Dr. med. Iris Pleyer
Mag. Michael Hlatky
Philipp Hlatky, MA
Cannabidiol
Ein natürliches Heilmittel des Hanfs

Inhalt
Title Page
Impressum
Vorwort
Wussten Sie, ...
Hanf – eine uralte Kultur- und Heilpflanze
Die wechselvolle Geschichte des Hanfs
Von Hanf zu Marihuana und Hasch – der Feldzug gegen eine Kulturpflanze
Hanf – das Für und Wider
Rechtliche Situation
CBD – vom Rohstoff zum Extrakt
Die medizinische Bedeutung von Cannabidiol
Das endocannabinoide System (ECS)
Transplantationen
Brustkrebs
Prostatakrebs
Glioblastom
Epilepsie
Schizophrenie
Dysmenorrhoe
Asthma
Schmerzen
Arthritis, Arthrose und Rheuma
CED (chronisch-entzündliche Darmerkrankungen)
Abhängigkeit und Entzug
Morbus Parkinson
Kopfschmerzen, Clusterkopfschmerzen und Migräne
Demenz und Alzheimer-Krankheit
Glossar
Literatur: Allgemein: Zu einzelnen medizinischen Themen
Die Autoren
© Verlagshaus der Ärzte GmbH, Nibelungengasse 13, A-1010 Wien
www.aerzteverlagshaus.at
1. Auflage 2019
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ISBN 978-3-99052-189-2
Umschlag & Satz: Grafikbüro Lisa Hahsler, 2232 Deutsch-Wagram
Umschlagfoto: AdobeStock, Kostrez
Projektbetreuung: Mag. Hagen Schaub
Umschlag Sonderausgabe Biogena: Pia Pürzelmayer (grafische Gestaltung) und Susanne Gerl (Projektkoordination)
Druck & Bindung: FINIDR, s.r.o., 73701 Český Těšín
Printed in Czech Republic
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Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit – vor allem in Hinblick auf die Vermeidung einer ausufernden Verwendung von Pronomen – haben wir uns dazu entschlossen, alle geschlechtsbezogenen Wörter nur in eingeschlechtlicher Form – der deutschen Sprache gemäß zumeist die männliche – zu verwenden. Selbstredend gelten alle Bezeichnungen gleichwertig für Frauen.
Hanf, Cannabis sativa, Marihuana, Gras, THC, CBD Cannabidiol – alles Begriffe, die für die Inhaltstoffe der Naturpflanze Hanf verwendet werden, aber nicht immer das Gleiche bedeuten. Je nach ideologischer Wertung werden diese Begriffe positiv oder negativ verwendet. Für die einen sind Hanfprodukte Teufelszeug und eine illegale Droge, die man unbedingt verbieten muss – für andere wiederum sind diese Mittel allein selig machende Naturheilmittel ohne Nebenwirkungen zur Lösung vieler medizinischer Probleme. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich, wie so oft im Leben, irgendwo in der Mitte. Die Nutzpflanze Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit mit einem vielfältigen Anwendungsbereich, als Basis für hochwertige Öle, als Faserpflanze für Seile und für Bekleidung und mit einer entspannenden, entzündungshemmenden Wirkung.
Der Anbau von Hanf – mit einem THC-Gehalt von unter 0,3 % – wird sogar von der EU gefördert, illegale Züchtungen mit einem THC-Gehalt von bis zu 38 % sind als berauschende, illegale Drogen aber verboten. Deren Besitz, Weiterverbreitung und Verwendung werden streng bestraft. In diesem Spannungsfeld möchten wir hier keiner Legalisierung des Cannabiskonsums das Wort reden, sondern haben die nicht berauschende Substanz der Hanfpflanze – das Cannabidiol – in den Mittelpunkt unserer Überlegungen gerückt. Seit der Legalisierung des Cannabiskonsums in einigen US-Bundesstaaten und der völligen Freigabe in Kanada kommen verstärkt medizinische Studien auf den Markt, welche die positiven Wirkungen vor allem von CBD (Cannabidiol) bestätigen. Da wird sich in der nächsten Zeit noch einiges tun und wir hoffen, diese Erkenntnisse in folgenden Auflagen dieses Buches entsprechend berücksichtigen zu können.
