ihm in die Augen, fasst um seine Hüften und zieht ihn fester an sich. »Und ich wusste auch nicht, dass du mir ohne Worte ein so nettes Kompliment machen kannst.«
»Maren bitte! Franziska guckt garantiert schon sauer. Ich darf mir nachher wieder ihre endlosen Tiraden anhören.«
In Gedanken wünscht er sich, Maren möge ihn nie loslassen. Damit aus seinen Tagträumen, die längst Wurzeln in seinem Kopf geschlagen haben und sich nicht mehr ausreißen lassen, Wirklichkeit wird. Und dass er nicht weiter versuchen muss, seine Gefühle vor Maren zu verbergen, was ihm ohnehin nicht gelingt. Sie provoziert ihn, lockt ihn mit Blicken, kleinen Gesten und zufällig wirkenden Berührungen, die ihn erregen und verwirren. Und gibt ihm dann zu verstehen, dass er seine Chance bei ihr verspielt hat.
Petersen zündet sich eine Zigarette an und bläst ihm den Rauch ins Gesicht. »Sei ehrlich, du genießt es, mir so nah zu sein. Ich bin aber eine treue Seele, mach dir also keine Hoffnungen.«
»Ich würde doch nie …« Kaltenbach bricht ab. Er spürt aufsteigende Hitze und weiß, dass sein Kopf farblich mit einer Tomate konkurrieren könnte.
Maren Petersen lächelt. »Sag nichts, ich verspreche dir, dass deine Träume unter uns bleiben. Mal was anderes. Gunnar hat mir berichtet, du hättest Franziska nie was von unserer Beziehung erzählt. Warum nicht, bin ich dir peinlich?«
Kaltenbach wedelt den Rauch mit der Hand weg. »So ein Quatsch; wieso solltest du mir peinlich sein? Außerdem hab ich´s ihr vorhin auf dem Weg hierher gesagt.«
»Na toll, den Zeitpunkt hast du genial gewählt. Und ich wundere mich, dass Franziska heute noch mauliger ist als sonst. Manchmal frage ich mich, ob du absichtlich in jedes Fettnäpfchen springst.«
Er greift ihre Hand. »Maren, noch hast du die Chance, als netteste Person des Tages in meiner Erinnerung zu bleiben.«
»Ich bin ohnehin der netteste Mensch. Du wusstest das ja damals nicht zu schätzen.«
»Hättest noch netter sein sollen. Ich lasse mich nun mal nicht so leicht dressieren.« Er hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Schließlich geht es ihn nichts an, dass sich Gunnar von ihr gängeln lässt.
Petersen schenkt ihm ein gequältes Lächeln. »Du darfst alles zu mir sagen, aber den Spruch verkneifst du dir künftig.«
»Entschuldige.«
»Schon vergessen.« Sie drückt seine Hand.
»Lass uns gehen«, schlägt Kaltenbach vor. »Ich halte den pubertären Wahnsinn der Gruftis nicht länger aus. Wir können bei uns noch was trinken.«
»Denkst du, die mageren Infos, die der Barkeeper dir gegeben hat, bringen dich weiter?«
»Willst du sein Hundehalsband enger schnallen, bis er seine tiefsten Geheimnisse auswürgt?«
»Ich mache das.« Petersen winkt dem Barkeeper, der am anderen Ende des Tresens bedient.
»Was gibt´s denn noch?« Der Mann lehnt sich vor ihr über die Theke und faltet erwartungsvoll seine Hände. »Ach so, ich kriege ja noch dreißig Euro.«
»Erst, wenn wir alle Infos haben.«
»Mehr weiß ich nicht. Meinst du, ich führe Aufzeichnungen über unsere Gäste?« Der Barkeeper lispelt nun lauter. Einige Leute drehen sich um.
Petersen schlägt einen schärferen Ton an. »Du möchtest also, dass ein Bericht in der Zeitung steht, der den Darklord mit dem Vermissten in Verbindung bringt? Das mag zwar Werbung für euch sein, ruft aber auch die Polizei auf den Plan. Die kreuzen hier häufiger auf, als es deinem Chef lieb sein kann.«
»Haha, glaubst du, die waren noch nicht hier? Von denen habe ich doch gehört, dass Mark vermisst wird.«
»Und sonst?«
»Nichts und sonst.«
Kaltenbach tritt wieder dichter an den Tresen heran. »Müssen wir dir jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen? Also los, was hast du der Polizei erzählt?«
Der Barkeeper prüft gelangweilt ein Bierglas, indem er es vor die erleuchtete Rückwand hält. »Das, was ich euch auch gesagt habe. Die scheinen nicht sonderlich interessiert zu sein. Haben sich gleich mit meinen Aussagen zufriedengegeben.«
»Mir reichen deine dürftigen Angaben aber nicht.« Kaltenbach sieht den Mann auffordernd an. »Unsere Leser wünschen Details. Wird’s bald? Ich bin Polizeireporter mit sehr guten Connections zu den Bullen. Wenn ich denen einen Tipp gebe, kommen sie zurück und drehen hier jede Flasche um, dich eingeschlossen.«
Petersen greift wieder ein. »In eurer Szene muss es doch Leute geben, die mehr über den Vermissten sagen können, beispielsweise jemand, der ein echtes Verhältnis zu ihm hatte?« Ihr Lächeln ist als Friedensangebot gedacht.
Der Barkeeper kratzt sich unter seinem Hundehalsband. »Ich nenne ungern Namen aus der Szene. Da wollt ihr ja auch nur nerven und ich stehe als Verräter da.«
»Ärger kriegst du so oder so.«
Der Barkeeper schenkt sich einen Absinth ein, nippt an dem Drink und kippt ihn runter. »Also gut, bevor ich euch gar nicht loswerde. Das ist die letzte Auskunft, dann haut ihr ab und lasst euch nicht mehr blicken.«
»Okay, rück raus damit.«
»Ihr könntet Yvonne Selig fragen.«
Petersen zündet sich eine Zigarette an. »Und wo finden wir die Dame? Ist das ein Deckname?«
»Sie heißt wirklich Selig, in der Szene nennt man sie die Schwarze Witwe. Sie war mit Mark Günther zusammen, bis sie sich verkracht haben. Du findest sie im Salon Cutting Crew, dort arbeitet sie als Friseurin.«
»War die Polizei bei der Selig?«
»Nein, denen habe ich nichts von ihr erzählt. Aber platzt da nicht einfach rein, ruft an und sagt, Ingo der Dunkelfürst schickt euch.«
Clemens Kaltenbach und Maren Petersen blicken sich vielsagend an.
»Danke für die Infos. Eine schöne Nacht«, wünscht Kaltenbach.
Ingo lispelt wieder lauter. »Halt, meine restliche Kohle.«
»Erst die Fotos. Die hätte ich fast vergessen.«
Der Dunkelfürst verschwindet hinter einer Tür neben der Bar. Nach fünf Minuten kehrt er mit einem Packen Bilder zurück.
Kaltenbach sieht die Fotos durch und steckt sie in eine Gesäßtasche. »Eines möchte ich noch wissen. Falls Mark Günther was angetan wurde, wer käme dafür aus eurer Szene in Betracht?«
»Bist du jetzt total übergeschnappt, wer sollte denn so was tun?«
»Das frage ich dich.«
»Vergiss es, wir Gothics sind aus Überzeugung friedfertig. Wer schlägt, ist unfähig zu reden. Lieber diskutieren wir tagelang, auch wenn nichts dabei rauskommt.«