Tourguide(in) gesucht!

von

Mimi J. Poppersen


Text Copyright © Mimi J. Poppersen

Cover Design: Rafi Gnirck

Lektorat: Media-Agentur Gaby Hoffmann

Alle Rechte vorbehalten

Mimi J. Poppersen auf Instagram


„One’s destination is never a place but rather a new way of looking at things”

Henry Miller


Liebe Leser,

viel Spaß bei einer turbulenten Kalifornientour!

In diesem humorvollen Roman verstecken sich viele Geheimtipps und besonders schöne Ecken auf der Strecke von San Francisco nach San Diego.

Nachreisen empfohlen!

Eure Mimi J. Poppersen

Sam, die Starke

„Pass gut auf meine Mädchen auf!“, sagte Anna-Maria nun schon zum wiederholten Mal. Sie spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Nicht vor Sorge um ihre beiden Töchter, sondern aus Wut über ihren Ehemann Alexander, der hoffentlich in absehbarer Zeit ihr Ex-Mann sein würde.

„Es sind auch meine Mädchen“, gab dieser pampig zurück. „Natürlich passe ich auf sie auf!“

„Schon gut“, lenkte Anna-Maria ein, die nicht auf Streit aus war. „Aber bitte schalte dein Handy nicht wieder dauernd aus, und schick mir ab und zu eine Nachricht, wie es euch geht.“

„Mache ich. Bis dann“, kam es knapp von Alex zurück. Schon war das Gespräch beendet.

Dass mit der Textnachricht hatte Anna-Maria extra noch angefügt, da sie keine Lust hatte, jeden Tag mit ihrem Bald-Ex-Mann zu telefonieren, mit dem sie sich seit Monaten einen ziemlich miesen Scheidungskrieg lieferte.

Mittlerweile ging es bei den Verhandlungen um die kleinsten Nichtigkeiten. Überhaupt kommunizierten sie fast nur noch über ihre Anwälte. Inzwischen kam es ihr vor, als würde Alex sogar seinen Anwalt einschalten, um einen zerkauten Radiergummi von ihr einzufordern. Er versuchte wirklich alles, um ihr das Leben schwer zu machen. Als wäre er der Leittragende, der Betrogene …

Dabei war ausschließlich er an ihrem endgültigen Entschluss zur Trennung schuld. Er hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Gut, zugegebenermaßen verstanden sich die beiden schon seit ein paar Jahren nicht mehr so gut, aber sie hatten sich wegen der Kinder immer wieder zusammengerissen.

„So ein Blödsinn, wegen der Kinder … Als würden die das nicht merken!“, sprach Anna-Maria gerade halblaut zu sich selbst, als das Telefon erneut klingelte.

„Sam? Bist du es?“, ertönte sogleich die forsche Stimme ihres Anwalts Dr. Tim Walter.

„Ja. Was gibt es denn?“, fragte sie mit einem leicht genervten Unterton. Sie hatte jetzt überhaupt keine Lust auf lange Diskussionen, obwohl sie ihren Anwalt seit ihrer Kindheit kannte und durchaus mochte.

Anna-Maria Böttcher, geborene Stark, wurde schon seit Schulzeiten Sam genannt, worüber sie sehr froh war, denn ihren eigentlichen Namen konnte sie überhaupt nicht leiden.

Damals sollten sich alle Schüler im Englischunterricht englische Namen aussuchen. Anna-Maria wählte Samantha, woraus schnell Sam wurde. Sie fand diesen Spitznamen fantastisch, da er aus ihren Initialen bestand: A.-M. S., verdreht: SAM.

Seitdem hatte kaum jemand sie noch Anna-Maria genannt, außer ihren Eltern, denen Sam überhaupt nicht gefiel.

„Ich habe dir gerade eine E-Mail geschickt mit einer neuen Auflistung der Dinge in eurem Haus, die du behalten möchtest, den Wagen eingeschlossen“, erklärte ihr Anwalt.

„Ich schaue es mir gleich an, Tim“, Sams Stimme klang abgespannt.

„Gut“, erwiderte Tim nun beruhigt. Er wusste, dass die Scheidung ihre letzten Nerven kostete.

„Sind sie denn gut angekommen?“, wolle Tim als Nächstes wissen.

„Ja, ich habe gerade mit Alex gesprochen. Sie sind jetzt in Florenz und fahren nun zu seiner Mutter. Er schickt mir jeden Tag eine Textnachricht … Das hat er mir zumindest versprochen.“

„Das ist gut. Versuch so wenig wie möglich, mit ihm zu sprechen, und gehe jedem Streit aus dem Weg! Du weißt, dass das alles gegen dich verwendet werden kann.“

„Ich weiß …“, seufzte Sam. Dessen war sie sich durchaus bewusst. Jedes Wort musste gründlich überlegt sein.

„Kommst du denn klar so alleine?“ Tims Sorge war echt.

„Wird schon …“, behauptete Sam, wobei sie sich dessen gar nicht so sicher war.

Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit war sie ganz auf sich selbst gestellt. Ihre Töchter Lilly und Leonie waren zwar bereits zwölf und vierzehn Jahre alt, aber noch nie war sie so lange von ihnen getrennt gewesen. Obwohl ihr ihre gerade stark pubertierenden Töchter immer öfter furchtbar auf die Nerven gingen, vermisste sie sie jetzt schon.

Ehrlich gesagt, hatte sie keine Ahnung, wie die nächsten Wochen für sie werden würden. Momentan fühlte sie sich einfach nur ausgepowert und erschöpft.

„Wir können gerne mal abends essen gehen“, schlug Tim gerade vor.

„Klar, warum nicht?“, erwiderte Sam etwas lethargisch.

„Schau dir noch schnell die E-Mail an, dann hast du ja erst mal ein paar Wochen Ruhe“, ermunterte Tim sie zum Abschied, wieder ganz in seiner Anwaltsrolle.

„Mache ich“, versicherte Sam und verabschiedete sich.

Der „Vorfall“

Lustlos schleppte sie sich in das obere Stockwerk, in dem sich ihr Arbeitszimmer befand. Eigentlich war es das gemeinsame Büro von Alex und ihr, aber dieser hatte als Erstes seinen Laptop und sämtliche Unterlagen mitgenommen. Wie so einiges anderes auch.

Schenkte man seinem Anwalt Glauben, wollte er allerdings nichts lieber, als seine Familie auf die Straße zu setzen und in dem kleinen, gemütlichen Häuschen wohnen bleiben. Sollten Sam und die Kinder doch schauen, wo sie unterkommen konnten. Unglaublich!

Dabei hatten sie das Haus gerade erst vor zwei Jahren erstanden. Etwas außerhalb von Heidelberg gelegen, war es genau das, was sie gesucht hatten. Mitten im Grünen, fast ländlich gelegen, hatten sich Sam und die Mädchen gleich pudelwohl in ihrem neuen Heim gefühlt. Bei Alex war sie sich da nie ganz sicher gewesen, da man seine Gefühle von jeher nicht richtig deuten konnte.

Vielleicht hat er auch nie etwas für mich empfunden, schoss es ihr durch den Kopf. Ein unliebsamer Gedanke, den sie gleich wieder verwarf. Wen interessierte das jetzt noch?

Während sie auf den Bildschirm ihres Computers blickte, der gerade hochfuhr und einige Updates machte, sah sie die letzten Wochen wie einen Film vor ihrem geistigen Auge vorbeiziehen.

Zugegebenermaßen hatten sie sich ziemlich auseinandergelebt in den letzten Jahren. Alex ging völlig in seiner neu gegründeten Firma auf, die sein Ein und Alles war. Oft hatte Sam das Gefühl gehabt, dass bei ihm immer seine Firma an erster Stelle stand, gefolgt von seinem Sport, seinem schicken Wagen und seinen Freunden. Irgendwo auf den hinteren Plätzen vertreten, folgte dann schließlich seine Familie.

Kaum etwas hatten sie in den letzten Jahren gemeinsam unternommen, außer dem alljährlichen Sommerurlaub. Dieser war letztes Jahr auch noch völlig ins Wasser gefallen. Als Paar waren sie wenig ausgegangen, da Sam sich nichts mehr einfallen ließ. Sie hatte es einfach satt, immer die treibende Kraft zu sein. Bei allem!

Nie hatte Alex einen Vorschlag, was Ausgehen, Urlaub oder Freizeit betraf. Stets war es Sam, die ihn mit Ideen oder Karten für das Theater überraschte. Irgendwann hatte sie davon genug und ging lieber mit Freundinnen aus. In ihrem Liebesleben verhielt sich Alex leider ähnlich einfallslos. Es fehlte ihm einfach an jeglicher Fantasie.

Sogar als er sie betrogen hatte, wählte er die herkömmlichste, einfallsloseste Art: Alexander war tatsächlich mit seiner Sekretärin fremdgegangen und hatte sich dabei auch noch in flagranti von Sam erwischen lassen. Dieser Vollidiot!

Mein Gott, wie sehr ich ihn dafür hasse, dachte Sam wie schon so oft.

Leider benötigte ihr Computer eine halbe Ewigkeit zum Updaten, was weitere Zeit für unliebsame Erinnerungen schuf.

Wieder sah sie den nackten Hintern ihres Ehemanns vor sich. Wie sich dieser rhythmisch vor- und zurückbewegte, eingerahmt von langen Beinen, die in knallroten Pumps steckten. Wie in einem schlechten Film! So stand Alex vor dem massiven Mahagonitisch in seinem Büro, auf dem rücklings seine Sekretärin lag und sich von ihm vögeln ließ.

Entsetzt starrte Sam eine ganze Weile auf das Geschehen.

