Wir danken dem Werner Kristkeitz Verlag für die Unterstützung bei der Realisierung dieses Projekts.
Teil I
Gespräche mit Sri Nisargadatta Maharaj
Auszüge aus I AM THAT
(Originaltitel)
Aus dem Marathi nach Tonbandaufzeichnungen
ins Englische übersetzt von M. Frydman,
überarbeitet von S. S. Dikshit.
Übersetzung:
Gilda Peters-Remscheid
Heiner Siegelmann
Titel der Originalausgabe: |
Bearbeitung der |
I AM THAT |
deutschen Übersetzung: |
© Sri Nisargadatta Maharaj |
Brigitte Neuparth |
Hrsg.: Maurice Frydman, Bombay 1973 |
Satz: satzbau, Bielefeld |
Deutsche Ausgabe: |
Umschlag-Gestaltung: |
© Kamphausen Media GmbH, |
Thomas Luksch |
Bielefeld 1989 |
eBook Gesamtherstellung: |
info@kamphausen.media |
Bookwire GmbH, Frankfurt a. M. |
www.weltinnenraum.de
10. Auflage 2014
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN print 978-3-933496-03-4
ISBN eBook 978-3-95883-419-4
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Vorwort
Wer ist Nisargadatta Maharaj
Anmerkung des Übersetzers
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Glossar der Sanskritwörter
ICH BIN / I AM THAT
Meine Beziehung zu Nisargadatta Maharaj begann mit ‘I Am That’.
1978 erschien in der Oktoberausgabe des Mountain Path (das offizielle Journal des Ashrams von Ramana Maharshi) ein Artikel von Jean Dunn. Darin wurde das Buch ‘I Am That’ erwähnt und Auszüge wiedergegeben, die mich zutiefst beeindruckten. Ich besorgte mir das Buch, las es vollständig in zwei Tagen durch und suchte danach Maharaj persönlich auf. Das war der Wendepunkt in meinem Leben. Maharaj starb im September 1981, und somit dauerte mein Zusammensein mit ihm nur drei Jahre, doch in diesen Angelegenheiten ist die Dauer des Zusammenseins nicht von Wichtigkeit.
Meine Empfehlung an den Leser ist, nicht zu viel Zeit auf das erste Durchlesen des Buches zu verwenden und zu versuchen, jede Zeile auf jeder Seite zu verstehen, sondern nur eine generelle Einsicht dessen zu bekommen, was in dem Buch gesagt wird. Um auch nur ein einigermaßen gutes Verständnis zu erlangen, sollte man das Buch mehrere Male lesen, doch dieser Aufwand lohnt sich, und das Lesen wird große Freude machen.
Bestimmte Fragen tauchen immer wieder auf, und mit der Zeit werden sich die meisten von selbst beantworten. Eine bestimmte Frage wird vielleicht bleiben: Was ist ‘Bewußtsein’, und was ist die Beziehung zwischen dem Bewußtsein und dem Verstand? Der entscheidende Punkt liegt in der Unmöglichkeit zu sagen, was etwasi s t ,außer in Bezug auf das, was est u t .Das Bewußtsein ist beides, das Gewahrsein und der Schöpfer der Erfahrung. Es ist beides, die Erfahrung zus e i nund die Erfahrung zuk e n n e n .
Genaugenommen gibt es keinen Unterschied zwischen dem Bewußtsein und dem Verstand. Das Bewußtsein in Aktion ist der Verstand, somit ist der Verstand der Inhalt des Bewußtseins.
Bewußtsein kann ohne den Verstand existieren (wie z.B. im Tiefschlaf oder in Narkose), doch der Verstand kann ohne das Bewußtsein nicht existieren. Der Verstand, nach innen gerichtet (ohne Gedanken), ist das Bewußtsein; der Verstand, nach außen gerichtet, ist das Ego oder der ‘Ich’-Gedanke, dessen Quelle das unpersönliche oder universelle Bewußtsein ist.
Der nach außen gerichtete Verstand und das Ego sind ein und dasselbe. Erinnerung und Intellekt sind Aspekte dieses Verstandes, der nur im Wachzustand vorhanden ist (und auch im Traum), doch nicht in tiefem Schlaf.
Vom persönlichen Standpunkt aus gesehen ist der Verstand oder das Ego die Verbindung zwischen dem Bewußtsein und dem physischen Körper, welcher träge und empfindungslos ist.
Der operierende Verstand hat zwei Aspekte:
– den ‘denkenden Verstand’, der aus der Erinnerung heraus operiert und Vorstellungen und Konzepte schafft. Diese beruhen auf vergangenen Erfahrungen und projizieren diese Vorstellungen als Hoffnungen, Ängste und Ambitionen in die selbsterdachte Zukunft;
– den ‘arbeitenden Verstand’, der sich auf die Geschehnisse im augenblicklichen Moment konzentriert. Der denkende Verstand - eine unnütze Vergeudung von Energie - mit seinem Gefühl von einem persönlich Handelnden wird zerstört, wenn etwas geschieht, das man als Erleuchtung bezeichnet, und wenn das persönliche, identifizierte Bewußtsein zu seiner Quelle, dem unpersönlichen, universellen Bewußtsein, zurückfindet.
Der Kern dieser Lehren könnte folgendermaßen zusammengefaßt werden: Die Gesamtheit der Manifestation ist eine Erscheinung im Bewußtsein (wie ein Traum). Ihr Ablauf ist ein unpersönlicher, sich selbst generierender Prozeß. Die Milliarden von Geisteswesen sind die Instrumente (erträumten Charaktere ohne freien Willen) durch die dieser unpersönliche Prozeß abläuft. Das klare Erfassen dieser Wahrheit bedeutetE r l e u c h t u n g .
Ramesh S. Balsekar
Ramesh S. Balsekar, 77, Schüler Nisargadattas, Autor, Ex-Body-Builder, Ex-Bank-Präsident, hält regelmäßig Diskurse in Indien.
Wenn man den Meister nach seinem Geburtsdatum fragt, antwortet er ganz freundlich, daß er nie geboren wurde.
