43.

Morrow und McGrain zogen zwei Stühle aus der hintersten Reihe in den Victoria Halls. Sie setzten sich an die Wand, in den Schatten der überhängenden Galerie. Sie waren nicht hier, um an der öffentlichen Versammlung teilzunehmen. Sie waren hier, um sich die Leute anzusehen.

Die Veranstaltung wurde gefilmt und würde später sowohl in den Regionalnachrichten als auch in einer nationalen Fernsehsendung über echte Kriminalfälle zu sehen sein. Eine riesige Kamera beanspruchte die Mitte des Raums und war auf die Tische auf der Bühne ausgerichtet. Davor waren Plastikstühle aufgereiht.

Der Sailors’ Rest-Brand war wegen des tragischen Tods der kleinen Lea-Anne Ray in den landesweiten Nachrichten. Helensburgh war von ihrem Tod erschüttert, aber keiner der Hinweise, die bei der Polizei eingegangen waren, hatte sich als sonderlich hilfreich erwiesen. Sie hatten das Gefühl, dass viele etwas wussten, aber zu viel Angst hatte, um etwas zu sagen.

Morrow verschränkte die Arme und sah sich in dem vertrauten Saal um. Sie kannte fast jede Ecke aus der Fülle der ­Fotos, die sie vom Tanzdinner gesammelt hatten. Jetzt trugen sie Informationen über »Abigail Gomez« zusammen. Die ­Suche würde auf beiden Seiten des Atlantiks weitergehen, aber ­Morrow spürte bereits, wie die Energie schwand. Police Scotland würde ihren Anteil an den Erlösen aus Injury Claims 4 U bekommen, aber sie würden auf die vollständige Aufklärung des Falls verzichten. Gomez war eine potenziell kostspielige Festnahme, und die konnten sie sich nicht leisten. Alles, was sie bisher hatten ausbuddeln können, war eine vorläufige Identifizierung: eine tote Frau namens Elizabeth Marquez. Die Fotos von Gomez wiesen laut einem amerikanischen Gesichtserkennungsprogramm leichte Übereinstimmungen auf. ­Marquez, eine »freiberufliche Sicherheitsberaterin« aus Venezuela, war vor drei Jahren in Nigeria verschwunden. Man ging davon aus, dass sie tot war. Es gab nur acht Punkte bei der Gesichtserkennung, was nicht reichte, um aktiv zu werden.

Die Fernsehkamera war größer und kastiger, als Morrow angenommen hätte. Sie wurde von schlanken, sonnengebräunten Menschen bedient, deren Frisuren zu stylish für die kleine Stadt waren.

Auf der Bühne standen ein kurzer Tisch und vier Stühle vor einem blauen Banner mit dem Distel-und-Krone-Logo von Police Scotland: Den Menschen Sicherheit geben stand darunter.

Die Bürger der Stadt tröpfelten herein. Ein Hausmeister zeigte ihnen ihre Sitze, und die Fernsehleute arrangierten das Publikum um wie Blumen in einer Vase. Sie setzten die frühen Besucher in die vorderen Reihen, überprüften die Anordnung auf ihren Monitoren und gingen zurück, um sie wieder umzusetzen.

Morrow sah den Monitor auf der Rückseite der Kamera, die kastenförmige Ansicht ließ den Saal klein und intim wirken. Der Blick durch den Monitor war eindringlich. Es zog ihre ­Augen immer wieder zu dem hellen kleinen Rechteck geordneter Realität.

Simmons erschien mit Chief Inspector Pittoch, der seine volle Zeremonienuniform trug. Gemeinsam tourten sie durch den Saal, lächelten und schüttelten den Fernsehleuten und Journalisten die Hände. CI Pittoch gab ein Radiointerview in ein kleines Diktiergerät. Dann kam jemand vom Fern­sehen und rüstete beide mit Ansteckmikrofonen aus, ließ den Draht am Rücken ihrer Jacketts hinab und befestigte den Sender an ihren Taschen. Währenddessen kamen immer mehr Einwohner in den Saal und wurden zu ihren Sitzen dirigiert.

Weitere Stühle wurden für noch mehr Menschen hinein­gebracht. Ständig kamen neue Leute an, und die Menge kroch auf Morrow und McGrain zu.

Unruhe an der Tür. Ältere Menschen im Publikum standen auf, richteten ehrerbietig den Blick auf zwei alte Frauen, die hereinkamen. Eine saß im Rollstuhl, ein schlimmes Bein vor sich ausgestreckt, mit beiden Händen umklammerte sie die Henkel ihrer Handtasche wie ein Lenkrad. Die andere stützte sich schwer auf die Rollstuhlgriffe. Beide Frauen trugen ihre besten sauberen Blusen und schicke Strickjacken.

Am Bühnenrand wurden sie mit Mikrofonen verkabelt, dann half man ihnen die Stufen hinauf. Die stehende Frau ging ganz langsam allein hoch, und die sitzende Frau wurde von Menschen aus dem Publikum aus dem Stuhl gehoben. Gestützt schaffte sie es Stufe für Stufe bis auf die Bühne. Der Rollstuhl wurde zusammengefaltet, hinaufgereicht, wieder geöffnet, und sie setzte sich hinein. Sie wurde hinter den Tisch geschoben, und ihre Begleiterin setzte sich neben sie. Ein Mann im Publikum klatschte ein paarmal unangebracht in die Hände, und die Frau neben ihm bedachte ihn für seine Mühe mit einem Klaps auf den Arm.

Es kamen immer noch Leute. Die Rentner waren schön früh gekommen, doch jetzt strömten die restlichen Einwohner durch die Türen. Männer in Arbeitskleidung, Frauen, die ­hektisch hereineilten, als hätten sie eben noch auf dem Parkplatz Kinder abgestreift, eine Frau mit einem National Health System-­Abzeichen, die fast allen zunickte.

Drei junge Männer kamen gemeinsam herein, alle trugen »Ja«-Abzeichen und hatten die Hände voll mit Infomateria­lien zum Referendum. Eine Woge der Empörung rollte durch den Saal. Das würden sie doch nicht tun, oder? Nicht hier, ­verdammt noch mal! Aber sie taten nichts. Sie setzten sich ­neben die Tür, nur Stimmenwerber, die eine Pause machten.

Frank Delahunt kam allein und wurde von allen ignoriert. Er setzte sich neben ein älteres Paar. Sie nahmen seine hin­gestreckte Hand und schüttelten sie, aber taten es ausgesprochen ungern. Er war nicht beliebt, und Morrow wusste, dass man ihm gesagt hatte, er würde sein Haus verlieren. Police Scotland würde es versteigern.

Boyd Fraser kam herein, noch in seiner Kochuniform. Er musste von nebenan gekommen sein. Er war vor vier Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden, aber er sah schwer gebeutelt aus. Seine Frau Lucy hielt seine Hand umklammert, die Zähne zusammengebissen, die Aufmerksamkeit auf jeder seiner Bewegungen. Sie machte sich Sorgen um ihn, und er war ihr dankbar dafür.

