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Jann M. Witt

Von Schwarz-Rot-Gold
zu Schwarz-Rot-Gold

Eine kurze Geschichte der
deutschen Marinen von 1848 bis heute

 

 

 

Herausgegeben vom
Deutschen Marinebund e.V.

 

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Impressum

 

Von Schwarz-Rot-Gold zu Schwarz-Rot-Gold

Eine kurze Geschichte der deutschen Marinen von 1848 bis heute

Herausgegeben vom Deutschen Marinebund e.V.

4., durchgesehene, aktualisierte und erweiterte Auflage

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Deutschen Marinebundes. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen,

Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book im Elsengold Verlag, 2021

© der Originalausgabe:

Deutscher Marinebund e. V., Laboe, 2020

Palmedia Publishing Services GmbH, Berlin, 2020

Lizenzausgabe für den Elsengold Verlag, Berlin

 

Alle Abbildungen: Deutscher Marinebund e.V.

Umschlaggestaltung: Felgner & Zierke, Berlin

Titelbilder: Die Fregatte GEFION (oben) / Einsatzgruppenversorger (EGV) der BERLIN-Klasse (unten) / Die GORCH FOCK, das Segelschulschiff der Deutschen Marine (S. 2)

 

ISBN 978-3-96201-102-4 (epub)

ISBN 978-3-944594-88-0 (print)

 

Besuchen Sie uns im Internet: www.elsengold.de

Vorwort des Präsidenten des Deutschen Marinebundes e.V.

 

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Dieses Buch gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte der deutschen Marinen und des Marine-Ehrenmals in Laboe. Es basiert auf den Texten der Dauerausstellung in der Historischen Halle des Marine-Ehrenmals in Laboe und wurde von Dr. Jann M. Witt, dem Historiker des Deutschen Marinebundes, auf der Grundlage des aktuellen Stands der Marinegeschichtsforschung verfasst. Dieses Buch ist dabei gleichsam als »Ausstellung zum Mitnehmen« gedacht – zum Nachlesen, zum Wiederlesen und zum Vertiefen. Es soll Interesse wecken für die deutsche Marinegeschichte – und damit auch für die deutsche Geschichte.

Das Marine-Ehrenmal ist das ideelle und emotionale Zentrum des Deutschen Marinebundes (DMB). Seit der Erbauung ist der DMB der alleinige Eigentümer dieser weltweit einmaligen Gedenkstätte. Der DMB unterhält das Marine-Ehrenmal ohne regelmäßige staatliche Unterstützung weitgehend aus eigenen Mitteln.

Das zwischen 1927 und 1936 gebaute Marine-Ehrenmal war ursprünglich als Gedenkstätte für die Gefallenen der Kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg errichtet worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zu einer Gedenkstätte für die auf See Gebliebenen aller Nationen. Heute ist das Marine-Ehrenmal eine nationale Gedenkstätte mit internationalem Charakter und zugleich die offizielle Gedenkstätte der Deutschen Marine.

Die Dauerausstellung in der Historischen Halle macht deutlich, dass es im Marine-Ehrenmal nicht um Heldenverehrung, sondern um die Erinnerung an die Opfer zweier Weltkriege geht, wobei sowohl der deutschen, als auch der alliierten Kriegstoten gedacht wird. Zugleich ist das Marine-Ehrenmal die offizielle Gedenkstätte der Deutschen Marine. Die Besucher sollen über die Geschichte des Marine-Ehrenmals und dessen besondere Rolle unter den deutschen Gedenkstätten sowie über die Grundzüge der deutschen Marinegeschichte informiert werden.