Einen biographischen Abriß über Sri Nisargadatta Maharaj zu schreiben ist eine unbefriedigende und undankbare Aufgabe. Nicht nur, daß sein genaues Geburtsdatum unbekannt ist, es gibt auch keine bestätigten Daten und Fakten über seine Jugend. Doch einige seiner älteren Verwandten und Freunde datieren seine Geburt auf einen Tag des Vollmondes im März 1897, den Tag, an dem die Hindus Hanuman Jayanti, auch Maruti genannt, feiern und anbeten, einen Affen-Gott des Ramayana-Glaubens. Um seine Geburt mit diesem denkwürdigen Tag zu verbinden, nannten die Eltern ihn Maruti.
Die vorhandenen Daten über seine Kindheit und Jugend sind lückenhaft. Sein Vater, Shivrampant, war ein armer Mann, der für einige Zeit als Hausangestellter in Bombay arbeitete und später einen ärmlichen Lebensunterhalt als Kleinbauer in Kandalgaon verdiente, einem kleinen Dorf im Hinterland des Ratnagiri Distriktes von Maharastra. Maruti wuchs fast ganz ohne Schulbildung auf. Als Kind half er, soweit er konnte, seinem Vater bei der Feldarbeit, beim Kühehüten, führte das Ochsengespann, verrichtete Feldarbeiten und machte Besorgungen. Seine Freuden waren so einfach wie seine Arbeiten, doch war er mit einem wachen, neugierigen Verstand beschenkt worden, der überfloß von allen möglichen Fragen.
Sein Vater hatte einen Brahmanen zum Freund, Vishnu Haribhau Gore, einen frommen Mann, der auch durch das einfache Landleben lernte. Gore sprach oft über religiöse Themen, und Maruti hörte mit großer Aufmerksamkeit zu. Er dachte wesentlich mehr über diese Themen nach, als man vermutet hätte. Gore war der ideale Mann für ihn, ehrlich, freundlich und weise.
Als Maruti achtzehn Jahre alt war, starb sein Vater und hinterließ eine Witwe, vier Söhne und zwei Töchter. Das magere Einkommen aus der kleinen Landwirtschaft wurde noch kleiner und reichte nicht mehr aus, die vielen Münder zu stopfen. Marutis älterer Bruder ging nach Bombay auf die Suche nach Arbeit, und Maruti folgte ihm kurze Zeit später. Für einige Monate arbeitete er als unterbezahlter Bürobote, doch bald gab er die Arbeit angewidert auf. Er versuchte sich als Kleinhändler und eröffnete einen Laden für Kinderkleidung, Tabak und handgedrehte Zigaretten. Mit der Zeit blühte dieses Geschäft in bescheidenen Grenzen und gab ihm eine gewisse finanzielle Sicherheit. Zu dieser Zeit heiratete er und bekam einen Sohn und drei Töchter.
Kindheit, Jugend, Ehe, Familie — Maruti lebte das normale, eintönige und ereignislose Leben eines einfachen Mannes bis zu seinen mittleren Lebensjahren, ohne die geringsten Anzeichen der Heiligkeit, die später in Erscheinung treten sollte. Während dieser Zeit hatte er einen Freund namens Yashwantrao Baagkar, der ein Anhänger des Sri Siddharameshwar Maharaj war, ein spiritueller Lehrer der Navnath Sampradaya-Linie, einer hinduistischen Sekte. Baagkar nahm Maruti eines Abends mit zu seinem Guru, und dieser Abend sollte ein Wendepunkt in seinem Leben werden. Der Guru gab ihm ein Mantra und Anweisungen in Meditation. Sehr bald überkamen Maruti Visionen, und er fiel in eine Art Trance. Irgend etwas explodierte in ihm und gebar ein kosmisches Bewußtsein, ein Gefühl vom ewigen Leben. Die Identität des Maruti, des Kleinhändlers, löste sich auf, und die strahlende Persönlichkeit des Sri Nisargadatta Maharaj kam zum Vorschein.
Die meisten Menschen leben in einer Welt, in der sie sich nur ihrer selbst bewußt sind und haben nicht das Bedürfnis oder die Kraft, über sie hinauszuwachsen. Sie existieren nur für sich selbst, alle ihre Bemühungen sind nur auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse und auf Selbstverherrlichung ausgerichtet. Doch es gibt Lehrer, Sehende und Offenbarende, die, während sie offensichtlich in derselben Welt leben, gleichzeitig auch in einer anderen Welt sind, der Welt des kosmischen Bewußtseins, erfüllt mit unbegrenztem Wissen. Nach seinem Erleuchtungs-Erlebnis begann Nisargadatta ein solches Leben in zwei Welten. Er betrieb weiterhin seinen Laden, doch hörte er auf, ein profitorientierter Händler zu sein. Später gab er seine Familie und sein Geschäft auf und wurde Bettelmönch, ein Pilger in der Weite und Vielfältigkeit der indischen religiösen Szene. Barfuß wanderte er in Richtung Himalaya, wo er den Rest seines Lebens verbringen wollte, auf der Suche nach dem ewigen Leben. Doch recht bald sah er die Sinnlosigkeit seines Vorhabens ein und kehrte nach Hause zurück. Er erkannte, daß er das ewige Leben nirgendwo zu suchen brauchte, er hatte es bereits. Nachdem er über die Vorstellung ‘Ich bin der Körper’ hinausgegangen war, hatte er einen geistigen Zustand von Freude, Frieden und Glückseligkeit erreicht, daß ihm, verglichen damit, alles andere wertlos erschien. Er hatte die Selbstverwirklichung erlangt.
Auch wenn der Meister ungebildet ist, sind die Gespräche mit ihm in außergewöhnlichem Maße erleuchtend. Geboren und aufgewachsen in Armut, ist er der Reichste unter den Reichen, denn er hat den grenzenlosen Reichtum des ewigen Wissens, mit dem verglichen die großartigsten Schätze nur reiner Tand sind. Er ist barmherzig und liebevoll, witzig und humorvoll, vollkommen angstfrei und vollkommen wahrhaftig, inspirierend, anleitend und unterstützend für jeden, der zu ihm kommt.
