Inhalt

  1. Cover
  2. Über das Buch
  3. Über den Autor
  4. Titel
  5. Impressum
  6. Vorwort
  7. Ante Mortem
  8. Eine total normale Kindheit und ihre Folgen
  9. Vom Biologie-Studenten zum DNA-Experten
  10. Ein Nerd zu sein ist fein
  11. Bildteil
  12. OCME, plastinierte Leichen und Theater
  13. Be a Sherlock
  14. Post Mortem
  15. Anhang

Über das Buch

Mark Benecke ist Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe und auf der ganzen Welt unterwegs, um mithilfe seiner speziellen Kenntnisse und Methoden Leichen zu identifizieren und Kriminalisten wie Archäologen, Historikern und Paläontologen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Mark Benecke ist auch der Crazy Crime Nerd, der schon auffällt, bevor er hochkompetent loslegt und mit Wissen, Kreativität, Kompetenz überzeugt.

Über den Autor

Ob Forensik-Freak, Herr der Maden oder Käfer-Nerd – eines ist klar: Der Kriminalbiologe Mark Benecke hat eine ganz besondere Leidenschaft, nämlich Leichen. In seiner Autobiografie erfahren wir nun endlich, ob er sich bereits als Kind für Tatorte interessiert hat, was ihn an Insekten so fasziniert und warum er sich heute auch politisch engagiert. Dass spezielle Interessen kein Hindernis für ein erfülltes und glückliches Leben sind, zeigt er mit seinem Buch und macht damit allen Leser*innen Mut, den eigenen Weg zu gehen.

MARK BENECKE

MIT ANDREAS HOCK

MEIN LEBEN
NACH DEM TOD

WIE ALLES BEGANN

LÜBBE

Vorwort

„Nothing is little“
(Sherlock Holmes)

Wenn ich Vorträge halte, liegt neuerdings ein Fragenbuch aus. Dort kann jede Zuhörerin und jeder Zuhörer hineinschreiben, was sie oder ihn neben dem Vortragsinhalt noch interessiert. Etwa die Hälfte der Fragen dreht sich um den Fäulniszustand von Leichen, um Gerüche oder Blutspuren. Oft fragen mich Menschen aber auch danach, wie mein Leben verlaufen ist.

Also setzten Andi Hock und ich uns in meiner Bibliothek zusammen und sprachen über mein Leben. Andi hat aus diesen Gesprächen die Teile herausgefiltert, die ihm besonders erzählenswert erschienen. Mir wäre nicht viel eingefallen, denn ich finde mein Leben ganz normal und hätte nicht gewusst, was ich außer kriminalistischen Untersuchungen aufschreiben sollte. Als ich den Entwurf für das Buch dann durchgesehen, geprüft und stark verfeinert habe, staunte ich und musste ziemlich viel lachen.

Die Geschichten mit den Liebespfeilen, meinen Tätowierungen oder der Ameise unter dem Stiefel des Täters waren mir gar nicht mehr richtig bewusst gewesen. Danke an Euch, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, für die Fragen im Fragenbuch, an Andi für seine menschliche und liebevolle Auswahl von Erlebnissen aus einem Meer der Ereignisse und natürlich an Sie, liebe Leserinnen und Leser, die nun erfahren, wie aus einem Kind mit Karohemd ein Kriminalbiologe wurde.

Dieses Buch ist übrigens weder ein Lehrbuch noch ein Lebenslauf, sondern es soll ziemlich locker Schlaglichter auf meinen bisherigen Weg werfen. Ich hoffe, Sie finden Gefallen an der Geschichte vom Jungen, der erst in die Forschung und dann ins Leben stolpert. Da mich mehrere Freundinnen und Freunde gefragt haben, ob sie in dem Buch vorkommen: Ich schreibe gerne einen weiteren Band mit Geschichten von Freundschaft und Begegnungen. Dieses Buch hier handelt – siehe Titel – davon, wie alles anfing.

Viel Freude beim Lesen!