Die Geschichte der deutschen Marinen ist auf das engste mit der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts verknüpft. Anders als die meisten europäischen Staaten hat Deutschland während der letzten 160 Jahre nicht nur eine Marine besessen, sondern gleich acht Marinen: Angefangen mit der Reichsflotte von 1848 (die oft – nicht ganz korrekt – auch als Bundesflotte bezeichnet wird) über die preußische Marine, die Marine des Norddeutschen Bundes, die Kaiserliche Marine, die Reichsmarine, die Kriegsmarine bis hin zur Volksmarine und der Marine der Bundesrepublik Deutschland, die seit der Wiedervereinigung kurz Deutsche Marine heißt. Die Ausstellung und dieses Buch zeigen dabei im Sinne einer kritischen Auseinandersetzung die Höhen und Tiefen, die Kontinuitäten und Diskontinuitäten der deutschen Marinegeschichte.

Das Marine-Ehrenmal ist heute eine Gedenkstätte von nationaler und internationaler Bedeutung, die sich als Erinnerungs- und Lernort mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts bewusst auseinandersetzt. Auch in Zukunft wird das Marine-Ehrenmal ein lebendiges Denkmal bleiben. Dies ist das Ziel des Deutschen Marinebundes. Ich bitte Sie, uns dabei zu unterstützen, dieses weltweit einzigartige Mahnmal für die kommenden Generationen zu bewahren – sei es durch eine Spende oder durch Ihre Mitgliedschaft im Deutschen Marinebund, der größten maritimen Vereinigung Deutschlands.

 

Heinz Maurus

Präsident des Deutschen Marinebundes e.V.

Die Anfänge der Deutschen Marine 1848–1852

Im Revolutionsjahr 1848 wird mit der Bundesflotte die erste gesamtdeutsche Marine gegründet. Sie wird von der Frankfurter Nationalversammlung, dem ersten frei gewählten deutschen Parlament, kontrolliert und führt die schwarz-rot-goldene Flagge.

Das Scheitern des ersten Versuches der Gründung eines deutschen Nationalstaates bedeutet auch das Ende der Bundesflotte.

Die Vorgeschichte

Bis in das 19. Jahrhundert hinein gibt es keine (gesamt-)deutsche Marine. Weder die mittelalterliche Hanse noch die brandenburgische Marine im 17. Jahrhundert können als direkte Vorgänger der späteren deutschen Marinen angesehen werden.

Die Hanse entsteht in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts aus Zusammenschlüssen deutscher Kaufleute, die im Fernhandel tätig sind. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts übernehmen die von Großkaufleuten dominierten Städte die führende Rolle innerhalb der Hanse, die sich am ehesten als ein lockerer Zusammenschluss deutscher Kaufmannsstädte mit ähnlichen, wenn auch nicht identischen Handelsinteressen beschreiben lässt. Die Eckpunkte des hansischen Handels bilden die vier Hansekontore in London, Brügge, Bergen und Nowgorod, zwischen denen die Warenströme hin und her fließen. Zwar sind die Hansestädte im Fall militärischer Auseinandersetzungen in der Lage, beachtliche Flottenverbände aufzustellen, doch gilt das Interesse der Hansestädte allein der Verteidigung ihres Seehandels und ihrer wirtschaftlichen Privilegien und nicht der Durchsetzung von Seeherrschaft. Im 15. Jahrhundert beginnt der allmähliche politische und wirtschaftliche Niedergang der Hanse. Im 17. und 18. Jahrhundert unterhalten die Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen einige Kriegsschiffe, doch dienen auch diese sogenannten »Convoyschiffe« ausschließlich dem Schutz des Seehandels vor Piraten und feindlichen Angriffen.

Von den frühneuzeitlichen deutschen Territorialstaaten beginnt nur Brandenburg während der Herrschaft von Kurfürst Friedrich Wilhelm (1648–1688) mit dem Aufbau einer kleinen Marine. Doch der Versuch, Brandenburg zu einer See- und Kolonialmacht nach englischem oder niederländischem Vorbild zu erheben, scheitert an den mangelnden Ressourcen des kleinen Landes. Nach 1715 verfällt die brandenburgisch-preußische Flotte, da alle Mittel für den Aufbau des Heeres eingesetzt werden.