Jeder Versuch, über solch einen Mann eine biographische Note zu schreiben, ist nichtig und sinnlos. Er ist kein Mann mit Vergangenheit und Zukunft, er ist die lebendige Gegenwart, ewig und unveränderlich. Er ist das Selbst, das alles ist.
Bombay 1973
Der Autor dieses Buches, Maurice Frydman, ein gebürtiger Pole, verbrachte den Großteil seines Lebens in Indien. Zu Hause in der englischen Sprache und in Marathi, Nisargadattas Sprache, fiel ihm natürlicherweise die Aufgabe zu, zwischen Nisargadatta und seinen westlichen Besuchern zu übersetzen. Sein Verdienst ist es, Nisargadatta dem Westen zugänglich gemacht zu haben, so wie Paul Bruntons Buch Ramana Maharshi über Indiens Grenzen hinaus bekannt gemacht hat.
Nach Maurices Tod 1976 fand sich ein neuer Suchender bei Nisargadatta ein, Ramesh Balsekar. Seine Sprachkenntnisse befähigten ihn, zusammen mit einem anderen Inder, Mullarpatan, die Lücke zu schließen, die Maurice hinterlassen hatte. Ramesh Balsekar, ein pensionierter Bankier, teilweise im Westen aufgewachsen, war ein Leben lang an spirituellen Fragen interessiert, doch erst das Zusammentreffen mit Nisargadatta brachte seine Suche zu einem schnellen Ende. Die Person des Bankiers löste sich auf und legte das Absolute, Gott, das universelle Bewußtsein, frei.
Nisargadatta realisierte selbstverständlich die Verwandlung, die stattgefunden hatte, und als ihm der Krebs im Endstadium das Sprechen mehr und mehr erschwerte, forderte er Ramesh auf, die Fragen der Besucher zu beantworten. Nisargadatta starb im September 1981 in Bombay.
Nach meinem intensiven Studium von Maurices Buch ‘I Am That’ führte mich meine Suche 1986 zu Ramesh und eröffnete mir einen direkten Zugang zu diesem unpersönlichen, universellen Wissen. Jegliche Übersetzung von Texten, die die Auslegungen eines Verwirklichten darstellen, ist so begrenzt wie das tiefe Verständnis - nicht das intellektuelle Verstehen - des Übersetzers. Da mir durch Ramesh eine direkte Quelle zu diesem Wissen offensteht, habe ich mein eigenes beschränktes Verständnis durch Rückfragen an Ramesh ergänzen können. Ich hoffe, daß ich in der vorliegenden Arbeit die sprachlichen und terminologischen Barrieren auf ein Minimum beschränken konnte.
Die größte Schwierigkeit beim Übersetzen waren bestimmte Worte, die im Deutschen kein Äquivalent zur englischen Sprache bieten. Von all diesen Worten wird das Wort ‘mind’ sicherlich die größten Kontroversen auslösen. Studiert man den Text genau, wird man unweigerlich zu der Überzeugung gelangen, daß Nisargadatta den Verstand, den Intellekt meint, wenn er vom ‘mind’ spricht. Ist doch der Kern des Problems einzig und allein unsere Vorstellung, etwas Bestimmtes, Greifbares, Erklärbares zu sein. Diese Vorstellung allein, und nichts anderes ist unser selbsterschaffenes Gefängnis, d.h. unser sogenanntes Gefangensein existiert einzig und allein im Verstand. Also ist nicht der Verstand als solcher das Problem, sondern die Vorstellungen, die Illusionen sind es, die er erschafft. Ramesh hat in seinem Vorwort die Spaltung des Verstandes erklärt, und wenn in diesem Buch vom Verstand die Rede ist, dann ist es dieser denkende Teil des Verstandes, der die Illusion vom Gefangensein geschaffen hat.
Der wichtigste Punkt, den Nisargadatta immer wieder anspricht, ist jedoch die Begrenztheit der Worte, die, wie er sagt, auf vielfältige, sogar sich widersprechende Weise zusammengefügt werden können. Worte sind nur Wegweiser, ein absolut begrenztes Medium. Doch solange unser Verstand nach Worten verlangt, ist es gut und richtig, ihn damit zu füttern. Die intensive Auseinandersetzung mit der Materie bereitet nur den Boden für das Erfassen, das keine Hilfsmittel braucht. Es geschieht von allein, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.
Heiner Siegelmann
FRAGE: Des öfteren wurde die Frage gestellt, ob das Universum dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterliegt, oder ob es außerhalb dieses Gesetzes existiert und funktioniert. Sie scheinen der Ansicht zu sein, daß es keinen Grund für die Existenz des Universums gibt, daß alles, wie unbedeutend es auch sein mag, ohne Ursache ist - es entsteht und vergeht ohne einen bestimmten Grund.
MAHARAJ: Ursache und Wirkung bedeuten zeitliche Abfolge von Geschehnissen im Raum. Dieser Raum kann physischer oder mentaler Art sein. Zeit, Raum und Ursache sind mentale Kategorien, die im Verstand erscheinen und mit diesem auch wieder enden.
FRAGE: Solange der Verstand operiert, gilt das Gesetz von Ursache und Wirkung.
MAHARAJ: Wie alles Mentale widerspricht das sogenannte Gesetz von Ursache und Wirkung sich selbst. Nichts, was existiert, hat eine bestimmte Ursache. Das gesamte Universum trägt zur Existenz auch des kleinsten Teiles bei. Nichts könnte so sein, wie es ist, ohne daß das Universum so ist, wie es ist. Wenn der Ursprung und die Basis auch gleichzeitig die einzige Ursache von allem sind, dann ist es falsch, von Kausalität als einem universellen Gesetz zu sprechen. Das Universum ist nicht limitiert durch seinen Inhalt, denn seine Potentiale sind unendlich; außerdem ist es die Manifestation oder der Ausdruck von einem fundamentalen und total freien Prinzip.
