Literaturverzeichnis

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Voelchert, Mathias: Liebevolle elterliche Führung: Das Praxisbuch. Beltz 2017.

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Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften

Links

Quellenverzeichnis

1 Schonhöft, Michaela: Kindheiten. Wie kleine Menschen in anderen Ländern groß werden. 2013.

2 https://www.tutoria.de/schule-ratgeber/wissenswertes/kindererziehung-im-ausland

3 Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen. Born to be wild: Wie die Evolution unsere Kinder prägt. 2009. S. 451–463.

4 Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen. Born to be wild: Wie die Evolution unsere Kinder prägt. 2009. S. 460.

5 Thomashoff, Hans-Otto: Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden. Warum Eltern die besten Vorbilder sind. 2018. S. 8 f.

6 Schmitz, Tobias: »Dürfen die denn alles?«, Stern Nr. 44 vom 24. Oktober 2019, S. 28–38.

7 Bauer, Joachim: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. 2014. S. 23 ff.

8 https://de.wikipedia.org/wiki/EmmyWerner_(Psychologin)

9 Thomashoff, Hans-Otto: Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden. Warum Eltern die besten Vorbilder sind. 2018. S. 7.

10 Fitzek, Sebastian: Fische, die auf Bäume klettern: Ein Kompass für das große Abenteuer namens Leben. 2019. S.25.

11 Aus einem Vortrag von Mathias Voelchert zum Buch Liebevolle, elterliche Führung, Zitat vom Autor autorisiert.

12 Tegtmeier, Sascha: »Der Drang nach Freiheit überwindet alles«, Mein Bahnhof vom Herbst 2019, S. 16.

13 https://sz-magazin.sueddeutsche.de/schule/heute-haben-viele-kinder-zu-vielmacht-80211.

14 Persönliches Interview mit Peter Rusch am 22.10.2019.

15 Stewart, Ian; Joines, Vann: Die Transaktionsanalyse. Eine Einführung. 2000.

16 Persönliches Interview mit Lee Fischer am 22.10.2019.

17 www.hirsekorn.net

18 Persönliches Interview mit Marion Hirsekorn am 13.09.2019.

19 https://www.khbrisch.de/presse-news-archiv/presse-kh-brisch/eine-sichere-bin-dung-von-anfang-an/ (abgerufen am 29.03.2020)

20 Persönliches Interview mit Marion Hirsekorn am 13.09.2019.

21 https://www.schweizer-illustrierte.ch/family/familien-geschichten/15-revolutionare-aussagen-von-jesper-juul

22 Kaiser, Mareice: https://editionf.com/Das-Unwohlsein-der-modernen-Mutter/

23 Brisch, Karl Heinz (Hrsg.): Bindungen – Paare, Sexualität und Kinder. 2012. S.16 f.

24 Besser, Lutz-Ulrich, in: Karl Heinz; Hellbrügge, Theodor (Hrsg.): Bindung, Angst und Aggression. Theorie, Therapie und Prävention. 2010. S. 84.

25 Schaaf, Julia: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/familie/remo-largo-das-kind-weiss-genau-was-es-werden-will-11757126.html

26 Mitschrift eines Vortrages von Haim Omer am 04./05.02.2019 in Augsburg.

27 https://heartleaders.de/fileadmin/dokumente/PDFs/Wertschaetzung_

28 https://www.thebestsocial.media/de/14-erheiternde-erziehungstipps-von-schwesterfd/

29 Seitz, Georg: »Meinen Sohn erziehe ich ohne Strafen«, BUNTE 38/2019, S. 102.

30 Thomashoff, Hans-Otto: Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden. Warum Eltern die besten Vorbilder sind. 2018. S. 14.

31 Persönliches Interview mit Marion Hirsekorn am 13.09.2019.

32 https://www.stern.de/panorama/gesellschaft/rat-vom-experten-was-eltern-und-kinder-stark-macht-3218176.html

33 https://familienblog.nuernberg.de/schoener-streiten/

34 Mitschrift eines Vortrages von Haim Omer am 04./05.02.2019 in Augsburg.

35 Thomashoff, Hans-Otto: Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden. Warum Eltern die besten Vorbilder sind. 2018. S. 81.

36 Posth, Rüdiger: Vom Urvertrauen zum Selbstvertrauen. Das Bindungskonzept in der emotionalen und psychosozialen Entwicklung des Kindes. 2014. S.153ff.