Mit einem Mal erstarrte der Saal. Es wurde kurzfristig ganz still, und alle sahen zur Tür. Mark Barratt stand im Türrahmen. Mit geschwellter Brust nahm er die Schmach frontal entgegen. Morrow musste sich auf die Innenseite ihrer Wange beißen, um nicht zu weinen. Es war die Art, wie er dastand, die Arme an den Seiten, die Fäuste geballt, trotzig. Für einen flüchtigen Moment hatte er so sehr wie Danny ausgesehen, dass sie fürchtete, sie müsse sich übergeben.

Der Moment ging vorbei, das Geplapper im Saal schwoll wieder an, und Barratt trat weiter in den Raum hinein. Er war nicht allein. Die beiden jüngeren Männer waren wie er in schwarze Trainingsanzüge gekleidet, und sie hatten ebenfalls rasierte Schädel. Sie sahen aus wie Barratts Jünger. Einer von ihnen hatte sehr dichte Augenbrauen.

»Das ist Tommy Farmer«, murmelte McGrain, und Morrow nickte.

Das Trio ging um die Kamera herum nach hinten, inspizierte den Saal nach leeren Stühlen. Tommy Farmer fand drei nebeneinander und stellte sich neben sie, suchte Marks Blick und Anerkennung, aber der andere hatte eine Reihe aus vier Stühlen gefunden, und Mark nickte und ging dorthin.

Tommy sah verwirrt aus. Er blieb, wo er war, und sah zu, wie sich Barratt hinsetzte und zur Tür schaute. Eine Frau stand dort. Barratt winkte sie zu sich. Sie schienen ein ungleiches Paar. Sie war unordentlich gekleidet, schlurfte auf dem Weg zu ihm. Ihre Knöchel waren geschwollen, und an ihrem Rocksaum befand sich ein Riss. Ihr dünnes blondes Haar war im Nacken verfilzt. Sie lächelte und nickte Barratt zu und setzte sich neben ihn.

Tommy war beunruhigt. Er eilte hinüber, sah die Frau an, sah Barratt an, bewegte sich schnell, suchte nach einer Erklärung für etwas, während er sich auf die andere Seite seines Bosses setzte. Barratt ignorierte ihn, aber die Frau legte großen Wert darauf, Tommy breit anzugrinsen. Sie sah aus wie er. Es war Tommys Mutter.

Der Saal war voll. Die Türen wurden geschlossen. Die Fernsehregisseure überprüften ihre Monitore. Die alten Frauen auf der Bühne glätteten ihr Haar und ihre Kragen und ihre Strickjacken. Simmons und ihr Boss machten sich auf zum Bühnenrand und warteten auf ihr Stichwort. Stille senkte sich über den Saal.

Der Regisseur sah vom Monitor auf und nickte den Polizisten zu.

CI Pittoch zog die Uniformjacke mit einem Ruck am Saum gerade, warf einen Blick heller Panik ins Publikum, marschierte zum Tisch und setzte sich auf den nächstbesten Stuhl. ­Simmons folgte ihm auf dem Fuß. Sie wirkte sehr behaglich. Die Pressekonferenz fing an.

Pittoch sprach die Begrüßung und sagte, dass es sich bei dem verheerenden Feuer im Sailors’ Rest um Brandstiftung handelte. Ein Einheimischer, Murray Ray, und seine kleine Tochter, in der Gemeinde sehr beliebt, waren gestorben. Und jetzt: Die Leute wüssten, wer dafür die Verantwortung trüge, und es sei an der Zeit, die Wahrheit zu sagen. Es sei in einer so eng verwobenen Gemeinschaft manchmal schwer, die Wahrheit zu sagen, aber es sei wichtig.

Pittoch stellte Mrs. Eunice Ray, die Dame im Rollstuhl, und Annie Kilpatrick vor. Sie waren Lea-Annes Großmütter, und sie wollten eine Stellungnahme verlesen.

Annie und Eunice. Die Namen hatten Morrow nichts gesagt. Sie hatte Iain Frasers gestelzte letzte Worte Simmons gegenüber nicht einmal erwähnt, weil sie keinen Sinn ergeben hatten. Sagen Sie es ihnen. Ich war es nicht.

Im Saal war es still und ruhig. Annie Kilpatrick hielt den Blick gesenkt, zitterte, als Eunice das Blatt mit ihrer Stellungnahme hochhob. Das Mikrofon war so weit aufgedreht, um ihre leise Stimme aufzunehmen, dass sich der Saal mit ihren Atemzügen füllte, mit dem Geräusch ihrer Kleidung, die aneinanderrieb. Auf dem Monitor konnte Morrow sehen, dass sie das Blatt zu hoch hielt und damit ihr Gesicht verdeckte. Sie las mit hoher Stimme vor. Ihr einziger Sohn und ihre Enkeltochter, ihrer aller Prinzessin, waren in diesem Feuer ermordet worden. Die Bewohner dieser Stadt wussten, wer es gelegt ­hatte. Sie hatten die Pflicht, sich zu melden und es der Polizei zu sagen. Bitte sagt …

Sie hörte auf zu sprechen. Das Blatt vor ihrem Gesicht ­zitterte. Im Saal war es so still, das Mikrofon so weit aufgedreht, dass man ihre Tränen auf das Papier tropfen hörte.

Eunice ließ das Blatt sinken, wurde dadurch wieder sichtbar. Sie weinte, sah zu Annie, die neben ihr saß. Annie weinte ganz offen am Tisch, das Kinn auf der Brust. Sie flüsterte tief in das Mikrofon an ihrem Kragen: »Unser Leben ist vorbei.«

Alle warteten darauf, dass sie weitersprach, aber das tat sie nicht. Simmons schaute ihren Boss an. CI Pittoch hatte nicht damit gerechnet, so früh schon etwas sagen zu müssen. Er erschrak, übernahm dann aber:

»Also! Wir rufen Sie auf! Jeden, der etwas weiß. Melden Sie sich und helfen Sie dieser Familie.«

In seiner Verwirrung blickte er Mark Barratt direkt an.

Mark Barratt saß reglos da und starrte zurück. Dann nickte er ganz leicht.

»Nein! Mark! Nein!«

Es war die Frau neben ihm. Sie sprang auf die Füße, griff an Barratt vorbei nach ihrem Sohn Tommy.

Barratt hob einen Arm und hielt sie ab, packte sie an der Schulter und stieß sie zurück auf ihren Stuhl.

In der hinteren Saalecke hob ein kleiner Mann die Hand, den Blick aufmerksam auf Barratts unbewegtes Gesicht gerichtet. Er trug ebenfalls einen Trainingsanzug. Er wollte etwas sagen, und Mark Barratt nickte ihm zu. »Tommy Farmer hat das Feuer gelegt. Ich hab ihn gesehen.«

Ein einzelnes Kreischen von einem Stuhl durchdrang den Saal. Tommy war aufgestanden, spähte zum Ausgang.

»Hiergeblieben!« Simmons rannte quer über die Bühne und die Stufen hinunter. »Farmer! Hierbleiben!«

Mark Barratt stand auf. Er zog die Frau an seiner Seite auf die Füße, zerrte sie mit sich aus dem Saal.

Farmer brüllte ihnen nach. »Niemals!«

Aber Simmons stand schon neben ihm, packte ihn am Handgelenk, nickte einem Polizisten zu, sich um den Mann zu kümmern, der die Hand gehoben hatte. CI Pittoch saß ganz still auf der Bühne und versuchte mit aller Kraft, für die ­Kamera würdevoll zu bleiben. Das Publikum nickte, zufrieden, zustimmend.

