Prof. Dr. med. Gerd Schnack

Das Wunder der
Entspannungshocke

Befreiter Rücken und ein gutes Bauchgefühl


herder-logo

Impressum

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de


Umschlaggestaltung: Kathrin Keienburg-Rees

Umschlagmotiv: © Francesco Iorio


Zeichnungen im Innenteil von Wolfgang Pfau und Francesco Iorio


E-Book-Konvertierung: de·te·pe, Aalen


ISBN (E-Book) 978-3-451-80931-6

ISBN (Buch) 978-3-451-31035-5

Inhaltsverzeichnis
[Cover]
[Titel]
[Impressum]
1. Natur-richtig oder natur-unrichtig – wir haben die Wahl
2. Die Bipolarität der Welt
3. Vom Absatzschuh auf den Sitzthron
4. Die natur-richtige Hocke, unsere Energiespeicherposition
5. Vom Absatzschuh zur hohen Sitztoilette
6. Hoffnungssignale trotz Sitzstress
Anhang
[Informationen zum Autor]

1. Natur-richtig oder natur-unrichtig – wir haben die Wahl

Wir leben in einer Sitzgesellschaft – was bleibt uns auch ­anderes übrig, als das zu tun, was uns die technische Entwicklung vorschreibt. Doch damit werden unsere Hände automatisch zu verlängerten Hebeln all der Maschinen um uns herum degradiert. Die großen Muskeln der Beine hängen teilnahmslos vor dem Stuhl, sie verkümmern, da sie täglich nur noch über maximal 1000 Meter gefordert werden. Nichts ist mehr, wie es ein­mal war, als wir noch pro Tag auf Schusters Rappen in Wald, Feld und Wiese über zehn bis fünfzehn Kilometer unterwegs ­waren. 

In der einseitigen Anpassung an die Technik wurde aus dem Laufwesen das kränkelnde Sitzwesen.

In monotoner Frontalausrichtung auf unserem »Sitzthron« werden wir gekrümmt wie ein beladener Packesel. Nichts ist uns geblieben von unserer ehemals majestätischen Haltung, im kurzschrittigen Stakkato bewegen wir uns auf Absatzschuhen auf hartem, planiertem Beton, dabei zermürben die Erschütterungen nicht nur den Beckenboden, sondern auch die Beingelenke und im Besonderen die Wirbelsäule.

Wir bewegen uns zu wenig und im Sitzen sitzen wir auch noch verkehrt!

Was soll aus uns nur werden? Bei all diesem Fehlverhalten sitzen wir auch noch verkehrt, und das in einer Mittelstellung zwischen »Baum und Borke«. Körperstreckung oder tiefe Entspannungshocke – wir haben die Wahl, aber wir praktizieren weder das eine noch das andere richtig. Nun gut, Schreibarbeiten können in der absoluten Körperstreckung kaum durchgeführt werden, dazu muss man schon Platz nehmen. Aber nicht ständig in dieser Mittelstellung zwischen Hocke und Körperstreckung, denn dann werden wir weder dem einen noch dem anderen gerecht.

Dieses eine oder andere sind die beiden äußeren Erscheinungsformen unseres Körpers im Schwerkraftfeld der Erde, wenn man vom Liegen in Ruhe einmal absieht. Es geht um die bipolare Ausrichtung bei der Auseinandersetzung mit den Erfordernissen dieser Welt:

Die natürliche Arbeitshocke, demonstriert von einem griechischen Fischer, die alles ausdrückt, was körperliche Entspannung unter extremen Arbeitsbedingungen bedeutet, dargestellt durch die komplexe Entspannung aller großen Gelenke in der Sammlung um den Körpermittelpunkt herum. Volle Konzentration der Achtsamkeit durch die Einheit der Hände zur aktiven Gestaltungsebene. Das Bild drückt alles aus, was im Buch thematisiert wird, körperliche Konzentration um den Mittelpunkt mit Hinwendung des Geistes auf das Tun!


009

Hocke griechischer Fischer

Die Hocke auf der einen Seite, die Körperstreckung auf der anderen sind die tragenden Pfeiler unserer natürlichen, rhythmischen körperlichen Prägung. Sie sind signifikante Markenzeichen einer Welt der Bipolarität, wonach alle Erscheinungen auf die Konfrontation der Gegensätze ausgerichtet sind, Gegensätze, die aber durch die Aufteilung in Zeit und Raum auszuweisen sind. Was nichts anderes bedeutet, als dass jede Extremposition nach einer bestimmten Zeit ins Gegenteil umgekehrt werden muss, eine Feststellung, die schon im Alten Testament König Salomo im Buch Kohelet postuliert hat:

»Alles hat seine Stunde und für jedes Vorhaben unter dem Himmel gibt es eine Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit, die Pflanzen abzuernten, eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Einreißen und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen, eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln, eine Zeit zum Umarmen und eine Zeit, sich der Umarmung zu enthalten, eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren, eine Zeit zum Aufbewahren und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen und eine Zeit zum Nähen, eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.«

In diesem Für und Wider der Gegensätze darf es keinen Stillstand geben. Ständig müssen wir uns auf den Weg machen von einer Extremstellung zur anderen, denn jeder Stillstand ist nicht nur mit Stress gleichzusetzen, Stagnation steht auch für Krankheit, im Extremfall sogar für Tod. Diese Aussage gilt genau so für unsere körperliche Erscheinung im ständigen Wechsel zwischen der tiefen Hocke und der absoluten Körperstreckung, denn aus beiden Positionen heraus ist der Energietransfer am größten, in der Hocke wird sie gespeichert und in der Streckhaltung an die Umgebung abgegeben. Auf diese Weise kann jedes Tier zwischen der geballten Kauerstellung und dem gestreckten Spagat seine hohe Lauf- und Sprungleistung abrufen.