Rom, im April 2019

Mark Benecke

Ante Mortem

Dass ich keinen alltäglichen Job mache, ist mir klar. Ich bearbeite Umstände, die sich für die meisten Menschen ganz furchtbar anfühlen würden, weil sie furchtbar aussehen und furchtbar riechen, und weil möglicherweise etwas Furchtbares passiert ist. Ich untersuche Leichen, die tagelang bei voll aufgedrehter Heizung auf einem Sofa lagen und bei denen man den eigentlichen Menschen unter dem Insektenteppich nur noch erahnen kann. Ich sichere Spuren an Orten, gegen die eine Rastplatztoilette aus dem Jahr 1975 deutlich hygienischer wäre. Ich spreche mit Angehörigen, deren Kind von einem Sexualstraftäter verschleppt, vergewaltigt und zerteilt worden ist. Und ich treffe Serienmörder, deren Taten nicht einmal ein Drehbuchautor für einen Splatter-Film erfinden würde.

Natürlich ist das auch für mich etwas Besonderes. Jeder Fall ist neu und anders. Bloß sehe ich darin nicht das Grauen, bekomme keine Gänsehaut und spüre auch keinen Würgereiz, wenn ich zum Beispiel einen Speckkäfer auf einem fast vertrockneten Körper sicherstelle oder mich Blutspuren, Spermaflecken, Kotresten oder Hirnflüssigkeit widme, die mir an einem Tatort aufgefallen sind und die oft viel mehr über das eigentliche Geschehen aussagen, als es auf den ersten und manchmal auch den zweiten oder dritten Blick erscheint. Dabei bin ich weder ein Held, noch bin ich Superman. Ich bin nicht mal besonders mutig und habe beispielsweise Respekt vor Spinnen und hasse Haare im Abfluss. Zudem ekle ich mich vor Lebensmitteln wie Leberwurst und Milch: Wer mag schon gewürzte Leichen-Paste und flüssige Tierbaby-Nahrung? An einem Toten finde ich dagegen nichts Abstoßendes – ganz gleich, welche Farbe die Haut nach ein paar Tagen Liegezeit haben mag und wie viele Schmeißfliegen sich auf ihr schon niedergelassen haben. Denn das sind Hinweise aus einer Welt, die wir leicht übersehen – geheime Spuren im Offensichtlichen.

Daher kommt auch meine Abscheu gegen verdeckende Kalkspuren. Im Labor haben wir sehr hartes Wasser, sodass ich dort laufend irgendwelche Kalkecken entfernen muss, die sich minütlich im Waschbecken und auf den langen Edelstahltischen bilden. Am gruseligsten finde ich aber wie gesagt Haare, die sich im Sieb der Badewanne verfangen und nur mühsam herauspulen lassen. Das mache ich allerdings nicht selbst, sondern kann zum Glück meine Frau meist dazu überreden. Und dass man mich mit Fleisch jagen kann, hatte ich ja schon erwähnt: Ein Kotelett ist eine Leichenscheibe mit Leichenknochen, Gulasch sind Leichenmuskelwürfel, und eine Wurst ist reichlich Leichenfett in Leichendarm. Einen Tatort empfinde ich vielleicht deshalb nicht als eklig, weil dort für mich tiefer Frieden herrscht. Wenn ich irgendwo hinkomme, wo ein Mensch gestorben ist, auf einem meiner Tatortkoffer sitze und überlege, in welcher Reihenfolge etwa die Blutspuren an der Wand entstanden sein könnten, nachdem ich sie vermessen habe, dann bin ich ganz ruhig, konzentriert – und alles ist klar und geordnet. Es verändert sich nichts mehr. Da gibt es null Ekel und keine Angst.

Bei den meisten Menschen ist das anders. Selbst meine Kollegen und Kolleginnen aus der Rechtsmedizin kennen Bereiche, die sie an die Grenze des Erträglichen bringen: Es gibt kaum Expertinnen und Experten, die sich auf die Analyse des Mageninhalts von Toten spezialisiert haben, weil das sogar für hartgesottene Forensikerinnen und Forensiker fast das Widerwärtigste zu sein scheint, was sie sich vorstellen können: zu untersuchen, was ein Verstorbener in den Stunden vor seinem Ableben wann und wie zu sich genommen hat.