Wenn sie jetzt die Szene vor ihrem inneren Auge ablaufen ließ, war komischerweise ihr erster Gedanke, dass sie sich wohl schon vor Langem hätte scheiden lassen, wenn ihr bewusster gewesen wäre, wie hässlich der Hintern ihres Gatten war: unförmig und behaart, einfach widerlich.

Sam hatte damals im Reflex gehandelt. Direkt neben ihr stand die Kaffeemaschine mit frisch gebrühtem Kaffee. Sofort hatte sie die Kanne mit dem kochend heißen Getränk in der Hand gehabt und ihrem Mann über den Hintern geschüttet. Die darauffolgenden Minuten waren ein Anblick für die Götter gewesen und für sie fast schon Vergeltung genug.

Wie Rumpelstilzchen war Alex anschließend durch sein Büro gehüpft und dann schreiend auf die Toilette verschwunden, um wahrscheinlich sein glühendes Hinterteil in die Kloschüssel zu hängen.

Daraufhin hatte sie sein Büro verlassen und dieses nie wieder betreten. Von da an wurde nur noch über ihre Anwälte kommuniziert.

Sie war sich sicher, dass Alex zum Arzt oder ins Krankenhaus fahren musste wegen den Verbrennungen. Manchmal stellte sie sich vor, wie er den Ärzten seine Verbrühungen am Allerwertesten und im Intimbereich erklärte. Ein Gedanke, der sie durchaus amüsierte.

Das Mädchen, seine Sekretärin, tat ihr fast ein wenig leid. Ein junges Ding, gerade mal halb so alt wie Alex, aber so was war ja Gang und Gäbe.

Das Ganze war nun vier Monate her und kam Sam immer noch vor, als sei es erst gestern gewesen. Oft wurde sie von Alpträumen geplagt.

Seit dem „Vorfall“, wie Alex es immer nannte, lebte er in einem Hotel. Bei seiner Affäre konnte er schließlich nicht einziehen, da diese noch bei ihren Eltern wohnte.

Zu blöd aber auch …

Allerdings war der junge Hüpfer jetzt auch mit in den Urlaub gefahren. Also schien es wohl doch etwas Ernsteres zu sein.

Wie die Anfang Zwanzigjährige wohl mit ihren Töchtern klarkommen würde?

Ein starkes Gefühl der Eifersucht überkam sie, wobei sie nicht genau wusste, auf was oder wen sie eifersüchtig war. Es war wohl einfach die Tatsache, dass diese fremde Frau nun in den Urlaub mit ihren Töchtern fahren konnte. Auch noch an ein Ziel, das die ganze Familie immer geliebt hatte. Besonders Sam hatte ihre Reisen in die Toskana jedes Mal sehr genossen.

Ihre Schwiegermutter Barbara hatte sich wirklich ein außergewöhnliches Altersdomizil ausgesucht. Vor gut acht Jahren hatte diese beschlossen, von Deutschland genug zu haben und einen etwas baufälligen Bauernhof in der Nähe von Sienna gekauft. Von ihrem Garten aus hatte man sogar einen umwerfenden Blick auf San Gimignano, die „Stadt der Türme“. Ein Ausblick, an dem Sam sich nie satt sehen konnte.

Dort hatten sie stets eine wunderschöne Zeit verbracht. Ihre Kinder liebten Oma Baba, wie sie Lilly als Kleinkind getauft hatte, über alles. In ihrem Altersdomizil herrschte einfach eine ganz besondere Atmosphäre. Eine entspannte Stimmung lag in der Luft, bei der sich sogar Alex und sie kaum gestritten hatten.

Für ihre Schwiegermutter war mit der Trennung auch ein Stück weit die Welt zusammengebrochen. Oft hatte sie am Telefon geweint und dauernd gesagt, dass Sam sie mit den Kindern besuchen solle. Das würde sie auch tun, sobald sich die Wogen etwas geglättet hatten.

Am liebsten wäre sie gleich dorthin aufgebrochen, die Erholung hätte sie gut gebrauchen können. Aber momentan waren ihr Noch-Ehemann, seine Geliebte und ihre Kinder dort.

Das war es, was ihr zu schaffen machte. Wenn jemand den Urlaub nötig hatte, dann war sie es!

Endlich konnte sie ihre E-Mails öffnen. Kurz überflog sie die Nachricht und den Anhang von ihrem Anwalt.

Schnell druckte sie das Dokument aus und unterschrieb es mit einem ausdrucksstarken „Anna-Maria Stark“. Seit jenem Tag, als sie Alex in seinem Büro ertappt hatte, hatte sie nie mehr ihren Ehenamen Böttcher benutzt. Diesen hatte sie sowieso nie sonderlich leiden können.

Hierauf steckte sie das Schriftstück in einen Umschlag und adressierte es an Dr. Tim Walter. Nachdem sie das Kuvert ordentlich verschlossen hatte, fühlte sie sich schon ein klein wenig besser.

