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Ein Buch über die Berge

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Das Ettaler Manndl thront nackt über dem Kloster Ettal. Blanker Fels leuchtet vor dramatischem Himmel. Wolkenfetzen hüllen das Haupt des stolzen Mannes, dessen massiver Leib einst aus dem Kalk der Urmeere auferstand. Böen zausen die verkrüppelten Latschen rings um den Fels. Dohlen lassen ihren krächzenden Ruf wie Hohnlachen erschallen, als würden sie dem einsamen Bergsteiger spotten. In den schwarzen Vögeln leben die Seelen der Toten, raunen die Einheimischen – die Seelen der Toten, die nicht lassen konnten vom schroffen Ettaler Manndl.

Wer ein Buch über das Gebirge schreibt, der darf nicht an theatralischen Formulierungen sparen. Ein Bergautor muss dick auftragen und von Dramatik berichten. Die Berge sollten stets stolz, unnahbar und gefährlich sein. Abgründe müssen unendlich tief erscheinen und die Gipfel stets unerreichbar in den Himmel ragen. Von Todesgefahr, Felsfestungen, eisernem Willen, Beinahe-Katastrophen, Sehnen, Bangen und Bergkameradschaft sollte in einem Buch über die Berge die Rede sein. Aber doch nicht vom Ettaler Manndl, um Gottes willen!

Lassen wir die Klischees, Angebereien und esoterischen Überhöhungen des Berges also beiseite und betrachten die Fakten: Das Ettaler Manndl in den Ammergauer Alpen erreicht eine Höhe von 1633 Metern und zählt zu jenen Ausflugsbergen, die von München aus bequem erreichbar sind. Es handelt sich um einen besseren Hügel, dessen Besteiger nach vollbrachter Tat nicht über schwere Kletterpassagen, Stehbiwaks, abgefrorene Gliedmaßen oder die sogenannte Weiterentwicklung des Alpinismus diskutieren. Diese Menschen schwärmen stattdessen vom Kaiserschmarrn in der nahen Laber-Gipfelgaststätte und machen sich Sorgen, dass es auf der Rückfahrt auf der Garmischer Autobahn Stau geben könnte.

Das also ist das Ettaler Manndl – ein Ausflugsberg, ein Nichts im Angesicht der Felsgiganten, von denen die Helden des Alpinismus in der gängigen Bergliteratur berichten. Und ich habe meine schlimmste Niederlage als Bergsteiger an diesem Ettaler Manndl erlitten. Deshalb beginnt dieses Bergbuch mit einem Ausflugshügel.

Meine Eltern stiegen mit mir auf das Ettaler Manndl. Ich muss etwa sechs Jahre alt gewesen sein. Es war anstrengend. Und wie Kinder das in solchen Situationen nun einmal tun, wurde auch ich bald anstrengend. Ich nörgelte mich den Hang hinauf und ließ die Nerven meiner Eltern erodieren. An einer verschlossenen Hütte im Wald machten wir irgendwann Pause, aßen belegte Brote und tranken Apfelsaft.

Vom Tal aus ist das Ettaler Manndl gut zu erkennen. Wie der Name es verlangt, steht der Felsen wie eine einsame Figur auf dem Bergrücken. Als wir direkt an seinem Fuß standen, waren die Schmerzen des Aufstiegs vergessen. In mir machte sich Begeisterung breit, ein echter Berg, kein langweiliger Pfad durch einen Fichtenwald. Neben der Wegmarkierung für die letzten Höhenmeter auf das Haupt des Manndls war ein Schild angebracht. „Nur für Geübte“ stand darauf.

„Man braucht ein Seil, um dort hinaufzusteigen“, sagte mein Vater. „Aber wir haben keins dabei.“ Er versuchte meine offensichtliche Kletter-Euphorie durch einen Hinweis auf die mangelnde Ausrüstung zu ersticken.

Ich hielt ihm meinen Kindergürtel mit der Piraten-Schnalle hin. Das sei doch ein passabler Ersatz für ein Seil. Ich wollte auf diesen Berg. Mein Vater schüttelte den Kopf. Er sicherte mich stattdessen, indem er mich am Kragen packte und vom Felsen pflückte. Ich strampelte, schrie und wollte nicht einsehen, dass ein Sechsjähriger noch nicht zur Gruppe der Geübten zählt. Immerhin zeigte ich mich in der Disziplin „Selbstüberschätzung am Berg“ sehr reif für einen Jungen in diesem Alter.

