Auch in Dortmund gibt es ›Westfälischen Panhas‹, der regional unterschiedlich zubereitet wird. Ich fand dieses alte traditionelle Gericht im Kochbuch von Henriette Davidis von 1879 (Praktisches Kochbuch für die Deutschen in Amerika: zuverlässige und selbstgeprüfte Anweisungen zur Bereitung der verschiedenartigsten Speisen und Getränke, zum Backen, Einmachen u.s.w.):
Rindfleischwurst. Rindfleisch wird sehr weich gekocht, das beste Fleisch von Haut und Sehnen befreit und ganz fein gehackt. Dann gibt man fette, kräftige Fleischbrühe, Salz, Muskat und gestoßene Nelken dazu. Hat man Rollenbrühe, so gibt diese derselben einen angenehmen Geschmack. Die Masse muss nicht zu mager, recht saftig sein. Man füllt sie in dünne Rindsdärme, kocht sie ¼ Stunde in Brühe, legt sie 5 Minuten in kaltes Wasser und hängt sie völlig erkaltet an einen luftigen Ort.
Anmerkung: Diese Wurst wird vorzüglich fein und saftig, wenn man zu einem Pfund gehacktem Fleisch gut drei Unzen altes Weißbrod ohne Rinde, in heißer Fleischbrühe eingeweicht, und gut drei Unzen geschmolzenes Rindermark nimmt. In Ermangelung desselben kann man auch gekochten, feingehackten frischen Speck nehmen.
Rezepte aus der heutigen Zeit mit Knochenbrühe, Schweineblut und Buchweizenmehl kennen Sie sicher selbst.
Ebenso fand ich Pfefferpotthast, der schon im Jahr 1378 erstmalig in Dortmund in dem Bericht über Agnes von der Vierbecke erwähnt wurde. »Pfeffer«, »Pott« und »Hast« – diese Wörter ergeben den Namen. Hast steht dabei für das Stück Rindfleisch, das natürlich in den Pfefferpotthast gehört, Pott sagt aus, dass eben nur ein Topf für das Gericht benötigt wird, und aller Wahrscheinlichkeit nach deutet »Pfeffer« auf eine kräftig gewürzte Brühe hin.
In Henriette Davidis Kochbuch steht dazu:
Pfeffer-Potthast. Hierzu werden hauptsächlich die sogenannten kurzen Rippen genommen, solche in ½ Hand große Stückchen gehauen, in nicht zu reichlichem Wasser und nicht zu vielem Salz ausgeschäumt. Dann fügt man so viel klein geschnittene Zwiebeln dazu, dass die Sauce dadurch sämig wird, gibt reichlich Pfeffer und Nelkenpfeffer (ungestoßen), einige Lorbeerblätter und späterhin auch einige Zitronenscheiben hinzu. Sollte der Sauce, welche zwar ganz gebunden, aber auch nicht zu dicklich sein darf, auch nach Pfeffer und Zitrone schmecken muss, noch Sämigkeit fehlen, so kann man zuletzt etwas feingestoßenen Zwieback gut durchkochen lassen. Fleischklößchen, in klarer Fleischbrühe oder gesalzenem Wasser gekocht, beim Anrichten ins Ragout gelegt, machen dies Gericht noch angenehmer. Es werden gekochte Kartoffeln dazugegeben.
In Mülheim wird gern auf alte Rezepte zurückgegriffen. Da gibt es das Mölmsche Gericht ›Schniedeskurraasch‹, das im Hochdeutschen vielleicht »Schneiders Courage« heißen würde oder ganz simpel eben »Bohnen-, Möhren-, Kartoffeln-Durcheinander«. Aber ›Schniedeskurraasch‹ hört sich sehr viel fantasievoller an.
›Jan em Saacke‹, da stellt man sich so manches vor, es ist aber eine cremige Kartoffelsuppe mit Graupen und Trockenobst.
Die Gelsenkirchener kennen sicher den ›Schlodderkappes‹, ein Reviergericht aus Spitzkohl und Kartoffeln mit frischer Bratwurst oder ›Kuschelmusch‹, einen Auflauf mit Fisch, Meerrettich und so manchen Resten aus der Küche.
Vor dem Lesen der Sagen und Legenden sei hier, stellvertretend für alle Orte im Ruhrgebiet, noch folgendes Lied vorgestellt:
Wat sölle wei vamiddag eete?
Ssu fröög et morges Mann un Frau!
Et Eete derf me nee vercheete
ssö-ös schleit dä Mage fies Radau!
Drüm schäpp ick ouk wat Leckres op
in Mölm, in Stirm un Speilerop,
in jeder Stroote Düar an Düar,
Mag jeder chään, wat ick ssett vöar!
Wie lecker schmack dä ssuure Kappes
mit vier, fief Eele Mettwoas drin.
Dat üss gewees en dumme Lappes,
dän do nee ees en Kuh häut drin!
Un Rubbedubbedub off Hammeleck,
un Ertessupp mit Ferkes-Speck,
do itt me meistens ssich de baas:
Joo Keiner, freete dat mack Spaass!
Ouk Steelmoos üss en nette Ssaake,
et stink zwar, kümb et ut däm Faat.
Merr mutt me ssich dodrut nicks maake,
et schmack, et üss en wahre Staat!
Dä Chird un Hinnerk, Wimm un Jan
verschlinge öahren Hinkemann!-
Bei ssu‘n Gemöös schmack wirklich chutt
en Stückske van‘ne Ferkesfutt!
Et Ssunndags, do kümb meistens Broode
un Ssupp un Erple op dä Deesch.
Dat üss in Mölm ssu einmool Moade,
chrad ees Karfriedaags mit Stockfeesch.
Dat Fleisch üss meis van Kuh un Kalv,
merr ouk van Lukas half un half,
dän leewert ouk manch Pöölsche mit,
dän ees op Padsfleisch heet AppŽtit!
Schniedeskurraasch un Jan im Ssacke,
fehlen op keinen Huusmannsdeesch.
Ouk Pannekooke bruun gebacke
un Erpelschloot off bleine Feesch!
Kannmilk Pannas off Uffelte,
dat chiff et dückes tum ›Ssupee‹,
ouk Pullewoos un Weck un Ei
un noch der Ssaake mancherlei!
Es wird zur Melodie von »Was blinkt so freundlich in der Ferne?« gesungen. Der Text stammt von Hermann Falkenburg.
In diesem Lied steckt die Mölmsche (Mülheimer) Speisekarte. Da gibt es ›Hammeleck‹, eine Kartoffel-Gemüsesuppe, oder auch die bereits vorgestellten Gerichte ›Schniedeskurraasch‹ und ›Jan im Ssacke‹. ›Bleine Feesch‹ sind rohe Bratkartoffeln; ›Kannmilk‹, natürlich, das ist Milch, frisch von der Kuh; ›Uffelte‹ sind Kartoffelpuffer, ›Pullewoos‹ heißen hier Würstchen, ›Choos‹ ist eine Gans. ›Schafau‹ nennt man den Kohl, ›Lukas‹ steht für den Mülheimer Pferdemetzger und ›Pöölsche‹ ist eine Portion.
Zum Nachtisch gibt’s Geschichten.