Vorwort:
In Deutschland wird American Football eine immer populärere Sportart. Neue Teams schießen wie Pilze aus dem Boden. Wenn ein Team gegründet wird, gibt es sehr viel zu tun und die Ausarbeitung eines tragfähigen Konzepts leidet oft darunter. Es reicht leider nicht, interessante Spielzüge zusammenzustellen, die auf dem Papier gut aussehen, bei denen aber kein Plan dahintersteckt. In den USA gibt es unzählige Literatur dazu, in Deutschland noch wenig. Das vorliegende Werk soll die Schritte aufzeigen, wie man zu einer eigenen Philosophie anhand des vorhandenen Spieler-Materials kommt und wie man diese in ein Offense-Playbook umsetzt. Welche Denkschritte Welche Schritte sind dafür nötig?
Für neue Teams kann dies ein Leitfaden zum Einstieg in den Ligabetrieb sein oder einfach nur eine launige Lektüre für Zwischendurch.
Vorwort zur zweiten Auflage:
Zu der zweiten Auflage habe ich mich entschlossen, das Buch, das ursprünglich nur eine kurze Bestandsaufnahme für den Einstieg sein sollte, zu einer umfangreicheren Anleitung auszubauen. Einige Leser der ersten Ausgabe, hatten wohl einige mehr Details erwartet, die ich nun bereitstellen möchte. Dieses Buch soll jetzt beispielhaft zeigen, wie man eine Offense aufbaut und wie umfangreich eine solche Aufgabe ist. Sehr viel umfangreicher möchte ich in diesem Buch Infos zur Verfügung stellen, um meinen Lesern eine praktikable Anleitung an die Hand zu geben. Da die Entwicklung im Football auch nicht stehen bleibt, habe ich zusätzlich aktuell gespielte Philosophien und Ansätze mit eingepreist. Am sprichwörtlichen Ball zu bleiben, ist dabei nicht immer einfach, da viele Entwicklungen aus den fast unzähligen High Schools und College Teams kommen, wo jeder Coach eigene Ideen umsetzt, die sich dann meist erst langsam herumsprechen- vorausgesetzt, die Ideen sind gut.
In den letzten Jahren haben sich vor allem die Spread Offense und Air Raid Offense als dominante Spielsysteme etabliert. Was ist nun der Unterschied zwischen beiden? Eine einheitliche Definition von beiden Offenses scheint es kaum zu geben, vor allem bei der Spread. Die meisten Coaches sehen die Spread mehr als ein Formationskonzept, d.h. die Spielzüge haben sich aus einer Formation heraus entwickelt, ähnlich wie bei einigen anderen Systemen. Die Air Raid dagegen sehen viele als eine Pass-Conceptions Offense, bei der ein Receiver abhängig von dem was die Defense macht immer frei sein sollte. Zunehmend gibt es aber auch für das Laufspiel solche Options (klassischerweise die Inside Zone- die wir noch erklären werden) aber auch ein Mix davon wie die sogenannten RPO´s (Run Pass Options). Auf diese Definition kann ich natürlich keine Garantie geben. Es handelt sich dabei lediglich um Meinungen, die aber schon zumindest erkennen lassen in welche Richtung die Sache geht.
Auch die Offense, die ich nun präsentieren werde, könnte man in
diese Kategorie einordnen, wenn auch nicht komplett. Ein
Unterschied ist beispielsweise, dass die Air Raid Offense vor allem
Green Gras sucht, das heißt Bereiche, wo kein Defender zu sehen ist
und versucht in diese Bereich zu spielen. Der Ansatz der High Fly
Pistol Offense ist es, kurze Pässe und Laufspiel so einzusetzen,
dass der finale Pass möglich ist. Zwar ist dieses Schema der Air
Raid auch nicht fremd, ergibt sich hier aber quasi aus dem Open
Gras Schema und wird nicht gezielt verfolgt. Dazu hat die Air Raid
Offense auch eine spezielle Terminologie, die wir hier nicht
vollständig übernehmen möchten. Beispielsweise werden Formationen
mit Farben angesagt, die teilweise genormt sind.
Under Center ist hier z.B. meistens eine Black-Formation. Ob die Routenansage per Nummern Air Raid Offense pur ist, sei mal dahingestellt, auf jeden Fall verwenden sie noch viele Trainer. Der Autor selbst hatte das gar nicht auf dem Radar, weil es früher für Tight Ends, Wide Receiver und Running Backs unterschiedliche Passtrees gab und die Nummernvergabe für Routes von Trainer zu Trainer unterschiedlich sein konnte. Dagegen verwenden viele Coaches heute eine bestimmte Nummer für eine bestimmte Route. Wir haben das hier im Buch nicht verwurstet, weil ich diese Nummern für eine Fehlerquelle halte, die zu Strafen führen kann. Irgendjemand hat bestimmt vergessen, was z.B. eine 9 ist und läuft was Falsches. Daher macht es Sinn in Konzepten zu denken und diese mit (möglichst) einem Wort zu bezeichnen. Vor dem geistigen Auge baut sich dann der Spielzug auf und man kennt nicht nur seine eigene Route, sondern auch die der anderen Spieler und weiß, wann man zu blocken hat.
