Andreas Janek studierte an der TU Dresden Mediävistik, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte. Derzeit lebt und arbeitet er in Quedlinburg und Dresden. Seine Forschungsgebiete sind das Hoch- und Spätmittelalter - vornehmlich in England, Schottland, Frankreich, Polen und Litauen - sowie Untersuchungen zu politischen Systemen. Die Heraldik und Vexillologie sind für ihn neben dem wissenschaftlichen Interesse auch in gestalterischer und künstlerischer Hinsicht ein praktisches Betätigungsfeld.

Bisherige Publikationen

Aufsätze:

Sachbücher:

Belletristik, Stücke, Lyrik, Kinderbücher:

Diskographie (mit der Band tauReif):

Burg Falkenstein von Osten

Als ich mit den Recherchen zu diesem Thema begann, war für mich das Ausmaß und die Fülle an Informationen zu den Kreiswappen in Sachsen-Anhalt keineswegs abzusehen. Deren Anzahl machte es erforderlich, das Buch in nunmehr drei Bänden erscheinen zu lassen. In diesem Auszug zeigt das Inhaltsverzeichnis alle Kapitel des Gesamten Werkes, wobei die Schrift zu dem vorliegenden, ein Kapitel umfassenden Buch schwarz und die aller anderen Kapitel grau ausgeführt ist. Sicherlich wird eine solche Arbeit nie vollständig oder gar abgeschlossen sein. Und ganz gewiß sind mir etliche Hintergründe entgangen oder bislang unbekannt. Zudem ist private Forschungsarbeit ohne den üblichen finanziellen und institutionellen Hintergrund bisweilen mühsam und mit vielen Hürden verbunden, so daß mir einige Quellen schwer oder nicht zugänglich waren. Hinzu kommt, daß in dieser Arbeit dem ausschließlich von Laien durchgeführten Lektorat hoffentlich nicht allzu viele Unkorrektheiten geschuldet sein könnten. Sollten sich also orthographische, grammatikalische oder inhaltliche Fehler und Irrtümer eingeschlichen haben, so bitte ich den geneigten Leser, mir diese mitzuteilen, um sie in den weiteren Auflagen zu korrigieren. Daneben freue ich mich jederzeit über Anregungen und Diskussionen zum Thema oder auch über Anfragen zur Erstellung eigener Wappen. Hierfür bin ich per Mail zu erreichen unter: andreas.janek@hotmail.de

INHALTSVERZEICHNIS

DAS BUNDESLAND SACHSEN-ANHALT

Das Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt bildete über Jahrhunderte keine staatliche Einheit, und das heutige Bundesland und wurde - wie der Name vermuten läßt - im Wesentlichen aus zwei zuvor eigenständigen Gebietskörperschaften geformt. Allerdings stimmt diese Aussage nicht ganz, denn die beiden besagten Gebiete Anhalt und die Preußische Provinz Sachsen haben de facto bereits mit der Einführung des "Vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März 1933 und 7. April 1933 aufgehört zu existieren und wurden zu reinen Verwaltungseinheiten unter einem sogenannten Reichsstatthalter.

Auf der Grundlage des "Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs" vom 30. Januar 1934 gingen dann sämtliche Hoheitsrechte aller deutschen Länder auf das Deutsche Reich über. Die pro forma weiter existierenden Länder besaßen nun keinerlei Bedeutung mehr und existierten lediglich noch dem Namen nach. Eigentliche Verwaltungsebenen wurden die die Länder überlagernden sogenannten Gaue innerhalb der Parteistrukturen der NSDAP, auch wenn diese erst mit der Auflösung der Länder am 1. Juli 1944 aus sogenannten "Reichsverteidigungsgründen" einen offiziellen Status in Form von sogenannten Provinzen erhielten.1 Ihre Grenzen orientierten sich ironischerweise an den Wahlkreisen zum Reichstag aus der Zeit der Weimarer Republik, welche teilweise nicht mit den Ländergrenzen übereinstimmten.