Aber Morrow sah sich nicht die Festnahme an. Sie war von den alten Frauen auf der Bühne wie gebannt. Annie und ­Eunice. Auch sie sahen sich die Festnahme nicht an. Sie weinten, hielten sich an den Händen, Stirn an Stirn gepresst. Alles, was sie sagten, wurde von ihren Mikrofonen so laut verstärkt, dass es den Saal übertönte.

Annie rang weinend nach Atem, und Eunice schluchzte: »Gott sei Dank! Gott sei Dank! Gott sei Dank!«

Der Saal verwandelte sich in einen Mahlstrom aus Aktivität, Tommy widersetzte sich der Festnahme, der kleine Mann mit der erhobenen Hand wurde befragt, Boyd Fraser und seine Frau umarmten sich in einer Ecke. Menschengruppen wirbelten umher und verebbten, Leben änderten sich und Klippen wurden fortgeschwemmt, aber Morrow sah nichts von alledem. Sie lauschte.

Aus den großen Lautsprechern zu beiden Seiten der Bühne flutete der Klang von weinenden alten Frauen, die sich umklammerten, und das Rascheln der Blusen gegen die Mikro­fone füllte den Saal so gewiss wie Wasser.

cover

 

Impressum

eBook-Ausgabe: © CulturBooks Verlag 2017

Gärtnerstr. 122, 20253 Hamburg

Tel. +4940 31108081, info@culturbooks.de

www.culturbooks.de

Alle Rechte vorbehalten

Titel der englischen Originalausgabe

Blood Salt Water

© 2015 by Denise Mina

Printausgabe: © Argument Verlag 2017

Lektorat: Else Laudan

Covergestaltung: Magdalena Gadaj

eBook-Herstellung: CulturBooks

Erscheinungsdatum: April 2018

ISBN 978-3-95988-119-7

Über das Buch

Iain Fraser stammt aus Helensburgh. War lange weg, eine Haftstrafe absitzen. Jetzt ist er zurück. Und muss tun, was sein Boss von ihm erwartet, egal wie, egal was. Aber eine arglose Frau zu töten ist verdammt finster. Das wird Iain nicht mehr los.

Inzwischen steht Detective Inspector Alex Morrow vor einem Rätsel. Die von der Polizei überwachte Roxanna Fuentecilla ist verschwunden – sehr peinlich, zumal die Spanierin in einen Fall von Wirtschaftskriminalität verwickelt ist, der dem frisch verschlankten Budget der zuständigen Ermittlungsabteilung helfen sollte.

Die Leiche, die im Loch Lomond treibt, ist jedoch nicht die der Gesuchten. Morrow hat also zusätzlich einen Mordfall am Hals. Und der führt sie nach Helensburgh …

 

Denise Mina, in Großbritannien als Queen of Tartan Noir gefeiert, schreibt raffiniert verflochtene Pageturner mit Ecken und Kanten. Blut Salz Wasser wechselt zwischen den Perspektiven des Täters, der Ermittlerin und von Nebenfiguren und knüpft ein komplexes Panorama sozialer Wirklichkeit: eine schottische Kleinstadt kurz vor dem Referendum, eine Welt für sich – doch zugleich eine verblüffend repräsentative literarische Welt, die tiefe Einblicke in die moderne Gesellschaft gewährt.

 

Über die Autorin

Denise Mina, Jahrgang 1966, brach nach einer rastlosen Kindheit in Glasgow, Paris, London, Invergordon, Bergen und Perth die Schule ab, jobbte halbherzig in einer Fleischfabrik, in Bars, als Köchin und als Krankenpflegehelferin, qualifizierte sich per Abendschule fürs Jurastudium an der Universität Glasgow. Statt danach wie geplant in Kriminologie und Strafrecht zu promovieren, begann sie Kriminalliteratur zu schreiben. 2014 aufgenommen in die Crime Writers’ Association Hall of Fame. Sie hat 12 Romane publiziert, außerdem verfasst sie Shortstorys, Bühnenstücke, Graphic Novels und macht TV- und Radiosendungen. Denise Mina lebt in Glasgow.

 

Denise Mina

 

Blut Salz Wasser

 

Kriminalroman

 

Deutsch von Zoë Beck

 

CulturBooks Verlag

www.culturbooks.de

 

 

1.

Sie war in den zwei Tagen, in denen sie sie festgehalten hatten, so folgsam gewesen wie ein Kalb. Sie kam bereitwillig mit, als sie sie mit dem Transporter abholten. Sie bat um keinen Gefallen, bettelte nicht um Gnade, während sie darauf warteten, dass Wee Paul das letzte Wort sprach: Tötet sie oder lasst sie laufen.

Anfangs gefiel es Iain, dass sie so passiv war. Er hatte noch nie eine Frau zu etwas zwingen müssen. Dann fragte er sich, woran es lag. Sie schien überhaupt nicht ängstlich, sie lächelte sogar manchmal. Nur einmal sagte sie etwas, sie fragte: Wie lange dauert es noch? Langsam wurde ihnen klar, dass sie völlig missverstanden hatte, worum es ging.

Tommy grinste, als er es merkte, er nickte Iain hinter ihrem Rücken zu, lachte über sie. Iain fand es nicht lustig. Je länger es sich hinzog, desto mieser ging es ihm damit. Es war ehrlos, aber er konnte sie schlecht warnen oder laufenlassen. Er fühlte sich durch diesen Betrug an ihr so unbehaglich, dass er während der langen letzten Nacht zweimal versucht war, einfach aufzustehen und zu gehen. Das konnte er nicht. Er musste den Job durchziehen, um seine Schulden zu bezahlen. Arsch­backen zusammenkneifen und durchziehen.

Nachdem Wee Paul morgens angerufen und Tommy seine Entscheidung mitgeteilt hatte, konnte Iain sie nicht mehr an­sehen. Sie steckten sie wieder in den Transporter und fuhren von Helensburgh an den Loch Lomond.

Raus aus dem Transporter unter einen ­regenschwangeren Himmel, dessen tiefhängende graue Wolken alle Farben der Berge dämpften. Sie gingen im Gänsemarsch durch hohe Sanddünen, Tommy voran, sie in der Mitte, Iain dahinter, folgten einem Zickzackpfad bis zum Seeufer.

Die Dünen waren für einen Golfplatz bestimmte industrielle Haufen, neongelb und sehr hoch. Sie drehte sich nach dem schimmernden Sand um, und Iain sah, wie ein kleines ­Lächeln ihre Wangen hob. Woran dachte sie? Vielleicht an warme ­Urlaube an gelben Stränden. Blaues Meer. Sonnenbräune. Sie hatte immer noch nicht die leiseste Ahnung. Iain steckte seine Hand in die Tasche und berührte den Schlagstock. Er würde ihr nicht ins Gesicht schlagen, sie hatte ein nettes Gesicht. Er würde dafür sorgen, dass es schnell ging.

