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Table of Contents

Widmung

Das Flüstern der Vergangenheit

Was bisher geschah

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Vorschau

Personenverzeichnis

Über die Autorin

Schon vorbei?

Impressum

 

Für die, die lieben.

 

 

Die glücklichsten Erinnerungen sind die, die uns am traurigsten machen.

 

 


Black Heart

Das Flüstern der Vergangenheit

KIM LEOPOLD

STAFFEL 1 // EPISODE 5

 

 

Was bisher geschah

 

 

1768 - Nach ihrer Hochzeit bleibt der Hexe Freya und ihrem frisch gebackenen Ehemann nichts anderes übrig, als die Magie aus ihr herauszukitzeln, um dem norwegischen König zu helfen. Weil es diesem jedoch nicht schnell genug geht, beschließt er, das Druckmittel zu erhöhen und Mikael zu foltern.

2018 - Die Wächter Tyros und Moose finden heraus, dass Alex und die Hexe Louisa einen Traumbund geschlossen haben. Während Louisa versuch, herauszufinden, was das alles für sie zu bedeuten hat, fällt in Marokko ein Clan zum Opfer der Hexenjäger. Schnell stellt sich heraus, dass Tyros eine Verbindung zu den Hexen und Wächtern dort hat. Sie fordern Verstärkung für Alex, Moose und Louisa an - als diese anreist, stellt sich heraus, dass der Wächter Daniel Louisas imaginärem Freund Liam zum Verwechseln ähnlich sieht.

Am Palast der Träume beginnt für die Wächterschüler Jascha und Aslan der erste Schultag, zu dem sie prompt zu spät kommen. Jascha legt sich mit seinem Lehrer Silas an und landet daraufhin im Krankenflügel, wo er die Heilerin Emma kennenlernt. Später treffen sie außerdem Hayet und Azalea, die gerade erst angereist sind.

Kapitel 1

 

Tyros

Marrakesch, 2018

 

Der Duft nach frischen Gewürzen und fruchtigen Tees liegt in der Luft, als ich aus dem Wagen steige. Es ist warm, so warm, dass ich meine Winterjacke noch am Flughafen in meinem Seesack verstaut habe und nur noch mein langärmeliges Shirt trage, damit es mich vor den Strahlen der Mittagssonne schützt.

In Marrakesch ist es halb elf, und die Innenstadt wimmelt nur so von Menschen, die ihren morgendlichen Markteinkäufen nachgehen. Ich bezahle den Taxifahrer in marokkanischen Dirham, die ich am Flughafen in Düsseldorf zu einem überteuerten Kurs eingetauscht habe, schicke eine kurze Nachricht an Moose, dass ich angekommen bin, und nehme meinen Seesack auf den Rücken.

Es ist achtzehn Jahre her, dass ich das letzte Mal hier gewesen bin, aber die Stadt hat sich kaum verändert. Die Gebäude sind noch die gleichen traditionellen Bauten aus hellem Stein, die immer wieder von Mosaiken und bunt bemalten Torbögen unterbrochen werden. Im Schatten der hohen Bäume sitzen Menschen und unterhalten sich, Rentner spielen Schach, Touristen machen Verschnaufpausen, vielleicht, weil sie überfordert von den ganzen fremden Eindrücken sind.

Ich setze mich in Bewegung und folge den Menschenmassen Richtung Djemaa el-Fna, dem großen Markt hier in der Medina. Schon von Weitem begrüßen mich die Trommel- und Flötenspieler, deren Musik sich mit den Stimmen der Marktschreier vermischt.

Mit den immer stärker werdenden Gerüchen füllt sich meine Seele mit Sehnsucht. Wie sehr habe ich dieses Land mit seinen Farben und Geschmäckern vermisst!

Wie sehr habe ich die Menschen hier vermisst …

Der Gedanke an Najam Ahmar, den Clan, der überfallen wurde, wischt mir allerdings das Lächeln aus dem Gesicht. Malika und Junah standen nicht auf Mooses Liste, also haben sie vielleicht überlebt. Aber so viele Menschen, die mir wichtig waren, sind gestorben.

Ich balle die Hände zu Fäusten und versuche, nicht mehr darüber nachzudenken, denn die Wut ist mir so deutlich anzusehen, dass die Menschen mir schon ausweichen.

Wut hilft dir nicht weiter, sie macht dich unberechenbar, rufe ich mir Youssefs Worte in Erinnerung. Wenn der Clanführer damals nicht gewesen wäre, hätte ich niemals den Weg eingeschlagen, den ich nun gegangen bin. Normalerweise gelingt es mir gut, meine Wut im Zaum zu halten, aber jetzt fühle ich, wie sie mich innerlich auffrisst. Ich will die Verantwortlichen aufspüren und zur Rechenschaft ziehen. Etwas anderes hat in meinem Kopf keinen Platz mehr. Nicht einmal eine Erklärung für Moose hatte ich, aber die Dringlichkeit dieser Reise habe ich ihm trotzdem klargemacht. Er wird Fragen stellen, wenn ich zurückkomme, aber vorerst denke ich lieber nicht darüber nach.

Jetzt muss ich unbedingt Malika und Junah finden.