Abschließend noch ein Hinweis: Jeder Coach hat seine Ansichten und Meinungen. Richtig oder falsch gibt es da selten. Wenn jemand eine andere Meinung oder Ansicht dazu hat, dann ist das natürlich gut und legitim. Ein solches Werk ist immer eine Fundgrube, aus der man das eine- oder andere für sich mitnehmen kann, andere Dinge wird man vielleicht so nicht machen? Aber das bleibt jedem selbst überlassen, was er aus diesem Buch ziehen möchte oder nicht. In der Hoffnung, dass es möglichst viele Dinge sind, die der Leser adaptieren kann, wünsche ich viel Vergnügen, denn Trainer sprechen gerne über Football und lesen auch gerne, da bin ich selbst auch keine Ausnahme. So Let´s Talk Ball!
Martin Joe Zohner
Jeder Trainer hat Vorlieben und Dinge, die er besonders gerne auf dem Spielfeld und im Playbook sieht. Oftmals ist die eigene Spielart angelehnt an das was man selbst als Spieler gespielt hat bei den Trainern abgeschaut, die man selbst hatte. Allerdings wie bei kaum einer anderen Sportart ist der Wandel das einzig konstante, das beim American Football zu finden ist. Die eigenen Vorstellungen sollten also immer umgesetzt werden mit den Spielarten, die auf Höhe der Entwicklungen sind. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht auch mit älteren Philosophien erfolgreich sein kann. Dazu gibt es auch im College Football einige Beispiele. In der Regel jedoch werden neue Systeme aus einem Grund (mindestens einem) entwickelt. Soll heißen, dass die neuen Systeme erfolgversprechender sind, jedoch meist nur solange, bis die Defense sich in ihren Strategien angepasst hat.
Was in der Praxis, gerade im High School Bereich oft so gehandhabt wird ist, dass man die aktuellen Spielsysteme analysiert und versucht die Neuerungen in das eigene Spielsystem zu integrieren. Beispielsweise ist eine Taktik der Spread Offense, wie der Name schon sagt, den Gegner dazu zu zwingen, die ganze Breite des Spielfeldes verteidigen zu müssen, indem man Passempfänger weit in Richtung der Außenlinie aufstellt. Lauforientierte High Schools versuchen den gleichen Effekt damit zu erzielen, indem sie einen Perimeter Thread aufbauen wie z.B. bei einen Jet-Sweep. Man versucht also durch einen klar angezeigten Run über die Außenlinie den Gegner dazu zu zwingen, diesen Bereich zu verteidigen.
Wichtig ist aber vor allem, dass man als Trainer die Dinge kennt, die notwendig sind, um eine bestimmte Philosophie umzusetzen. Auf jeden Fall sollte eine Philosophie so durchdacht sein, dass eines ins andere greift und zu einem homogenen Ganzen wird. Das heißt, dass alles zueinander passen muss, um damit auch erfolgreich sein zu können. Es mach z.B. wenig Sinn ein physisches Football-Team sein zu wollen, wenn dazu große und starke Linemen fehlen.
Wie bereits oben angeschnitten könnte eine Erfolgsstrategie zum Aufbau einer Offense sein, dass man sich die gegenwärtig beste, bzw. erfolgreichsten Strategien von z.B. Collegeteams anschaut und sich Gedanken macht, wie man die Prämissen dieses Teams in ein eigenes System übermittelt. Dazu muss man erst einmal etwas über die Spielweise eines Teams herausfinden. Die Frage ist anschließend, wie man das macht? Antwort: Am besten man sucht sich Videos vom entsprechenden Team und geht Spielzüge Sequenz für Sequenz durch und das mehrmals, um genau zu verstehen, wie Spielzüge aufgebaut sind, aus welchen Formationen, wie die Line spielt, was der QB liest, was der RB macht und so weiter. Im Idealfall versteht man das Konzept dahinter und kann es für sein eigenes Team nutzen- falls einem die Idee gefällt und diese zu eigenen Überzeugungen passt.
Eine Umsetzung 1:1 würde wenig Sinn machen, da man ja nicht die gleichen Spielertypen und die gleiche Qualität haben dürfte wie das Vorbild. Entscheidend ist die Spielidee zu adaptieren. Wenn z.B. ein Team die gesamte Breite des Spielfeldes nutzt, um mit Läufen zu attackieren, dann könnte man das Konzept als passorientiertes Team übernehmen, nur läuft man dann eben nicht, sondern passt in die entsprechenden Regionen. Auf diese Art und Weise kann man die Spielweise von Teams adaptieren, ohne deren Football übernehmen zu müssen und das Ganze angepasst an die eigene Philosophie und die Gegebenheiten des eigenen Teams. Ein wichtiger Faktor ist auch zu verstehen, ob und in welcher Zeit man Ideen umsetzten kann. Eine Pistol Offense verlangt z.B. einen sehr guten Read (Lesen des Spielzugs), das versteht ein QB nicht auf Anhieb und muss es lernen. Eine wichtige Prämisse sollte man in jeder Phase eines Aufbaus einer Offense berücksichtigen: Nichts soll passieren ohne dass es dafür einen Grund gibt. Verteidigungen fragen sich genau das, um gegen eine Offense zu agieren. Warum setzt das Team einen Tight End ein? Eine Antwort könnte sein, weil es die Möglichkeit gibt einen Blocker mehr in der Box zu haben.