Ein schneidender Windstoß, der vom Wasser kam, ließ sie zusammenzucken, als sie ans Seeufer trat. Dann sah sie auf. Beim Anblick des Boots geriet sie ins Straucheln. Ihre Knie wurden weich, sie hob den Kopf und stieß einen schnarrenden Tierlaut aus, der in den Ohren wehtat, weil er so nah war.

Tommy wirbelte herum, wollte ihr die Hand auf den Mund legen, damit sie aufhörte, aber sie ruderte wild mit den ­Armen und kreischte immer wieder kurz und rau »NEIN!«. Die beiden staunten über den Widerstand, der in ihr steckte. Sie drehte sich um, kegelte Tommy mit der Schulter aus dem Gleich­gewicht, versuchte an ihm vorbeizukommen. Tommy schwenkte auf den Fersen herum und griff noch im Fallen nach ihr. Seine Hand rutschte an ihrer Hüfte ab, er plumpste auf die Knie, und sie entwischte.

Mit zwei großen Schritten war sie an ihm vorbei, jagte den Bootssteg entlang und hielt auf die dichte Baumreihe zu.

Iain war ein großer Mann mit beträchtlicher Reichweite. Er packte sie am Oberarm, zog den Schlagstock aus der Tasche und drehte sie zu sich. Er schlug ihr so fest er konnte auf den Kiefer.

Ihr Kopf schnappte zurück. Ihre Augen verdrehten sich. Sie glitt zu Boden, als wäre sie mit Sand gefüllt. Dann lag sie da auf dem Steg, reizlos über eines ihrer Beine gefaltet.

Ein alter Gefängnistrick. Man mochte noch so hart zuschlagen, wenn man den anderen falsch erwischte, konnte er gleich wieder auf einen losgehen, wütend und zu allem bereit. Für ein K.o. musste der Kopf ruckartig herumpeitschen. Dann knallte das Hirn innen gegen den Schädel. Wenn man den Kopf nur schnell genug schleudern ließ, konnte man fast garantieren, dass der andere zu Boden ging.

Iain und Tommy starrten auf sie runter. Tommy keuchte vor Schreck. Es überraschte Iain, dass er es sich so deutlich anmerken ließ. Sie kannten sich nicht besonders gut, hatten vorher noch nicht zusammengearbeitet. Sie waren noch dabei, ihre Rollenverteilung zu klären. Tommy machte auf Fernseh­schurke, fluchte und knurrte. Iain gab sich wie die furcht­erregendsten Typen im Knast: ausdruckslose harte Knochen, die ohne Vorwarnung angriffen.

Als er die bewusstlose Frau betrachtete, dachte Iain an die Männer, die so waren. Er hatte sie beneidet. Sie schienen nie etwas zu empfinden. Jetzt fragte er sich, ob ihr leerer Blick Verzweiflung verbarg, die so tief saß, dass sie ihnen die Luft abschnürte. Ob ihnen der Selbstekel wie ein Stein im Magen lag. Wahrscheinlich nicht.

Sie sahen zu, wie sich an ihrem Kinn eine eiförmige Beule bildete. Ihr Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig. Ihre Augen flatterten hinter den Lidern. Bewusstlos, aber nicht tot. Der Plan hatte vorgesehen, sie hierherzubringen, ins Boot zu treiben, sie möglicherweise sogar weit hinaus aufs Wasser zu schaffen und dann erst zu töten.

Tommy knurrte: »Lass sie da nicht einfach so liegen. Bring’s verdammt noch mal zu Ende.«

Er hatte recht. Sie könnte aufwachen, und das wäre mehr als grausam, weil es dann immer noch getan werden musste, aber sie würde es mitkriegen.

Iain beugte sich schnell hinab. Das war ein Fehler, aus Mitleid geboren. Ein brennend heißer Nadelstich in der Lendenwirbelsäule ließ ihn aufstöhnen. Verlegen richtete er sich auf. Er versuchte es aufs Neue, hielt den Rücken gerade, beugte ein Knie, als wollte er sich zum Ritter schlagen lassen. Er ging ganz runter und brachte sich in Position, bewegte vorsichtig sein Becken, vor und zurück, probierte aus, wo die Grenzen waren. Dass er den Rücken kaputt hatte, war neu, die Schmerzen ungezielt, noch nicht verortet.

Er knirschte mit den Zähnen, hob den Schlagstock über seinen Kopf und schlug zu, immer wieder, so wie er früher als Junge Fische erlegt hatte. Er zielte auf ihre Schädeldecke oberhalb des Haaransatzes, so dass er ihr Gesicht nicht zertrümmerte. Es war die einzige Gnade, die er ihr gewähren konnte. Ganz egal, was sie getan hatte oder wie sehr Iain diesen Job brauchte, sie verdiente es, ihr Gesicht zu behalten.

Tommy sah weg, tat desinteressiert, starrte das Boot an. Er zeigte auf das sich pellende 12-Fuß-Dinghy, das auf dem unruhigen grauen See gegen den Steg klatschte. Die Sea Jay II ­machte nicht viel her. »Schau dir an, in was für einem beschissenen Zustand das Ding ist«, sagte er und übertrieb sein ­Interesse am Zustand des Boots, weil er nicht zusehen konnte. »Überall blättert die scheiß Farbe ab.«

Tommy wusste einen Dreck über Boote. Das Boot war tadel­los.

Es war erledigt. Ein scharlachroter Heiligenschein erstrahlte um ihren Kopf. Iain merkte, dass er keuchte, und sein Knie tat fürchterlich weh. Es wurde von seinem gesamten Körper­gewicht auf den geriffelten Beton gedrückt.

Er lehnte sich über den Körper der Frau, um sich aufzurichten, bildete dadurch einen Windschutz. In dem Vakuum warf er einen Blick auf ihr Gesicht, dem er nah genug war, um es ohne das geschwollene Kinn und die blutige Wunde am Kopf zu sehen. Mit einem Mal sah er sie als Frau, vielleicht eine, die er mal gekannt oder geliebt hatte, er konnte sie nicht einordnen, aber sie wurde zu einer Person, und das war sie bis gerade eben nicht gewesen. Bis gerade eben war sie eine lästige Aufgabe gewesen. Eine von der Sorte, die man erledigen musste, über die man aber so gar nicht nachdenken wollte.

Er stützte sich mit der Hand auf und beugte den Ellen­bogen, um sich hochzustemmen, aber dadurch kam er ihr noch ­näher. Spürte die Wärme, die von ihrer Wange abstrahlte. Der mütterliche Tau ihres Atems legte sich auf seine Lider. Sein Ohr war nur Zentimeter von ihrem Mund entfernt. Er hätte sie sonst nicht gehört. Tief aus ihrem Inneren kam ein Laut: ­Sheila. Der Name seiner Mutter.

Erschrocken fuhr er zurück. Gerade als sein Mund auf einer Höhe mit ihrem war, rang er nach Luft und saugte ihren warmen, feuchten letzten Atemzug ein. Zog ihn tief in seine Lunge.

Iain rappelte sich hoch. Trat zurück, die Hände erhoben, ergab sich. Nein. Das war dumm. Shee-lah. Nicht der Name seiner Mutter. Nur Laute. Von einer Leiche. Nicht Sheila. ­Shee-lah. Nicht real. Aber seine Lippen waren feucht von ihr, seine Atemwege gefüllt mit ihren Schreien.