Komisch ist nur, dass der Tod – vor allem der unnatürliche, durch Gewalt oder ein tragisches Unglück hervorgerufene und somit kriminalistisch bedeutsame Tod – auf viele Menschen eine gehörige Anziehungskraft ausübt. Früher war das entspannter. Da war der Tod normaler, weil die Menschen andauernd Leichen gesehen haben – in Kriegen, bei Krankheitswellen oder schlicht, wenn ein Verstorbener, wie lange üblich, zu Hause aufgebahrt wurde. Doch diese unmittelbare Begegnung mit dem Tod gibt es heute kaum noch. Deshalb suchen sie viele auf eine andere Weise – auch in meinen Vorträgen. Die Menschen wollen wissen, was am Rande der Wahrnehmung los ist, und wünschen sich vermutlich jemanden, der mit ihnen am Rand entlanggeht. Vielleicht möchten sie sich auch einen Moment lang dem Fremden und Bösen aussetzen, aber danach soll einer das Tor zur Hölle wieder zumachen. Manche meiner Zuhörerinnen und Zuhörer interessieren sich aber weder für meine Arbeit noch für den Tod. Sondern eher dafür, wie es wohl wäre, wenn sie selbst einen anderen Menschen umbringen würden; zumindest haben mir das einige Besucherinnen und Besucher schon erzählt. Sie versetzen sich während der Veranstaltung nicht nur in das Opfer hinein, sondern auch in den Täter. Diese Erkenntnis finde dann wiederum ich ziemlich gruselig, aber gut – damit muss ich leben und erkläre daher aus Sicht der Täter, dass sie zwar meist kein Mitleid benötigen, aber trotzdem gebeugte und traurige Figuren sind. Serienmörder-Fans könnten daher ebenso gut Lungenkrebs-Fans werden.

In Ermittlerkreisen gelten meine Kolleginnen, Kollegen und ich oft als Nerds, als Freaks, als Sonderlinge. Sachlich betrachtet gehen wir einem mies bezahlten Scheißjob nach, kennen keinen Feierabend, arbeiten mit allerhand siffigen Dingen, und während eine normale Polizistin oder ein Polizist für das Gute kämpft und die Welt vor dem Bösen beschützen will und soll, hat uns das alles nicht zu interessieren. Dennoch oder gerade deswegen übe ich meinen Beruf sehr, sehr gerne aus: Die Arbeit ist eben ruhig und klar.

Auch wenn es vielleicht niemand hören will, aber mir ist es wirklich egal, wem meine Arbeit nützt. Ich arbeite weder für die Guten noch für die Bösen. Ich weiß nämlich manchmal gar nicht, wie ich das in einem Krieg oder Beziehungsstreit festlegen soll. Dort halten sich ja alle für die Guten.

Schon gar nicht arbeite ich für die Gerechtigkeit – denn die gibt es gar nicht. Zumindest habe ich sie noch nie gesehen. Was ist schon gerecht daran, wenn ein Mensch, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist, von einem antisozialen Narzissten missbraucht und erschlagen wird? Dass man den Täter aufhängt? Oder foltert und für die nächsten 50 Jahre in einem dunklen Loch einsperrt? Das alles bringt das Opfer nicht wieder ins Leben zurück und nimmt den Angehörigen auch nicht ihren Schmerz. Möglicherweise wurde auch der Täter selbst einst von seinen Eltern hart misshandelt. War das ihm gegenüber gerecht? Und vielleicht hätte das Opfer als Erwachsener selbst einen folgenschweren Fehler begangen, ein Baby totgeschüttelt oder eine alte Frau überfahren. Wer weiß das schon? Deshalb kann das, was wir als Spurenkundler tun, keine Gerechtigkeit herstellen. Stattdessen kämpfe ich für die Wahrheit. Denn die gibt es: Ob eine Spur vorliegt oder nicht, das kann ich messen.

Vielleicht liegt mein Blick auf die Dinge darin begründet, dass ich Naturwissenschaftler bin. In der Biologie, also der Wissenschaft vom Leben, wissen wir, dass der natürliche Tod dazu dient, Platz für die nächsten Bewohner der Erde zu schaffen. Einer geht, einer kommt – so ist das nun mal. Aber so nüchtern betrachten das nur die wenigsten. Muss ja auch nicht sein. Ich verstehe, dass Menschen lieber an eine höhere Macht glauben, an Fügung oder an Schicksal. In meiner Welt ist dafür kein Platz.