Die deutsche Marinegeschichte beginnt dementsprechend erst im Jahre 1848 mit der Gründung der sogenannten »Bundesflotte«, der ersten gesamtdeutschen Marine.

Der Wiener Kongress

Nach der Niederlage Napoleons schafft der Wiener Kongress 1815 eine neue Ordnung in Europa, die bis zum Ersten Weltkrieg die europäische Politik bestimmt.

Ziel ist die Restauration, die Wiederherstellung des politischen Zustandes vor Beginn der Französischen Revolution 1789. Dies gilt auch für die deutschen Länder. Doch weder die freiheitlich-liberale Bewegung noch die Hoffnung auf die Gründung eines deutschen Nationalstaates können dauerhaft unterdrückt werden.

Der Deutsche Bund

Das 1806 aufgelöste Heilige Römische Reich Deutscher Nation wird nicht wieder errichtet. An seine Stelle tritt der 1815 gegründete Deutsche Bund als Konföderation souveräner Staaten. Die Könige von Großbritannien, Dänemark und der Niederlande werden ebenfalls Mitglieder des Deutschen Bundes, da zu ihren Herrschaftsgebieten auch deutsche Territorien zählen. Von Anfang an wird der Deutsche Bund von der Rivalität Preußens und Österreichs um die Vormachtstellung in Deutschland belastet.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebt der Seehandel der deutschen Länder als Folge der beginnenden Industrialisierung einen ersten großen Aufschwung. Von den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes verfügen aber nur Großbritannien, Dänemark und die Niederlande über größere Flotten zum Schutz des Seehandels. Von den deutschen Staaten besitzen lediglich Österreich und Preußen Seestreitkräfte. Die österreichische Flotte ist in der Adria stationiert, während die 1815 gegründete preußische Marine lediglich über eine geringe Zahl von Ruderkanonenbooten in der Ostsee verfügt.

Nach dem Ende der napoleonischen Kriege baut Preußen eine kleine Küstenflotte auf, die aus einigen ehemaligen schwedischen Kanonenbooten und einem bewaffneten Schoner besteht. Auch die schwedischen Marineoffiziere Diedrich Johann Longé und Henry Murck treten in preußische Dienste über; sie bleiben bis 1843 die einzigen preußischen Seeoffiziere. 1844 wird die Segelkorvette AMAZONE in Dienst gestellt. Sie dient als Schulschiff für die Navigationsschule in Danzig, ist aber Kriegsschiff ausgerüstet und fährt unter der preußischen Kriegsflagge. Diese ist als Doppelstander ausgeführt und zeigt in der Mitte den preußischen Adler sowie das Eiserne Kreuz in der Gösch (linkes Obereck). 1847 wird die AMAZONE in die preußische Kriegsflotte übernommen. Als erstes größeres preußisches Kriegsschiff erhält sie später den liebevollen Beinamen »Großmutter der deutschen Flotte«. Im gleichen Jahr wird auch ein preußisches Marinecorps gegründet.

Frühe Flottenpläne

Nach 1815 werden immer wieder Stimmen laut, die den Aufbau deutscher Seestreitkräfte fordern. So regt beispielsweise der badische Gesandte in der Bundesversammlung nach Übergriffen tunesischer Piraten auf deutsche Handelsschiffe die Errichtung einer deutschen Flotte an – allerdings ohne Erfolg. In den 1840er-Jahren beginnt erneut eine Diskussion über die Notwendigkeit einer deutschen Flotte. Es erscheinen zahlreiche Schriften, die deutsche Seestreitkräfte zum Schutz des Seehandels fordern.