Der See krallte sich an den Steg. Möwen kreischten empörte Trauergesänge hoch über seinem Kopf. Eine Handvoll Sand legte sich über ihr Gesicht, der klagende Wind hatte ihn gebracht.

»Hast du’s?« Tommy hielt seinen Blick auf das Boot gerichtet. »Bist du jetzt fertig?«

Iain öffnete den Mund, um etwas zu sagen, machte ihn aber wieder zu. Er wollte nichts sagen, weil er nicht wusste, was aus ihm herauskommen würde. Alles, was sie an Widerstand in sich gehabt hatte, alles von ihr war in ihn übergegangen. Es war aufgestiegen, hatte ihren Körper verlassen, und er hatte es aufgesogen. Ihre Seele.

Jetzt war sie in ihm gefangen. Sie wand sich und schlug um sich und war wütend, und sie würde sich ihren Weg durch seine Eingeweide brennen.

2.

Auf dem Beifahrersitz klingelte laut und schrill Alex Morrows Diensthandy.

»Roxanna wird vermisst, Ma’am«, sagte McGrain, einer ­ihrer DCs. »Wir haben gestern beim Abliefern vor der Schule den Sichtkontakt verloren und konnten sie nicht wiederfinden. Gerade ist sie durch einen anonymen Anruf als vermisst gemeldet worden.«

»Was? Von wem kam der Anruf?«

»Wissen wir nicht. Es war eine Kinderstimme. Englischer Akzent.«

»Eins von ihren Kindern?« Morrow hielt das Handy am Lenkrad und brüllte hinein. Sie verstieß gegen das Gesetz, aber das war nicht der Grund, warum sie brüllte. Das Schicksal von Roxanna Fuentecilla lag ihr persönlich am Herzen. »Er war’s, oder? Scheiße. Ihr verfickter Freund.«

»Na ja, wir wissen nicht, wer angerufen hat. Es klang aber nach einem der Kinder.«

»Ich bin in zehn Minuten da.« Sie drückte ihn weg und beeilte sich, durch den morgendlichen Verkehr zur London Road Police Station zu kommen.

Der Parkplatz war voll, aber für sie war ein Stellplatz reserviert. Sie stieg aus und schloss ab, ging schnell durch den Hintereingang, hielt sich selbst eine Standpauke. Sie sollte sich beruhigen. Sie kannte Fuentecilla nicht mal. Was Morrow an ihr auch bewundern mochte, es beruhte lediglich auf Annahmen. Sie hatte sich eine Menge Überwachungsmaterial angesehen, aber das ergab noch längst kein vollständiges Bild. Sie war eine Kriminelle. Denk dran. Wir und die.

Durch den Hintereingang rein, vorbei am Zugang zu den ­Arrestzellen, ein knappes Nicken und ein Hallo für den diensthabenden Sergeant. Morrow eilte durch die Umkleide­räume und durchquerte das Foyer. Sie öffnete die Tür zu ­ihrem Büro, kegelte ihre Tasche gegen den Schreibtisch, ging zurück über den Flur zum Lagezimmer und fand McGrain. Er lehnte an einem Schreibtisch, nippte an seinem Tee und hörte DC ­Thankless zu, einem kahlen, muskulösen, unangenehmen Mann. Morrow mochte ihn nicht.

»Heilige Scheiße.« McGrain stand stramm, als er sie sah. »Das ging aber schnell.«

»Komm mit.«

McGrain folgte ihr in ihr Büro und machte die Tür hinter sich zu.

»Das ist keine Kantine.« Sie sah auf die Teetasse, die er noch in der Hand hielt.

Beschämt verdrückte er sich, stellte sie auf den nächstbesten Tisch im Lagezimmer und huschte zurück in ihr Büro. »Tut mir leid, Ma’am.«

»Setz dich.« Sie deutete auf einen Stuhl. »Und jetzt sag mir, was passiert ist.«

Also sagte er es ihr: Sie hatten gestern Sichtkontakt mit ­Roxanna Fuentecilla verloren, nachdem sie ihre Kinder zur Schule gebracht hatte. Sie fuhr immer zur selben Zeit vom Büro nach Hause, aber gestern Abend hatte niemand sie ins Haus gehen sehen. Ansonsten gab es nichts Verdächtiges: Die Lichter waren wie üblich angegangen, im Wohnzimmer, in der Küche und in ihrem Schlafzimmer. Ihr Auto war auch nicht zu sehen, aber sie parkte manchmal in einer Seitenstraße, wenn es sehr voll war.

Sie beobachteten sie seit drei Wochen; manchmal hatten sie sie aus den Augen verloren, sich aber nichts dabei gedacht. Es wäre zu teuer, ihr persönlich zu folgen, Etatkürzungen zwangen sie bereits dazu, ihre Ablage selbst zu machen und die Kugelschreiber zu rationieren, also mussten sie sich auf Überwachungs­kameras verlassen. Sie sahen sich eine Menge CCTV-Material an. Bei Fuentecilla war man nicht von Fluchtgefahr ausgegangen, weil sie Kinder hatte. Sie waren vierzehn und zwölf und gut in der Schule, sauber und wohlgenährt und bestens ent­wickelt. Sie betete sie ganz offensichtlich an.

Über Nacht waren die Aufnahmen aus allen üblichen Quellen überprüft worden. Von gestern gab es kein einziges Bild, auf dem Fuentecilla zu sehen war. Dann war um sieben Uhr morgens der Anruf gekommen, anonym aus einer Telefonzelle von der Central Station. Eine Stimme, leise und jung, meldete Roxanna Fuentecilla als seit gestern vermisst. Als man in der Notrufzentrale nachfragte, ob die anrufende Person eine Idee hätte, wo sie sein könnte, hieß es, man wisse nicht, »­wohin die sie gebracht haben«, was nach mehr als einer Person klang, also nicht nach dem blindwütigen Freund. Dann brach das Gespräch abrupt ab.

»Eins ihrer Kinder«, sagte Morrow.

»Ja. Der englische Akzent klang vornehm, irgendwie affektiert. Das wird’s hier oben nicht so häufig geben.«

»Videomaterial von der Telefonzelle in der Central Station?«

»Angefordert, ist unterwegs.«

»Gut. Schick mir den Mitschnitt von dem Anruf. Sag im Büro vom Chief Bescheid. Die werden ein Meeting einberufen.«

»Ja, Ma’am.« Und weg war McGrain.

Sie machte die Tür zu und schaltete ihren Computer ein. Er fuhr langsam hoch. Sie empfand die schon gewohnte Vorfreude, den Serotoninschub der allmorgendlichen Erwartung, ­Roxanna Fuentecilla zu überwachen, korrigierte dann aber ihre Körperchemie: Heute gab es kein Material. Roxanna war verschwunden. Es fühlte sich an, als hätte man ihre Lieblingsfernsehserie abgesetzt.