Der Abbruch auf den letzten Metern vor dem Gipfel für Geübte ist bis heute meine schlimmste Niederlage als Bergsteiger. Bis jetzt habe ich das Ettaler Manndl nicht bezwungen, diesen Kaiserschmarrn-Ausflugs-Wochenend-Gipfel. Jedes Mal wenn ich die Garmischer Autobahn Richtung Süden fahre, erinnert mich der Blick auf die Felsgestalt an mein Scheitern. Der Felsen über Ettal reißt die alte Wunde immer wieder auf. Denn wenn ich gegenüber auf der Hohen Kiste im Estergebirge unter dem Gipfelkreuz sitze, grüßt das Manndl herüber. Die Tour auf die Hohe Kiste habe ich in den vergangenen Jahren mindestens fünfzehn Mal gemacht. Diese Runde mit dem Mountainbike ist perfekt, wenn erst am späten Nachmittag Zeit ist. Das Ettaler Manndl und ich führen eine distanzierte Beziehung. Wir fühlen uns einander verbunden, blicken uns gegenseitig über die A95 hinweg an und lassen uns ansonsten gegenseitig in Ruhe.

An anderen Bergen habe ich weitere Niederlagen gesammelt – am Brauneck, am Hochkönig, in den Stubaier Alpen und schließlich bei einer katastrophalen Trekkingtour durch den Karakorum im Norden Pakistans. Eine Weile haben mich die Berge dann gar nicht mehr interessiert. Bis mir eine Mountainbiketour durch den Regen im Karwendel meine körperlichen Grenzen gezeigt und trotzdem die Begeisterung für die Berge zurückgeschenkt hat.

Gibt es auch Glanztaten zu berichten? Ich habe als Bergsteiger, Alpenradler, Skitourengeher oder Snowboarder nichts geleistet, was nicht täglich unzähligen anderen Hobby-Alpinisten gelingt.

Trotzdem ist dies ein Buch über die Berge. Die Berge erzählen zu viele großartige Geschichten, um sie zu verschweigen. Dieses Buch versammelt Fakten, Anekdoten, Geschichten und Legenden rund um die Berge und Bergsteiger dieser Welt. Es türmt ein Gebirge alpinen Wissens auf, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Was fehlt, befindet sich in einem anderen fernen Höhenzug und wartet dort darauf, dass es von anderen entdeckt wird. Dieses Buch ist ein Klettersteig aus Buchstaben, auf dessen Route geologische Besonderheiten, spektakuläre Expeditionen, absonderliche Mythen und unbekannte Glanzstücke des Alpinismus liegen. Es sind kleine Aussichten in die Panoramen der Berge.

Alpine Pubertät

Die Zeit vor der Erstbesteigung des Montblanc 1786 wird in der wissenschaftlichen Literatur auch als »Präalpinismus« bezeichnet. Die erstmalige Begehung des höchsten Alpengipfels gilt vielen als Schlüsselmoment in der Entwicklung des Alpinismus.

Der eiserne Alpinist

Früher waren die Menschen in vielen Gegenden der Alpen überzeugt, es sei unmöglich, auf einem Gipfel zu übernachten. Dort eine Nacht zu verbringen bedeute den sicheren Tod. Überhaupt müsse man sich schon glücklich schätzen, wenn einem in der großen Höhe nicht schon bei Tage der Kopf platze, war eine gängige Überzeugung. Von einem sagenhaften und unbekannten Erstbesteiger des Lagginhorns (4010 Meter) in den Walliser Alpen berichtet die Legende, dieser habe sich einen eisernen Ring um die Stirn schmieden lassen, damit sein Schädel nicht platzte.

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Auf der Pirsch

Der Asiatische Kragenbär tötet mit einer perfiden List. Trifft er im Winter an den Hängen des Himalaja auf Kaschmirhirsche, rollt er sich an einem Hang über der Herde zu einer Kugel zusammen und stürzt sich hinab. Da der Schnee in seinem Fell haften bleibt, kapieren die Hirsche erst, dass da keine Schneekugel auf sie zukommt, wenn es für mindestens einen von ihnen zu spät ist – ein fast perfektes Verbrechen.