Im ersten Teil dieses Buches geben wir einen kurzen Überblick über die wechselvolle Geschichte des Hanfes, vor allem in den vergangenen 100 Jahren. Es folgt ein kurzer Beitrag über die Herstellung von Cannabidiol aus Hanf und Hanföl. Der dritte Teil gibt einen fundierten Überblick zu den durch medizinische Studien belegten Wirkungen von Cannabidiol in der komplementären (ergänzenden) Anwendung. Wir sind der Überzeugung, dass die Beschäftigung mit Cannabidiol als natürliches Heilmittel bei ausgewählten Erkrankungen ein vielversprechender Ansatz ist. Es kann ja nicht sein, dass man derzeit leichter zu schweren Opiaten auf Krankenschein kommt als zu nicht abhängig machenden Substanzen der Hanfpflanze. Noch einmal: Wir sprechen hier nicht von THC, sondern ausschließlich von CBD.

Cannabidiol wird zurzeit in Apotheken, vor allem aber über „Hanfshops“ in unterschiedlicher und nicht standardisierter Qualität angeboten, was durchaus kritisch zu beurteilen ist. Wie das Lobbying der Apotheken für den exklusiven Verkauf von Cannabidiol zeigt, haben die Pharmazeuten schnell erkannt, dass sich hier ein lukrativer Markt entwickelt, den man nicht Hanfshops überlassen möchte. Für den Konsumenten ist das nicht immer von Vorteil, sind doch „Apothekerpreise“ sprichwörtlich. Eine Qualitätssicherung mit entsprechendem Zulassungsverfahren ist auf jeden Fall wünschenswert. Das ließe sich ähnlich wie bei den Imkern regeln, die ihre Produkte ebenfalls als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr bringen. Jeder Imker, der seine eigenen Propolistropfen oder Gelée royale verkaufen möchte, muss diese von einer Zertifizierungsstelle (zumeist Imkervereinigungen) überprüfen und bestätigen lassen. Eine ähnliche Regelung sollte für Cannabidiol-Produkte auch möglich sein. Zurzeit hat man in manchen Vierteln größerer Städte das Gefühl, als existierten dort schon mehr Hanfshops als Fastfood-Restaurants.
Wir wünschen Ihnen viel Erkenntnisgewinn beim Lesen dieses kleinen Ratgebers und freuen uns auf – hoffentlich positive – Rückmeldungen.
Bedanken möchten wir uns beim Verlagshaus der Ärzte, dass wir das kontroversiell diskutierte Thema CBD – Hanf in seriösem Umfeld publizieren können. Unser besonderer Dank gilt Mag. Hagen Schaub für seinen wertvollen Input und alle Ergänzungen. Er ist mehr oder weniger der vierte Autor des Buches.
Die Autoren
Wien, Vasoldsberg im Jänner 2019
dass Hanf (Cannabis sativa) eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit ist? Archäologische Funde belegen die Verwendung von Hanf zur Erzeugung von Bekleidung bereits zwischen 8.000 und 10.000 v.Chr., also nach der letzten Eiszeit.
dass Hanföl neben Leinöl die höchsten Konzentrationen an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren hat? Diese mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind für eine gesunde Ernährung besonders wertvoll.
dass Hanf mehr als 150 identifizierte Inhaltsstoffe hat, von denen nur das THC bewusstseinserweiternde Wirkungen hat? Hanföl, Cannabidiol und andere Inhaltsstoffe der Naturpflanze besitzen keinerlei „berauschende“ Wirkungen.
dass Hanf, die Komplementärpflanze des Hopfens, bis zum Reinheitsgebot von 1516 beim Bierbrauen verwendet wurde und erst auf Druck der katholischen Kirche durch den schlaffördernden und dämpfenden Hopfen ersetzt wurde?
dass die erste Levi’s-Jeans aus Hanf und nicht aus Baumwolle gefertigt wurde? Hanftextilien haben eine bis zu sechsfach längere Lebensdauer als Baumwolle. Dazu benötigt Hanf kaum künstlichen Dünger, keine Spritzmittel und deutlich weniger Wasser als Baumwollmonokulturen.
dass Hanf den vierfachen Ertrag an Zellulose erbringt als Zellulose aus Bäumen und dass Hanfpapier wesentlich robuster, langlebiger und widerstandsfähiger ist als Holzpapier? Die Gutenbergbibel wurde genauso auf Hanfpapier gedruckt wie die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und alle Dokumente und Bücher bis in die 1860er Jahre.