Zugegeben, es gibt schon seltsame Arten, wie ein Leben enden kann. In diesem Zusammenhang fällt mir der Fall von Isadora Duncan ein, eine der berühmtesten Tänzerinnen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Ich beschäftige mich gerne mit Spuren aus alten Fällen, weil ich schlecht damit leben kann, lösbare Rätsel nicht zu lösen. Jedenfalls verließ die elegante Dame, die aus San Francisco stammte und das klassische Ballett durch ihren freizügigen Tanzstil auf den Kopf stellte, am 14. September 1927 ihre Wohnung in Nizza. Es war ein frischer Herbsttag, der Wind wehte vom Mittelmeer herüber, und sie trug daher einen riesigen, zwei mal zwei Meter großen Seidenschal. In einer nahen Bar nahm Frau Duncan einige Drinks, und weil es danach offenbar noch ein bisschen kälter war, holte sie sich einen zweiten Schal von zu Hause, bevor sie an der berühmten Promenade des Anglais in die offene Limousine ihres Lebensgefährten Ivan Falchetto einstieg. Es war derselbe rote Schal, den sie bei vielen ihrer umjubelten Auftritte trug. Und weil diese Auftritte, die sie gerne ohne Korsett, barfuß und mit entblößten Armen und Beinen absolvierte, regelmäßig für Aufruhr sorgten, war auch der rote Schal einigermaßen berühmt.

Der Beifahrersitz des Cabrios war im Vergleich zum Fahrersitz leicht nach hinten versetzt, also hätte sich Falchetto am Steuer zur Seite wenden müssen, um seine Freundin zu sehen. Wahrscheinlich aus diesem Grund bemerkte er beim Anfahren nicht sofort, dass Duncans Schal, vielleicht durch den Wind, in die rechte hintere Felge seines Wagens geraten war. Duncans Kopf prallte durch die plötzliche Verkürzung des Stoffes gegen die Innenverkleidung des Wagens. Als Falchetto nach zwanzig Metern anhielt, stellte er fest, dass sich der Schal bereits so weit verdreht hatte, dass seine Begleiterin bewusstlos war. Im Krankenhaus wurden Brüche der Nase, der Wirbelsäule und des Kehlkopfes festgestellt. Außerdem waren Hals- und Kopfschlagader zerrissen. Isadora Duncan war tot, erdrosselt durch ihren eigenen Schal.

Traurigerweise waren schon ihre beiden Kinder bei einem ungewöhnlichen Verkehrsunfall vierzehn Jahre zuvor in Paris ums Leben gekommen. Der Fahrer des Autos, in dem die siebenjährige Deirdre, ihr vier Jahre jüngerer Halbbruder Patrick und deren Kindermädchen saßen, stoppte in einer Kurve, um ein entgegenkommendes Taxi vorbeizulassen. Dabei soff der Motor ab, und so musste der Chauffeur die wie seinerzeit üblich vorn am Fahrzeug befindliche Anlasserkurbel betätigen. Allerdings hatte er vergessen, den Leerlauf einzulegen. So machte das Auto beim Neustart einen mächtigen Satz und versank binnen weniger Sekunden im Fluss, der sich direkt neben der Straße befand. Wegen der starken Strömung gab es keine Rettung: Das Kindermädchen und Deirdre ertranken, der kleine Patrick starb wenig später im Krankenhaus.

Isadora Duncan wurde fünf Tage nach ihrem Tod verbrannt. Ihre Urne wurde auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise neben den sterblichen Überresten ihrer insgesamt drei Kinder beigesetzt – ein weiteres Kind war direkt nach der Geburt gestorben. Der rote Schal, durch den die Künstlerin zu Tode kam, soll wenige Wochen später für 50.000 Franc an die Tochter eines amerikanischen Ananaspflanzers in Honolulu verkauft worden sein. Ich weiß das, weil ich den Fall vor über 20 Jahren mal für eine rechtsmedizinische Fachzeitschrift nachuntersucht habe. Das aber nur am Rande.