Heil-Knäuel

Gämsen wurden in den Alpen lange Zeit nicht nur wegen ihres Fleisches, ihrer Haut und ihres Fells gejagt. Man stellte dem ziegenartigen Wild auch wegen der sogenannten Gämskugeln nach. Diese wurden auch »Deutsche Bezoare« genannt. Der Begriff stammt aus dem Arabischen und bezeichnet einen harten Ball aus unverdaulichen Materialien wie etwa Haaren oder Pflanzenfasern, die sich im Magen von Tieren sammeln. Liegen diese Knäuel sehr lange im Magen, bildet sich eine harte Kruste um sie herum – in diesem Fall werden sie als Bezoar-Stein bezeichnet. Diesen Steinen sprach man einst magische Fähigkeiten zu. Mit ihnen ließen sich vergiftete Getränke wieder genießbar machen, hieß es zum Beispiel. Zu diesem Zwecke schufen Handwerker wertvolle Schmuckstücke aus Bezoar-Steinen, die in mutmaßlich tödliche Getränke getunkt wurden. Natürlich halfen die Steine nicht. Stattdessen waren sie für Gämsen tödlich, die ihretwegen gejagt wurden. Auch dem Gamsblut trauten die Menschen einst besondere Heilkraft zu.

Auf einem anderen Kontinent

Das Ennedi-Plateau liegt im Nordosten des afrikanischen Staates Tschad. Das Plateau gleicht einer Bastion aus Sandstein, die unter Dauerbeschuss der Sahara liegt. Der vom Wind angetriebene Sand schleift den Fels beständig ab. In dieser unwirtlichen Umgebung entsprang einst der Amazonas – ja, der Amazonas, das gigantische Flusssystem, das auf einem anderen Kontinent, Südamerika, liegt. Vor mehr als 130 Millionen Jahren waren Afrika, Südamerika sowie Australien, der indische Subkontinent und die Antarktis noch im Superkontinent Gondwana verbunden. Damals entsprang der Uramazonas vermutlich im heutigen Ennedi-Massiv. Der Strom floss damals in entgegengesetzter Richtung, also von Osten nach Westen, und mündete im Vorläufer des heutigen Pazifik. Der Uramazonas muss etwa 14 000 Kilometer lang gewesen sein. Das macht ihn zum längsten bekannten Flusssystem der Erdgeschichte.

Berge und ihre Namen 1: Mann und Frau

bergFotzenkarstange, Ötztaler Alpen, Österreich, 3021 Meter

bergGeilstange, Ötztaler Alpen, Österreich, 2754 Meter

bergGroßer Möseler, Zillertaler Alpen, Österreich/Italien, 3478 Meter

bergHaut Sex, Wallis, Schweiz, 1961 Meter

bergLe Grand Sex, Waadt, Schweiz, 2227 Meter

bergÖstliches Dirndl, Dachstein, Österreich, 2818 Meter

bergPederfick, Ortlergruppe, Italien, 3114 Meter

bergPiz Miez, Graubünden, Schweiz, 3119 Meter

bergPoppberg, Fränkische Alb, Deutschland, 652 Meter

bergRammelsberg, Harz, Deutschland, 635 Meter

bergSex Frei, Wallis, Schweiz, 2755 Meter

bergSex Noir, Wallis, Schweiz, 2731 Meter

bergSingle, Wallis, Schweiz, 2128 Meter

bergSpitz Mann, Nidwalden, Schweiz, 2578 Meter

bergZahmi Frau, Kanton Bern, Schweiz, 2815 Meter

Die Opfer der Größten

Die Achttausender des Himalaja und Karakorum haben zahlreiche Menschenleben gefordert. Die Zahl der Bergsteiger, die an den höchsten Gipfeln der Erde gestorben sind, hat sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. Früher war eine Expedition zu Mount Everest, K2, Nanga Parbat und den anderen Giganten ein nur wenigen und vor allem sehr guten Alpinisten vorbehaltenes Abenteuer. Mit der touristischen Erschließung der Gebiete hat sich die Zahl der Bergsteiger dort stark erhöht. Allein zwischen 2004 und 2008 bestiegen mehr Menschen den Mount Everest als in allen Jahren zuvor zusammen. Mittlerweile ist Geld wichtiger als Kondition und Können: Wer es sich leisten kann, bucht sich für ein paar Zehntausend Dollar eine Tour auf den Everest. Dabei kommt es allerdings immer wieder zu Todesfällen.