Nun würde sie erst einmal drei Wochen nichts von dem leidigen Thema hören. Die Scheidung an sich machte ihr gar nicht so viel aus, es waren das Gezeter und die Ungerechtigkeiten, die Alex von sich gab. Wenn es nach ihm ginge, würde sie ohne Wagen in einer winzigen Wohnung hausen, während er sich hier im Haus mit seiner neuen Schnepfe vergnügte.

Sams Puls war schon wieder auf hundertachtzig. Schnell machte sie die Atemübungen, die ihr ihre Therapeutin empfohlen hatte, die tatsächlich etwas halfen.

Während sie fünfzehn Sekunden die Luft anhielt, überflog sie ihre restlichen E-Mails.

„Alles nur Werbung“, sprach sie halblaut zu sich selbst und hielt erneut den Atem an. Gerade wollte sie alle neuen Nachrichten löschen, als eine E-Mail ihre Aufmerksamkeit weckte.

Den Absender kannte sie. Ein alter Schulfreund von ihr, zu dem sie über Facebook seit ein paar Wochen wieder Kontakt hatte. Dieser hatte ihr eine E-Mail geschickt mit dem Betreff: „Tourguide gesucht“.

Sams Neugier war geweckt. Gespannt öffnete sie die Mitteilung.

Tourguide gesucht

Die Nachricht von ihrem alten Schulkamerad war überraschend lang. Mit immer größerem Erstaunen las Sam den Text:

Liebe Freunde und Verwandte,

ich leite diese E-Mail von meinem Freund Paul weiter, der kurzfristig einen Reiseleiter für eine Tour durch Kalifornien sucht.

Bei Interesse wendet euch bitte direkt an die unten angegebene E-Mail-Adresse. Hier eine Zusammenfassung des Anforderungsprofils für die Bewerber:

Zunächst einmal geht die Tour schon in zwei Tagen los, der ursprüngliche Tourguide liegt mit gebrochenem Bein im Krankenhaus. Daher die Dringlichkeit.

Tour entlang der kalifornischen Küste vom 26.08.16 (Anreise der Gäste) bis zum 11.09.2016 (einen Tag nach Abreise der Gäste). Die Tour geht von San Francisco nach San Diego.

Der Reiseleiter sollte die Gegend gut kennen bzw. sich dementsprechend in die Route einarbeiten. Infomaterial folgt.

Der Reiseleiter sollte gerne und gut mit Menschen umgehen können und über eine gewisse Belastbarkeit und Stressresistenz verfügen, wobei es mindestens die Hälfte der Zeit auch sehr entspannt zugeht.

Darüber hinaus sollte er Organisations- und Improvisationstalent haben für spontane Änderungen des Programms auf Wunsch der Teilnehmer. Ein gewisses technisches Grundverständnis ist hierbei durchaus von Nutzen.

Fundierte Fahrpraxis sollte die betreffende Person haben (Führerschein Klasse A und B) und gerne längere Strecken zurücklegen.

Die Fähigkeit, leichte Verletzungen zu behandeln, ist definitiv von Vorteil, ein Erste-Hilfe-Kurs ein Plus.

An einigen Tagen wird gekocht, daher sollte der Bewerber gut und gerne kochen können und sich zutrauen, dies auch für sechs bis acht Leute hinzubekommen. In den zwei Wochen muss jedoch nur an fünf Tagen Frühstück gemacht werden, sechsmal abends gekocht und sieben Mal ein Mittagspicknick veranstaltet werden.

Bezahlt werden von uns natürlich der Flug in die USA und zurück, Unterkunft und Verpflegung während der Tour und 2000,- Euro Grundgehalt. Wenn es gut läuft, ist auch noch ein Bonus drin.

Geboten wird darüber hinaus eine wirklich außergewöhnliche Reise mit vielen Extras. Der Reiseleiter macht diese sehr schönen Aktivitäten mit (die alleine etwa 1000,- Euro kosten). Unsere Gäste zahlen für ihre Reise inkl. Flug und allen Nebenkosten fast 6.000,- Euro pro Person!

Anreise: je früher, desto besser.

Dies ist natürlich kein bezahlter Urlaub, sondern Arbeit. Allerdings in einem schönen Umfeld, mit dankbaren Teilnehmern und auch viel freier Zeit zwischendurch.

Ich freue mich auf eure Bewerbung.

Sonnige Grüße aus San Francisco

Paul

Während Sam die E-Mail las, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.

Wow. San Francisco, dachte sie und wollte die Nachricht gerade löschen, als sie den Inhalt noch einmal überflog.

Kurz überlegte sie: Der Zeitraum stimmte, sie war sowieso alleine und lief Gefahr, zu vereinsamen. Die kalifornische Küste kannte sie nicht wirklich gut, würde diese aber zu gerne besser kennenlernen. Kochen, Auto fahren, Stress … alles kein Problem. Die Bezahlung war zugegebenermaßen genau das, was sie gerade gebrauchen konnte. Es war der 25. August, also sollte die Tour bereits am nächsten Tag losgehen. Das war wirklich kurzfristig.

„Wow! San Francisco!“, sagte sie laut und tippte eine Antwort.