Die Revolution von 1848

Anfang 1848 löst die Februarrevolution in Frankreich einen politischen Flächenbrand aus, der fast den gesamten europäischen Kontinent erfasst. Der revolutionäre Funke springt auch auf die Staaten des Deutschen Bundes über, wo die national-liberale Bewegung trotz aller Unterdrückungsversuche lebendig geblieben ist. Es kommt zur Erhebung der bürgerlich-demokratischen und nationalen Kräfte gegen die monarchisch-konservativen Regierungen im Deutschen Bund.

Am 18. Mai 1848 tritt in der Frankfurter Paulskirche mit der Nationalversammlung das erste frei gewählte gesamtdeutsche Parlament zusammen. Es soll über eine freiheitliche Verfassung für einen zu schaffenden deutschen Nationalstaat beraten. Nach dem Willen der Parlamentarier soll der Deutsche Bund als Fürstengemeinschaft durch ein neu zu gründendes Deutsches Reich ersetzt werden.

Im Juni löst sich die Bundesversammlung des Deutschen Bundes auf. Zugleich schafft die Frankfurter Nationalversammlung die sogenannte »Zentralgewalt« als provisorische Reichsregierung. Doch das Vorhaben einer nationalen Einigung scheitert letztlich an der politischen Spaltung der Abgeordneten und am Widerstand der deutschen Fürsten.

Die schleswig-holsteinische Erhebung

Die von Frankreich ausgehende Revolutionsbewegung bringt auch den seit Langem schwelenden Konflikt zwischen den nationalen Bewegungen Dänemarks und Schleswig-Holsteins zum offenen Ausbruch. Der wesentliche Streitpunkt ist die Frage, ob Schleswig Teil des dänischen Nationalstaates werden oder zusammen mit dem zum Deutschen Bund gehörigen Holstein einem noch zu bildenden deutschen Nationalstaat angehören soll.

Doch die Entscheidung über die zukünftige Zugehörigkeit Schleswig-Holsteins fällt nicht in den Parlamenten, sondern auf dem Schlachtfeld und durch die internationale Diplomatie. Als Reaktion auf die Berufung einer national-liberalen Regierung in Kopenhagen wird in der Nacht vom 23. zum 24. März 1848 in Kiel eine »Provisorische Regierung« gebildet, die sogleich verkündet, sich der deutschen Einheitsbewegung anschließen zu wollen. Die Dänen betrachten die »Erhebung« der Schleswig-Holsteiner als Aufruhr und reagieren mit einer militärischen Intervention.

Im März 1848 beginnt der erste deutsch-dänische Krieg. Die Schleswig-Holsteiner erhalten militärische Unterstützung durch Truppenkontingente des Deutschen Bundes. Zunächst greifen hannoversche und kurz darauf auch preußische Truppen in den Kampf ein. Zusammen mit der schleswig-holsteinischen Armee stoßen sie bis nach Jütland vor.

Ungeachtet des spektakulären Sieges schleswig-holsteinischer Küstenbatterien über ein dänisches Geschwader bei Eckernförde am 5. April 1849, bei dem die Fregatte GEFION erobert und das Linienschiff CHRISTIAN VIII. vernichtet wird, endet der Krieg 1851 mit der Niederlage der Schleswig-Holsteiner, nachdem Preußen bereits 1849 auf Druck der europäischen Großmächte aus dem Krieg gegen Dänemark ausgeschieden ist und den Schleswig-Holsteinern die militärische Unterstützung entzogen hat.

Die Gründung der Reichs- oder Bundesflotte

Bei Beginn des ersten deutsch-dänischen Krieges im Frühjahr 1848 nimmt die dänische Flotte die Blockade der deutschen Küsten auf. Da die norddeutschen Küstenstaaten nur über geringe Seestreitkräfte verfügen und sich die in der Adria stationierte österreichische Marine infolge der revolutionären Ereignisse in Italien in Aufruhr befindet, besitzt Dänemark die unangefochtene Seeherrschaft in der Nord- und Ostsee. Dadurch kommt der schutzlose deutsche Seehandel fast völlig zum Erliegen. Allein in den ersten Tagen nach Kriegsausbruch bringen die Dänen mehr als 50 deutsche Handelsschiffe auf.