So wurde im speziellen Falle des Landes Anhalt dieses auf Länderebene mit dem Land Braunschweig zusammengelegt, wogegen es bezüglich der sogenannten Gaue der NSDAP mit dem Norden der Preußischen Provinz Sachsen zum Gau Magdeburg-Anhalt vereinigt wurde. Dessen Gauleiter war gleichzeitig Reichsstatthalter von Braunschweig und Anhalt und bezog auf der Grundlage des "Erlasses über den Amtssitz von Reichsstatthaltern" vom 16. Juni 1936 seinen Amtssitz in Dessau. Aus dem Regierungsbezirk Merseburg wurde hingegen der Gau Halle-Merseburg und aus dem Regierungsbezirk Erfurt zusammen mit den Land Thüringen der Gau Thüringen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gebiet des heutigen Landes Sachsen-Anhalt zum größeren Teil von US-amerikanischen und zum kleineren von sowjetischen Truppen besetzt. Gemäß der Vereinbarungen von Jalta räumten die US-Truppen ab dem 1. Juni 1945 die Gebiete des heutigen Landes Sachsen-Anhalt. Auf der Grundlage des Befehls Nr. 180 der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) wurde mit der "Verordnung des Präsidiums der Provinz Sachsen über die Vereinigung der Provinzen Magdeburg und Halle-Merseburg und des Landes Anhalt zur Provinz Sachsen" vom 23. Juli 1945 aus den ehemaligen Gauen Magdeburg-Anhalt und Halle- Merseburg sowie dem größeren östlichen Teil des ehemals zum Gau Südhannover-Braunschweig gehörenden Landkreises Blankenburg in der Provinz

Braunschweig die Provinz Sachsen gegründet. Zur Hauptstadt wurde per Beschluß der Sowjetischen Militäradministration vom 16. Juli 1945 Halle (Saale). Der ehemalige Regierungsbezirk Erfurt blieb hingegen beim Land Thüringen. Zunächst wurde die Provinz Sachsen durch die "Verordnung über die Neugliederung der Provinz Sachsen" vom 10. Januar 1946 in die drei Regierungsbezirke Magdeburg, Dessau und Merseburg als mittlere Verwaltungseinheit unterteilt.

Ein Landtagsbeschluß vom 3. Dezember 1946 änderte den Namen in Provinz Sachsen-Anhalt um, welche am 10. Januar 1947 ihre erste Landesverfassung erhielt. Die drei Regierungsbezirke hat man durch das "Gesetz über die Auflösung der Bezirksverwaltungen in der Provinz Sachsen-Anhalt" vom 20. Januar 1947 wieder abgeschafft.

Für die Provinz Sachsen und ab 1947 die Provinz Sachsen-Anhalt wurde das ab Anfang des 19. Jahrhunderts von der ehemaligen Preußischen Provinz Sachsen verwendete Wappen ohne Beizeichen und mit einem modifizierten Wappenschild eingeführt (Abb. 571).2 Im Gegensatz zu deren Wappen zeigte man hier allerdings den Rautenkranz in gerader Form.3 Heraldisch macht dies keinen Unterschied, denn beide Formen sind möglich und heraldisch miteinander identisch. Dieses Wappen ist zwar nie offiziell festgeschrieben worden, doch wurde es von den damaligen Behörden auch zu amtlichen Zwecken verwendet. Erstmals erschien es auf zwischen dem 10. und 12. Oktober 1945 herausgegebenen Briefmarken der Provinz Sachsen.

Die Preußische Provinz Sachsen war aus vornapoleonischen preußischen Gebieten des ehemaligen Königreichs Westfalen im Norden und den ehemals sächsischen, im sogenannten Friedens- und Freundschafts-Staatsvertrag vom 18. Mai 1815 durch das Königreich Sachsen an Preußen abgetretenen Gebieten gebildete worden. Für diese neue Preußische Provinz Sachsen wurde anfangs das sächsische Rautenkranzwappen4 in seiner damaligen Form verwendet, auch wenn nur der südliche Teil der Provinz ehemals zum Wettinischen Sachsen gehört hatte. Dieses mit dem des Königreiches Sachsen identische Wappen wurde mit "Allerhöchster Kabinettsordre" vom 9. Januar 1817 offiziell eingeführt (Abb. 572).5 Hierbei bezog man sich einerseits auf die historische Entwicklung des Landes und ließ andererseits durch die Übereinstimmung mit dem Wappen des Königreiches Sachsen auch politische Motive erkennen.6 Der Rautenkranz wurde damals wie auch in den Folgewappen stets in der gebogenen Form gezeigt.