Lieber Paul,

Kurz überlegte sie, wie sie sich am besten vorstellen sollte und beschloss, dies kurz und bündig zu tun. Etwas Humor konnte auch nicht schaden. Sam schrieb:

gerade habe ich das Anforderungsprofil für den Tourguide durch Kalifornien erhalten und glaube, dass ich perfekt auf die Beschreibung passe.

Ich kenne die Gegend ein wenig, würde aber nichts lieber tun, als mich in das Infomaterial einzuarbeiten.

Zur Reise: Von mir aus kann es gleich losgehen. Ich könnte morgen in den Flieger steigen.

Ich bin definitiv belastbar, kann kochen und habe gerade vor zwei Wochen meinen Erste-Hilfe-Kurs aufgefrischt. Das Abenteuer kann losgehen.

Ich würde mich freuen, von dir zu hören.

Grüße aus Heidelberg

Sam Stark

Noch einmal las sie ihre Antwort, beschloss, dass darin alles Wichtige gesagt wäre und drückte entschlossen auf „senden“.

Hierauf lehnte sie sich in ihrem Bürostuhl zurück und ließ ihre Gedanken schweifen. Die Vorstellung, in Kürze am Pazifik über die Golden Gate Bridge zu laufen, war doch zu verlockend.

Da sie ohnehin nicht mit einer Zusage rechnete, versuchte sie, sich ein wenig abzulenken. Sam beschloss, ihrer Schwiegermutter eine Nachricht zu senden, um ihr einen schönen Urlaub mit Lilly und Leonie zu wünschen.

Sie mochte Barbara wirklich. Auch ihre Kinder waren ganz verrückt nach ihr. Oft nannten sie sie „die beste Oma auf der Welt“. Und das stimmte auch. Ganz im Gegensatz zu ihrer eigenen Mutter, kringelte sich Baba immer geradezu um ihre Enkel und las ihnen jeden Wunsch von den Lippen ab.

Gerade als sie die E-Mail an Barbara abgeschickt hatte, erschien eine neue Nachricht in ihrem Postfach.

Re: Tourguide, stand in der Betreffzeile.

Mit klopfendem Herzen öffnete Sam die E-Mail.

Sam-

Das sind hervorragende News!

Wenn du wirklich morgen in den Flieger steigen könntest, schaue ich gleich nach einem Flug für dich.

Ich biete diese Tour zum ersten Mal an, bin mir aber sicher, dass es ein Erfolg wird, da ich schon ähnliche Routen angeboten habe. Ich werde dir noch weitere E-Mails schicken: Einmal das Flugticket, das Infomaterial zur Tour und natürlich deinen Arbeitsvertrag.

Bis dann.

Cheers,

Paul

Immer wieder las Sam die Zeilen und konnte es nicht fassen: In dieser knappen E-Mail stand ihre Jobzusage für die nächsten zwei Wochen. Nicht nur für irgendeine Tätigkeit, sondern für die beste Beschäftigung, die man sich vorstellen konnte.

Kurz musste sie über die fast saloppe Ausdrucksweise ihres neuen Arbeitgebers schmunzeln. Wenn sie das mit den E-Mails ihres ehemaligen Vorgesetzen verglich ... Bis vor Kurzem war sie als Lektorin bei einem alteingesessenen Münchner Verlag angestellt gewesen. Jahrelang war sie regelrecht stolz auf ihre Stelle gewesen. Diese konnte sie wunderbar von zu Hause aus bewältigen, was anfangs mit zwei kleinen Kindern ein Segen gewesen war.

Doch die Auftragslage wurde immer schlechter, bis man ihr schließlich vor ein paar Monaten mitteilte, man werde sich bei ihr melden, wenn Bedarf sei. Das war eben einer der Nachteile der Selbstständigkeit.

Diese Mitteilung bekam sie am selben Tag, an dem sie Alex in flagranti erwischte. Sie wollte ihm die unschönen Neuigkeiten berichten, da sie sowieso in der Nähe seines Büros gewesen war. Hätte sie dies lieber nicht getan … Wobei sie dann wahrscheinlich nie von der Affäre ihres Mannes erfahren hätte, von der sie keine Ahnung hatte, wie lange sie schon ging. Womöglich hatte er schon jahrelang ein Techtelmechtel mit seiner Sekretärin oder dies war nicht das erste Mal.

Sam hatte das Gefühl, dass dieser Tag eine ganze Pechsträhne in Gang gesetzt hatte.

Erneut blickte sie auf die Zeilen auf ihrem Computer und klatschte in die Hände. Sie beschloss, dass ihr Pech hiermit beendet war und verfasste eine weitere E-Mail an Barbara, um ihr die Neuigkeit zu berichten. Auch ihren Anwalt und Freund Tim wollte sie von ihren Plänen unterrichten.

Paul, der Glückspilz

Paul konnte sein Glück kaum fassen. Begeistert blickte er auf seinen Laptop und las erneut die Antwort von Sam aus Heidelberg.

