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Sandra Olsen

Jette und Bill

Spätes Glück





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80331 München

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Zwei ältere Menschen finden ihr Glück.

 

 

 

 

 

 

 

Bill war in der Tat, Bill William J. Morgenstern, ein angesehener Anwalt, der fast vierzig Jahre als Jurist im Gesellschaftsrecht und Finanzrecht tätig war. 

 

Er hatte sich von ganz unten hochgearbeitet und war jahrelang, der „Top Anwalt“, für Finanzangelegenheiten aller Art.

 

Er war in der glücklichen Lage, dass er sich seine Klienten aussuchen konnte und nicht jeden annehmen musste.

 

Es gibt ja viele Anwälte, nach dem Motto:

 

„Jung, dynamisch und erfolglos!“, aber Bill hatte von Anfang an nicht zu diesen gehört, er wusste von Anfang an, wie er erfolgreich werden konnte.

 

Seine Kanzlei befand sich in einer renommierten Straße in Berlin Mitte, also eine angesagte Adresse, was für sein Renommee außerordentlich förderlich war.

 

Jeden Tag zog er seinen Maßanzug an und bereitete sich mental, auf diesen einen Tag disziplinierten Denkens und Handelns vor. 

 

Sein Fahrer holte ihn in einem Fünfhunderter Mercedes GLS früh morgens von zu Hause ab und brachte ihn in sein Büro, wo er die Probleme der reichen Geschäftsleute und der weniger Reichen, zu lösen versuchte, die sich seine Dienste leisten konnten.

 

 Am Abend brachte ihn sein Fahrer wieder zurück in seine Luxuswohnung am Ufer der Spree.

 

Nicht, dass der Fahrer täglich nur die beiden Fahrten zu absolvieren hatte, er war auch als Kurierfahrer für die Kanzlei tätig, wenn Unterlagen und Akten irgendwo hin transportiert werden mussten. 

 

Bill wuchs als Kind auf dem Land auf, hatte aber das Glück, Eltern und Lehrer zu haben, die seine Ausbildung ernst nahmen und ihn nicht nur förderten, sondern auch forderten. 

 

Er wurde an einem der besten Colleges zugelassen, besuchte eine prominente juristische Fakultät und lebte ab Herbst, nach seinem Abitur, in einer großen deutschen Stadt, wovon er später nach Berlin wechselte.

 

Er hatte immer diesen Spruch auf Lager:

 

„Ich muss dorthin gehen, wo das Geld ist, es kommt nicht von alleine zu mir!“

  

In Berlin wurde er dann ins städtische Leben eingegliedert. 

 

Er genoss die besten Restaurants, besuchte die besten Theater und wurde auch bald, zu den wichtigsten Partys der Stadt eingeladen.

 

Schon als junger Anwalt hatte er gelernt, wenn du Geld verdienen willst, dann musst du so tun, als ob du Geld hättest.

 

Wenn er verreiste, setzte er sich in die Luxusklasse, denn dort traf er auf Leute, die Geld hatten oder so taten, als ob sie Geld hätten.

 

Überall wo er hinging, begab er sich in die VIP-Lounge und verteilte völlig unabsichtlich, seine Visitenkarten auf den Tischen.

 

So war doch klar, wenn einer dieser Personen einen Anwalt benötigte, dann kamen sie auf ihn zurück, denn er verkehrte ja, in ihren Kreisen, er war ja einer von ihnen.

 

So war er Mitglied in dem teuersten Golfklub der Stadt, obwohl er gar kein Golf spielte.

 

Die Kontakte an der Bar waren ihm wichtiger, denn so holte er sich seine Klienten in die Kanzlei.

 

Mit der Zeit traf sich alles, was Rang und Namen hatte, in seinem Büro und war glücklich darüber, dass der Anwalt noch einen freien Termin für sie hatte.

 

Jedenfalls sagte dies immer seine Sekretärin, die für die Terminvergabe verantwortlich war.

 

So baute er sich eine Klientel auf, dass ihn, in den höchsten Kreisen des Geldadels verkehren ließ.

 

Es gab zwei Dinge, die man ohne Vorbehalt über Bill sagen konnte, und jeder der beiden, würde zustimmen.

 

Er liebte seine Frau über alles und er war ein gewissenhafter und ehrlicher Mann, gegenüber jedem, was ihm auch die Wertschätzung vieler seiner vermögenden Klienten einbrachte. 

 

Bill hatte das Gefühl, wenn er morgens nicht in den Spiegel schauen und wissen konnte, dass der Mann im Spiegelbild, ein ehrlicher und aufrichtiger Mann war, dessen Worte und Handlungen auch zuverlässig waren, dann konnte er seinen Kopf nicht aus seiner Haustür strecken.

 

Er lebte nach seinem gegebenem Wort und einem selbsterstellten Verhaltenskodex, an dem niemand etwas auszusetzen hatte.

 

Diese Ehrlichkeit brachte ihm auch bei den Richtern und Staatsanwälten den Ruf ein, dass er ein von Grunde her, ein ehrlicher Mann war, dem Ehre gebührt, was ihm bei seinen Prozessen oft zugutekam.

 

 

 

2. Kapitel

 

 

 

 

 

 

 

Doch auch ihn ereilte das Schicksal und schlug unbarmherzig zu.

 

Als Bill zweiundsechzig Jahre alt war, starb seine über aller geliebten Ehefrau. 

 

Es war nichts weiter, als ein betrunkener Autofahrer  spät in der Nacht, der ihrem Leben ein Ende setzte.

 

Da der Vater des Betrunkenen, ein einflussreicher Politiker in Berlin war, besaß er noch die Frechheit, Bill, als seinen Strafverteidiger zu konsultieren.

 

Seine Ehefrau war an diesem besagten Abend bei ihrem Sohn in Potsdam gewesen und war auf dem Nachhauseweg, als dieser betrunkene Fahrer auf der A 10, dem Berliner Ring, mit überhöhtet Geschwindigkeit in einer 120er Zone, auf der dritten Spur zum Überholen ansetzte, gegen die Leitplanke fuhr und wieder zurück, auf die Fahrbahn geschleudert wurde.

 

Hier prallte er auf der Fahrbahn, gegen den nachfolgenden Pkw Porsche der Ehefrau von Bill, die sofort noch an der Unfallstelle verstarb.

 

Bills Leben hat sich in dieser Nacht für immer verändert, er war nicht mehr dieser lockere Mann, der er vorher noch war.

 

Er brach zusammen, weinte, trauerte und wurde in dieser Nacht einige Jahre älter in seinem Aussehen.

 

Als einige Zeit vergangen war und er den größten Schmerz überwunden hatte, versuchte er, nach einer Veränderung zu suchen. 

 

Bill hatte kein wirkliches Bedauern in seinem Leben, außer, dass ein Verkehrsrowdy, ihm seine über alles geliebte Frau genommen hatte. 

 

Er war zufrieden in seiner Karriere, zog zwei großartige Kinder auf, hatte bereits drei Enkelkinder und wusste, dass es jetzt Zeit, für eine Veränderung war.

 

Nun konnte er es sich jetzt auch leisten, einige Schritte langsamer zu gehen, denn er musste niemanden noch etwas beweisen.

 

Bill wusste auch, dass das Leben in der Stadt langsam, aber stetig war, und seinen Tribut, an seine Seele forderte. 

 

Es ist nicht so, dass er es ablehnte, oder sich davor fürchtete, in engem Kontakt mit anderen Menschen zu leben. 

 

Bill mochte Leute im Allgemeinen, und er liebte es, mit ihnen zu plaudern.