dass bis in die 1920er Jahre rund 60 % der weltweit verordneten Schmerzmedikamente auf Cannabisbasis basierten? Erst die Monosubstanzen der chemischen und Pharmaindustrie verdrängten diese Cannabisprodukte aus der therapeutischen Anwendung, obwohl sie zum Teil mit starken Nebenwirkungen und Abhängigkeiten einhergehen. Heroin und Kokain wurden bei ihrer Einführung als „nicht abhängig machende“ Alternativen zur Cannabismedizin propagiert – mit fatalen Folgen.
dass vom Hanf praktisch alle Teile – vom Stängel über die Blüten bis zum Samen – sinnvoll verwertet werden können? Hanf wächst auch auf Grenzertragsböden, braucht kein Unkrautvertilgungsmittel, kaum chemischen Dünger und wird im Anbau von der EU gefördert (THC-arme Sorten).
dass Hanf einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Lebensweise leistet? Aus Hanf lassen sich Textilien, Papier, Seile, hochwertige Öle, Medikamente, Kunststoffe und Dämmstoffe erzeugen; nachwachsend und mit geringem bis gar keinem Chemieeinsatz.
Hanf gehört zur Pflanzenfamilie der Cannabicae. Ähnlich wie der mit ihm verwandte Hopfen wächst Hanf in der rund dreimonatigen Vegetationszeit rasch heran, kommt aber im Gegensatz zum bis zu sechs Meter erreichenden Hopfen „nur“ auf eine Höhe von maximal zwei bis vier Metern (manche Sorten bleiben auch weit darunter).
Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Schon knapp nach der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren wurde Hanf als Nutzpflanze kultiviert. Die robuste, schnell wachsende Faserpflanze stellt geringe Ansprüche an Bodenverhältnisse, benötigt wenig bis keine Düngung und wächst noch auf Grenzertragsböden, die für andere Nutzpflanzen wie Getreide nicht mehr geeignet sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass Hanf die ertragreichste Faserpflanze vor Flachs (Lein) ist und dass alle Teile der Pflanze wirtschaftlich nutzbar sind. Aus den Fasern lassen sich salzwasserbeständige Taue und Segel genauso erzeugen wie langlebige, strapazierfähige Bekleidung.

Der Samen kann als nussähnliche Frucht genossen werden, Hanföl enthält wertvolle Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren im für die menschliche Ernährung optimalen Verhältnis von 1:4.
Dass die Blätter und Blüten der Hanfpflanze durch den Inhaltsstoff des THC bewusstseinserweiternde Wirkungen auslösen, entspannend und leicht erotisierend wirken, war bereits den Schamanen, Heilkundigen und Ärzten des Altertums bekannt. Bei rituellen Handlungen, Festen und zu therapeutischen Zwecken wurde daher Hanf als natürliche Droge jahrtausendelang eingesetzt.
Die Hanfpflanze enthält über 500 Inhaltsstoffe, darunter mehr als 100 nachgewiesene sogenannte Phytocannabinoide, also pharmakologisch aktive Substanzen, von denen THC das bekannteste und am besten erforschte ist. THC (Tetrahydrocannabinol) wirkt auf den Menschen psychoaktiv, macht also „high“, und ist der wichtigste Inhaltsstoff von Joints. Medizinisch spielt es vor allem in der Schmerztherapie eine Rolle. In diesem Buch geht es aber um das Phytocannabinoid CBD (Cannabidiol), das über ein vielseitiges medizinisches Potential verfügt. Jede Hanfsorte weist einen unterschiedlichen CBD-Gehalt auf, die Schwankungsbreite liegt zwischen 0,6 und 1 %, wobei der untere Wert für eine sehr geringe, der obere bereits für eine sehr starke Wirkung steht.
Derzeit werden weitere Phytocannabinoide erforscht.
Hanf wurde schon in alten Kulturen als Nutzpflanze und Heilmittel kultiviert. Über seine ursprüngliche Herkunft wird spekuliert, derzeit gilt Kasachstan als mögliche „Urquelle“.
Im Buch Shennong ben caojing, das nach neueren Erkenntnissen zwischen 300 und 200 vor Christus verfasst wurde, wird Cannabisharz als Heilmittel gegen Verstopfung, Frauenleiden, Gicht, Malaria, Rheuma oder Geistesabwesenheit empfohlen.
Der sogenannte Papyrus Eber aus dem alten Ägypten erwähnt Cannabis als „Heilmittel für den Zehennagel“, auch in der altindischen Ayurveda-Heilkunde aus dem 7. Jahrhundert findet Hanf einen festen Platz.