Dieser schien wirklich gut in die Position zu passen.

Allein der Name des neuen Tourguides hört sich doch cool an: Sam Stark, dachte er.

„Sam, der Starke“, sprach Paul halblaut vor sich hin, während er den Arbeitsvertrag einscannte, um ihn in der nächsten E-Mail zu verschicken.

Er konnte sich wirklich gut vorstellen, dass dieser Sam eine Horde Männer entschlossen durch Kalifornien leiten würde. Paul wusste nicht warum, aber es kam ihm so vor, als würde er Sam bereits persönlich kennen.

Kurz überlegte er, ob er noch ein paar Fragen an ihn hatte, etwa wie gut seine Kenntnisse im Motorradfahren oder beim Zelten unter freiem Himmel waren, entschied sich aber dagegen. Einerseits aus Zeitmangel, denn er wusste, dass Sam morgen im Flieger nach San Francisco sitzen wollte und seine Sachen packen musste.

Aus eigener Erfahrung wusste er, wie zeitaufwendig es sein konnte, die Motorradausrüstung und das Nötigste für das Zelten zusammenzusuchen.

Andererseits hatten sie noch am morgigen Tag ein paar Stunden Zeit, bevor die anderen Mitreisenden ankamen. Dann konnten sie gegebenenfalls das ein oder andere klären, sollte es überhaupt Erklärungsbedarf geben …

Immerhin hatte Paul schon jahrelang Erfahrung mit solchen Touren. Er war bei Eiseskälte durch Alaska, in Booten den Mississippi entlang und auf Elefanten durch Afrika gereist. Daher erschien ihm eine Motorradtour durch Kalifornien als leichteste Übung. Nun war er aber froh, dass er die Tour nicht komplett selber leiten musste, sondern doch noch einen Reiseleiter gefunden hatte. Insofern konnte er sich schon seinem nächsten Projekt widmen, einer Bergsteigertour durch den Yosemite Nationalpark. Üblicherweise begleitete er eine Reisegruppe nur am ersten Tag, manchmal etwas länger, je nachdem, wie viel Zeit er hatte. Bei dieser Tour wollte er zwei Tage dabei bleiben. Zu groß war seine Lust, mit dem Motorrad am Meer entlangzubrausen.

Noch einmal überflog Paul die Zeilen. Er besaß eine sehr gute Menschenkenntnis, und im Moment reichte ihm, was er gelesen hatte. Den Rest konnte er persönlich mit Sam bereden, wenn dieser hier war.

Zufrieden vor sich hin summend, verfasste er eine weitere E-Mail, an die er den Arbeitsvertrag anhängte, kurz gefolgt von einer nächsten mit allgemeinen Informationen und einem Flugticket für den nächsten Tag.

Wie schnell sich Probleme doch manchmal lösen, dachte Paul zufrieden, lehnte sich zurück und blickte aus seinem Fenster auf die Stadt, die er so sehr liebte: San Francisco, das noch vom morgendlichen Nebel verhangen war.

Vorbereitungen

Eine Weile hockte Sam völlig unbeweglich vor ihrem Laptop. Erst als die zweite E-Mail mit dem Flugticket nach San Francisco im Anhang in ihrem Postfach eintraf, sprang sie voller Tatendrang auf.

„Mein Gott, morgen fliege ich nach Kalifornien“, kreischte sie laut, als müsse sie sich selbst noch einmal davon überzeugen.

Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits 18 Uhr war. Also hatte sie noch gut vier Stunden Zeit zum Packen. Zeitig wollte sie ins Bett gehen und noch etwas über ihr spannendes Reiseziel schmökern.

Grübelnd stand Sam kurz darauf vor ihrem Kleiderschrank.

„Was soll ich bloß mitnehmen?“, sprach sie halblaut zu sich selbst. Kurzerhand entschied sie sich, ihre Freundin Claudia anzurufen, die Stewardess war und schon des Öfteren an der Westküste der USA gewesen war.

Gut eine Stunde später bereute sie gewaltig, Claudia angerufen zu haben. Diese hatte keine Familie und litt ständig unter Liebeskummer. Diesmal hatte es sie ganz böse erwischt, und ihr Liebster saß auch noch ausgerechnet in San Francisco. Was für ein Zufall. Ein äußerst zeitaufwendiger Zufall, wie sich schnell herausstellte.

Sam konnte nicht fassen, dass ihre Freundin sogar Tränen am Telefon vergoss über eine Liebelei, die sie ihrer Erzählung nach erst seit ein paar Tagen kannte.

Zum Thema „Tourguide und Kalifornien“ gab sie ihr immerhin den folgenden Tipp: „Du musst dich auf jeden Fall im Zwiebelprinzip kleiden. Auch im Sommer kann es verdammt kalt in San Francisco sein“, sagte sie zu Sams Verwunderung.

Hierauf zitierte sie den berühmten Spruch von Mark Twain: „The coldest winter I ever spent was a summer in San Francisco …“ Ein Zitat, das sie von ihrer neuen Liebe hatte. Dies war natürlich wieder ein Grund für sie, bitterlich zu weinen.