FRAGE: Ja, absolut gesehen, ist es falsch, von einer Sache als der einzigen Ursache einer anderen Sache zu sprechen. Doch sind unsere Handlungen im täglichen Leben unvermeidlich immer auf ein bestimmtes Ergebnis gerichtet.
MAHARAJ: Ja, viele solcher Aktivitäten entpringen der Ignoranz. Würden die Menschen verstehen, daß nichts geschehen kann, ohne daß das gesamte Universum es geschehen läßt, sie würden mit weniger Aufwand wesentlich mehr erreichen.
FRAGE: Wenn alles der Ausdruck der Gesamtheit aller Ursachen ist, wie können wir dann von sinnvollen Taten, die auf bestimmte Ergebnisse gerichtet sind, reden?
MAHARAJ: Auch dieses Bedürfnis, etwas zu erreichen, ist ein Ausdruck des gesamten Universums. Es zeigt nur, daß das Energiepotential an einem bestimmten Punkt aufgestiegen ist. Es ist die Illusion von Zeit, die Sie von Kausalität reden läßt. Wenn Vergangenheit und Zukunft im zeitlosen Jetzt gesehen werden, als Teil eines gemeinsamen Musters, so verliert die Vorstellung von Ursache und Wirkung ihre Gültigkeit und wird durch kreative Freiheit ersetzt.
FRAGE: Ich kann dennoch nicht sehen, wie irgend etwas ohne Ursache sein kann.
MAHARAJ: Wenn ich sage, daß etwas ohne Ursache ist, dann meine ich, es kann ohne eine bestimmte offensichtliche Ursache sein. Ihre eigene Mutter war nicht erforderlich für Ihre Geburt, Sie hätten auch von einer anderen Mutter geboren werden können. Doch Sie hätten nicht ohne Sonne und Erde geboren werden können. Doch auch sie allein hätten Ihre Geburt nicht ermöglicht ohne den wichtigsten Faktor: Ihren Wunsch, geboren zu werden. Es ist der Wunsch, der Geburt, Namen und Form ermöglicht. Die Wunschvorstellung wird geboren und ausgeführt und manifestiert sich als etwas Greifbares und Faßbares. So entsteht die Welt, in der wir leben - unsere persönliche Welt. Die wirkliche Welt ist jenseits der Begrenzung des Verstandes; wir sehen sie durch das Netz unserer Wünsche, getrennt in Freude und Leid, richtig und falsch, innen und außen. Um das Universum zu sehen, wie es ist, müssen Sie sich aus dem Netz befreien. Dies ist gar nicht so schwierig, denn das Netz ist voller Löcher.
FRAGE: Was meinen Sie mit Löchern, und wie finde ich sie?
MAHARAJ: Sehen Sie das Netz und seine vielen Widersprüche an, Sie erschaffen und zerstören es jeden Moment. Sie wollen Frieden, Liebe und Glück und arbeiten hart daran, Schmerz, Haß und Krieg zu erzeugen. Sie wollen ein langes Leben und essen zuviel. Sie wollen Freundschaft und beuten aus. Erkennen Sie Ihr Netz, gesponnen aus diesen Widersprüchen, und beseitigen Sie sie. Wenn Sie sie durchschauen, werden sie sich auflösen.
FRAGE: Da dieses Durchschauen die Auflösung erzeugt, gibt es nicht einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Durchschauen und dem Auflösen?
MAHARAJ: Kausalität, auch als Konzept, gilt nicht für das Chaos.
FRAGE: In welchem Ausmaß ist der Wunsch ein kausaler Faktor?
MAHARAJ: Einer von vielen. Für alles gibt es unendlich viele kausale Faktoren. Doch die Quelle von allem, was ist, ist die unendliche Möglichkeit, die höchste Realität, die in Ihnen ist und deren Licht und Kraft und Liebe alle Erfahrungen durchdringt. Doch diese Quelle ist keine Ursache, und keine Ursache ist eine Quelle. Deshalb sage ich, alles ist ohne Ursache. Sie können vielleicht herausfinden, wie etwas passiert ist, doch Sie können nicht herausfinden, warum etwas ist, wie es ist. Etwas ist, wie es ist, weil das Universum so ist, wie es ist.
FRAGE: Ist das Beobachter-Bewußtsein permanent oder nicht?
MAHARAJ: Es ist nicht permanent. Der Wissende entsteht und vergeht mit dem Wissen. Die Worte ‘permanent’ oder ‘ewig’ treffen nicht zu.
FRAGE: Im Schlaf gibt es weder das Wissen noch den Wissenden. Was erhält den Körper empfindsam und empfänglich?
MAHARAJ: Sicher können Sie nicht sagen, der Wissende war abwesend. Die Erfahrung von Dingen und Gedanken war nicht vorhanden, das ist alles. Doch die Abwesenheit von Erfahrungen ist auch eine Erfahrung. Es ist, als ob man ein dunkles Zimmer betritt und sagt: ‘Ich sehe nichts’. Ein Mensch, von Geburt an blind, weiß nicht, was Dunkelheit ist. Genauso weiß nur der Wissende, daß er nicht weiß. Schlaf ist nur eine Lücke im Gedächtnis, das Leben geht weiter.
FRAGE: Und was ist der Tod?
MAHARAJ: Es ist der Wechsel im lebendigen Prozeß eines bestimmten Körpers. Die Integration endet, und der Verfall beginnt.
FRAGE: Was geschieht mit dem Wissenden? Verschwindet auch der Wissende, wenn der Körper zerfällt?
MAHARAJ: So wie der Wissende bei der Geburt des Körpers erscheint, so verschwindet er beim Tod.
FRAGE: Und nichts bleibt zurück?
MAHARAJ: Das Leben bleibt. Das Bewußtsein braucht einen Träger und ein Instrument, um sich zu manifestieren. Wenn das Leben einen anderen Körper produziert, entsteht ein anderer Wissender.