Denn was ich eigentlich sagen will: Man kann nie, wirklich nie, vorhersehen, wie und wann der Tod in unser Leben tritt. Selbstverständlich können wir uns möglichst gesund ernähren, Extremsportarten meiden oder einen weiten Bogen um Kriegsgebiete machen – und so unser Risiko verringern, einen Herzinfarkt zu erleiden, beim Gleitschirmfliegen abzustürzen oder vom Projektil eines Heckenschützen getroffen zu werden. Trotzdem könnte uns beim Entlanglaufen auf dem Gehweg das berühmte Klavier auf den Kopf fallen, das die Mitarbeiter der Umzugsfirma nicht ordentlich befestigt hatten. Obwohl es dafür zwar kein dokumentiertes Beispiel gibt, gibt es genügend Fälle, bei denen vom Baum fallende Kokosnüsse Menschen getötet haben. Am häufigsten hat es Kinder erwischt, die mit Fernsehern spielten. In den zehn Jahren zwischen 2000 und 2010 wurden über zweihundert schwer verletzt. Wir können von einem unbemannten Gabelstapler aufgespießt werden, weil der Kontakt im Sitz, der eigentlich verhindern soll, dass sich der Stapler von allein bewegt, im Laufe der Jahre ausgeleiert und feucht war. Auch das ein echter Fall.

Und es kann sich eben ein Schal in der Felge eines Autos verfangen und uns das Blut abschnüren. Deshalb ergibt es in meinen Augen auch keinen Sinn, sich im Alltag dauernd Sorgen zu machen, was alles passieren könnte. Für mich ist nur wichtig, was wirklich passiert ist. Und wenn das andere Menschen ebenfalls interessiert, freut mich das. Ebenso wichtig ist mir, dass aus meinen Vorträgen mit Fallbeispielen keine Grusel-Show wird. Denn Effekte gibt es in Horrorfilmen und -serien genug. Ich dagegen nehme meine Besucher mit auf eine Reise in meine Welt der Spurenkunde, in der ein winziges Detail – sei es die Larve einer Stubenfliege, eine Hautschuppe oder ein um einen Zentimeter verrutschter Couchtisch – ein spannendes Puzzle-Stück bei der Fallbearbeitung darstellen.

Das wissen fast alle, die zu meinen Vorlesungen kommen. Wer sich gegen seinen Willen in diese Welt der Spuren schleppen lässt, dem kann das natürlich blutig vorkommen. Doch die meisten meiner Zuhörer und Zuhörerinnen haben die Welt schon vorher ohne Zuckerguss gesehen, sonst würden sie nicht in die Trainings und Vorträge kommen. Ich bin Wissenschaftler und verwende zwangsläufig Methoden wie Sherlock Holmes, aber ich möchte kein Unterhaltungskünstler sein. Ab und zu bekomme ich Angebote von großen Managementagenturen, die mir anbieten, aus meinen Veranstaltungen Shows für tausende Zuschauer zu machen – in großen Hallen und mit viel Hokuspokus. Aber so bin ich nicht und bleibe daher lieber bei Menschen, die nicht den Nervenkitzel suchen, sondern Spaß an Spuren und der Wahrheit haben.

Unabhängig davon werde ich öfter gefragt, wie ich das alles aushalte, von welchen Erlebnissen ich träume – oder wie es sich anfühlt, einer Arbeit nachzugehen, bei der es vorwiegend um den Tod in all seinen Ausprägungen geht. Deshalb habe ich mich zu diesem Buch entschlossen, in dem ich davon erzählen möchte, wie für mich alles begonnen hat – und welche Ereignisse mich so stark geprägt haben, dass ich das wurde, was ich heute bin. Manche Antworten mögen schräg wirken, und vielleicht ist der ein oder andere ja auch enttäuscht, dass ich weder nachts schreiend aus dem Schlaf hochschrecke noch ein Zimmer mit Glitzer-Einhörnern besitze, um all die scheußlichen Bilder aus dem Kopf zu bekommen. Für mich ist das alles ganz normal. Ob ich das auch bin – »normal« –, das kann jeder selber entscheiden. Denn was »normal« überhaupt bedeuten soll, das verstehe ich nicht.