Sam wusste nicht recht, was sie sagen sollte oder wie sie Claudia trösten konnte.

Unter Schniefen sprach diese weiter: „Außerdem solltest du auch schicke Sachen mitnehmen für abendliche Empfänge oder falls ihr mal ins Theater geht.“

Das hatte Sam zumindest etwas geholfen. Der Tipp mit der gepflegten Kleidung war gut, denn sonst hätte Sam glatt nur ihre Turnschuhe mitgenommen.

Nun packte sie ein: drei Kostüme, ein paar Jeans mit noblen Oberteilen, eine bequeme Hose, zwei paar Pumps und ein Paar schicke Schuhe, in denen sie aber ganz gut laufen konnte. Diese würde sie auf dem Flug anziehen.

Dazu wählte sie ihren edelsten Schmuck aus und beschloss, sich am nächsten Morgen die Haare schön zurecht zu machen. Am liebsten wäre sie noch zum Frisör gegangen. Vielleicht gab es am ersten Abend eine Art Empfang? Davon konnte man doch fast ausgehen …

Das Gefühl der Aufregung in ihrer Magengegend wurde stündlich stärker.

Mit geübten Griffen manikürte sie ihre Finger und legte noch eine Gesichtsmaske auf. Das würden herrliche zwei Wochen werden!

Es war bereits kurz nach 22 Uhr, als sie ihren Reisepass und andere wichtige Dokumente zusammensuchte und in eine ihrer geschmackvollsten und teuersten Handtaschen packte.

Nun war Sam leider doch zu müde, um das Infomaterial und den Anhang an der letzten E-Mail von Paul, die gerade noch eingetroffen war, zu lesen. Wie ein Stein fiel sie ins Bett und war Sekunden später eingeschlafen.

Hätte sie jenen Text noch gelesen, wäre ihr klar gewesen, dass hier ein ganz großes Missverständnis vorlag.

So aber schlummerte sie glücklich und zufrieden in den nächsten Tag hinein und blieb in dem Glauben, sie sei die perfekte Besetzung für den neuen Job.

Diese Technik

Als Sam am nächsten Morgan aufwachte, war sie bester Laune und wusste zuerst gar nicht, weshalb.

Der Wecker ihres Mobiltelefons hatte sie um 6 Uhr 30 geweckt, und sie musste überlegen, warum sie so früh aufstehen wollte. Es waren doch Ferien, Lilly und Leonie bei der Oma in Italien. Niemand war da, den sie in aller Frühe mit schlechter Laune aus dem Bett schubsen und in die Schule bringen musste.

Verschlafen setzte sie sich auf die Bettkante und blickte sich in ihrem Zimmer um. Erst als sie den gepackten Koffer vor sich auf dem Fußboden stehen sah, fiel der Groschen: Natürlich! Ihre Reise nach Kalifornien!

Überglücklich ließ sie sich zurück in die Kissen fallen und musste erst einmal herzlich lachen. Sam fühlte sich, als habe sie einen Gewinn im Lotto gemacht. Sie konnte zwei Wochen Luxusurlaub an einem der schönsten Flecken der Welt machen und wurde dafür auch noch fürstlich bezahlt, und das Ganze wusste sie erst seit knapp zwölf Stunden.

Fröhlich vor sich hin summend, sprang sie aus dem Bett und begab sich ins Badezimmer, um mit ihrem ausgiebigen Pflegeprogramm zu beginnen. Als sie das Radio einschaltete und dort auch noch California Dreaming von den the Mamas and the Papas lief, wusste sie, dass nun nichts mehr schiefgehen konnte.

Gute neunzig Minuten später blickte sie in den Spiegel und drehte sich ein paar Mal hin und her. Sam war durchaus zufrieden mit dem, was sie sah. Mit Mitte Vierzig sah sie noch fantastisch aus. So hätte sie sich auch zu einem Dinner mit der Queen von England getraut. Strahlendes Make-up, glänzende Haare und ein schickes Kostüm würden ihr diesen neuen Job von Anfang an zu einem Erfolg machen.

Sie blickte auf die Uhr. Seit Jahren war sie geübt darin, alles pünktlich abzuwickeln, und so hatte sie auch jetzt noch genau eine halbe Stunde Zeit, bevor sie das Taxi abholen würde. Diese wollte sie nutzen, um noch einmal mit ihren Mädchen in Italien zu sprechen.

Da sie auf dem Festnetz niemand erreichte, musste sie wohl oder übel auf Alexanders Handy anrufen.

„Hallo?“, hörte sie seine verschlafene Stimme.

In dem Moment fiel ihr auf, dass es ja erst kurz nach acht Uhr war. Für die Ferien wohl eine recht frühe Zeit für einen Anruf.

Kurz räusperte Sam sich, sprach dann aber möglichst selbstbewusst: „Ich wollte mich nur von Lilly und Leonie verabschieden.“

„Wieso das denn?“, kam es schon wacher zurück.