37 Blawat Katrin: »Sind halt Teenager«, SZ vom 05.09.2019, S. 14.

38 Buhrfeind, Anne: Riskiere den Streit!, Chrismon 03/2020, S. 26–29.

39 Rosenberg, Marshall B.: Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. 2009.

40 https://de.wikipedia.org/wiki/Aktives_Zuh%C3%B6ren#Modell_nach_Carl_R._Rogers.

41 https://science.orf.at/stories/2950563?fbclid=IwAR0zeNeDhG9Yevu31H7GgbcsNiTOfVQ2aH4j9tZ6sVlBdIfkBqcRNZ5HbOE

42 https://karin-guemmer-coaching.de/ (Auch Frauen, die nicht vor Ort leben, können sich dank Onlinebetreuung bei Karin Gümmer Unterstützung und Anregungen holen.)

43 Thomashoff, Hans-Otto: Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden. Warum Eltern die besten Vorbilder sind. 2018. S. 122.

44 https://familylab.de/files/Artikel_PDFs/familylab-Artikel/Was_kann_ich_tun_02.pdf

45 https://efraimstochter.de/181-Astrid-Lindgren-Die-gute-Frau-von-Bullerbue.htm#content

46 https://www.stimme.de/heilbronn/nachrichten/region/Was-Raben-bei-der-Erziehung-besser-als-Menschen-machen;art140897,4152409

47 https://karrierebibel.de/geschwister/#Geschwister-Eine-komplizierte-Beziehung-fuers-Leben

Über die Autorin

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Heidemarie Brosche ist Mittelschullehrerin und erfolgreiche Autorin von Kinder-, Jugend- und Sachbüchern. Sie ist Mutter von drei inzwischen erwachsenen Söhnen und lebt mit ihrem Mann in Friedberg bei Augsburg. Wichtig ist ihr – auch in der Schule – ein Zusammenleben, das von gegenseitiger Wertschätzung getragen ist. In ihren Büchern versucht sie, Gelassenheit und Zuversicht zu vermitteln.

Über die Redakteurin

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Sabine Thum ist Mutter zweier Söhne im Grundschulalter und arbeitet als Sonderschullehrerin an einem Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Sowohl beruflich als auch im Umgang mit ihren eigenen Kindern helfen ihr in herausfordernden Situationen die Erkenntnisse der Bindungs- und Resilienzforschung, eine wertschätzende Grundhaltung zu bewahren. Sie lebt mit ihrer Familie in Augsburg.

KAPITEL 1

Eigentlich eine klare Sache –
wie wichtig Wertschätzung in
der Erziehung ist

Buse, 28, verheiratet, noch kinderlos

Ich denke, Wertschätzung ist das A und O, um ein »gesundes« und selbstbewusstes Kind zu erziehen. Sie stärkt die Bindung zwischen Kind und Eltern und fördert das soziale Miteinander (auch später mit Gleichaltrigen).

Was Wertschätzung (nicht) ist

Wer das Wort »Wertschätzung« verwendet, wird nicht immer richtig verstanden.

Achtung, Missverständnis!

Ist Wertschätzung nicht dieses Loben um jeden Preis, das bewirkt, dass die Kinder süchtig nach Verstärkung werden? Führt sie nicht auch dazu, dass Kinder viel zu oft das Gefühl haben, großartig zu sein? Ist sie nicht gleichbedeutend mit diesem Lieb-Tun, das gar nicht immer echt sein kann? Heißt Wertschätzung nicht, dass man als Erwachsener immer nett sein muss, auch wenn einem gar nicht danach ist? Hat Wertschätzung nicht viel mit Sich-Anbiedern und Einschmeicheln zu tun? Führt sie nicht zu einer Art Kuschelpädagogik, bei der alle immer auf Harmonie bedacht sind? Werden die Kinder durch eine beständige Wertschätzung von klein auf nicht verweichlicht und dementsprechend schlecht auf das Leben vorbereitet? Wird Wertschätzung nicht sogar manipulativ eingesetzt, das heißt, dass Erwachsene mit vorgetäuschter Wertschätzung beim Kind ein bestimmtes Verhalten erzielen wollen?

Jeder Mensch verdient Wertschätzung!