Die Achttausender der Welt, die Zahl der erfolgreichen Besteigungen und die der Todesfälle (Verunglückte Bergsteiger werden nur aufgeführt, wenn der Unfall oberhalb des Basislagers passierte; unter den Todesfällen sind sowohl Bergsteiger, die beim Aufstieg, als auch solche, die nach dem Gipfel beim Abstieg verunglückten; Stand Ende 2008):

Mount Everest, 8850 Meter, 4054 Besteigungen, 211 Tote

Cho Oyu, 8201 Meter, 2758 Besteigungen, 41 Tote

Gasherbrum II, 8035 Meter, 868 Besteigungen, 19 Tote

Broad Peak, 8047 Meter, 380 Besteigungen, 20 Tote

Dhaulagiri, 8167 Meter, 377 Besteigungen, 60 Tote

Lhotse, 8516 Meter, 368 Besteigungen, 11 Tote

Manaslu, 8163 Meter, 362 Besteigungen, 54 Tote

Nanga Parbat, 8125 Meter, 300 Besteigungen, 66 Tote

K2, 8611 Meter, 267 Besteigungen, 77 Tote

Shisha Pangma, 8027 Meter, 280 Besteigungen, 23 Tote

Gasherbrum I, 8068 Meter, 272 Besteigungen, 26 Tote

Makalu, 8463 Meter, 286 Besteigungen, 28 Tote

Kangchendzönga, 8586 Meter, 211 Besteigungen, 40 Tote

Annapurna, 8091 Meter, 146 Besteigungen, 59 Tote

Gut gewässert

Ein gut gewässertes Gebirge wächst schneller. So haben sich die Anden am Rand des Amazonasbeckens in den vergangenen drei Millionen Jahren außergewöhnlich schnell gehoben. Dort gehen besonders starke Niederschläge nieder. Diese verringern durch Erosion die Masse der Berge, die dadurch schneller durch die immensen Kräfte der Plattenbewegungen emporgehoben werden. Den gleichen Effekt haben Geologen der Universität Yale in der Kaskadenkette an der Westküste der USA beobachtet. Auf den westlichen Flanken der Berge rings um den Mount Rainier bei Seattle fällt wegen der feuchten Luft vom Pazifik besonders viel Regen.

Mini-Mini-Matterhorn

Das Matterhorn ist die Ikone der Alpen. Unzählige Fotos, Bildbände und Kalender zeigen den 4478 Meter hohen Gipfel. Schweizer und amerikanische Forscher haben im Frühjahr 2010 ein Nano-Matterhorn geschaffen, das nur 25 Millionstel Millimeter groß ist. Mit extrem feinen Spitzen aus Silizium frästen David Pires und seine Kollegen vom IBM-Forschungslabor in Rüschlikon bei Zürich die filigranen Strukturen aus Glas und Kunststoff. Mit der gleichen Technik ritzten die Forscher auch eine komplette dreidimensionale Weltkarte in einen Plastikfilm. Mit nur 22 Millionstel Meter Breite würden etwa tausend dieser Karten auf ein einziges Salzkorn passen.

Archäologische Funde

Der Llullaillaco im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Chile vereint mindestens drei Superlative auf sich. Der 6739 Meter hohe Berg ist nach dem Ojos del Salado und dem Monte Pissis der dritthöchste Vulkan der Welt. Der Llullaillaco hat den höchsten nicht vergletscherten Gipfel der Erde. Außerdem wurden auf dem Llullaillaco die höchstgelegenen archäologischen Funde der Welt gemacht. Die Inkas hatten den Berg in der Zeit vor 1500 bestiegen. Auf dem Gipfel des Vulkans errichteten sie Kultbauten, in denen religiöse Zeremonien und Opferungen stattfanden. Bis heute befinden sich dort eine Treppe, die Ruinen mehrerer kleiner Steinhäuser und einige Terrassen. Eine Expedition von Bergsteigern und Archäologen unter der Leitung des amerikanischen Anthropologen Johan Reinhard entdeckte 1999 auf dem Llullaillaco die tiefgefrorenen Mumien von drei Kindern, die dort vor etwa 500 Jahren geopfert worden waren. Dreizehn Tage lang arbeitete das Team an der schwer zugänglichen Grabungsstätte und ertrug dabei Temperaturen von bis zu minus 37 Grad Celsius. Neben fast vierzig Figuren fanden die Forscher Töpferwaren, Lebensmittel, Beutel mit Kokablättern und andere Grabbeigaben.