„Weil ich jetzt gleich nach San Francisco fliege …“

Das nun folgende Schweigen erfüllte Sam mit einem Art Hochgefühl.

Alex war platt. Platt wie eine Flunder.

„Was redest du denn da?“, brachte er schließlich heraus, denn er wusste genau, dass Sam durch seine ganzen Gemeinheiten eigentlich nicht das Geld dafür haben konnte. Leider war ihre Trennung mittlerweile wirklich in einen Rosenkrieg ausgeartet, was sich Sam niemals hätte vorstellen können. Ehrlich gesagt, hätte sie Alex dafür einfach für zu fantasielos gehalten, aber er hatte sich einen äußerst angriffslustigen Anwalt ausgesucht.

„Wie ich gesagt habe: In ein paar Stunden geht mein Flieger nach Kalifornien.“

„Die Mädchen sind noch nicht wach“, kam nach erneutem Zögern seine Antwort.

Da hörte sie eine Stimme im Hintergrund etwas nuscheln und wusste, dass dies seine Geliebte sein musste, die neben ihm im Bett lag.

Hätte ich bloß nicht angerufen, dachte Sam und verfluchte sich. Sie war drauf und dran, sich ihre fantastische Laune von den beiden verderben zu lassen.

„Dann melde ich mich noch mal vom Flughafen aus. Ich weiß nämlich nicht, ob mein Handy in den USA funktioniert. Ich würde die Mädchen gerne noch einmal sprechen.“

„Einverstanden“, bestätigte Alex gnädigerweise, und beide legten auf.

„So ein Idiot!“, schimpfte Sam laut und musste zu ihrer eigenen Überraschung lachen.

Hierauf drehte sie die Musik lauter und tanzte durch das Wohnzimmer, während sie die letzten Sachen zusammensuchte.

Nichts konnte ihr die Vorfreude mehr nehmen! Noch nicht einmal ihr Noch-Ehemann, der gerade mit seiner Sekretärin und Geliebten in dem Doppelbett lag, in dem sie noch in den letzten Ferien mit ihm geschlafen hatte.

„Auf zu neuen Ufern!“, sprach sie laut zu ihrem Spiegelbild, zog noch einmal Lippenstift nach und war vollauf zufrieden mit dem, was sie sah.

In dem Augenblick fiel ihr die letzte E-Mail ein, die Paul schicken wollte und die sie nicht mehr geöffnet hatte. Schnellen Schrittes lief sie in ihr Arbeitszimmer und schaltete ihren Laptop an.

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sich etwas auf dem Bildschirm tat, und was sie dann sah, weckte nicht gerade ihre Begeisterung.

Update 1 von 96

stand dort

Bitte schalten Sie Ihren Computer nicht aus.

Mein Gott, wie sie das hasste! Zugegebenermaßen war Alex der Kenner, was Elektronik und Technik anging. Sam hatte davon nur die nötigste, um nicht zu sagen, kaum eine Ahnung. Nun erinnerte sie sich, dass sie die Nachricht mit den überfälligen Updates schon gefühlte hundert Mal weggeklickt hatte. Daraufhin hatte sich ihr Laptop wohl über Nacht selbstständig gemacht. Sauer schlug sie diesen wieder zu. Sie konnte nun wirklich nicht auf diese Updates warten!

Sie musste zum Flughafen!

Sam beschloss, noch einen Kaffee zu trinken, um ihre Nerven etwas zu stärken, als ihr einfiel, dass sie ihre E-Mails ja auch am Mobiltelefon lesen könnte. Hektisch fummelte sie ihr Handy aus ihrer Handtasche und tippte auf das Icon ihres Postfachs.

Bitte melden Sie sich erneut an.

erschien dort als Nachricht.

„Was soll das denn? Diese Technik …“, sprach Sam laut zu sich selbst. Seitdem sie dieses Telefon besaß, hatte sie sich niemals neu anmelden müssen, um ihre E-Mails zu lesen.

Wie war doch gleich ihr Passwort? Ihr verfluchter Hochzeitstag oder ein Geburtstag von ihren Töchtern? Eventuell auch ihr eigener Geburtstag?

Sie wusste es nicht mehr.

In dem Moment ertönte ein Hupen auf der Straße.

„Mein Taxi“, stöhnte Sam, teils erschrocken, teils erleichtert.

So wichtig konnte die letzte E-Mail von Paul nun auch nicht gewesen sein, beschloss sie. Immerhin hatte sie das Flugticket, den Arbeitsvertrag und das Infomaterial über Kalifornien.

Entschlossenen Schrittes trat sie vor die Tür.

Erst viel später kapierte Sam, dass all ihre Glücksengel zusammengearbeitet haben mussten, damit sie diese letzte Nachricht von Paul nicht mehr lesen konnte. Denn sonst hätte sie diese Reise wohl niemals angetreten. So aber ging sie völlig unbedarft auf das wartende Taxi zu.