Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

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Der Festungskurier, Band 16

Schriftenreihe des Museums Festung Dömitz

Herausgeber: Museum Festung Dömitz

Herausgeber dieses Bandes: Ernst Münch und Kersten Krüger

Einband: Museum Festung Dömitz

© 2016

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978 3 7431 4471 2

Inhalt

Vorwort

Im Jahr 2015 konnte die Festung Dömitz den 450. Jahrestag ihrer Fertigstellung unter Herzog Johann Albrecht I. begehen. In einem Museum, das sich in einer solchen Festung befindet, hat die Beschäftigung mit der Festungsgeschichte sozusagen naturgemäß ständig Konjunktur.

Auch der Tag der Landesgeschichte, veranstaltet vom Museum Festung Dömitz in Kooperation mit dem Historischen Institut der Universität Rostock, hat sich daher diesem Thema bereits mehrfach direkt und indirekt zugewendet.

Am ausführlichsten geschah dies im Jahre 2008, als es um die Geschichte der Festungen in Mecklenburg-Vorpommern ging, ohne dass die Festung Dömitz damals selbst behandelt wurde.1 Letzteres sowie das eingangs genannte Jubiläum waren für die Veranstalter zusätzlicher Anlass genug, im Jahre 2015 nochmals zu diesem Thema zurückzukehren.

In bewährter Tradition des Dömitzer Tages der Landesgeschichte findet sich auch in den nachfolgend abgedruckten Beiträgen eine Trias, die den Charakter dieser bereits seit mehr als anderthalb Jahrzehnten alljährlich stattfindenden Veranstaltung ausmacht – die jeweilige thematische Schwerpunktsetzung, die Vorstellung neuer Forschungsergebnisse sowie das Zusammenwirken älterer, erfahrener und junger, zum Teil noch in ihrer Ausbildung bzw. Qualifizierung befindlicher Forscher.

Zeitlich spannte sich der inhaltliche Bogen der Beiträge vom Herbst 2015 vom späten Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert.

Fred Ruchhöft (Greifswald), als Archäologe und Historiker gleichermaßen ausgewiesen, beschäftigt sich in seinem sowohl grundlegenden als auch detailreichen Text mit den niederadligen Befestigungen, etwas vereinfacht gesagt den Burgen des 14. und 15. Jahrhunderts in Mecklenburg und Vorpommern als den Vorläufern der (früh)neuzeitlichen Festungen. An systematisch ausgewählten typischen Beispielen demonstriert er die beeindruckenden modernen Möglichkeiten der Lasertechnik für das Aufspüren der mit dem bloßen Auge oft nur noch schwer erkennbaren Befestigungsanlagen im Gelände. Mit Recht betont er, dass der Übergang von der mittelalterlichen Anlage zur neuzeitlichen Festung für die Masse des Niederadels bereits aus finanziellen Gründen unerschwinglich bleiben musste und selbst für Landesherren und größere Städte eine sehr hohe Belastung darstellte.

Wenn es denn ein Zufall gewesen sein sollte, so war es auf jeden Fall ein glücklicher, der am Vorabend des Festungsjubiläums von Dömitz im Zusammenhang mit dem sehr gelungenen Neubau der Festungsbrücke zu archäologischen Untersuchungen mit überraschenden Ergebnissen geführt hat. Rolf Schulze (Trebel) stellt den Verlauf und die Resultate dieser Forschungen in instruktiver Weise vor. Als kleine Sensation erweist sich in diesem Zusammenhang, dass nicht nur von der ehemaligen Brücke des Jahres 1865, sondern auch von ihren (mindestens) drei Vorgängerinnen aus der Zeit nach 1781, nach 1656 und sogar nach 1563, also aus der Fertigstellungszeit der Festung, Reste gefunden und ausgewertet werden konnten. Sicherlich ein würdiger Beitrag zur 450-Jahr-Feier!

War Rostock jemals eine Festung oder nur eine große Stadt mit Wallanlagen? Mit dieser Frage setzt sich Tommy Jark (Rostock) in seinem Beitrag auseinander. Durchaus kritisch anknüpfend an die zumeist seit Jahrzehnten zurückliegenden älteren Forschungen über Rostocks Befestigungsanlagen und im Vergleich mit dem modernen Forschungsstand zur Festungsgeschichte allgemein bietet er einen systematisierenden Überblick über die Arbeiten an diesen Anlagen insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert. Zugleich versucht er sich bezüglich der herzoglichen Gegenfestung vor dem Steintor aus den 1560/70er Jahren an einer Neuinterpretation.

Zu einer Art innerstädtischen „Festung“ hätte nach den Plänen des Polizeimajors Otto Kriegbaum das Schweriner Arsenal zu Ende der 1920er Jahre im Falle einer politischen Krise werden sollen. Mit diesem für den damaligen Zeitgeist vielsagenden Projekt beschäftigt sich der Beitrag von Klaus-Ulrich Keubke (Schwerin), dem ausgewiesenen Kenner nicht nur mecklenburgischer Militär- und Polizeigeschichte. Er beleuchtet damit eine aufschlussreiche Episode in der Geschichte des berühmten Demmler-Baus am Pfaffenteich, die man dort nicht unbedingt vermuten würde.

Abgerundet wurde die Reihe der Beiträge durch die Ausführungen von Ralf Mulsow (Rostock) über die mittelalterliche Stadtbefestigung Rostocks anhand archäologischer und historischer Quellen insbesondere für das Mühlentor und von Jakob Schwichtenberg (Rostock) über Pläne und Karten als Quellen für die Geschichte der Festung Dömitz sowie die Vorstellung der Europäischen Kulturroute FORTE CULTURA durch Dirk Röder (Berlin), die auch die Festung Dömitz einschließt. Die drei letztgenannten Beiträge konnten allerdings aus unterschiedlichen Gründen hier nicht zum Abdruck gelangen.