Nein, um all das geht es eben nicht, wenn man Wertschätzung ernst nimmt! Der Schlüssel zur Bedeutung liegt so wunderbar im Wort selbst: den Wert eines Menschen schätzen. Und dabei muss nichts gemessen, nichts verglichen werden. Jeder Mensch hat einen Wert – einfach nur deshalb, weil er geboren wurde. Von der Sprachgeschichte her ist »Wert« mit »Würde« verwandt, und Letztere ist laut Artikel 1 unseres Grundgesetzes unantastbar. Auch in Artikel 1 der Menschenrechte steht geschrieben, dass alle Menschen von Geburt an gleich an Würde und Rechten sind. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass sein höchstpersönlicher Wert nicht beschädigt wird, auch nicht von seinen Eltern.

Wertschätzung nennt man also eine positive Grundhaltung anderen Menschen gegenüber, die nicht seine Leistung oder sein Handeln betrifft, sondern sein Wesen.

Diese Grundhaltung der Wertschätzung hat viel mit Respekt, Achtung, Wohlwollen, Anerkennung, Zugewandtheit, Interesse und Aufmerksamkeit zu tun. Wer eine wertschätzende Haltung hat, richtet seinen Blick vor allem auf Stärken und Ressourcen und nicht auf Fehler und Unzulänglichkeiten.

Warum Wertschätzung grundsätzlich wichtig ist

Wertschätzung als eines der menschlichen Grundbedürfnisse

»Bin ich etwas wert?« – Diese Frage stellt sich unbewusst oder bewusst jeder Mensch, ganz unabhängig davon, wie er durch dieses Leben geht. Wenn die Antwort ein gefühltes Ja ist, weil er von klein auf keinen Grund hatte, an seinem eigenen Wert zu zweifeln, ist der Nährboden für eine gute Entwicklung geschaffen worden. Die Psychologie zählt die Wertschätzung zu den menschlichen Grundbedürfnissen.

Der Neurowissenschaftler Joachim Bauer spricht davon, dass Menschen aus neurologischer Sicht auf soziale Resonanz und Kooperation angelegt seien. Für Menschen sei es extrem wichtig, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung und Zuneigung zu finden und zu geben.

Umgekehrt wird leider auch ein Schuh draus: Bei fehlender Wertschätzung kann ein Mensch nicht gut gedeihen!

Bewertung, Abwertung, Entwertung

Warum auch immer: Menschen tun es so oft – sich selbst oder andere Menschen vergleichen und bewerten. Was in der Regel zur Folge hat, dass einer besser abschneidet und einer schlechter. Ganz schnell wird aus der Bewertung eine Abwertung. Klar, niemand ist perfekt, niemand ist fehlerfrei. Aber, und das ist ein entscheidendes Aber: Zentral ist hier, ob man ein bestimmtes Verhalten in einer bestimmten Situation be- beziehungsweise abwertet oder das Wesen des Menschen an sich. Es ist ein großer Unterschied, ob ich sage: »Du bist dumm!«, oder:»Da hast du einen Fehler gemacht. Aber aus dem kannst du lernen.«

Kritik äußern kann man also durchaus wertschätzend. Leider aber fühlt sich Bewerten für den einzelnen Menschen oft wie Abwerten oder gar Entwerten seiner Person an. Und es bedarf dazu noch nicht mal großer Abfälligkeiten oder Gemeinheiten, sondern bereits kleine, dahingeworfene Bemerkungen können gewaltig am Wert eines Menschen kratzen.

An dieser Stelle habe ich schon oft zu hören bekommen, dass man das mit dem Ab- und Entwerten nicht so hoch hängen solle. Dass es nicht schlimm, sondern gelegentlich nötig sei. Weil Menschen ab und zu eins auf den Deckel brauchen, damit sie nicht übermütig werden. Und weil das noch niemandem geschadet habe.

Noch einmal – und davon bin ich überzeugt: Gelegentliche Kritik an Verhaltensweisen hat tatsächlich noch niemandem geschadet. Im Gegenteil, sie gibt Orientierung und damit die Möglichkeit, etwas zu ändern. Aber wenn sich ein Mensch in seinem So-Sein, an dem er nun mal nichts ändern kann, nicht wertgeschätzt fühlt, schadet dies sehr wohl!