Dies lässt den Ruf nach einer deutschen Marine laut werden, der sich bald zu einer wahren Flottenbegeisterung steigert. Am 14. Juni 1848 setzt die Frankfurter Nationalversammlung einen Beschluss der Bundesversammlung um und bewilligt die Gelder für den Aufbau der Reichsflotte genannten ersten (gesamt-)deutschen Marine, die oft auch unzutreffend als Bundesflotte bezeichnet wird. Sie führt die schwarz-rot-goldene Flagge mit dem doppelköpfigen Reichsadler in der Gösch (linkes Obereck der Flagge). Parallel dazu beginnt auch Preußen 1848 mit dem Aufbau einer modernen Seestreitmacht.

Prinz Adalberts Denkschrift

Die neu gebildete Reichsregierung überträgt dem Handelsminister, dem Bremer Senator Arnold Duckwitz, einem energischen Marinebefürworter, die Leitung der Flotte. Eine seiner ersten Maßnahmen ist die Einberufung einer Technischen Marinekommission unter der Leitung Prinz Adalberts von Preußen, eines ausgewiesenen Marinefachmanns. In seiner Denkschrift über die Bildung einer deutschen Flotte skizziert Prinz Adalbert 1848 drei verschiedene Flottenmodelle:

  1. eine defensive Küstenverteidigungsmarine (ausschließlich Ruderkanonenboote),
  2. eine für eine offensive Verteidigung und Handelsschutz ausgelegte Marine (Ruderkanonenboote und Fregatten),
  3. eine selbstständige Seemacht nach britischem oder französischem Vorbild (Ruderkanonenboote, Fregatten und Linienschiffe).

Prinz Adalbert selber tritt für die zweite Lösung ein, da eine vorwiegend aus Fregatten bestehende Flotte die großen Seemächte im Gegensatz zu einer aus Linienschiffen bestehenden Schlachtflotte nicht herausfordern, die zukünftige deutsche Marine aber zu einem geeigneten Bündnispartner für diese machen würde.

Der Aufbau der Bundesflotte

Trotz vieler Widrigkeiten nimmt der Aufbau der ersten gesamtdeutschen Marine allmählich konkrete Formen an. Zum Oberbefehlshaber wird Karl Rudolf Bromme, genannt »Brommy«, ernannt, der mehr als 20 Jahre lang als Offizier in der griechischen Marine gedient hat.

Unter seiner Führung erreicht die sogenannte Bundesflotte schließlich eine Gesamtstärke von 27 Ruderkanonenbooten für den Küstenschutz und zwölf größeren Kriegsschiffen, von denen die meisten Dampfschiffe sind.

Die preußischen Seestreitkräfte verbleiben hingegen aufgrund der politischen Spannungen zwischen Preußen und der Frankfurter Zentralgewalt unter preußischem Befehl.

Das Gefecht von Helgoland 1849

Am 4. Juni 1849 trifft ein deutsches Geschwader unter dem Befehl von Kommodore Brommy nahe dem damals britischen Helgoland auf die dänische Segelkorvette VALKYRIEN. Um diplomatische Auseinandersetzungen mit Großbritannien zu vermeiden, bricht Brommy das für die deutschen Schiffe günstig verlaufende Gefecht vorzeitig ab und zieht sich zurück. Dies bleibt der einzige Vorstoß der Bundesflotte.

 

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Schiffe der Bundesflotte unter der schwarz-rot-goldenen Flagge

 

Kurz darauf weist die britische Regierung in einer Note darauf hin, dass ihr die schwarz-rot-goldene Flagge unbekannt sei. Tatsächlich hat es die deutsche Regierung versäumt, Großbritannien die neue Flagge anzuzeigen, die daher nur von einigen kleineren Staaten, aber nicht von der größten Seemacht der Welt anerkannt wird. Um außenpolitische Verwicklungen zu vermeiden, bleibt die Bundesflotte in der Folgezeit untätig vor Anker liegen.