Für sie war der Fall zu einer Seifenoper geworden, einer Geschichte um viel Geld und supergutaussehende Leute, die tolle Sachen machten und sich stritten. Fuentecilla war umwerfend streitsüchtig. Sie kam aus Madrid, entstammte einer reichen Familie, die ein Vermögen verprasst hatte. Aus vielerlei Gründen, nicht alle selbstverschuldet, hatte Fuentecilla ohne einen Penny dagestanden und schien nun einen mysteriösen Betrug auszuhecken, bei dem es um sieben Millionen Pfund ging, die nicht ihr gehörten. Sie hätte sich unauffällig verhalten sollen, aber ständig zerschlug sie Konservengläser in Läden, die ­ihren Zorn auf sich zogen, schrie ihren Freund im Supermarkt ­zusammen oder brüllte andere Eltern vor der Schule auf Spanisch an, weil sie verantwortungslos parkten. Die Beziehung mit ihrem Freund, mit dem sie zusammenwohnte, war turbulent. Auch wenn noch nichts über Gewaltausbrüche bekannt war, schienen sie unausweichlich. Fuentecilla hatte so ihre Probleme mit Streitschlichtung. Trotzdem, sieben Millionen waren kein Spaß, und es war anzunehmen, dass sie mit Leuten zusammenarbeitete, die keinen Spaß verstanden. Eigentlich sollte Morrow sie nicht sympathisch ­finden.

Der Rechner war endlich hochgefahren. Trübsinnig warf sie einen Blick auf die neuen Dateien mit Material aus den Überwachungskameras. Normalerweise klickte sie sie zuerst an, aber heute wäre das sinnlos. Stattdessen öffnete sie ihre Mails. Die Datei mit dem Notruf war bereits angekommen. Sie schloss ihre Kopfhörer an, klickte drauf und horchte.

Es war eine Kinderstimme mit einem vornehmen englischen Akzent. Sie klang erst ruhig und wurde fast vom Hintergrundbrausen des Bahnhofs übertönt. Als die Person in der Telefonzentrale darum bat, den Namen »Roxanna Fuentecilla« zu buchstabieren, geschah dies äußerst flüssig, und ihre Wohn­anschrift samt Postleitzahl folgte ohne Zögern.

»Sie ist seit gestern Morgen verschwunden«, sagte die Stimme. »Ich habe Angst, dass man sie vielleicht umgebracht hat.« Bei dem Wort »umgebracht« geriet sie ins Stocken und klang für den Rest des Gesprächs außer Atem.

Die Zentrale fragte, ob die anrufende Person eine Ahnung hätte, wo Fuentecilla sein könnte. »Ich weiß es nicht … Ich weiß nicht, wohin sie sie gebracht haben.«

Die Zentrale fragte erneut: »Würden Sie mir Ihren Namen und Ihre Adresse nennen?« Aber diesmal wurde einfach aufgelegt.

Morrow war überzeugt, dass eins der Kinder angerufen hatte. Ihr fiel der Vorfall in der Bäckerei ein. Nicht der Junge, bitte nicht der kleine Junge.

Police Scotland war nur in die Bäckerei gegangen, um her­auszufinden, was geschehen war, weil Fuentecilla von dort mit einem Rettungswagen in die Notaufnahme gebracht worden war. Verdacht auf einen gebrochenen Knöchel, aber er war nur sehr schwer verstaucht. Morrow und ihr Team hatten sich die Kameraaufzeichnungen von hinter der Theke immer wieder angesehen, nur zur Unterhaltung: Mutter und Sohn kamen ­herein, der Junge kleinlaut, die Mutter wütend, er musste ­etwas Schlimmes angestellt haben. ­Roxanna kaufte und bezahlte eine Biskuittorte, nahm sie aus der Schachtel und klatschte sie ihm ins Gesicht. Mutter und Sohn standen im ­Laden und lachten sich kaputt, Tortenreste glitten ihm von den Wangen und fielen auf den gekachelten Boden. Dann wischte sich der Junge einen dicken Klecks von der Wange und warf ihn ihr ins Gesicht, und sie musste so schrecklich lachen, dass sie auf den mit Sahne bekleckerten Fliesen ausrutschte und sich verletzte. ­Morrow dachte an die mit Sahne und ­Marmelade ­verschmierten Gesichter, an die Lachtränen auf seinen Wangen. Bitte nicht dieser kleine ­Junge.

McGrain stand in ihrer Bürotür. »Wir haben die Aufnahmen von der Central Station. Ich kann sie dir nicht schicken, ohne sie zu komprimieren, willst du einfach mitkommen und sie dir ansehen?«

»Klar.«

Wie bei so vielen technischen Dingen wusste Morrow nicht so genau, was »komprimieren« bedeutete. Sie hatte Angst, ihre Autorität zu untergraben, wenn sie das eingestand, deshalb folgte sie ihm zu seinem Schreibtisch.

3.

Boyd Fraser zerhackte frische Minzblätter mit einem großen doppelschneidigen Wiegemesser. In Italien waren Wiege­messer das Werkzeug der Beiköche, die nicht mit Messern umgehen konnten, aber hier wusste das niemand. In Helensburgh, einem putzigen schottischen Küstenstädtchen, war das Wiegemesser eine niveauvolle Novität.

Jemand von den Gästen im Café schien ihn zu beobachten, weshalb Boyd länger hackte, als es die Minze nötig hatte, in den rollenden Rhythmus eintauchte, das grüne Minzöl in das große Olivenholzbrett einarbeitete. Er wollte den Blick heben und sich vergewissern, dass er wirklich beobachtet wurde, tat es aber nicht. Vielleicht stimmte es ja gar nicht. Vielleicht war das Gesicht nur in seine Richtung gedreht. Wie auch immer, er brauchte keine Scheißanerkennung, von niemandem, um ein Taboulé zusammenzurühren.

Er wusste, dass viele Leute herkamen und die hohen Preise bezahlten, weil es einfach mehr beinhaltete, im Paddle Café zu essen. Bio, Regio, Bauernmarkt. Verwertung von der Nase bis zum Schwanz. Saisonprodukte. Die ganzen leeren Positiv­wörter, um die er sich früher einen Dreck geschert hatte. Als Boyd damit anfing, war es noch eine Untergrundbewegung. Damals hatte er sich mit derselben fieberhaften Bestimmtheit ­darin versenkt wie sein Vater, der Pastor, in seinen Glauben. Die Ketzerei der Vergangenheit, pflegte sein Vater zu sagen, war die Orthodoxie der Gegenwart: Die Ernährungsrevolutionäre von einst fanden sich nun in der Rolle der unfreiwilligen Hohepriester eines faden neuen Konformismus.

Seine Frau Lucy hatte sich auf der Hochzeit einer Freundin mal ganz fürchterlich betrunken. Kurz bevor sie in ein ­Rhododendrongebüsch kotzte, das älter war als ihre Großmutter, sagte sie, dass ein Café mit einer Philosophie völliger Schwachsinn war. Boyd mochte sie an diesem Abend. Er liebte sie nicht bloß – er liebte sie immer –, sondern er hatte sie richtig gern. Hätten sie sich erst an jenem Abend kennengelernt, er hätte sich auf der Stelle in sie verliebt.

Die Philosophie des Cafés war in der Speisekarte des Paddle abgedruckt. Sogar auf der Speisekarte zum Mitnehmen stand die Philosophie drauf. Wir verwenden Bio-Eier blablabla. Wir unterstützen unsere regionalen blablabla. Er wusste, dass das Blabla ihre Gewinnspanne ausmachte. Die Gäste zahlten nur fünffünfzig für sechs Eier wegen des Blablas.