FRAGE: Gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen den aufeinanderfolgenden Körper-Verstand-Einheiten?
MAHARAJ: Ja, es gibt etwas, das man den ‘Körper der Erinnerung’ nennen kann oder Kausalkörper, eine Aufzeichnung von allem, was je gewünscht, getan oder gedacht wurde. Es ist wie eine zusammenhängende Wolke von Bildern.
FRAGE: Was ist dieses Gefühl von getrennter Existenz?
MAHARAJ: Es ist die Reflexion der einen Realität in einem separaten Körper. In dieser Reflexion werden das Grenzenlose und das Begrenzte verwechselt und für gleichwertig angesehen. Diese Verwirrung aufzulösen, ist der Sinn von Yoga.
FRAGE: Löst nicht der Tod diese Verwirrung auf?
MAHARAJ: Beim Tod stirbt nur der Körper, nicht das Leben, nicht das Bewußtsein, nicht die Realität. Das Leben ist nie so lebendig wie nach dem Tod.
FRAGE: Gibt es eine Wiedergeburt?
MAHARAJ: Was geboren wurde, muß sterben. Nur was nie geboren wurde, ist unsterblich. Finden Sie heraus, was es ist, das nie schläft und nie wacht, und dessen unscheinbare Reflexion unser Gefühl von ‘Ich’ ist.
FRAGE: Wie fange ich es an, dies herauszufinden?
MAHARAJ: Wie fangen Sie es an, irgend etwas herauszufinden? Indem Sie Ihren Verstand und Ihr Herz darauf ausrichten. Notwendig sind dafür Interesse und ständige Erinnerung. Der Schlüssel des Erfolges liegt in der Erinnerung dessen, was wichtig ist. Die Ernsthaftigkeit wird Sie dorthin bringen.
FRAGE: Wollen Sie damit sagen, daß allein der Wille, es herauszufinden, genug ist? Sicherlich sind dafür doch auch gewisse Gelegenheiten und Fähigkeiten erforderlich?
MAHARAJ: Die Ernsthaftigkeit wird sie erzeugen. Es ist äußerst wichtig, von Widersprüchen frei zu sein: der Weg und das Ziel dürfen nicht auf verschiedenen Ebenen liegen, das Leben und das Licht dürfen nicht miteinander in Streit liegen, die Verhaltensweisen dürfen nicht den Glauben hintergehen. Nennen Sie es Anständigkeit, Ehrlichkeit, Ganzheit. Sie dürfen nicht zurückgehen, dieses Terrain, das Sie gewonnen haben, zerstören oder aufgeben. Beharrlichkeit bezüglich Ihrer Absichten und Ehrlichkeit bei der Ausführung werden Sie zum Ziel bringen.
FRAGE: Beharrlichkeit und Ehrlichkeit sind eine Begabung, ganz sicher. Ich besitze nicht eine Spur davon.
MAHARAJ: Alles wird Ihnen zufließen, wenn Sie Ihren Weg verfolgen. Immer ein Schritt nach dem anderen, alle Segnungen kommen aus Ihrem Inneren. Gehen Sie nach innen. Sie kennen das ‘Ich bin’. Lassen Sie das bei sich sein, so oft Sie können, bis es ganz spontan erscheint. Es gibt keinen einfacheren, simpleren Weg.
FRAGE: Alle Lehrer raten einem zu meditieren. Was ist die Absicht von Meditation?
MAHARAJ: Wir kennen unsere äußere Welt, die Ereignisse und Geschehnisse, doch unsere innere Welt der Gedanken und Gefühle kennen wir sehr wenig. Der wesentliche Zweck von Meditation ist, daß wir uns unseres inneren Lebens bewußt werden und uns mit ihm vertraut machen, doch der Endpunkt ist, die Quelle des Lebens und des Bewußtseins zu erreichen. Übrigens, angewandte Meditation beeinflußt unseren Charakter zutiefst. Wir sind Sklaven dessen, was wir nicht wissen, und wir sind Herren dessen, was wir wissen. Welche Stärke oder Schwäche wir auch immer in uns entdecken und deren Ursachen und Abläufe verstehen, lassen wir durch dieses Verstehen hinter uns; das Unbewußte löst sich auf, wenn es in das Bewußtsein gebracht wird. Die Auflösung des Unbewußten setzt Energie frei. Der Verstand genügt sich selbst und wird ruhig.
FRAGE: Wozu ist ein ruhiger Verstand gut?
MAHARAJ: Wenn der Verstand ruhig ist, entdecken wir uns als den reinen Zeugen. Wir lösen uns von der Erfahrung und dem Erfahrenen und beziehen unseren Standpunkt in reinem Gewahrsein, welches zwischen und jenseits der beiden ist. Die Persönlichkeit, geboren aus der Identifikation, aus der Vorstellung, etwas Bestimmtes zu sein, ‘Ich bin dies, ich bin das’, existiert weiterhin, doch nur als ein Teil der objektiven Welt. Ihre Identifikation mit dem Beobachter zerbricht.
FRAGE: So wie ich es verstehe, lebe ich auf vielen Ebenen, und das Leben auf jeder Ebene erfordert Energie. Es liegt in der Natur des Selbst, sich an allem zu erfreuen, seine Energien fließen nach außen. Ist nicht der Zweck von Meditation, diese Energien auf höheren Ebenen zu sammeln oder sie zurückzuorientieren und aufsteigen zu lassen, um auch die höheren Ebenen gedeihen zu lassen?
MAHARAJ: Es ist nicht so sehr eine Frage von Ebenen als von Gunas (Eigenschaften). Meditation ist eine sattvische Handlung und ist auf die vollständige Aufhebung von Tamas (Trägheit) und Rajas (Unruhe) gerichtet. Reine Sattva (Harmonie) bedeutet die totale Freiheit von Trägheit und Ruhelosigkeit.
FRAGE: Wie kann man Sattva stärken und läutern?