Nahe Eisenberg in Thüringen wurde im Zuge von Ausgrabungen 5.500 Jahre alter Hanfsamen gefunden, und man geht anhand weiterer Funde heute davon aus, dass Hanf auch bei Kelten und Germanen verbreitet war. Ob er als Arzneimittel, zu kultischen Zwecken oder als Nahrungsmittel genutzt wurde, wissen wir allerdings nicht.
Aus Litauen stammt ein etwa 2.500 Jahre alter Hanfsamenfund sowie ein etwa 2.300 Jahre alter Hanffaden.
Im Buch De materia medica des griechischen Arztes Pedanios Dioskurides (1. Jahrhundert) findet sich eine Abbildung des Hanfs als Heilpflanze, Galenos von Pergamon (128/131–199/216) schrieb dem Hanf eine wärmende und austrocknende Wirkung zu.
Auch die altarabische Medizin kannte Hanf als Heilmittel, meist in Form des gepressten Samens oder als Öl. Im 10. Jahrhundert empfahl Ishak ben Sulaymān (840/50–932) Hanfsamenöl zur Behandlung von Ohrenkrankheiten, Ibn-al Baitār (um 1190–1248) nutzte den Samen als Mittel gegen Wurmbefall. Yuhanna ibn Masawaih (um 777–857) und der heute noch bekanntere Avicenna (um 980–1037) priesen den Saft der Blätter bei Hautkrankheiten an. Ibn-al Baitār (1197–1248) und al-Qazwīnī (1203–1283) beschrieben die schmerzstillenden Eigenschaften und nutzten Cannabis zur Behandlung von Nerven- und Augenschmerzen.
Hildegard von Bingen (1098–1179) schrieb dem Hanf bei all jenen eine gesundheitsfördernde Wirkung zu, die „im Kopf gesund sind“, während er für alle, die „im Kopf krank sind“, schädlich sei.
Der Geistliche und Gelehrte Robert Burton (1577–1640) empfahl in seiner Anatomie der Melancholie Hanf als Mittel gegen Depressionen, der Apotheker und Arzt Nicholas Culpeper (1616–1654), zeitweise der Hexerei angeklagt, sammelte die bis dato bekannten Berichte über Anwendungsmöglichkeiten des Hanfs und publizierte darüber im Jahr 1653.
Im Rahmen seiner Forschungsreisen befasste sich der Botaniker und Naturforscher Georg Eberhard Rumpf (1627–1702) mit dem „Indischen Hanf“, dessen Verwendung von dem Botaniker und Pharmakologen Theodor Friedrich Ludwig Nees von Esenbeck (1787–1837) im Jahr 1830 erstmals detailliert beschrieben wurde.
Der schottische Arzt Sir William Brooke O’Shaughnessy (1809–1889) war als Armeearzt in Indien tätig und hatte dort Kontakt mit Ayurveda-Ärzten. Seine daraus gewonnenen Erkenntnisse betrafen auch den Hanf, und er empfahl Cannabis-Tinkturen bei rheumatischen Beschwerden, Tetanus, kindlichen Krämpfen, Cholera sowie Schlaf- und Appetitlosigkeit.

Cannabis wurde noch im 19. Jahrhundert häufig als Schmerzmittel eingesetzt, das pharmazeutische Unternehmen Merck war mit den Produkten Cannabinon (1884) sowie Cannabin (1898) erfolgreich, die auch gegen rheumatische Erkrankungen, Hysterie, Depressionen und Psychosen verschrieben wurden.
Behalten wir diesen kurzen „Ritt“ durch die Medizingeschichte des Hanfs im Hinterkopf, wenn wir uns später den aktuellen Forschungen zum medizinischen Nutzen des CBD zuwenden. Man darf staunen, wie sich die Erkenntnisse der oft belächelten „alten Medizin“ mit den aktuellen Forschungsergebnissen decken …
Bis zum Aufkommen der synthetisch erzeugten Arzneimittel am Ende des 19. Jahrhunderts bestanden rund 60 % aller Schmerzmittel aus Cannabisprodukten. Erst die zumeist aus Erdöl oder dem Schlafmohn (Opium) erzeugten Arzneimonosubstanzen verdrängten, mit massiver Werbeunterstützung der aufstrebenden Chemie- und Pharmaindustrie, die aus dem Naturprodukt Hanf erzeugten Heilmittel. Die Firma Bayer beispielsweise bewarb 1898 ein Hustenmittel als zehnmal wirksamer als Kodein und „garantiert nicht süchtig machenden Stoff“. Der Name dieses vermeintlichen Wundermittels? Heroin. 