Wer ernsthaft daran zweifelt, der braucht sich nur mal eine Situation in Erinnerung zu rufen, in der es ihm selbst »an den Wert« ging, in der ihm selbst das Gefühl vermittelt wurde, er sei wenig oder nichts wert. Vielleicht wird in der Erinnerung dann doch spürbar, wie Äußerungen à la »Du bist einfach furchtbar!«, »Kannst du wirklich gar nichts?« oder »Bist du eigentlich blöd?!« ihre schlimme Wirkung entfalten.

Ältere Menschen, die zu einem ehrlichen Blick zurück in ihre Kindheit und Jugend bereit sind, erinnern sich oft noch an Einzelheiten abwertender Situationen. Über all die Jahre wurden diese nicht vergessen, so tief waren sie getroffen.

Wie wichtig Wertschätzung speziell in der Erziehung ist

Und trotzdem herrscht immer wieder Unsicherheit unter Eltern: Können sie mit zu viel Wertschätzung Schaden anrichten? Gilt das mit der Wertschätzung auch, wenn Kinder oder Jugendliche Mist gebaut haben? Kann man Grenzen wertschätzend setzen und einfordern?

Exkurs: Blicke über den Tellerrand

Weil man alles auf dieser Welt besser einordnen und verstehen kann, wenn man über den eigenen Tellerrand hinausspäht, lade ich Sie an dieser Stelle zu einem kleinen Rund- und einem kleinen Rückblick ein. Der Rundblick liefert ein paar Informationen darüber, wie es unterschiedliche Länder und Kulturen dieser Erde mit der Wertschätzung halten. Der Rückblick lässt ein wenig spüren, wie sich das mit der Wertschätzung im Laufe der Geschichte entwickelt hat.

Kleiner Rundblick – Wertschätzung in anderen Ländern und Kulturen

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Ein paar Eingangsfragen:

In ihrem Buch Kindheiten. Wie kleine Menschen in anderen Ländern groß werden1 zeigt die Soziologin Michaela Schonhöft ein paar interessante Dinge auf, nämlich:

So erfahren die Leser,

Im Beitrag »Kindererziehung im Ausland«2 kann man zum Beispiel nachlesen,

Zu den zahlreichen Unterschieden, die bereits innerhalb Europas nicht zu übersehen sind, gesellen sich also jede Menge Abweichungen, wenn man den Blick über die gesamte Erde schweifen lässt.

Einen nicht unwesentlichen Punkt betont Schonhöft: Erziehung ist in vielen Ländern nicht hauptsächlich Sache der Eltern – wie dies bei uns üblich ist. Im Gegenteil, in so manchen Ländern gilt das alte afrikanische Sprichwort »Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf«. Was nichts anderes heißt, als dass die Eltern viel mehr Unterstützung in der Erziehung genießen als hier bei uns, im Gegenzug aber auch mit mehr Einmischung leben müssen.

Schonhöft berichtet in ihrem Buch auch darüber, dass in vielen Ländern Kinder von ihren Eltern geschlagen werden – weil diese es für richtig und nötig halten, weil sie es nicht besser wissen oder weil sie unter Traumatisierungen leiden, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Nirgendwo aber hat sie Vorteile des Schlagens und Geschlagen-Werdens ausmachen können. Allerdings gibt es Unterschiede: Manche Kinder, die große Strenge oder gar Gewalt von ihren Eltern erfahren, scheinen recht gut damit klarzukommen, manche scheinen daran zu zerbrechen, manche geben die Gewalt weiter. Vermutlich ist das so, weil manche Eltern, die ihre Kinder mit Gewalt erziehen, diesen dennoch emotional nahe sind, sie im Gegenzug zum Beispiel auch wieder herzen und küssen oder einfach nur ein sicheres Gefühl von Aufmerksamkeit und Liebe vermitteln. Die Kombination aus »harter Hand« und emotionaler Distanz allerdings ist eine ziemlich sichere Grundlage für unglückliche Menschen und gewaltbereite Gesellschaften.

Auch der Kinderarzt und Wissenschaftler Herbert Renz-Polster zeigt in seinem Buch Kinder verstehen3, dass die Erziehungsziele und -methoden der Menschen auf dieser Erde weit auseinandergehen – zum Beispiel von dem bei uns gültigen »Mein Kind soll selbstständig und selbstbewusst werden« bis zu »Mein Kind soll so ruhig und unauffällig wie möglich sein«. bei den Danis in Indonesien.