Alpin-Akupunktur

Die Gletschermumie aus dem Ötztal begeisterte nicht nur Archäologen, Ötzi regte auch die Phantasie einiger Alternativmediziner an. Auf dem Körper des Mannes, der vor etwa 5300 Jahren in den Alpen sein Leben ließ, fanden Forscher zahlreiche Tätowierungen. Diese zeigten jedoch keine Bilder, sondern bestanden aus zahlreichen Linien und Punkten. Scheinbar gliederten sich diese Darstellungen in fünfzehn einzelne Gruppen. Frank Bahr von der Deutschen Akademie für Akupunktur und Aurikulomedizin argumentierte, dass die Markierungen in der Haut der Gletscherleiche zu achtzig Prozent jenen Positionen entsprächen, die heute in der Akupunktur mit Nadeln traktiert werden. Da sich die Haut während der mehr als 5000 Jahre, die Ötzis Leiche im Eis gelegen hatte, verzogen hatte, könnten sämtliche Tätowierungen Akupunkturpunkte markieren, spekulierte Frank Bahr. Sicher habe einst ein Heiler die Markierungen angebracht. 1999 publizierte der Mediziner mit anderen Kollegen seine Ansicht über die Tätowierungen in der angesehenen Fachzeitschrift The Lancet. Behandlungsbedürftig wäre Ötzi immerhin gewesen: Ihn plagte Arthritis in der Gegend der Lendenwirbel, und in seinem Darm hausten zahlreiche Peitschenwürmer, die schwere Probleme bereitet haben dürften. Ob gegen diese Beschwerden eine prähistorische Akupunktur half? Kritiker halten die These von den auftätowierten Akupunkturpunkten für blanken Unsinn. In China dürfte diese Meinung sicher unterstützt werden, denn dort reklamiert man die Erfindung der Akupunktur für sich.

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Prähistorische Ausrüstung

Ausrüstungsgegenstände, die bei der 5300 Jahre alten Gletschermumie Ötzi in den Ötztaler Alpen gefunden wurden: Jacke aus Ziegenfell * Hose aus Ziegenfellstücken, mit Tiersehnen vernäht * Gürtel aus Kalbsleder * Lendenschurz * Schuhe, Sohlen aus Bärenfell, Obermaterial Hirschfell, Innenschuh aus Lindenbastgeflecht, Isolierung und Polsterung aus Grasfasern * Beil aus Kupfer * Bogen aus Eibenholz * zwölf Pfeile aus dem Holz des Wolligen Schneeballs mit Pfeilspitzen aus Feuerstein * Dolch, Klinge aus Feuerstein, Griff aus Eschenholz * Kraxe * zwei Gefäße aus Birkenrinde, wovon eines als Glutbehälter diente * Gürteltasche * Klingenkratzer * Bohrer * zerbrochene Klinge * Ahle, ein Werkzeug, um Löcher in Materialien zu stechen * Zunder * mehrere Birkenporlinge (Pilze) * gelochte Steinscheibe, mit Riemen gebunden

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Die Stasi am Gipfel

In der DDR interessierte sich die Staatssicherheit für die Gipfelbücher von den Bergen des Landes. Alleine in der Sächsischen Schweiz gibt es mehr als tausend Gipfel, die nur für Kletterer zugänglich sind. Fast alle sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit Gipfelbüchern ausgestattet, ebenso die Klettergipfel in der Böhmischen Schweiz, im Erzgebirge, im Zittauer und Lausitzer Gebirge sowie im Harz. Unter Kletterern ist es dort seit jeher verpönt, mehr als seinen Namen, das Datum und die Route zum Gipfel in die Bücher einzutragen. Nur denjenigen, die sich am Anfang eines Jahres als Erste eintragen, ist zusätzlich ein launiger Spruch gestattet. Weil die Bücher auf den Klettergipfeln schwer zugänglich sind, trugen Wanderer und Bergsteiger in der Zeit vor 1989 an Neujahr dort oft anonym regimekritische Sprüche ein. Mitarbeiter der Stasi mussten hinterherklettern, um nachzusehen.