MAHARAJ: Sattva ist immer rein und stark. Sie ist wie die Sonne, sie scheint durch Wolken und Dunst verdunkelt zu sein, doch nur aus der Perspektive des Beobachters. Setzen Sie sich mit den Ursachen der Verdunkelung auseinander, nicht mit der Sonne.
FRAGE: Was ist der Sinn von Sattva?
MAHARAJ: Was ist der Sinn von Wahrheit, Güte, Harmonie, Schönheit? Sie sind ihr eigenes Ziel. Sie manifestieren sich spontan und ohne Anstrengung, wenn man die Dinge sich selbst überläßt, wenn man nicht eingreift, nicht vermeidet, begehrt oder konzeptualisiert, sondern sie nur in reinem Gewahrsein erfährt. Solches Gewahrsein selbst ist Sattva. Es hat keine Verwendung für Dinge und Menschen - es erfüllt sie.
FRAGE: Da ich also die Harmonie nicht verbessern kann, soll ich mich nur mit Tamas und Rajas beschäftigen? Wie gehe ich mit ihnen um?
MAHARAJ: Indem Sie ihren Einfluß in Ihnen und auf sich beobachten. Seien Sie sich ihrer bewußt und wie sie operieren. Beobachten Sie, wie sie sich in Ihren Gedanken ausdrücken, in Ihren Worten und Taten, und nach und nach wird sich ihre Gewalt über Sie verringern, und das klare Licht von Sattva wird zum Vorschein kommen. Es ist weder ein schwieriger noch ein langwieriger Vorgang. Ernsthaftigkeit ist die einzige Bedingung für den Erfolg.
FRAGE: Es gibt sehr interessante Bücher von offenbar sehr kompetenten Leuten, die es ablehnen, die Welt als Illusion zu sehen (jedoch nicht ihre Vergänglichkeit). Sie behaupten, es gibt eine Hierarchie von Wesen, von den niedrigsten bis zu den höchsten. Auf allen Ebenen ermöglicht und reflektiert die Komplexität des einzelnen Organismus’ die Tiefe, Weite und Intensität von Bewußtsein, ohne einen sichtbaren oder erkennbaren Kulminationspunkt. Ein einziges, absolutes Gesetz ist zutreffend: allgemeine Evolution für das Wachstum und die Bereicherung des Bewußtseins und der Manifestation seiner unendlichen Möglichkeiten.
MAHARAJ: Dies mag zutreffen oder nicht; selbst wenn es stimmt, dann nur aus der Sicht des Verstandes, doch das gesamte Universum (Mahadakash) existiert nur im Bewußtsein (Chidakash), während mein Standpunkt im Absoluten (Paramakash) ist. In reinem Sein steigt das Bewußtsein auf, im Bewußtsein entsteht und vergeht die Welt. Ich bin alles; alles, was es gibt, ist mein. Bevor irgend etwas begann, nachdem alles endet - ich bin. Alles hat sein Sein in mir, in dem ‘Ich bin’, das in jedem lebenden Wesen strahlt. Sogar Nicht-sein ist unvorstellbar ohne mich. Was auch immer passiert, ich bin erforderlich als der Beobachter.
FRAGE: Warum sagen Sie, die Welt existiere nicht?
MAHARAJ: Ich verneine nicht die Existenz der Welt. Ich sehe sie als eine Erscheinung im Bewußtsein, was die Gesamtheit des Wissens in der Unermeßlichkeit des Unbekannten ist.
Was einen Anfang und ein Ende hat, ist bloße Erscheinung. Man kann sagen, die Welt erscheint, aber nicht, sie ist. Diese Erscheinung mag in Relation zu bestimmten Zeitabläufen sehr lange, in Relation zu anderen sehr kurz erscheinen, doch es läuft auf dasselbe hinaus. Alles, was zeitlich begrenzt ist, ist momentan und nicht real.
FRAGE: Sicher sehen Sie die eigentliche Welt so, wie sie Sie umgibt. Sie scheinen sich ganz normal zu verhalten.
MAHARAJ: So sieht das für Sie aus. Was in Ihrem Fall das gesamte Feld des Bewußtseins einnimmt, ist gerade ein kleiner Fleck in meinem. Die Welt existiert nur für einen Moment. Es ist Ihre Erinnerung, die Ihnen das Gefühl gibt, daß sie Bestand hat. Ich selbst lebe nicht aus der Erinnerung. Ich sehe die Welt, wie sie ist, eine momentane Erscheinung im Bewußtsein.
FRAGE: In Ihrem Bewußtsein?
MAHARAJ: Alle Ideen von ‘mir’ und ‘mein’ und sogar die Idee von ‘Ich bin’ sind nur im Bewußtsein.
FRAGE: Ist dann Ihr ‘absolutes Sein’ (Paramakash) Un-Bewußtsein?
MAHARAJ: Die Idee von Un-Bewußtsein existiert nur im Bewußtsein.
FRAGE: Woher wissen Sie dann, daß Sie sich in dem höchsten Zustand befinden?
MAHARAJ: Weil ich mich darin befinde. Es ist der einzige natürliche Zustand.
FRAGE: Können Sie ihn beschreiben?
MAHARAJ: Nur durch Verneinung. Wie zum Beispiel unverursacht, unabhängig, ohne Bezug, ungeteilt, nicht zusammengesetzt, unerschütterlich, unzweifelbar, nicht erreichbar durch Anstrengung. Jede positive Beschreibung ist aus der Erinnerung und trifft deshalb nicht zu. Und doch ist mein Zustand äußerst wirklich und deshalb möglich, realisierbar, erreichbar.
FRAGE: Sind Sie nicht zeitlos in eine Abstraktion versunken?
MAHARAJ: Abstraktion ist etwas Mentales und Verbales und verschwindet im Schlaf oder in Bewußtlosigkeit und kehrt zurück als Zeit. Ich bin in meinem eigenen Zustand (Swarupa), zeitlos im Jetzt. Vergangenheit und Zukunft sind nur im Verstand, ich bin jetzt.
FRAGE: Auch die Welt ist jetzt.
MAHARAJ: Welche Welt?