Rostock, im September 2016

Ernst Münch


1 Druck der Beiträge: Der Festungskurier, Bd. 9. Rostock 2009.

Niederadlige Befestigungen des 15. und 16. Jahrhunderts in Mecklenburg und Vorpommern

VON FRED RUCHHÖFT

Die Erforschung des niederen Adels hat in Mecklenburg eine längere Tradition, die vor allem an der Universität in Rostock bis in jüngste Zeiten fortgeführt wird. Bekanntlich prägte er den ostelbischen Raum wie keine andere Region Europas.2 Hat die historische Forschung inzwischen Großes geleistet, was die Geschichte des Adels betrifft, so bleiben bis heute dennoch viele grundlegende Fragen im Verborgenen. Bis heute gibt es keine systematische Erfassung der Adelssitze, und die Frage, wie sich der Weg vom mittelalterlichen Rittersitz zum Gutsbetrieb der Neuzeit gestaltete, ist noch immer ein spannendes Forschungsfeld. Dabei bietet das 15. Jahrhundert einen umfassenden, leider weitgehend unpublizierten Quellenbestand, dessen mühevolle Erschließung bisher jeden Versuch einer Bearbeitung vereitelt hat. Eine vorläufige Erfassung erbrachte vor allem eine Nachricht: bis 1500 sind rund 650 Rittersitze in Mecklenburg historisch nachweisbar und die meisten von ihnen können auf eine mehrhundertjährige Geschichte zurückblicken. Die Zahl würde weiter steigen, wenn man die Liste mit den archäologisch bekannten Rittersitzen ergänzt, doch fehlen bisher die entsprechend nötigen kritischen Zusammenstellungen der bekannten Anlagen. Besonders für das 14. Jahrhundert, der Anfangszeit niederadliger Befestigungen, dürfte mancher kurzzeitig genutzter Adelssitz einer noch vergleichsweise schriftarmen Zeit im archäologischen Quellengut verborgen sein.

So deutlich wie im Schriftgut äußert sich die Geschichte der Güter im Landschaftsbild nicht. Gerade auf den traditionsreichen Adelssitzen haben Neugestaltungen alte Spuren verwischt. Die mittelalterliche Befestigung scheint oft nur so alt, weil die Archäologie kaum Möglichkeiten hatte, ohne die Ausgrabung genauere Datierungen anzubieten als „Mittelalter“. Auch hier kommen die Forschungsdefizite zutage: unzureichende Beschreibungen und voreilige Deutungen, oft auf Basis von Schriftquellen, verdecken den wirklichen Charakter der Anlage. Dabei wären mit einer besseren Quellenerfassung genauere Aussagen möglich. Doch bei rund 1000 vermuteten oder sicheren Anlagen, von denen etliche im Gelände nicht mehr vorhanden sind, ist dies ein ähnlich schwieriges Unterfangen wie eine systematische Durchsicht der mecklenburgischen Urkunden des 15. Jahrhunderts!

Eine hilfreiche Erleichterung der denkmalpflegerischen Arbeit ist die neue Technik des Airborne-Laserscanning. Vom Flugzeug oder Helikopter aus wird das Gelände mit Hilfe von Laserstrahlen genau vermessen, so genau, dass auch archäologische Strukturen unter dichtem Gestrüpp zum Vorschein kommen. Das Landesamt für Innere Verwaltung und Rechtspflege Mecklenburg-Vorpommern verfügt inzwischen über Daten aus allen Teilen des Landes, und so ist es möglich, mit vergleichsweise geringem Aufwand Bilder und Pläne von allen obertägig sichtbaren Bodendenkmalen, auch von den mittelalterlichen Burgen, zu generieren. Nicht in jedem Fall ersetzen sie den Besuch im Gelände, aber mit Hilfe dieser Technik liegen die bisher genauesten Bilder mittelalterlicher Burgen aus Mecklenburg-Vorpommern vor.

Die bekannteste niederadlige Burg des norddeutschen Tieflandes ist der so genannte Turmhügel. Wenngleich manchmal fälschlich ein barocker Teehügel oder ein anderes parkgestaltendes Element für einen solchen gehalten wird, ist er zu hunderten in der Kulturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns nachgewiesen worden. Eine kritische Überprüfung dieses Denkmalbestandes wird künftig noch unumgänglich sein; auch der Laserscan kann diese Frage nicht immer sicher beantworten. Der Turmhügel, oft auch „Motte“ genannt, ist bei uns keineswegs immer ein ebenerdig errichteter hölzerner, nur selten steinerner Turm, der mit Erde „eingemottet“ wurde. Häufiger baute man ihn auf einem natürlichen oder künstlichen Hügel, manchmal entstand der Hügel nur, weil man die Stelle des Turmes mit einem Graben umgab. Diese einfachen Anlagen waren schnell zu errichten und ebenso schnell auch zu zerstören, und sie waren auch nicht für die dauerhafte Nutzung gebaut. Sie dienten als letzter Rückzugsort im Gefahrenfall. Der Ritter wohnte auf dem manchmal mit einem Graben befestigten Hof. Die vielen Turmhügel in Dörfern ohne jüngeren Rittersitz zeigen zudem, dass zu ihrer Zeit – um 1300 herum – der Adelssitz noch nicht so auf Dauerhaftigkeit ausgelegt war wie schon einige Jahrzehnte später.