Gipfelbuch des Meurerturms, 1989    »Es ist unerträglich, in einem Land zu leben, in dem man keinen Humor kennt. Aber noch unerträglicher ist ein Land, in dem man Humor braucht.«

Gipfelbuch des Falkenturms, 1988    »Von der Ostsee bis nach Sachsen – kein Berg ist uns gewachsen. Von Osten nach Westen – das können wir nicht testen.«

Gipfelbuch des Heringshorns, 1987    »O Heringshorn, Du schöner Gipfel, doch von der Welt ein kleiner Zipfel. Die Welt ist schön, so groß und weit, und wer sie kennt, der hat viel Freud. Doch diese Freude ist hier rar: Wir sitzen fest in GDR.«

Gipfelbuch des Sommerturms, 1985    »Wenn eine Führerpersönlichkeit A sagt, und dabei den Arsch offen hat, dann kann das angeführte Volk durch sie hindurch in die lichte Zukunft schauen.«

Väter des Alpinismus

In einem Brief, den Francesco Petrarca an seinen Freund Francesco Dionigi schrieb, berichtete er, wie er am 26. April 1336 den Mont Ventoux in der Provence bestieg. Der Brief gilt als Schlüsseltext der Geschichte des Bergsteigens. Ob Petrarca den Berg tatsächlich bestiegen hat, wird mittlerweile bezweifelt. Sicher ist, dass er den Brief vordatierte. In dem Brief heißt es, er habe den höchsten Berg bestiegen, »lediglich aus dem Verlangen, die namhafte Höhe des Ortes kennenzulernen«. Die Ausführung ergab sich aus einem wachsenden Ruf des Berges: »Allmählich ward mein Verlangen ungestüm, und ich schritt zur Ausführung.« Im gleichen Brief verurteilte der Autor das Bergsteigen allerdings auch als unsinnig. Ganz der moderne Alpinist.

Alpin-Vokabeln – Lektion 1: Berg und Tal

Bergrücken    bezeichnet eine lang gestreckte, einachsige und konvexe Aufwölbung einer Fläche. Der Querschnitt des Bergrückens zeigt einen Scheitelpunkt von abgerundeter Form.

Gipfelflur    bezeichnet das Phänomen, dass in vielen Gebirgen die höchsten Gipfel in etwa auf einem Höhenniveau liegen. Dabei wird eine Schwankungsbreite von bis zu 300 Höhenmetern akzeptiert.

Grat    bezeichnet einen scharfen Bergrücken, der nach zwei Seiten hin steil abfällt.

Guyot    bezeichnet den an der Spitze abgeflachten Kegel eines erloschenen untermeerischen Vulkans. In den Ozeanen existieren laut Schätzungen etwa 10 000 Guyots.

Hängetal    bezeichnet ein Seitental, das oberhalb des Haupttals liegt und über eine hohe Stufe in dieses abbricht beziehungsweise mündet.

Härtling    bezeichnet einen Berg, dessen Gestein so hart beziehungsweise widerstandsfähig ist, dass er allein Verwitterung und Erosion getrotzt hat und deshalb markant aus der Landschaft herausragt. Der Devils Tower im US-Bundesstaat Wyoming ist ein besonders beeindruckender Härtling.

Inselberg    bezeichnet einen einzelnen Berg, der sich wie ein Eiland aus einer ansonsten flachen Umgebung erhebt.

Joch    bezeichnet eine Einkerbung im Gebirge, die zwei Gipfel miteinander verbindet. In manchen Gegenden der Alpen taucht der Begriff auch als Bestandteil in Bergnamen auf, zum Beispiel Gamsjoch.

Kamm    bezeichnet eine Reihe von Gipfeln, die nur durch Scharten oder Sättel voneinander getrennt und über Grate miteinander verknüpft sind.

Kammlinie    bezeichnet die Linie, die die höchsten Punkte eines Gebirgszuges miteinander verbindet.

Kar    bezeichnet kesselförmige Vertiefungen in Berghängen, die einen flachen Boden und steile Rückwände haben. In Richtung Tal schließt oft ein Karriegel das Kar ab. Darin bildet sich häufig ein Karsee.

Karling    bezeichnet einen Berggipfel, dessen Erscheinungsbild durch mehrere scharfe Felsgrate an seinen Hängen dominiert wird. Das Matterhorn gilt zum Beispiel als Karling.

Kegelberg    bezeichnet einen Berg von ausgeprägter Kegelform. Kegelberge sind meisten nur am Bergfuß mit anderen Erhebungen verbunden und stehen daher relativ isoliert.

Klamm    bezeichnet ein sehr tiefes und zugleich sehr enges Tal, an dessen Grund ein Gebirgsbach oder -fluss fließt.

Längstal    bezeichnet eine landschaftliche Einkerbung, die zwischen zwei nahezu parallelen Gebirgsketten verläuft.

Massiv    bezeichnet eine kompakte, mehr oder weniger frei stehende geomorphologische Einheit. Ein Bergmassiv ist nicht in Züge oder Ketten eingeteilt, sondern hat eine eher kompakte Form und ist rundum von Tälern abgegrenzt.