Renz-Polster spricht davon, dass alle Eltern dieser Welt unbewusst eine gedankliche Erstausstattung im Kopf haben, die sich für sie selbstverständlich und natürlich anfühlt. Jede Elterngeneration wird sozusagen mit den gerade anerkannten Erziehungszielen und -methoden infiziert und ist so weitgehend der Meinung, es richtig zu machen. Der Witz dabei: Diese gedankliche Erstausstattung ist nicht überall gleich, sondern – im Gegenteil – vollkommen unterschiedlich.

Das heißt: Auf der ganzen Welt erziehen Eltern ihren Nachwuchs in der Annahme, es richtig zu machen, aber sie tun dies auf ganz unterschiedliche Art.

Natürlich stellt sich da die Frage: Woher können Eltern überhaupt wissen, ob die Art, wie sie ihr Kind guten Gewissens erziehen, wirklich eine gute ist?

Manche Eltern blicken zur Orientierung voller Ehrfurcht auf die Tradition von »Urkulturen«. Renz-Polster warnt davor, diese zu überschätzen. Nur weil Naturvölker etwas tun, muss es noch lange nicht gut sein – wofür die weibliche Genitalbeschneidung ein trauriges Beispiel bilde.

Außerdem sagt Renz-Polster klar, dass wir so manches, das wir bei anderen Kulturen sehen und gut finden, gerne übernehmen können, zum Beispiel die Babys zu tragen, anstatt sie im Kinderwagen zu schieben, dass aber nicht alles, was wir gut finden, auch zu uns passen muss. So kann das beständige Tragen von Säuglingen eine Überforderung für Menschen sein, die diesem körperlichen Kraftakt aufgrund ihrer Lebensweise nicht gewachsen sind.4

Aus diesem kleinen Rundblick lassen sich mehrere Schlüsse ziehen:

Auch ein Blick in die Vergangenheit lässt manches klarer werden.

Kleiner Rückblick – Wertschätzung von früher bis heute

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Ein paar Eingangsfragen:

Alles, was jetzt ist, hat sich aus dem entwickelt, was einmal war. Und es war ja mit Menschen schon lange irgendwas. Genau genommen müssten wir also bei den allerersten Menschen beginnen und uns die Frage stellen: Wie haben die damals ihren Nachwuchs groß bekommen?

Da zuverlässige Quellen zum Erziehungsverhalten der ersten Menschen fehlen und ein Rundumschlag zur Geschichte der Erziehung den Rahmen dieses Buches sprengen würde, startet der Streifzug vor knapp tausend Jahren.

12. Jahrhundert – Hochmittelalter

Kinder sind als Arbeitskräfte wichtig.

15. Jahrhundert – Spätmittelalter

Kinder werden streng erzogen, damit sie ehrbare Menschen werden.

17. Jahrhundert – Aufklärung

Kinder werden bewusst geformt, Milde dient als Trick.

18. Jahrhundert – Frühe Neuzeit

So langsam wird die Kindheit als kostbarer Lebensabschnitt angesehen, der die Grundlage für ein glückliches Leben bildet. Mitte des 18. Jahrhunderts macht sich Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) Gedanken über eine ideale Erziehung. Er schafft es, viele Eltern mit seinen Ideen zu erreichen. Was er nicht schafft: seine eigenen fünf Kinder zu erziehen; er gibt sie allesamt nach der Geburt in ein Findelhaus.

Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) lehnt sich stark an Rousseaus Gedanken an. Er gründet sogar eine Schule, die die Kinder nach Rousseaus Ideen erzieht. Bitter: Auch er ist nicht erfolgreich mit seinem eigenen Sohn!

19. Jahrhundert – Neuzeit

1844 schreibt der Frankfurter Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann für seinen dreijährigen Sohn den Struwwelpeter, ein Buch, in dem Kinder, die ihren Eltern nicht gehorchen, traurig enden. Die Tatsache, dass das Buch extrem erfolgreich wird, zeigt, dass viele Eltern gerne mithilfe dieser brutalen Art der Abschreckung erziehen.

In der wilhelminischen Zeit Ende des 19. Jahrhunderts werden Zucht, Ordnung und Gehorsam eingefordert. Das Motto »Wer sein Kind liebt, der züchtigt es!« wird mit dem Rohrstock in die Tat umgesetzt. Ziel der Erziehung sind Menschen, die Gott und die Obrigkeit fürchten.