Boyd riskierte einen Blick. Die zudringliche Person hielt ­ihren Blick noch immer durch die Glastheke auf ihn gerichtet. Eine ältere Frau, aber in dieser Stadt waren alle alt. Ein stilvoller graumelierter Bob, kornblumenblaue Augen, teurer Pullover aus senfgelbem Kaschmir. Sie hatte eine sehr lange, gerade Nase, die spitz zulief. Ihren blauen Schal hielt eine viktorianische Brosche mit Opalen und Diamanten zusammen, wohl ein Erbstück. Sie lächelte ihn an, ihre Brauen hoben sich, als würde sie ihn kennen. Er kannte sie nicht.

Der kurze Blickkontakt war ihr Stichwort. Sie stand auf und schlängelte sich an einem Präsentationskorb mit regionalen, saisonalen Biotomaten vorbei.

»Boyd. Ich bin’s, Susan Grierson.«

Als er ihre Stimme hörte, taumelte er. »Miss Grierson? Um Himmels …« Er stolperte um die Theke herum zu ihr, war wieder ein kleiner Junge, begeistert, seine alte Pfadfinderleiterin wiederzusehen, seine allererste Segellehrerin. Mit beiden Händen nahm er ihre Hand, wollte sie umarmen, wusste aber nicht, ob das zu viel wäre. »Sie sind wieder da!«

»Das bin ich«, sagte sie mit einem Lächeln, so warm wie seins. »Meine Mutter ist gestorben.« Boyd hatte davon nichts gehört, dabei wusste er so etwas normalerweise: Das Café war das Zentrum der Lokalnachrichten.

»Oh, das tut mir leid«, sagte er. »Ich kenne das. Mein Vater.«

»Dein Vater? Na, das muss eine gut besuchte Beerdigung gewesen sein.« Sie meinte die Gemeinde seines Vaters, nicht seine Freunde und ganz sicher nicht die Familie. Tatsächlich waren nur wenige gekommen. Die meisten von ihnen sehr alt. »Die Beerdigung meiner Mutter war erbärmlich.«

Miss Grierson sah trübselig zu Boden, erbebte ein wenig, als hätte sie ihre Mutter gezwungen, alt und einsam zu sein, ­indem sie in die Welt hinauszog. Viele Leute kamen nach ­einem ­Todesfall hierher zurück. Trauer und Entwurzelung wirkten sich ganz verschieden aus, aber alle fühlten sich schuldig. Traurig und schuldig. Was gar nichts brachte.

Boyd versuchte, ihr da herauszuhelfen. »Also, wo waren Sie denn so?«

»USA. Ich habe zwanzig Jahre lang in den Hamptons gelebt.«

»Wie ist es da?«

»Eigentlich so ziemlich wie in Helensburgh. Reizende, freundliche Leute. Obwohl es sich sehr verändert hat.« Sie sah traurig aus, legte aber Munterkeit in ihre Stimme, als versuchte sie, ihre Laune zu heben. »Dann eine Weile in London.« Die Traurigkeit blieb und paarte sich mit einem feuchten, ängstlichen Blick. »Tja …«

»Ach, ich war auch in London«, sagte Boyd freundlich. »Fünfzehn Jahre lang. Sind Sie froh, dass Sie das hinter sich ­haben?« Er gab ihr die Möglichkeit, London schlechtzu­machen, wie es viele taten, die dort weggezogen waren. Üblicherweise ­munterte es die Leute auf, aber sie biss nicht an.

»Wo in London hast du gewohnt, Boyd?«

»Crouch End.«

»Ich hab’s gewusst!« Sie schmunzelte und sah sich im Paddle Café um. »Hamble and Hamble?«

»Aha.« Boyd grinste keck. »Sie haben mich erwischt.«

»Ich hab’s gewusst! Ich habe gleich nebenan in Highgate gewohnt. Als ich hier reinkam, wusste ich gleich, dass es eine Kopie ist. Schon wegen des Kults um regionale Produkte auf der Speisekarte.«

»Ich kann Sie mir gut im Hambles vorstellen.«

»Du hast sogar dieselbe Farrow & Ball-Farbe benutzt.« Sie nickte in Richtung der Wände. »Haben die nichts dagegen?«

»Na ja …« Er sah zu den Holzregalen, auf denen die Retro-Ölfässchen standen, zu dem schräggestellten Trommelkorb mit dem Sauerteigbrot und zu den braunen Papiertüten, die an einer Schnur von einem blanken Nagel hingen, der in die Wand gehauen war. »Die wissen ja von nichts. Sie würden es merken, wenn sie herkämen, aber das tun sie nicht.« Weil hier niemand herkam – jedenfalls niemand, für den sich Boyd sonderlich interessierte.

»Ich bin so froh, dass ich jetzt wieder da bin, rechtzeitig zum Unabhängigkeitsreferendum …«

Da wusste Boyd, dass sie gerade erst zurück sein konnte. Drei Wochen vor der Wahl war sonst niemand froh. Wer für die Unabhängigkeit war, hielt das Warten kaum noch aus, und die Gegenseite wollte es einfach nur hinter sich bringen. Miss Grierson hob die Augenbrauen und wartete darauf, dass er sagte, ob er dafür oder dagegen war. Boyd sagte nichts. Er führte verdammt noch mal ein Geschäft. Er konnte es sich nicht leisten, öffentlich Position zu beziehen und dadurch die Kundschaft der anderen Seite zu verprellen. Er hob seinerseits die Augenbrauen, und sie wechselte das Thema:

»Und ich habe mich so gefreut, als ich gesehen habe, dass du glutenfreies Brot hast …« Miss Grierson bekam diesen Ausdruck sanften Martyriums in den Augen, den Boyd als Vor­bote einer Allergiebiografie kannte. Er schaltete bei den Details gedanklich ab, aber sie schien alle wichtigen Erzähl­ereignisse abzuhaken.

»… kam dann raus, dass ich keine richtige Zöliakie hatte, aber trotzdem eine sehr starke Reaktion auf …«

Boyds Gedanken schweiften wieder ab. Er dachte ­darüber nach, die glutenfreie Sparte ganz aufzugeben. Ein großer Waitrose hatte ganz in der Nähe eröffnet, und sie führten die Sachen billiger. Er wollte sich diese Geschichten nicht mehr dreimal am Tag anhören. »Allergiebastarde« nannte er sie in Gedanken und Lucy gegenüber. »Allergiebastarde haben ­heute das gesamte Brot gekauft«, sagte er dann immer, wenn sie fernsahen. Oder »Ich musste das ganze glutenfreie Zeug wegwerfen, weil nicht genügend Allergiebastarde vorbei­gekommen sind.« Es schien diesen Leuten nicht möglich, ihren Kram zu kaufen, ohne ihm von ihrem persönlichen Damaskuserlebnis zu erzählen. Er hatte eine Marktlücke entdeckt. Das hieß noch lange nicht, dass er über ihre Darmfunktionen Buch führen wollte.

Miss Grierson hatte aufgehört zu reden. Sie sah ihn fragend an, bemerkte seine Abwesenheit.