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Nackental    bezeichnet ein meist sehr kleines Tal, das parallel zu einem Hang verläuft und hangeinwärts fallende Flächen hat.

Oronym    der Begriff aus der Namenforschung bezeichnet Berg- und Gebirgsnamen. Setzt sich aus den griechischen Wörtern oros (Berg) und onoma (Name) zusammen.

Pass    bezeichnet die tiefste Stelle eines Bergkamms oder -rückens zwischen zwei Bergen oder zwei Gebirgsgruppen.

Pediment    bezeichnet eine Übergangsfläche zwischen dem Fuß eines Berges und der Ebene, die frei von Schutt ist.

Randgebirge    bezeichnet ein Gebirge, das entweder am Rande einer Kontinentalplatte liegt oder ein Hochplateau seitlich zum Flachland begrenzt.

Reliefenergie    bezeichnet den Höhenunterschied pro Flächeneinheit. Sie wird in der Regel in Meter pro Quadratkilometer angegeben. Flachland oder auch ein ebenes Hochplateau hat eine sehr geringe Reliefenergie, während eine Landschaft mit hohen Bergen und tiefen Tälern eine hohe Reliefenergie hat. So können Höhenunterschiede unabhängig von der Meereshöhe angegeben werden.

Rumpfgebirge    bezeichnet den stark erodierten Rest eines Gebirges, das bereits verhältnismäßig früh in der Erdgeschichte entstanden ist (zum Beispiel die Mittelgebirge Fichtelgebirge, Harz und Erzgebirge).

Schlucht    bezeichnet eine Talform im Gebirge, die besonders eng und steilwandig ist.

Seamounts    bezeichnet vulkanische Unterseeberge, die sich vom Meeresboden in etwa 1000 bis 4000 Metern Tiefe erheben.

Seitental    bezeichnet ein Gebirgstal, das quer in ein größeres Tal mündet.

Tafelberg    bezeichnet einen Berg, der eine weite Gipfelebene und steile Berghänge aufweist.

Talboden    bezeichnet den meist mit Sedimenten aufgefüllten flachen Teil eines Gebirgstales. Ein enger Talboden wird als Tallinie bezeichnet, eine sehr große Weitung hingegen als Talkessel.

Talpass    bezeichnet eine kurze Engstelle in einem Gebirgstal.

Talschluss    bezeichnet den oberen Teil eines Tales im Hochgebirge, wenn es sich mehrfach verzweigt und eine breite Mulde bildet.

Talschulter    bezeichnet eine Kante im Gelände oberhalb des Talbodens, die parallel zur Talachse verläuft.

Talzuschub    bezeichnet ein langsames oder auch plötzliches Zuschieben eines Tales, indem sich Material von den darüberliegenden Hängen in Bewegung setzt. Durch einen Talzuschub bilden sich häufig natürliche Stauseen.

Tepuis    bezeichnet einzeln stehende, bis zu 3000 Meter hohe Tafelberge in Venezuela, Guyana und Brasilien.

Transversaltal    bezeichnet ein Tal, das quer zur Hauptrichtung der Gebirgskämme verläuft. Deswegen wird es auch Quertal genannt.

Trogtal    bezeichnet ein u-förmiges Tal in einem Gebirgszug, das einen breiten und flachen Talboden hat sowie von sehr steilen oder senkrechten Wänden begrenzt wird.

Die Engländer

Der Schweizer Bergsteiger und Chronist des Alpinismus Gottlieb Studer schrieb 1856: »Ja, es ist diese abenteuerliche Reiselust fast zur Mode geworden und die unerschrockenen Söhne Albions geben hierin den anderen Nationen das leuchtende Beispiel. Gelingt es dem Schweizer doch kaum, ein bisher von ihm noch für unbetreten gehaltenes Gletscherjoch oder eine neue Alpenspitze zu besteigen, ohne aus dem Munde seines Führers zu vernehmen, er habe schon einmal einen Engländer dahin begleitet.«