Per "Allerhöchstem Erlaß" vom 11. Januar 1864 kehrte man die Farbfolge der Teilungen des Rautenkranzwappens um, wodurch das Wappen nicht mehr mit dem des Königreiches Sachsen identisch war (Abb. 576). Offiziell festgeschrieben wurde dieses Wappen jedoch erst per Erlaß des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck vom 28. Februar 1881. Wenn es die damalige Absicht war, durch die Umkehrung der Farbfolge im sächsischen Rautenkranzwappen die mit den Beschlüssen des Wiener Kongresses erfolgte Demütigung Sachsen zu symbolisieren, ist dieses Vorhaben aus heraldischem Standpunkt nicht gelungen, sondern eher das Gegenteil, denn das höchste Metall Gold steht nun an erster Stelle der Schildfarben.

Abb. 570: Das derzeitige Bundesland Sachsen-Anhalt innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

Abb. 571: Das 1945 verwendete Wappen der Provinz Sachsen und das von 1945 bis 1947 verwendete der Provinz Sachsen-Anhalt.

Abb. 572: Das mit dem des Königreichs Sachsen heraldisch identische, von 1817 bis 1864 verwendete Wappen der Preußischen Provinz Sachsen.

Abb. 573: Die von 1945 bis 1947 verwendete Landesflagge der Provinz Sachsen(-Anhalt)mit dem mittig aufgelegten Wappen.

Abb. 574: Der Vorschlag des Heroldsamtes aus dem Jahre 1882 für eine Landesflagge der Preußischen Provinz Sachsen.

Abb. 575: Die von 1882 bis 1884 verwendete Landesflagge der Preußischen Provinz Sachsen.

Abb. 576: Das von 1864 bis 1918 verwendete Wappen der Preußischen Provinz Sachsen, nun mit umgekehrter Reihenfolge der Teilungen. Die von mir formulierte Blasonierung lautet: Neunmal von Gold und Schwarz geteilt, belegt mit einem grünen Rautenkranz.

Abb. 577: Zeichnung des Wappens des Herzogs von Sachsen nach einer Abbildung im zwischen 1364 und 1386 angefertigten Armorial Bellenville (Paris, Französische Nationalbibliothek). Der Wappenschild ist hier wie im späteren Wappen der Preußischen Provinz Sachsen neunmal von Gold und Schwarz geteilt und mit einem grünen Rautenkranz belegt.

Abb. 578: Das von 1864 bis 1918 verwendete kleinere Prunkwappen (benannt als "Mittleres Wappen") der Preußischen Provinz Sachsen bei Hugo Gerard Ströhl in: Deutsche Wappenrolle, Stuttgart 1897. Der rechte Schildhalter in Form eines Wilden Mannes ist dem Wappen des Königreichs Preußen entnommen.

Man findet genau diese Farbfolge und Anzahl der Teilungen auch auf historischen Darstellungen des Rautenkranzwappens des Herzogs von Sachsen wie zum Beispiel im zwischen 1364 und 1386 entstandenen Armorial Bellenville (Abb. 577).7 In den Abbildungen des Rautenkranzwappens dominiert die neunfache Teilung von Gold und Schwarz ohnehin. Und auch Albert von Sachsen-Coburg, der Gemahl der britischen Königin Viktoria I., zeigte in seinem Wappen noch im 19. Jahrhundert genau diese Version. Wahrscheinlich wollte man bezüglich der Preußischen Provinz Sachsen lediglich einen Wappenschild, der nicht mit dem Rautenkranzwappen des Königreichs Sachsen identisch war.8

Mit der Einführung des Wappens in der Farbfolge Gold-Schwarz war auch die Annahme eines sogenannten "Mittleren Wappens" (Abb. 578) und eines "Großen Wappens" (Abb. 582) verbunden. Bei beiden handelt es sich um Prunkwappen, welche in ihrer Formgebung den Wappen aller anderen preußischen Provinzen folgen.9 In ihnen wird jeweils der Wappenschild auf einem Rasen oder wie in den Wappen der Preußischen Provinz Sachsen auf einem Postament gezeigt. Begleitet ist der Schild von zwei Schildhaltern, rechts ein Wilder Mann10 und links ein eingerüsteter Ritter in Stile des Spätmittelalters beziehungsweise der Frührenaissance mit den jeweiligen Provinzfarben in Form von Straußenfedern am Helm. Im Mittleren Wappen hält der Wilde Mann eine gestürzte Keule, während der Ritter seine linke Hand auf sein umgürtetes Schwert stützt. Auf dem Wappenschild liegt als Krone der Kurhut des Kurfürsten von Sachsen.