»Und«, sagte er, »wie lange sind Sie schon wieder hier, Miss Grierson?«

Sie zögerte, wollte ihm vielleicht anbieten, sie Susan zu nennen, entschied sich aber aus irgendeinem Grund dagegen. »Ganz kurz. Ich muss ihre Sachen durchsehen.«

»Traurig?«

Sie sah traurig aus. »Nein. Sie war sehr alt. Im Haus ist allerdings viel zu tun. Der Garten ist ein einziges Chaos.«

Der Garten der Griersons war ein riesiges Grundstück mitten in der Stadt, dreitausend Quadratmeter groß. Ein kleines Landgut eigentlich. Als Teenager war er im Sommer immer daran vorbeigelaufen. Riesige Kiefern mit Stämmen in der Farbe von Ingwerwaffeln. Dreißig Meter Wiese, und hinten ein großer, umfriedeter Gemüsegarten. Vor kurzem erst war er wieder vorbeigekommen, wenn er lief oder mit Jimbo ging, aber die Mauern waren hoch und die Lücken in der Hecke zugewuchert. Er konnte nicht mehr hineinsehen.

»Tja«, sagte er, »Sie wissen bestimmt schon, dass die meisten so großen Gärten aufgeteilt und einzeln als Bauland verkauft worden sind. Behalten Sie das im Hinterkopf, wenn Sie es verkaufen …«

»Oh, ich verkaufe nicht. Ich ziehe wieder her.«

Boyd lächelte. »Sogar ich bin wieder hergezogen.«

»Wir ziehen alle wieder her, was? Die alte Truppe.«

»Sieht so aus. Ich sehe viele alte Bekannte hier.«

Sie berührte ihn kameradschaftlich am Ellenbogen. »In unserem Alter …« Obwohl er erst fünfunddreißig war, mindestens fünfzehn Jahre jünger als sie.

Mit einem Mal wurde ihm bewusst, was vor dem Mittagessen noch alles erledigt werden musste. Boyd verlagerte sein Gewicht, schob sich langsam hinter die Theke. »Segeln Sie noch?«

»Nein, unser Bootshaus steht jetzt leer. Mutter hat alles verkauft, als ich in die Staaten gegangen bin.«

»Wir haben ein Boot, falls Sie mal rausfahren wollen.« Kaum hatte er das Angebot ausgesprochen, wünschte er sich schon, er könnte es wieder zurücknehmen. Er sah, wie ihre Augen größer wurden, wie sie nachdachte, die Einladung abspeicherte für eine mögliche spätere Annahme. Boyd segelte nicht, um Gesellschaft zu haben. Ihm graute jetzt schon davor, dass seine Jungs mal alt genug sein würden, um mit ihm rauszufahren.

»Vielleicht irgendwann mal«, sagte sie. »Danke, Boyd, das ist sehr nett von dir.«

Er wollte das Thema wechseln. »Waren Sie drüben in den Staaten auch Pfadfinderleiterin?«

»Nein«, sagte sie. »Nach dem Umzug habe ich damit aufgehört. Bis dahin habe ich es aber wirklich geliebt. Es hat mich selbstsicher gemacht.«

»Als Leitwölfin?«

»Ach, weißt du, ich hab’s nicht so mit dem Anführen.« Sie erwärmte sich für die Erinnerung. »Ich hatte dadurch den Mut, einfach rauszugehen und etwas zu tun. Eine tolle Sache für eine junge Frau, dieses Selbstvertrauen zu haben. Das tat mir gut. Meine Mutter überredete mich dazu, weil ich nicht mit meinen Freundinnen an die Uni ging. ›Tu was, Susan!‹« Miss Grierson erging sich in langweiligen Erinnerungen an die Ratschläge ihrer Mutter, wie gut diese Ratschläge waren oder so, aber Boyd hörte nicht mehr zu. Er nahm das Wiegemesser auf, hielt es locker in der Hand. Es war ihr Stichwort, sich zu verabschieden, doch sie redete weiter, ohne auf den Zuhörer zu achten, suhlte sich in der Geschichte zur eigenen Erbauung, wie es alte Menschen eben taten.

Boyd hob langsam das Wiegemesser und wartete auf das Ende der Geschichte. Sie redete aus, sah auf das Messer und blickte sich dann im Laden um.

»Also«, sagte sie unbestimmt, »hast du Arbeit für mich?«

Sehr amerikanisch. Unverblümt und schamlos. Ziemlich unattraktiv.

»Ihnen geht’s wohl kaum ums Geld?« Er sah die Kellnerinnen im Teenageralter an, die gerade Schicht hatten, und senkte deutlich die Stimme. »Miss Grierson, ich zahle echt beschissen.«

Sie lächelte. »Bitte, nenn mich Susan. Nein, aber ich brauche eine Beschäftigung. Ich ertrage den Gedanken nicht, in einem Wohlfahrtsladen zu arbeiten. Da sind nur Leute in meinem ­Alter. Ich mag es lieber gemischt.«

Boyd grinste sie an: Jedes zweite Geschäft in der Stadt war ein Wohlfahrtsladen. Dort arbeiteten Rentnerinnen auf freiwilliger Basis ein paar Stunden pro Woche. Die meisten ­Sachen, die sie verkauften, kamen aus Haushaltsauflösungen und aus den Altenheimen, die einen Kreis um die Stadt bildeten. Schmuckstücke und persönliche Gegenstände, die die Familien nicht mehr haben wollten, nachdem.

Er beugte sich zu ihr und flüsterte: »Die Halbtoten verkaufen den Schnickschnack der Toten an die fast Toten.«

Beide kicherten, sie aus Schock über seine Böswilligkeit, er aus Unbehagen. Er hatte es schon oft gesagt, wünschte aber, er hätte es jetzt nicht gesagt. Es war ziemlich fies, und sie war anständig, deshalb spielte es eine Rolle.

»So reden die Leute hier eben.« Er log. Der Spruch war von ihm.

Sie sah ihn unbehaglich an. »Das ist schon ein bisschen gemein!«

Boyd tat so, als würde er zum ersten Mal darüber nachdenken. »Stimmt, das ist tatsächlich ein bisschen gemein. Morgen Abend könnte ich eine Aushilfe gebrauchen, wenn Sie Zeit haben?«

Das schien sie zu verwirren, und sie sah sich im Café um. »Hast du abends geöffnet?«

»Nein. Wir machen das Catering für ein Tanzdinner in den Victoria Halls. Eine Benefizveranstaltung. Es wird Geld für ein Kinderhospiz gesammelt. Ich brauche jemanden, der mit ­einem Klemmbrett rumsteht und die Tische abhakt, bei ­denen serviert wird, und alles zeitlich so abstimmt, dass niemand zu lange zwischen den Gängen warten muss. Was glauben Sie, können Sie das?«

Er sah, wie sich ihre Finger um den Rand eines eingebildeten Klemmbretts legten. »Ja«, sagte sie. »Ich denke, das bekomme ich hin, ja.«

»Alles klar, Miss Grierson. Dann sehen wir uns hier um halb sechs. Und ziehen Sie was Schwarzes an.«

»Bitte, Boyd, nenn mich Susan.«

»Nein«, sagte er mit Nachdruck. »Mir gefällt ›Miss Grierson‹.«