Die schleswig-holsteinische Flottille

Auch die Schleswig-Holsteiner beginnen nach dem Ausbruch des Krieges gegen Dänemark mit dem Aufbau eigener Seestreitkräfte. Die kleine, hauptsächlich aus Ruderkanonenbooten bestehende Flottille kann gegen die weit überlegene dänische Flotte einige Erfolge erringen.

Vor allem zeichnet sich die Schleswig-Holsteinische Flottille aber durch technische Innovationen aus. Mit dem Einsatz des dampfgetriebenen Schraubenkanonenbootes VON DER TANN, das wegen seiner Antriebsanlage zu den modernsten Kriegsschiffen seiner Zeit zählt, und dem Bau des BRANDTAUCHER genannten ersten prinzipiell funktionsfähigen U-Bootes weist sie weit in die Zukunft des Seekriegswesens. Nach der Niederlage gegen Dänemark 1851 wird die Schleswig-Holsteinische Flottille aufgelöst.

Obgleich die Schleswig-Holsteiner am Ende der dänischen Übermacht unterlegen sind, hat auch die dänische nationale Bewegung keinen wirklichen Sieg errungen. Statt der Eingliederung des Herzogtums Schleswig in das Königreich Dänemark erfolgt auf Druck der europäischen Großmächte die Wiederherstellung des dänischen Gesamtstaats. In den Londoner Protokollen von 1851/52 muss Dänemark völkerrechtlich verbindlich zusagen, auf einen Anschluss Schleswigs an das Königreich zu verzichten.

 

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Die Fregatte GEFION. Das im Gefecht von Eckernförde am 5. April 1849 eroberte dänische Schiff wird zunächst als ECKERNFÖRDE von der Bundesflotte übernommen und nach deren Auflösung 1852 an die preußische Marine abgegeben, die es wieder unter seinem ursprünglichen Namen GEFION in Dienst stellt.

Das Ende der ersten gesamtdeutschen Marine

Mit der Ablehnung der deutschen Kaiserkrone durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen scheitert 1849 der erste Versuch, einen deutschen Nationalstaat zu schaffen. Stattdessen wird der Deutsche Bund wiederhergestellt. Doch die deutschen Staaten haben kein Interesse am Unterhalt einer teuren gemeinsamen Flotte.

Am 2. April 1852 beschließt der Deutsche Bundestag die Auflösung der Bundesflotte. Die Mannschaften und Offiziere, darunter auch der Oberbefehlshaber, Konteradmiral Karl Rudolf Bromme, werden entlassen, zwei der Schiffe an Preußen abgegeben und die übrigen Schiffe sowie die Ausrüstung 1852/53 nach und nach versteigert. Ein Teil des Personals wird von der österreichischen Marine übernommen.

Am 31. März 1853 wird der offizielle Auflösungsbefehl erlassen. Dies ist das Ende der Bundesflotte. Die preußische Marine besteht dagegen weiter.

Die Bundesflotte und die Deutsche Marine

Als gesamtdeutsche, vom Parlament kontrollierte, die schwarz-rot-goldene Flagge führende und von vornherein als bündnisfähig angelegte Seestreitmacht weist die Bundesflotte von 1848 zahlreiche Parallelen zur heutigen Deutschen Marine auf. Aus diesem Grund sieht sich die Deutsche Marine in der Tradition der Bundesflotte von 1848. Seit 1998 wird daher in Erinnerung an den Beschluss des Frankfurter Paulskirchenparlaments zur Aufstellung der Bundesflotte alljährlich der 14. Juni als Marinegeburtstag begangen.

Um die Traditionsanknüpfung an die erste gesamtdeutsche Marine zu unterstreichen, hat sich in der Deutschen Marine für diese ersten gesamtdeutschen Seestreitkräfte die Bezeichnung »Bundesflotte« etabliert, auch wenn diese eigentlich korrekterweise als »Reichsflotte« bezeichnet werden sollte.