Beim Großen Wappen halten die beiden Schildhalter jeweils ein Wappenbanner. 11 Hier zeigt das in der Rechten des Wilden Mannes die Wappenflagge des Königreichs Preußen12 und das in der Linken des Ritters das der Herzöge von Sachsen.13 Der Wappenschild liegt unter einem Bügelhelm. Dieser ist mit schwarz-goldenen Helmdecken in Form von Eichenblättern unter einer goldenen Krone bedeckt. Als Zimier dient ein von einem Pfauenstoß bestückter Spitzhut mit der Wiederholung des Schildbildes.

Der Wilde Mann ist jeweils dem damaligen Großen Wappen des Königreichs Preußen entnommen und verweist wie die einheitliche Gestaltung aller Provinzialschilde auf die Zugehörigkeit zu Preußen. Innerhalb des völlig überladenen damaligen preußischen Wappens mit über 50 Einzelwappen wurde das Wappen der Preußischen Provinz Sachsen immerhin an der achten Stelle gezeigt - was nicht verwundert. Schließlich war mit ihr zumindest der Anspruch auf den Titel des Herzogs von Sachsen verbunden. Das Mittlere und Große Wappen waren im damaligen Zeitgeschmack gestaltet, will heißen, sehr naturalistisch und eher einer Plastik ähnelnd ausgeführt. Zwar hatte das 19. Jahrhundert mit der Rückbesinnung und Verklärung des Mittelalters auch eine Neuentdeckung der Wappen gebracht, aber man wurde damals dem Grundanspruch der Heraldik mit ihrer klaren Symbolsprache in den meisten Fällen nicht gerecht und verblieb im überbordenden Dekor verhaftet.

Das Kleine Wappen bestand einzig aus dem Wappenschild. Dieses konnte man auf die Landesflagge setzen. Lange Zeit hatten die Preußischen Provinzen keine eigenen Landesflaggen geführt, doch nach der Reichsgründung von 1871 wurde das Bedürfnis nach eigenen Provinzflaggen geweckt. Für die Preußische Provinz Sachsen wurde vom Königlich Preußischen Heroldsamt eine Streifenflagge mit der Farbfolge Grün-Gelb-Schwarz vorgeschlagen (Abb. 574), welche aus den Tinkturen des Provinzwappens abgeleitet war. Allerdings stieß dieser Vorschlag im Provinziallandtag der Preußischen Provinz Sachsen auf Ablehnung, da wie im Wappen lediglich die sächsischen Farben gezeigt wurden und die brandenburgpreußischen Landesteile unbeachtet blieben. Einen Kompromiß schlug am 16. März 1882 der Abgeordnete Leopold Wilhelm Werner von der Schulenburg vor.14 Er zeigte die Farbfolge Schwarz-Weiß-Grün (Abb. 575 und 579) und vereinigte somit die preußischen Farben Schwarz-Weiß mit den durch König Friedrich August I. am 16. Juni 1815 zu den sächsischen Landesfarben erhobenen Zweiklang Weiß-Grün.

Diese Flagge wurde allerdings nur vom Provinziallandtag angenommen und nicht von übergeordneter Stelle bestätigt.15 Bereits am 5. März 1884 hob dieser seinen Beschluß zur Landesflagge wieder auf, und die Abgeordneten einigten sich auf die vereinfachte und langweilige Streifenfolge Schwarz-Gelb (Abb. 580 und 581), welche am 28. April 1884 mit "Allerhöchster Ordre" genehmigt wurde. Diese blieb bis 1935 unverändert in Gebrauch und konnte mit dem jeweiligen Wappen belegt sein.