Dazu gibt es einige logische Zusammenhänge, die man begreifen muss, wenn man eine Offense aufstellt. Dazu gibt es oft Sprüche, die die Quintessenz abbilden dessen, was gesagt werden soll. Hier einmal zwei solcher Redensarten, die helfen sollen zu verstehen, wie eine Offense aufgebaut ist:
„Let the big boys run”
Lass die großen Jungs laufen. Dieser Satz soll bedeuten, dass große
und schwere Lineman eines nicht gerne tun: nämlich laufen. Warum
kann das ein Vorteil sein? Wenn man selbst schnelle Linemen hat und
diese einsetzt bei z.B. einer Slide Protektion, dann nimmt man den
starken Leuten des Gegners viel von ihrer Effektivität. Sie müssen
laufen und können ihre statische Stärke nicht ausspielen, während
man selbst seine eigene Stärke ausspielt: die Schnelligkeit!
„Be strong where your opponent is weak”
Dieser Spruch stammt aus einem militärischen Kontext ist aber auch
im American Football gültig. Sei dort stark, wo der Gegner schwach
ist. Viele der Strategien im American Football zielen genau auf
diesen Umstand ab. Dabei versteht man darunter nicht nur eine
numerische Überlegenheit, sondern auch andere Vorteile.
Beispielsweise wenn Ein TE gegen einen DB spielt sollte er Vorteile
im Kraftbereich haben. Wir könnten Spielbereiche attackieren, wo
wir schneller sind als der Gegner z.B. unser schnellster Wide
Receiver gegen deren langsamsten Cornerback, unser größter Spieler
gegen deren kleinsten und so weiter.
„What can you do?”
Dieser Satz klingt erst einmal sehr trivial, hat aber eine
Bedeutung. Nehmen wir dazu ein Beispiel: Wenn ich eine Offense
spiele aus einer Ace Formation heraus (Single Back, wo der Running
Back leicht zur Seite versetzt hinter dem QB steht). Was kann man
aus einer solchen Formation machen bzw. für welche Zwecke wurde sie
konstruiert? In der Regel spielt man aus dieser Formation einen
Laufspielzug, bei dem ein Running Back vor dem QB kreuzt. Das hat
den Vorteil, dass ein QB seine Augen im Backfield halten und einen
bestimmten Spieler lesen kann. Der QB kann dann entweder den Ball
behalten oder den Ball übergeben, je nachdem was der zu lesende
Spieler der Defense macht.
Wenn der RB über die Seite laufen würde, auf der er sich aufgestellt hat, wäre dieser Effekt also weg. Einige Defenses bezeichnen deshalb die Seite, auf der sich der RB aufstellt als Read Side und die andere Seite vom Center gesehen als Play Side.
Aus diesem Grund lassen viele Teams ihren Quarterback über die Read Side laufen, um dem Gegner einen einfachen Read zu erlauben. Ein klassischer Spielzug dazu ist der Inside Zone. Der Readside Defense End wird nicht geblockt, aber gelesen. Ein Spielzug über die Playside des Running Backs wird angezeigt. Geht der nicht geblockte Defender auf diesen Spielzug behält der Quarterback den Ball und läuft über die Read Side selbst. Das Problem kennt auch die Defense und weiß, dass der Running Back also wahrscheinlich über die Playside kommen wird, wenn aus dieser Formation gespielt wird. Eine Aufgabe des Offense Coordinators ist also herauszufinden was der DE liest?
Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass ein OC, dem es wichtig
ist über beide Seiten gleichermaßen mit dem RB laufen zu können,
mit der Pistol wahrscheinlich besser fahren wird. Das solls an der
Stelle mal gewesen sein.
Nehmen wir an, man übernimmt die Offense, also den Angriff eines neuen Teams und findet, wie so oft in Deutschland, folgendes Team vor:
1. Wenige Lineman, nicht allzu groß um die 180cm, Gewicht zwischen 80 und 110 kg. Einen Spieler, der sehr stark ist und schon als NT unterwegs war.
2. Viele schnelle Spieler um die 175 bis 180cm, unterschiedliches Gewicht, einige haben Spaß am Kontakt.
3. Einige sehr große Spieler um 190cm, die fangen können und Speed haben, aber aufgrund fehlenden Gewichts wenig für den Job als Lineman geeignet sind.
4. Viele Rookies (Anfänger)
5. QB, der schon mal als Backup (Ersatzspieler) Training eines anderen Teams war und zumindest werfen kann.
Die Schnelligkeit der Spieler haben wir mit 40 Yards Sprints überprüft, die Frage nach Erfahrung über einen Fragebogen, den wir auf einer sozialen Internetseite zur Verfügung gestellt und ausgewertet haben. Test Drills dienten dazu herauszufinden, wer fangen kann und wer nicht!