FRAGE: Die Welt um uns herum.
MAHARAJ: Es ist Ihre Welt, an die Sie denken, nicht meine. Was wissen Sie von mir, wenn selbst mein Gespräch mit Ihnen nur in Ihrer Welt existiert? Es gibt für Sie keinen Grund zu glauben, daß Ihre Welt identisch mit der meinen ist. Meine Welt ist real, echt, so, wie sie wahrgenommen wird, während Ihre erscheint und vergeht, entsprechend dem Zustand Ihres Verstandes. Ihre Welt ist etwas Fremdes, Sie haben Angst vor ihr. Meine Welt bin ich selbst. Ich bin zu Hause.
FRAGE: Wenn Sie die Welt sind, wie können Sie sich ihrer bewußt sein? Ist das Subjekt des Bewußtseins dann nicht unterschiedlich von seinem Objekt?
MAHARAJ: Das Bewußtsein und die Welt erscheinen und vergehen zusammen, also sind sie zwei Aspekte desselben Zustandes.
FRAGE: Im Schlaf bin ich nicht vorhanden, und die Welt existiert weiter.
MAHARAJ: Woher wissen Sie das?
FRAGE: Wenn ich aufwache, weiß ich es. Meine Erinnerung sagt es mir.
MAHARAJ: Die Erinnerung ist im Verstand. Auch im Schlaf existiert der Verstand.
FRAGE: Er ist teilweise außer Kraft gesetzt.
MAHARAJ: Doch sein Weltbild ist unbeeinflußt. Solange der Verstand existiert, existieren Ihr Körper und Ihre Welt. Ihre Welt ist eine Kreation Ihres Verstandes, subjektiv, im Verstand gefangen, bruchstückartig, zeitlich begrenzt, persönlich, gewoben aus Erinnerungen.
FRAGE: So wie Ihre?
MAHARAJ: Oh nein, ich lebe in einer Welt der Realität, während Ihre aus Vorstellungen besteht. Ihre Welt ist persönlich, privat, ganz intim Ihre eigene Welt, Sie können sie nicht teilen. Niemand kann sie betreten oder durch Ihre Augen sehen, sie hören, wie Sie sie hören, Ihre Emotionen fühlen, Ihre Gedanken denken. In Ihrer Welt sind Sie wirklich allein, gefangen in dem sich ewig verändernden Traum, den Sie für das Leben halten. Meine Welt ist eine offene, gemeinsame, zugänglich für alle. In meiner Welt ist Gemeinschaftlichkeit, Einsicht, Liebe, Lebensfreude. Das Individuum ist das Ganze und die Gesamtheit - im Individuum. Alles ist eins und das Eine ist alles.
FRAGE: Ist Ihre Welt so voll von Dingen und Menschen wie meine?
MAHARAJ: Nein, sie ist erfüllt von mir selbst.
FRAGE: Aber Sie sehen und hören wie wir?
MAHARAJ: Ja, es scheint, daß ich sehe und höre, spreche und agiere, doch für mich passiert das nur so, wie bei Ihnen Verdauung und Schwitzen passieren. Die Körper-Verstand-Einheit kümmert sich um sich selbst und läßt mich in Ruhe. So wie Sie sich nicht um Ihren Haarwuchs kümmern, so brauche ich mich nicht um Worte oder Taten zu kümmern. Sie geschehen einfach und lassen mich unberührt, denn in meiner Welt läuft nie etwas falsch.
FRAGE: Ich habe viele Wünsche und möchte, daß sie sich erfüllen. Wie erreiche ich das?
MAHARAJ: Verdienen Sie, was Sie sich wünschen? Auf irgendeine Weise müssen Sie an der Erfüllung Ihrer Wünsche arbeiten. Investieren Sie Energie, und warten Sie auf die Ergebnisse.
FRAGE: Woher soll ich die Energie nehmen?
MAHARAJ: Der Wunsch selbst ist Energie.
FRAGE: Warum erfüllt sich dann nicht jeder Wunsch?
MAHARAJ: Vielleicht war er nicht stark und ausdauernd genug.
FRAGE: Ja, das ist mein Problem. Ich wünsche mir Dinge, aber ich bin zu bequem, wenn es an die Umsetzung geht.
MAHARAJ: Wenn Ihr Wunsch weder klar noch stark ist, kann er keine Form annehmen. Außerdem wird die Energie, wenn Ihre Wünsche persönlicher Art, für Ihr eigenes Vergnügen sind, zwangsläufig begrenzt sein. Sie kann nicht mehr sein, als Ihnen zur Verfügung steht.
FRAGE: Trotzdem erreichen oft ganz normale Menschen doch, was sie anstreben.
MAHARAJ: Aber nur, nachdem sie eine lange Zeit und mit sehr großer Intensität begehren. Doch selbst dann ist ihr Erfolg begrenzt.
FRAGE: Wie steht es mit selbstlosen Wünschen?
MAHARAJ: Wenn Sie Gutes für die Allgemeinheit anstreben, haben Sie die ganze Welt hinter sich. Machen Sie der Menschheit Wohl zu Ihrem eigenem, und arbeiten Sie dafür, dann können Sie nichts falsch machen.
FRAGE: Die Menschheit ist Gottes Werk, nicht meins. Ich kümmere mich um mich selbst. Ist es nicht mein Recht, daß meine legitimen Wünsche erfüllt werden? Sie schaden niemandem, meine Wünsche sind berechtigt. Es sind berechtigte Wünsche, warum erfüllen sie sich nicht?
MAHARAJ: Wünsche sind richtig oder falsch, entsprechend den Umständen und abhängig von Ihrer Sichtweise. Die Einteilung in richtig und falsch trifft nur für das Individuum zu.
FRAGE: Welches sind die Richtlinien für solche Einteilungen? Woher weiß ich, welche meiner Wünsche richtig und welche falsch sind?
MAHARAJ: In Ihrem Fall sind Wünsche, die Leid erzeugen, falsch, und solche, die Freude erzeugen, richtig. Doch sollten Sie auch andere Menschen nicht vergessen, auch deren Leid und Freude zählen.