Bereits im späten 19. Jahrhundert gab es Diskussionen über das Wappen und eine Änderung, da der größte Teil der Abgeordneten des Sächsischen Provinziallandtages der Ansicht war, in diesem seien nicht alle für die Preußische Provinz Sachsen wichtigen Wappenbilder vereint.16 So wurde auf der Sitzung des Provinziallandtages am 23. Oktober 1878 ein Vorschlag für ein neues Wappen vorgelegt (Abb. 583). In diesem ungünstigen gevierten, mit einem Herzschild belegten Wappen wurden fünf unterschiedliche Wappen in einem Schild vereint. Der Herzschild soll das bisherige Rautenkranzwappen zeigen. Im zweiten Feld steht der Märkische Adler für die Altmark.17 Das dritte Feld zeigt das Wappen des Erzstifts beziehungsweise Herzogtums Magdeburg,18 das vierte das des Stifts beziehungsweise Fürstentums Halberstadt,19 und im fünften Feld prangte der Thüringer Löwe20 für die später dann zu Thüringen gekommenen Gebiete.21 Dieser Entwurf wurde aus guten Gründen vom Königlich Preußischen Heroldsamt nicht genehmigt, obwohl er den damaligen Gepflogenheiten und Bedürfnissen überladener Wappen entsprach. Leider findet man diese ungünstige und einfallslose Variante des Zusammensetzens verschiedener Wappenbilder heute erneut in vielen Kommunalwappen Sachsen-Anhalts wie auch der Bundesrepublik Deutschland. Schlechtem Geschmack und heraldischer Unkenntnis sind offensichtlich nur schwer bis gar nicht beizukommen.

Die Diskussionen um das Wappen der Preußischen Provinz Sachsen sollten indes lange Zeit nicht enden. Noch 1911 bekundeten Kritiker des Wappens dringenden Bedarf für eine Neugestaltung, in der neben dem namensgebenden Sachsen auch andere Territorien der Provinz berücksichtigt werden sollten. Georg Schmidt entwarf hierzu ein neunfeldriges Wappen, in welchem nacheinander das sächsische Rautenkranzwappen, der Märkische Adler sowie die Wappen des Herzogtums Magdeburg, des Fürstentums Halberstadt, der Grafschaften Mansfeld und Hohnstein, der Landgrafschaft Thüringen, des Fürstentums Erfurt und der Grafschaft Henneberg gezeigt werden (Abb. 584). Ein solcher, dem Wesen der Heraldik widersprechender Flickenteppich steht ganz in der damaligen Tradition des 19. Jahrhunderts, die Anzahl der Wappenfelder in einem Schild uferlos anzusammeln, und ist wenig originell.

Mit der Umwandlung des Königreichs Preußen in einen Freistaat infolge der politischen Umwälzungen in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg 1918 beziehungsweise 1919 erfuhr das Wappen der Preußischen Provinz Sachsen zunächst keine Änderung. Sowohl das Kleine als auch das Große Wappen blieben weiterhin in Gebrauch. Erst im Zuge der Vereinheitlichung der Wappen der Preußischen Provinzen durch die Hinzufügung eines silbernen Schildhauptes mit dem neu gestalteten preußischen Adler in wenig heraldischer Form erfolgte eine Änderung (Abb. 585).22 Diese wurde in einer Stellungnahme des Geheimen Staatsarchivs Magdeburg an das Geheime Staatsarchiv in Berlin vom 21. Mai 1927 grundsätzlich begrüßt: "[...] da er jede Verwechslung des Wappens der Provinz Sachsen mit anderen sächsischen Wappen ausschließt und die Provinz als ein Glied des preußischen Gesamtstaates kennzeichnet. Dieser einfache Schild in seiner schlichten Ausführung entspricht unseres Erachtens allen Anforderungen, die man an ein neues Wappen der Provinz zu stellen hat."23 Das zwar nicht regelwidrige, aber dennoch besser zu vermeidende Aneinandergrenzen des silbernen Schildhauptes an den goldenen Schild und der wenig heraldische, ins Schildhaupt gequetschte Adler sind indes Schwächen des neuen Wappens.

Abb. 579: Die von 1882 bis 1884 gezeigte Landesflagge der Preußischen Provinz Sachsen mit dem mittig aufgelegten Wappen.