Schoko-Berge

Die Chocolate Hills auf den Philippinen sind eine populäre Touristenattraktion. Die Schokoladenhügel befinden sich auf der Insel Bohol und verteilen sich über ein Gebiet von etwa fünfzig Quadratkilometern. Insgesamt gibt es dort 1268 solcher Hügel, die fast alle eine ebenmäßige Halbkugel- oder Kegelform haben und nahezu alle die gleiche Höhe erreichen. Die Hügel sind nur von Gras bewachsen, das sich während der Trockenzeit braun verfärbt – deshalb tragen sie den Namen Chocolate Hills. Die Entstehung dieser einzigartigen Landschaft haben Geologen bis heute nicht endgültig geklärt; es existiert eine Vielzahl von Hypothesen. Es könnte sich um Reste unterseeischer Vulkane handeln, die durch die Bewegung der Erdplatten an die Oberfläche gerieten. Genauso gut ist möglich, dass die perfekt geformten Hügel Bruchstücke urzeitlicher Korallenriffe sind. Schließlich gibt es eine Theorie, wonach ein Vulkan einst große Steinblöcke ausspie und diese – noch unter dem Meeresspiegel – von Kalkstein überwuchert wurden. Für jede Theorie gibt es gute Argumente und Gegenargumente. Die schöneren Geschichten liefern lokale Sagen zur Entstehung der Chocolate Hills – die sich laut einer Legende aus den Tränen unglücklich verliebter Riesinnen formten.

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Die ersten Mountainbiker

Hermann Buhl, Erstbezwinger des Nanga Parbat in Pakistan, darf auch als Pionier einer Trendsportart gelten: des Mountainbikens. Der Österreicher trat allerdings aus purer Not in die Pedale, anders war es schwer für ihn, die Ausgangspunkte für viele seiner Alpentouren zu erreichen. Einmal radelte er an einem Wochenende von Landeck aus ins Engadin. Über St. Moritz und den Malojapass ging es weiter ins Bergell. Dort durchstieg Hermann Buhl die Badile-Nordostwand, rannte ins Tal zurück und radelte am Sonntagabend zurück bis Landeck. Dabei wurde der Bergsteiger irgendwann so müde, dass er vom Fahrrad kippte und im Inn landete. Der Fluss führte gerade Hochwasser, und Buhl war schlagartig wieder wach und bei Sinnen.

Auch der langjährige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, der ein ausgezeichneter Bergsteiger und Kletterer ist, steuerte die Alpen einst auf dem Fahrrad an. Zu Beginn der Fünfzigerjahre studierte er in München Philosophie und Rechtswissenschaft und pflegte seine Leidenschaft für die Berge. In seinem Buch »Bergsteigen. Kleine Philosophie der Passionen« schildert Geißler, dass ein Schweizer Studienfreund damals ein schweres Tandem mit nach München brachte. Das Fahrrad war aus Stahl geschweißt, hatte nur eine einzige Übersetzung, eine einzige winzige Handbremse am Vorderrad und keinen Freilauf – das heißt, die Pedale drehten sich genauso schnell, wie sich auch das Hinterrad drehte.

Eine Tour mit diesem Tandem verdiente wohl schon eine hohe Einordnung in einen alpinen Schwierigkeitsgrad: »Wenn es zu schnell ging und die Gefahr bestand, dass die rotierenden Pedale einem die Haxen abschlugen, musste man während der Fahrt einfach abspringen und das Fahrzeug seinem Schicksal überlassen«, schreibt Geißler. Mit diesem Tandem seien er und sein Freund regelmäßig von München aus morgens um halb fünf Uhr Richtung Gebirge aufgebrochen – etwa nach Wildbad Kreuth hinter dem Tegernsee. Da sei es dann auf die österreichische Seite gegangen und weiter auf den 2196 Meter hohen Guffert. Nach ausgiebiger Kletterei in den Gipfelfelsen des Berges lief das Duo zurück zu seinem Tandem und radelte noch am gleichen Abend zurück nach München. Auch Alpspitze und Zugspitze steuerten die beiden Bergsteiger von München aus per Tandem an. Die Verkehrsanbindung der Berge sei damals eben so schlecht gewesen …

Rekord-Name

Ein Berg auf der Nordinsel Neuseelands trägt den vermutlich längsten Ortsnamen der Welt: Der Hügel ist 305 Meter hoch und führt beinahe ebenso viele Buchstaben in seinem Namen: Taumatawhakatangihangakoauauotamateaturipukakapikimaungahoronukupokaiwhenuakitanatahu. Ins Deutsche übersetzt heißt das sinngemäß: »Der Vorsprung des Berges, wo Tamatea, der Mann mit den großen Knien, der rutschte, kletterte und die Berge verschlang und der durch das Land reiste, für seine Liebste Flöte spielte.« Das ist auch nicht prägnanter.

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Die Tafel ist reich gedeckt

Der 1466