Von der preußischen zur Kaiserlichen Marine 1848–1871

Nicht die gesamtdeutsche Bundesflotte von 1848, sondern die gleichzeitig gegründete preußische Marine wird zum Vorläufer der späteren Kaiserlichen Marine. Ihre Aufgabe ist der Schutz der preußischen See- und Handelsinteressen. In den drei sogenannten Einigungskriegen, die 1871 zur Gründung des deutschen Kaiserreichs führen, spielt die noch im Aufbau befindliche Flotte keine Rolle.

Die Gründung der preußischen Marine

Am 5. September 1848 befiehlt König Friedrich Wilhelm IV. den Ausbau der seit 1815 bestehenden preußischen Marine. Damit sollen die See- und Handelsinteressen des wirtschaftlich aufstrebenden Königreichs Preußen geschützt werden.

 

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Die Korvette VINETA der preußischen Marine

 

Am 1. März 1849 wird Prinz Adalbert von Preußen zum Oberbefehlshaber aller preußischen Kriegsfahrzeuge ernannt. Als Hauptstützpunkt dient zunächst Danzig. Als erster Stützpunkt in der Nordsee wird 1853 das sogenannte Jadegebiet erworben. Hier entsteht ein Marinehafen, der 1869 den Namen Wilhelmshaven erhält.

Von 1859 bis 1862 unternimmt ein Geschwader der preußischen Marine erstmals eine mehrjährige Auslandsreise nach Ostasien, um Handelsverträge für Preußen und die norddeutschen Küstenländer abzuschließen. Am 2. September 1860 geht der Schoner FRAUENLOB in einem Taifun vor der japanischen Küste mit der gesamten Besatzung von 47 Mann verloren. Es ist der erste Schiffsverlust der preußischen Marine.

Obgleich die preußische Marine 1861 als Folge innenpolitischer Machtkämpfe dem vom Heer dominierten Kriegsministerium unterstellt wird, macht der Flottenaufbau Fortschritte.

Der Deutsch-Dänische Krieg

Ende 1863 eskaliert der Konflikt um Schleswig-Holstein erneut, als der neue dänische König Christian IX. eine gemeinsame Verfassung für Dänemark und Schleswig unterzeichnet. Damit verstößt Dänemark offen gegen die 1851/52 in den Londoner Protokollen getroffenen, völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarungen. Dies bietet dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck die Rechtfertigung für einen Krieg gegen Dänemark, wobei sein eigentliches Ziel die Annexion der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Preußen ist.

Am 1. Februar 1864 überschreiten preußische und österreichische Truppen die Eider. Mit der Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April 1864 durch die Preußen fällt faktisch die militärische Entscheidung. Im Frieden von Wien muss König Christian IX. von Dänemark im Oktober 1864 Schleswig-Holstein an Preußen und Österreich abtreten. Dies ist der erste Schritt auf Bismarcks Weg der Einigung Deutschlands unter Führung Preußens.

1865 wird Kiel preußischer Kriegshafen. Noch im gleichen Jahr wird die Marinestation der Ostsee mit allen Schiffen, Stäben und Landeinheiten von Danzig nach Kiel verlegt.

Das Gefecht von Helgoland

Mit Ausnahme eines kurzen Gefechts mit einem dänischen Geschwader vor Jasmund am 15. März 1864 spielt die preußische Flotte während des Krieges gegen Dänemark keine entscheidende Rolle. Erneut blockiert die dänische Flotte die deutschen Küsten an Nord- und Ostsee.

 

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Das unentschieden verlaufene Gefecht zwischen einem preußisch-österreichischen und einem dänischen Geschwader am 9. Mai 1864 vor Helgoland ist das einzige bedeutende Seegefecht des Deutsch-Dänischen Krieges.