Abb. 580: Die von 1884 bis 1935 verwendete Landesflagge der Preußischen Provinz Sachsen. Sie wurde auch vom Land Sachsen-Anhalt zwischen 1945 und 1952 verwendet.

Abb. 581: Die Landesflagge der Preußischen Provinz Sachsen mit dem mittig aufgelegten, von 1884 bis 1918 verwendeten Wappen.

Abb. 582: Das von 1864 bis 1918 verwendete größere Prunkwappen (Großes Wappen) der Preußischen Provinz Sachsen bei Hugo Gerard Ströhl (Tafel V) aus dem Jahre 1897.

Abb. 583: Der Entwurf des Wappens der Preußischen Provinz Sachsen aus dem Jahre 1878. Noch ungünstiger als gevierte Wappen sind mit einem Herzschild belegte gevierte Wappen.

Abb. 584: Der nach den Angaben hierzu von mir rekonstruierte Entwurf eines Wappens für die Preußische Provinz Sachsen von Georg Schmidt aus dem Jahre 1911.

Abb. 585: Das von 1927 bis 1935 verwendete Wappen der Preußische Provinz Sachsen.

Abb. 586: Die von 1927 bis 1935 verwendete Landesflagge der Preußischen Provinz Sachsen mit dem mittig aufgelegten Wappen.

Abb. 587: Das von 1927 bis 1935 verwendete Große Wappen der Preußischen Provinz Sachsen.

Kritisch angemerkt wird in dem Schreiben der Archivare in Magdeburg zudem die beabsichtigte Beibehaltung des modifizierten Großen Wappens, welches man grundsätzlich als unnötig empfand: "Will man neben dem einfachen (kleinen) Wappen noch ein zweites "großes" Wappen schaffen, so könnte das unserer Ansicht nach nur ein zusammengesetztes Wappen sein, in dem neben dem sächsischen Rautenkranzschild die Wappen der wichtigsten Territorien der Provinz Sachsen vertreten sind, wie es von G. Schmidt in dem oben erwähnten Aufsatz entworfen wird. Wir vermögen allerdings eine Notwendigkeit zur Schaffung eines solchen "großen" Wappens neben dem "kleinen" Wappen nicht recht einsehen. Das schlichte und einfache Wappen, der Rautenschild mit dem preußischen Adler, ist in jedem Falle einem zusammengesetzten Wappen vorzuziehen; es betont mit Recht die Einheit der aus vielen geschichtlichen Territorien zusammengeschweißten, nun aber schon seit über hundert Jahren als ein einheitliches Gebilde bestehenden Provinz und ist geeignet, das provinzielle Gemeinschaftsgefühl zu stärken."24 Daß sich die Archivare hierbei ausdrücklich auf den schon damals antiquierten Entwurf von Georg Schmidt beziehen, zeugt von wenig Offenheit gegenüber der neuen Wappenkultur, wie sie in den Diskussionen um das Reichswappen gepflegt wurde.25 Die Einwände aus Magdeburg wurden allerdings in einem Schreiben des Geheimen Staatsarchivs Berlin an den Oberpräsidenten der Preußischen Provinz Sachsen vom 24. Mai 1927 mit Verweis auf die bisherige einheitliche Gestaltung der Provinzialwappen und der bis zu diesem Zeitpunkt bereits durch den Minister des Innern genehmigten oder in Aussicht genommenen Änderungen zurückgewiesen.

Per Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 27. Juni 192726 änderte man die bisherigen Wappen durch Hinzufügung des erwähnten Schildhauptes, welches in Silber den schwarzen preußischen Adler ohne Krone in eher naturalistischer Form, dem im Wappen des Freistaates Preußen (Abb. 608) gezeigten27 ähnelnd, zeigt (Abb. 585) und somit die Zugehörigkeit zu Preußen symbolisieren sollte. Im Großen Wappen (Abb. 587) wurde dementsprechend auch das Wappenbild auf dem Adlerbanner geändert, während es im Helmkleinod des Spitzhutes und im linken Banner unverändert ohne preußischen Adler blieb.