FRAGE: Die Ergebnisse sind in der Zukunft, woher soll ich wissen, wie sie sein werden?
MAHARAJ: Benutzen Sie Ihren Verstand. Erinnern Sie sich. Beobachten Sie. Sie unterscheiden sich nicht von anderen Menschen, die meisten ihrer Erfahrungen treffen auch auf Sie zu. Denken Sie klar und tief und erfassen Sie die gesamte Struktur Ihrer Wünsche und ihrer Verzweigungen. Sie sind ein essentieller Teil Ihrer mentalen und emotionalen Beschaffenheit und beeinflussen sehr stark Ihre Taten. Erinneren Sie sich stets daran, daß Sie nichts hinter sich lassen können, was Sie nicht durchschaut haben. Um über Ihre Person hinauszuwachsen, müssen Sie sie kennen.
FRAGE: Was heißt es, mich selbst zu kennen? Wenn ich mich selbst kenne, was ist es genau, das ich dann kenne?
MAHARAJ: Alles, was Sie nicht sind.
FRAGE: Und was bin ich nicht?
MAHARAJ: Was Sie sind, sind Sie bereits. Durch das Wissen, was Sie nicht sind, werden Sie frei davon und bleiben so in Ihrem eigenen, natürlichen Zustand. Alles geschieht vollkommen spontan und ohne Anstrengung.
FRAGE: Was werde ich herausfinden?
MAHARAJ: Sie werden entdecken, daß es nichts zu entdekken gibt. Sie sind, was Sie sind, und das ist alles.
FRAGE: Doch was bin ich letzten Endes?
MAHARAJ: Die totale Verneinung von allem, was Sie nicht sind.
FRAGE: Das verstehe ich nicht.
MAHARAJ: Es ist Ihre fixe Idee, daß Sie irgend etwas sein müssen, die Sie blind macht.
FRAGE: Wie kann ich diese Vorstellung loswerden?
MAHARAJ: Indem Sie mir vertrauen, wenn ich Ihnen sage, daß Sie reines Bewußtheit sind, die Ihr Bewußtsein und seinen unbegrenzten Inhalt erleuchtet. Erkennen Sie dies, und leben Sie entsprechend. Wenn Sie mir nicht glauben können, dann gehen Sie in sich. Fragen Sie sich, ‘Was bin ich?’, oder konzentrieren Sie Ihren Verstand auf ‘Ich bin’, was nichts weiter ist als einfaches, reines Sein.
FRAGE: Wovon ist mein Vertrauen in Sie abhängig?
MAHARAJ: Von Ihrer Fähigkeit, in anderer Menschen Herzen zu schauen. Und wenn Sie nicht in mein Herz schauen können, schauen Sie in Ihr eigenes.
FRAGE: Ich kann beides nicht.
MAHARAJ: Dann läutern Sie sich durch ein ordentliches und nutzvolles Leben. Beobachten Sie Ihre Gedanken, Gefühle, Worte und Taten. Das wird Ihre Sichtweise klären.
FRAGE: Muß ich nicht erst allem abschwören und ein heimatloses Leben führen?
MAHARAJ: Sie können nicht abschwören. Sie können Ihr Zuhause verlassen und Ihre Familie ins Unglück stürzen, doch Verknüpfungen sind im Verstand, und sie werden sich nicht auflösen, bis Sie Ihren Verstand in-und auswendig kennen. Ein Schritt nach dem anderen: Erkennen Sie sich selbst, alles andere kommt von allein.
FRAGE: Aber Sie haben mir bereits gesagt, daß ich die höchste Realität bin. Ist das nicht Selbsterkenntnis?
MAHARAJ: Natürlich sind Sie die höchste Realität, aber was soll es? Jedes Sandkorn ist Gott. Das zu wissen, ist wichtig, doch ist das nur der Anfang.
FRAGE: Gut, Sie haben mir erzählt, daß ich die absolute Realität bin. Ich glaube Ihnen. Was soll ich als nächstes tun?
MAHARAJ: Ich habe es Ihnen bereits gesagt, finden Sie alles heraus, was Sie nicht sind. Körper, Gefühle, Gedanken, Vorstellungen, Raum, Sein und Nicht-Sein, dies oder das - Sie sind nichts Konkretes oder Abstraktes, das bezeichnet werden kann. Nur eine verbale Behauptung ist nicht genug. Sie können eine Formel endlos wiederholen, ohne jegliches Ergebnis. Sie müssen sich selbst ununterbrochen beobachten, besonders Ihren Verstand, von Moment zu Moment, ohne etwas auszulassen. Dieses Beobachten ist essentiell für die Trennung des Selbst von dem Nicht-Selbst.
FRAGE: Die Beobachtung, ist sie nicht meine wahre Natur?
MAHARAJ: Die Beobachtung bedingt etwas, das beobachtet wird. Wir sind immer noch in Dualität.
FRAGE: Wie ist es mit der Beobachtung des Beobachters, sich des Gewahrseins gewahr sein?
MAHARAJ: Wortklaubereien bringen Sie nicht weiter. Gehen Sie in sich, finden Sie heraus, was Sie nicht sind. Nichts anderes ist von Bedeutung.
FRAGE: Was tun Sie, wenn Sie schlafen?
MAHARAJ: Ich bin gewahr zu schlafen.
FRAGE: Ist Schlaf nicht ein unbewußter Zustand?
MAHARAJ: Ja, ich bin gewahr, unbewußt zu sein.
FRAGE: Und wenn Sie wach sind oder träumen?
MAHARAJ: Dann bin ich gewahr, wach zu sein oder zu träumen.
FRAGE: Da komme ich nicht mit. Was meinen Sie genau? Lassen Sie mich meine Vorstellung klar machen: Mit Schlafen meine ich, unbewußt zu sein, mit Wachsein meine ich, bewußt zu sein, und mit Träumen meine ich, sich seines Verstandes bewußt zu sein, doch nicht der Umgebung.
MAHARAJ