Bevor ich den Markt auf der anderen Seite wieder verlasse, kaufe ich frisch gepressten Granatapfelsaft und zwei Matlou, die gerade erst aus dem Ofen kommen und noch schön warm sind. Der Bäcker schlägt die Gebäckstücke in Zeitungspapier ein und reicht sie mir. Malika liebt die Kombination aus weichem Teig und saftigem Granatapfel immer noch über alles. Ich weiß, es ist unsinnig, sie für sie zu kaufen, aber ich spüre, wie sich dadurch meine Hoffnung verstärkt, sie wiederzusehen.

Während ich die Sachen in meinem Seesack verstaue, tauche ich in den Souks ab. Die kleinen Gassen mit den vielen unterschiedlichen Läden sind gewimmelt voll. Ich bin auf der Suche nach einem ganz bestimmten Geschäft, aber den genauen Weg habe ich nicht mehr in Erinnerung. Es ist so lange her.

Mit einer Karte kommt man hier nicht mehr zurecht, weil die Gassen so schmal sind, dass sie keine Namen tragen. Also frage ich mich in einem Kauderwelsch aus Arabisch und Französisch bei den Besitzern der verschiedenen Geschäfte durch, bis ich schließlich vor einem Laden stehen bleibe, in dem offensichtlich mit Tierhäuten und anderen skurrilen Gegenständen gehandelt wird.

Ich schiebe ein paar Schlangenhäute beiseite und betrete die Räumlichkeit. Die Frau hinter der Theke fällt mir zunächst gar nicht auf, zu erschlagend sind die vielen verschiedenen Muster und Farben hier. Erst als sie aufsteht und sich ihre Lippen zu einem erstaunten Oh öffnen, erkenne ich sie.

»Arifa.«

Sie beginnt zu strahlen und kommt hinter der Theke hervor, um mir zwei Küsse auf die Wangen zu geben.

»Tyros, bist du es wirklich?«, fragt sie auf Französisch und lehnt sich zurück, um mich zu betrachten. »Du bist so erwachsen geworden.«

Und du bist alt geworden, denke ich, spreche es aber aus Respekt nicht aus. Ihre einst dunklen Haare sind beinahe komplett ergraut, die Sonne hat ihrer Haut auch keinen Gefallen getan. Nicht einmal das Leuchten in ihren grünen Augen ist geblieben.

Sie lässt mich los und öffnet die Tür zu ihrem Wohnhaus. »Khadra! Komm mal bitte! Du musst den Laden übernehmen.«

»Wer ist Khadra?«, frage ich neugierig.

»Meine Enkeltochter«, erklärt sie. »Sie ist sechzehn.«

»Wow, ich hab viel verpasst.«

»Nicht allzu viel.« Arifa ruft erneut nach Khadra – Geduld war noch nie ihre Stärke – und wirft mir einen entschuldigenden Blick zu. »Du hast es sicher eilig. Nach allem, was mit Najam Ahmar geschehen ist.«

»Du weißt also bereits davon«, stelle ich überrascht fest.

Ein Schatten legt sich über ihr Gesicht. »Youssef hat es mir erzählt.«

Verwirrt blinzle ich sie an, die Hoffnung, Moose hätte sich in seiner Liste geirrt, breitet sich in meinem Magen aus. »Ich dachte … Hat Youssef den Angriff überlebt?«

Sie schüttelt mit dem Kopf, und ich weiß nicht, was ich schlimmer finde: die Tatsache, dass er wirklich tot ist oder dass sie nach seinem Tod mit ihm gesprochen hat.

Kapitel 2

 

Freya

Christiania, 1768

 

Stille kann sich so unterschiedlich anfühlen.

Mal ist sie laut. Mal leise.

Manchmal unberechenbar.

Und manchmal genau das, worauf man gehofft hat.

Dieses Mal habe ich keine Angst, als es still um mich wird. Dieses Mal weiß ich, dass mir meine Magie geholfen hat. Sie hat uns gerettet, wenn auch nur für kurze Zeit.

Ich rapple mich auf und ertaste mir den Weg zu der Stelle, an der ich Mikael vermute. Schnell finde ich ihn. Er hängt an der Wand, weil man seine Hände dort festgebunden hat und er durch die Peitschenschläge in die Knie gezwungen wurde. Ich hocke mich neben ihn und taste nach seinem Herzschlag. Die Berührung meiner Fingerspitzen lässt ihn unruhig werden.

Kurz frage ich mich, ob es mit den anderen auch so wäre. Würden sie aufwachen, wenn ich sie berührte?

»Freya«, murmelt Mikael verwirrt und stöhnt auf. »Was ist passiert?«

»Nicht jetzt.« Ich ziehe den Dolch hervor, den er mir Stunden zuvor geschenkt hat, und durchtrenne seine Fesseln. Unsanft fällt Mikael zu Boden. Ich höre ihn scharf einatmen und verziehe schmerzerfüllt das Gesicht. Wie sehr wünschte ich, ich könnte sehen, was ich tue. »Wir müssen hier weg. Kannst du laufen?«

Eilig schiebe ich meine Arme unter seine und helfe ihm hoch. Er stützt sich mit seinem heilen Arm bei mir ab. Ich lege meine Hand auf seinen Rücken, er zuckt zusammen und hätte sich beinahe von mir losgerissen.

»Oh nein«, stoße ich leise aus und löse meine Hand sofort von der zerfetzten Haut. »Tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun.«

Mikael antwortet mit zusammengepressten Lippen. »Schon gut.«