Der preußische Adler gehört zu den sehr bekannten Wappenbildern und ist gegenwärtig noch in vielen Wappen zu finden, darunter auch in zahlreichen Kommunalwappen wie dem derzeitigen Wappen des Salzlandkreises.28 Er steht heute für die seit dem 11. Jahrhundert nachweisbare, wohl aus dem Schwäbischen stammende Familie Hohenzollern, welche zu den bedeutendsten deutschen Adelsdynastien gehört. Ihren Aufstieg bis hin zur Wahl Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 verdanken die ursprünglichen Grafen von Zollern beziehungsweise Hohenzollern unter anderem auch ihrer Königstreue zunächst unter den Saliern, den Staufern und später den Luxemburgern.

Die namensgebende Stammburg Hohenzollern befindet sich zwischen den Gemeinden Hechingen und Bisingen29 und gehört zu Zimmern unter der Burg, einem Ortsteil der Gemeinde Bisingen. Erstmals urkundlich erwähnt wird die Sippe in der Chronik des Mönches Berthold von Reichenau, welcher die 1061 ums Leben gekommenen Adeligen Burchardus und Wezil de Zolorin benennt. Ob die beiden in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander standen, ist nicht bekannt. Urkundlich faßbar wird indes nur Burkhard I. von Zollern als der Vater von Friedrich I., welcher eindeutig als Graf von Zollern belegt ist. Fälschlicherweise wurde wegen des Namens von Burkhard I. (Burchardus de Zolorin) früher angenommen, daß die Hohenzollern dem Geschlecht der Burchardinger entstammen würden, was aber nachweislich nicht der Fall ist. Somit ist die Herkunft der Zollern beziehungsweise Hohenzollern bislang weiterhin ungeklärt.

Nach mehreren Spaltungen der Familie ging aus der fränkischen Linie mit der Erhebung des Burggrafen Friedrich VI. unter dem Namen Friedrich I. zum Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg durch Kaiser Sigismund I. im Jahre 1415 die Brandenburgische Linie hervor. Aus dieser Linie sollten Kurfürst Friedrich III. unter dem Namen Friedrich I. als König in Preußen und - wie bereits gesagt - König Wilhelm I. als erster Deutscher Kaiser von Geburt her Karriere machen.

Die Familie der Hohenzollern ist neben den Habsburgern die wichtigste Adelssippe der jüngeren deutschen Geschichte bis 1918. Allerdings sind für Brandenburg-Preußen weder die Hohenzollerschen Stammwappen (Abb. 588)30 noch der rote Märkische Adler31 das wichtigste und bekannteste Wappenbild geworden, sondern der schwarze Adler auf silbernem Schild. Dessen Wurzeln sind der Reichsadler,32 der Polnische Adler (Abb. 590)33 und der Brandenburgische, also Märkische Adler sowie das Kreuz der Ritter des Deutschen Ordens.34

Das Wappen des Deutschritterordens mit dem schwarzen Kreuz35 auf Silber war wie alle anderen Wappen der Kreuzritter im Heiligen Land entstanden und diente zur Unterscheidung von Kreuzfahrern verschiedener Sprache und unterschiedlicher Ritterorden.36 Vermutlich hatte Kaiser Friedrich II. dem vierten Hochmeister des Ordens, Hermann von Salza, und dessen Nachfolgern mit der Goldbulle von Rimini im Jahre 1226 das Recht verliehen, den schwarzen Reichsadler auf Gold37 als Gnadengabe im Wappen des Hochmeisters zu führen (Abb. 589).38 Im Gegensatz zum Reichsadler blieb der des Hochmeisters allerdings stets einköpfig und zeigt eine goldene Bewehrung.39

Nachdem der Deutsche Orden infolge der Schlacht von Grunewald40 im Jahre 1410 sowie des Ersten Thorner Friedens von 1411 Samogitien an Litauen abtreten mußte und hohe Kontributionen an den polnischen König vereinbart worden waren, gelangte der Deutschritterorden in massive finanzielle Schwierigkeiten. Deshalb erhob er als Landesherr zusätzliche Steuern von den preußischen Ständen und Hansestädten, die als Gegenleistung ihrerseits ein Mitspracherecht bei der Regierung des Ordensstaates forderten. Dies wurde zwar durch den damaligen Hochmeister Konrad von Erlichshausen abgelehnt, doch suchte er trotzdem einen Ausgleich mit den Ständen. Diese organisierten sich 1440 im Preußischen Bund.41