 

Am 9. Mai 1864 kommt es zum einzigen größeren Seegefecht des Krieges, als ein preußisch-österreichisches Geschwader unter dem Befehl des österreichischen Linienschiffskapitäns Wilhelm von Tegetthoff vor Helgoland auf ein überlegenes dänisches Blockadegeschwader trifft.

Der kurze, für beide Seiten verlustreiche Kampf endet mit dem Rückzug Tegetthoffs, doch sind die Dänen gezwungen, die Blockade der deutschen Nordseeküste aufzugeben. Das Treffen von Helgoland ist das letzte von hölzernen Kriegsschiffen ausgetragene Hochseegefecht.

Der Deutsche Krieg

Das sogenannte »Kondominium«, die zunächst gemeinsam, dann getrennt von den Preußen und Österreich ausgeübte Verwaltung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, dauert nur rund zwei Jahre. Die von Bismarck geschürten Kontroversen um die Zukunft der beiden Herzogtümer führen im Juni 1866 zum Krieg zwischen Preußen und Österreich, in dem es um die Vorherrschaft in Deutschland geht. Auch in diesem Krieg, der als »Preußisch-Österreichischer Krieg« oder »Deutscher Krieg« in die Geschichte eingegangen ist, spielt die preußische Marine keine Rolle.

In der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 wird die österreichisch-sächsische Armee entscheidend geschlagen. Im Frieden von Prag tritt Österreich im August 1866 seine Rechte an den Herzogtümern an die siegreichen Preußen ab, die Schleswig und Holstein 1867 annektieren und als Provinz in das Königreich Preußen eingliedern. Auch das Königreich Hannover, das Herzogtum Nassau, das Kurfürstentum Hessen und die Freie Stadt Frankfurt, die auf Seiten Österreichs gekämpft haben, werden von Preußen annektiert.

Nach dem Sieg über Österreich wird der Deutsche Bund aufgelöst. An seine Stelle tritt der von Preußen dominierte Norddeutsche Bund, zu dem unter anderem auch Mecklenburg, Sachsen und die Hansestädte Lübeck, Hamburg und Bremen gehören. Damit ist der Weg frei für eine Neuordnung Deutschlands ohne Österreich.

Die Seeschlacht von Lissa

Österreich kämpft 1864 nicht nur gegen Preußen und dessen Alliierte, sondern auch zu Land und zur See gegen das ebenfalls mit Preußen verbündete Königreich Italien. Am 20. Juli 1866 besiegt ein österreichisches Geschwader unter Konteradmiral Wilhelm von Tegetthoff vor der an der Küste Kroatiens gelegenen Insel Lissa (heute: Vis) ein überlegenes italienisches Geschwader. Es ist das erste größere Seegefecht, an dem Panzerschiffe beteiligt sind. Dabei wird das italienische Panzerschiff RE d‘ITALIA durch einen Rammstoß versenkt. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den Kriegsschiffbau und die Seekriegstaktik. Obgleich sich die Artillerie als Hauptwaffe durchsetzt, erhalten die meisten größeren Kriegsschiffe bis zum Ersten Weltkrieg einen Rammbug.

Die Marine des Norddeutschen Bundes

Am 1. Oktober 1867 geht die preußische Marine in der neu gegründeten Marine des Norddeutschen Bundes auf. Kiel und Wilhelmshaven werden Bundeskriegshäfen.

Zugleich erhält die Flotte eine neue Flagge. Sie zeigt ein schwarzes Kreuz auf weißem Grund mit dem preußischen Adler im Mittelfeld sowie einer aus dem Schwarz-Weiß der preußischen Flagge und dem Rot-Weiß der Hansestädte gebildeten Trikolore mit dem Eisernen Kreuz in der Gösch (linkes Obereck). Mit geringen Änderungen wird diese Flagge bis 1921 von allen deutschen Kriegsschiffen geführt.