Anfang des 20. Jahrhunderts – Imperialismus

Allmählich werden zunehmend Stimmen von Pädagogen laut, die sich gegen die strenge, autoritätsgläubige Erziehung wehren. So kommt es zur Strömung der Reformpädagogik, der zum Beispiel Maria Montessori und das Ehepaar Freinet angehören. Ziel dieser Erziehung ist es, jedes Kind als Individuum zu sehen und seine kreativen Kräfte zu wecken. Als besonders wichtig wird es angesehen, dass Kinder selbsttätig und durch Handeln lernen.

1933 bis 1945 – Nationalsozialismus

Kaum beginnt sich eine freiere und dem Kind zugewandte Einstellung auszubreiten, wirkt der Geist des Nationalsozialismus mit Brachialgewalt auf die Erziehung ein. Mehr denn je wird bedingungsloser Gehorsam gefordert, eigenständiges Denken und selbstverantwortliches Handeln sind verpönt. Ein hartes Menschenbild schlägt schon im Umgang mit Säuglingen durch: »Schreien stärkt die Lungen!«, wird propagiert. Das Erziehungsbuch der NS-Zeit, Dr. Johanna Haarers Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind ist ein Riesenerfolg und macht sich für die frühe Trennung von Mutter und Kind stark.

Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts – antiautoritäre Erziehung

Während manche der Älteren noch am Gedankengut der autoritären Erziehung hängen, wird über die 1968 beginnende Studentenbewegung in Westdeutschland die Idee der antiautoritären Erziehung verbreitet. Nie mehr soll es Duckmäuser geben, kritisches Denken und Ungehorsam sind nun erwünscht, Grenzen und Regeln sind verpönt. Was zunächst gut und kindgemäß klingt, ist nicht generell von Erfolg gekrönt. Viele der so Erzogenen klagen später über zu wenig Interesse, Halt und Orientierung seitens der Erziehenden. In seinem Vorwort zu Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden von Hans-Otto Thomashoff erklärt Joachim Bauer, dass bei dieser Art des Erziehens zwei zentrale Elemente, die jedes Kind von klein auf braucht, zu kurz kommen: Es fehle zum einen »die frühe liebevolle Fürsorge durch die konkrete Präsenz von verlässlichen Bezugspersonen«, zum anderen »die liebevolle Anleitung des Kindes zur Einhaltung von Regeln, das Setzen von Grenzen und die Entdeckung der Geheimnisse, wie ein soziales Miteinander funktionieren kann.«5

Interessant ist an dieser Stelle ein kleiner Exkurs nach England: Der Pädagoge Alexander Sutherland Neill hatte 1921 das berühmte Internat Summerhill gegründet. Summerhill gilt bis heute als eine der ältesten demokratischen Schulen der Welt. Neill betonte stets, dass sein Prinzip nicht »frei von Erziehung« lautete, wie er gerne missverstanden wurde, sondern »freie Erziehung«. Obwohl die Kinder viel Freiheit hatten, gab es sehr wohl Regeln. Die Erziehungsmethode »antiautoritär« schrieb man ihm zu, obwohl er selbst den Begriff nie verwendet hatte. Neill nannte seine pädagogische Praxis »selbstregulative Erziehung«. Ausdrückliches Ziel war es, dass Kinder ihr eigenes Leben leben und nicht die Erwartungen von Eltern und Lehrern erfüllen müssen. Bei aller Kritik, die sich Neill immer wieder gefallen lassen musste, gab es auch viel Positives zu hören, zum Beispiel dass die große Freiheit in Verbindung mit Verantwortlichkeiten innerhalb der Gemeinschaft das Selbst- und Verantwortungsbewusstsein der Jugendlichen extrem förderte.

Übergang ins 21. Jahrhundert – partnerschaftliche Erziehung

Schließlich scheint vielen die Idee einer partnerschaftlichen Erziehung logisch und angebracht: Warum sollen Kinder unterdrückt und klein gehalten werden? Kann man nicht auf Augenhöhe mit ihnen umgehen? Mehr und mehr aber stellt sich die Frage, ob man das Kind damit nicht auf eine Stufe stellt, die ihm und seiner Entwicklung nicht angemessen ist. Müssen Eltern wirklich alles erklären und ständig nachfragen, damit sie gute Eltern sind? Ist es nicht für ein Kind zu viel Verantwortung, ständig entscheiden zu müssen, vor allem auch Entscheidungen zu treffen, die seinem Entwicklungsstand nicht angemessen sind?