Konrad von Erlichshausens Neffe und Nachfolger Ludwig von Erlichshausen war weniger kompromißbereit und versuchte mit Hilfe von Papst und Römischdeutschem König den Preußischen Bund auf juristischem Wege als illegal einzustufen. Zwar hatte König Friedrich III. den Preußischen Bund im Jahre 1441 anerkannt, doch entschied er 1453 zugunsten des Ordens. Daraufhin kündigte der Preußische Bund dem Hochmeister den Gehorsam, erklärte dem Deutschen Orden den Krieg und unterstellte sich dem polnischen König Kasimir IV. Andreas als Schutzherrn. Führer des Preußischen Bundes wurde der ehemalige Ordensritter Johann von Baysen, welcher vom polnischen König als Gubernator - also als Gouverneur - für die abgefallenen Gebiete des neuen Königlichen Preußen42 eingesetzt wurde. Dieses Amt blieb noch bis zum Tod von Johann von Baysens Bruder Stibor von Baysen, der ihm im Amt gefolgt war, bestehen. Dessen Nachfolger ab 1480, Nikolaus von Baysen, lehnte aufgrund seiner durch den König eingeschränkten Macht wiederum den Eid auf den polnischen König ab. Somit erlosch das Amt im Jahre 1510 nach mehreren Versuchen des polnischen Königs, polnische Gouverneure einzusetzen.

Abb. 588: Die beiden wichtigsten Wappen der Grafen von (Hohen)Zollern im gevierten Wappenschild.

Abb. 589: Das Wappen des Hochmeisters des Deutschen Ordens. Anfangs war lediglich ein Krückenkreuz aufgelegt, das später durch die Lilien ergänzt wurde.

Abb. 590: Das Wappen des Königs von Polen mit dem bekrönten silbernen Adler auf rotem Feld ist heute auch das der Republik Polen.

Abb. 591: Das von 1466 bis 1772 verwendete Wappen des Königlichen Preußen.

Abb. 592: Das von 1922 bis 1938 verwendete Wappen der Grenzmark Posen-Westpreußen.

Abb. 593: Das von 1525 bis 1633 verwendete Wappen des Herzogtums Preußen.

Abb. 594: Zeichnung des Wappens des Herzogtums Preußen nach einer Abbildung aus dem Jahre 1525 im Stil der Renaissance.

Abb. 595: Ein Beispiel für das Wappen des Herzogtums Preußen, wie es zwischen 1633 und 1660 verwendet wurde.

Abb. 596: Das Wappens der Woiwodschaft Ermland-Masuren (Warmińsko-Mazurskie) seit 2002.

Das Wappen des Gouverneurs, welches sich in dieser Zeit als das Landeswappen des Königlichen Preußen - also des Polnischen Preußen - etablierte, zeigt in Silber einen schwarzen Adler mit einer goldenen Halskrone und einem aus seinem Hals wachsenden schwertschwingenden Arm (Abb. 591).43 Bei der Wahl der Tinkturen wurde sehr wahrscheinlich auf die Tinkturen Silber und Schwarze des Ordenswappens zurückgegriffen, während der Adler aus dem von den Piasten erstmals verwendeten Adler des Königs von Polen abgeleitet ist, welcher wiederum Bezüge zum Märkischen Adler hat.44 Andererseits kann der Adler ebenso aus dem des Hochmeisters abgeleitet sein. Und schließlich könnte es sich insgesamt auch um eine Kombination der Tinkturen des schwarzen Adlers des Hochmeisters mit denen des silbernen Adlers des Königs von Polen handeln.

Das Wappen des Königlichen Preußen war in unterschiedlichen stilistischen Ausführungen bis zur ersten Polnischen Teilung von 1772, infolge derer das Gebiet durch das Königreich Preußen annektiert wurde, in Gebrauch. Innerhalb der Wappen für die Preußischen Provinzen griff man es im Laufe des 19. Jahrhunderts wieder auf und verwendete es unverändert für die Preußische Provinz Westpreußen, da diese im Wesentlichen die Gebiete des Königlichen Preußen umfaßte.

Abb. 592