Trotz dieser kritischen Einwände halten nicht wenige Eltern an der partnerschaftlichen Erziehung fest. Und das Modell scheint auch nicht zu scheitern, denn die Kinder erhalten viel Zuwendung und Emotionalität, was ihnen guttut – auch wenn das Partnerschaftliche manchmal eine Überforderung für Kinder wie für Eltern darstellen mag.

Anfang des 21. Jahrhunderts – Zeit der Verunsicherung

Im Laufe der letzten Jahre beginnt eine Entwicklung, die bis heute anhält: Eltern geraten zunehmend in die Kritik, ja man kann geradezu von einem Eltern-Bashing sprechen. »Dürfen die denn alles? – Verunsicherte Eltern, orientierungslose Kinder: Erziehung scheint so kompliziert zu sein wie noch nie. Wo liegt das Problem?« heißt es im STERN vom 24. Oktober 20196.

Insgesamt herrscht eine große Bandbreite, wie von heutigen Eltern erzogen wird: Die einen – eher wenige – erziehen »altmodisch«, geben viele Regeln vor, verteilen Pflichten, werden auch schon mal ruppig und versuchen dennoch, die Bedürfnisse der Kinder zu stillen. Die anderen – eher mehr – setzen nie oder erst sehr spät Grenzen. Bei Letzteren kommt es irgendwann leicht zum Kipppunkt, denn den Kindern fehlt Orientierung, sie ecken im gesellschaftlichen Rahmen – zum Beispiel im Kindergarten, bei Familientreffen, im Sportverein et cetera – immer wieder an. Gerade dann eskaliert es plötzlich bei so manchen Eltern, die auf klare Führung bewusst oder unbewusst verzichtet haben, denn sie spüren, dass ihre Kinder sich rein gar nichts mehr von ihnen sagen lassen.

Respektlose, computersüchtige, wohlstandsverwahrloste, mobbende, selbstverliebte und psychisch gestörte Kinder und Jugendliche sind Stoff für Vorträge, Artikel, Bücher, Talkshows. Und weil mit den Sprösslingen so vieles falsch läuft, wird über die Eltern von heute gelästert und geschimpft, was das Zeug hält. Die einen – erfährt man – erziehen zu wenig oder zu lasch, sodass aus den Kindern kleine Nervensägen und Tyrannen werden. Die anderen verfallen in Überbetreuung und kreisen wie Helikopter über ihren Kindern, bis diese lebensuntauglich, unselbstständig und fordernd geraten.

Weil Polarisierungen noch nie geholfen haben, wenn es um Menschliches geht, empfehle ich also, genauer hinzuschauen. Wenn es auch die Eltern nicht gibt, so gibt es doch Elterntypen: Eltern, die übelsten Druck ausüben, Eltern, die ihre Kinder in Watte packen, Eltern, die nicht oder zu spät bemerken, dass ihre Kinder aus dem Ruder laufen, Eltern, die ihr eigenes Leben so anstrengend finden, dass ihnen keine Kraft mehr für die Kinder bleibt – und daneben natürlich jede Menge Eltern, die sich alle Mühe der Welt geben, es gut zu machen, und dennoch immer wieder an ihre Grenzen stoßen.

Dass Eltern derzeit so verunsichert sind, ist eigentlich kein Wunder, wenn man an die Extreme denkt, die die Generationen vor uns erzieherisch ausgelebt haben. So lassen sich auch aus diesem kleinen Rückblick, der bis in die Gegenwart reicht, Schlüsse ziehen, die für uns Eltern heute wertvoll sind:

Auf der ganzen Welt scheinen Kinder gut gedeihen zu können, wenn sie ihren Eltern emotional nahe sind, besonders gut aber, wenn die Beziehungen gewaltfrei, stabil und wertschätzend sind. Im Laufe der letzten Jahrhunderte war Wertschätzung in der Erziehung immer genau dann nicht willkommen, wenn vonseiten der Obrigkeit Härte, Unterdrückung und Angst erwünscht waren. Dies sollte uns sehr zu denken geben.

Wertschätzung in der Erziehung hier und heute

Wie also sollen wir es hier und heute konkret halten mit der Erziehung? Sollen wir den eigenen Eltern nacheifern? Oder den besten Freunden? Den Nachbarn? Sollen wir einfach intuitiv agieren, wie es uns richtig erscheint? Wer von all den vielen Ratgebern in Buchform hat recht? Und wie können wir das mit der Wertschätzung am besten umsetzen?

Wertschätzung gegenüber der Zielgruppe »Kinder und Jugendliche«

Wie wir inzwischen also wissen: Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Die Phase der Kindheit und Jugend ist wichtig, auch in Bezug aufs Erwachsenenleben. Was wir darüber hinaus wissen: Kindheit und Jugend sind Phasen, in denen Menschen noch kein dickes Fell haben. Pfeile der Abwertung treffen hier tief in die Seele, auch wenn dies nicht immer nach außen dringt.

Anna, 40, verheiratet, vier Kinder (17, 14, 8, 5)

Bei meiner großen Tochter habe ich einen Riesenfehler gemacht. Sie hatte fünf Jahre Cello gespielt, wirklich gut, der Lehrer war sehr zufrieden. Nur ihre Bogenhaltung verbesserte er immer wieder. So tat ich es auch, wenn ich sie üben sah. Immer wieder korrigierte ich sie, manchmal auch unwillig. Als sie in der 5. Klasse war, wollte sie zu Hause nicht mehr vorspielen und wir haben sie gezwungen. Sie spielte schön, aber ich habe nur auf ihre Bogenhaltung geachtet, nicht auf das, was sie spielte. Ich war wieder einmal in der negativen Sicht gefangen. Als sie fertig war, habe ich gesagt: »Nach vier Jahren hast du die richtige Haltung immer noch nicht gelernt?! Ich weiß wirklich nicht, was du noch brauchst, um das zu lernen.« Ab diesem Zeitpunkt ging es bergab. Sie hat nicht mehr mit Freude gespielt, sondern weil sie musste. Inzwischen hat sie das Cellospielen aufgegeben. Ich bin sicher, dass meine mangelnde Wertschätzung schuld daran war. Ich habe mein Verhalten sehr bereut, aber war etwa zwei Jahre lang zu stolz, um mich zu entschuldigen. Erst nach so langer Zeit konnte ich sagen, wie schrecklich das von mir war. Aber es hatte sie tief beleidigt, der Zeitpunkt für die Entschuldigung war zu spät.

Ein Erwachsener mag sagen: »Das kratzt mich doch nicht, wie der oder die über mich redet!« Er mag dies ehrlich meinen, denn er hat im Laufe der Jahre ein recht sicheres Bewusstsein seines eigenen Wertes entwickeln können. Wenn ein Kind oder Jugendlicher dies sagt, sieht die Sache anders aus, er hat dieses sichere Bewusstsein eben noch nicht! Und auch wenn er sich noch so cool gibt, heißt dies noch lange nicht, dass er nicht leidet, wenn der eigene Wert durch Bemängelungen, Abfälligkeiten und Geringschätzung angekratzt wird. Gerade in der Pubertät werden junge Menschen ja von zahlreichen Selbstzweifeln gequält, der Weg zu einem gesunden Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen ist noch lang und hart. Und gerade in dieser Phase gibt es so viele Zusammenstöße mit Erwachsenen, die sich in ihrer Hilflosigkeit dann oft nicht mehr in der Lage fühlen, Wertschätzung zu zeigen.

Es ist also schon deshalb besonders wichtig, mit jungen Menschen wertschätzend umzugehen, weil sie mangelnde Wertschätzung und deren Folgen tief spüren und diese – wenn es dumm läuft – ein Leben lang mit sich herumtragen. Viele Erwachsene haben die Schmähungen aus ihrer Kindheit und Jugend noch im Wortlaut in Erinnerung, manche landen deswegen in Therapie.

Eltern können nur begrenzt darauf Einfluss nehmen, ob ihr Kind von Gleichaltrigen oder anderen Erwachsenen wertschätzend behandelt wird. An ihrem eigenen Verhalten aber können sie sehr wohl arbeiten.

Die jungen Gesprächspartner, die sich im Folgenden zum Thema äußern, genießen allesamt eine Erziehung, die um große Wertschätzung bemüht ist. Wie die Antworten von Kindern ausfallen würden, deren Eltern sich nicht bewusst für Wertschätzung entschieden haben, kann man sich leicht vorstellen.