Heute erhält man synthetisch erzeugte Suchtmittel wie Methadon und Opiate sowie immer neu entwickelte Derivate dieser Suchtgifte, die zu schweren Abhängigkeiten führen und starke Nebenwirkungen haben, auf Krankenschein völlig legal über Apotheken. Wenn Sie jedoch mit einer geringen Menge Cannabis für den Eigenbedarf erwischt werden, machen Sie sich in den meisten Ländern der Welt strafbar, bei größeren Mengen und beim Dealen mit Cannabisprodukten landen Sie gleich im Gefängnis. In einigen Ländern Südostasiens droht Ihnen sogar die Todesstrafe.
Um nicht missverstanden zu werden: Wir sprechen hier nicht einer Legalisierung des Cannabiskonsums das Wort, sondern wollen nur das Ungleichgewicht zwischen legalen Arzneidrogen, Genuss- und Nervengiften wie Alkohol und Nikotin und per Gesetz illegalen Substanzen aufzeigen. Schon der große Mediziner Paracelsus (1493–1541) wusste, dass nur die Dosis über Gift oder Nichtgift entscheidet.
Einen guten Überblick über die wechselvolle Geschichte des Hanfs bietet das Standardwerk Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf des im Jahr 2010 verstorbenen US-amerikanischen Schriftstellers Jack Herer, der unter anderem akribisch die Verteufelung des Hanfs durch Chemie-, Papier- und Pharmaindustrie in den USA aufzeigt. Herer wies schon im Untertitel seines Buches (eine der ältesten Kulturpflanzen der Erde könnte helfen, die Menschen ausreichend mit Kleidung, Papier, Öl, Brennstoff, Nahrung, Baumaterial und vielen Medizinen zu versorgen) auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Hanfs hin. Das Buch erschien in der Erstauflage vor mehr als 30 Jahren, viele der darin niedergeschriebenen Aussagen sind aber heute noch aktuell und gültig. Langsam beginnt aber ein Umdenkprozess ...
Hanf ist natürlich kein Wunder- und Allheilmittel. Der Anbau als Nutzpflanze mit seinem hohen Ertrag bei geringem umweltbelastenden Einsatz von Dünge- und Spritzmittel könnte aber als nachwachsender Rohstoff einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der weltweit vereinbarten Klimaziele leisten.
Die EU fördert über ihr Agrarbudget seit 1995 den Hanfanbau mit THC-armen Sorten, die nicht mehr als 0,3 % THC-Gehalt haben. Die berauschenden Sorten – aus denen Haschisch bzw. Marihuana gewonnen wird – enthalten durch entsprechende Züchtungen THC-Werte zwischen 35 und 38 %! Gerade in den letzten zehn Jahren ist so der THC-Gehalt kräftig gestiegen.
Hanf wurde übrigens schon seit alten Zeiten nicht nur medizinisch genutzt. Die Segel der phönizischen Handelsschiffe waren ebenso aus Hanf gefertigt wie die Taue und die Takelage der römischen Galeeren oder der Schiffe der Spanier und Portugiesen, die ab Beginn der Neuzeit über die Weltmeere zu anderen Kontinenten segelten. Venedigs Handelsflotte war auch aufgrund der hohen Qualität seiner Hanfseilindustrie erfolgreich. Die strapazierfähige und salzwasserbeständige Bekleidung der Matrosen bestand zu einem Großteil ebenfalls aus Hanftextilien. Selbige wurden auch von den alten Ägyptern und Griechen getragen. Die erste Levi’s-Jeans der Goldgräber im Wilden Westen wurde nicht aus Baumwolle gefertigt, sondern aus den wesentlich haltbareren Hanffasern.
Bereits im alten China wurden im 9. Jahrhundert Bücher aus Hanffasern hergestellt. Aus Hanffasern erzeugtes Papier stand auch am Beginn der Gutenbergschen Revolution – dem Buchdruck zu Beginn der Neuzeit. Die Gutenberg-Bibel wurde ebenso auf Hanfpapier gedruckt wie alle wichtigen Dokumente bis in die 1860er Jahre. Bücher aus dieser Zeit haben sich bis heute bei entsprechender Pflege gut erhalten, während die später aus Holz erzeugten und mit Chlor gebleichten Papiere ab den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts den Archivaren mitunter im wahrsten Sinne des Wortes unter den Fingern zerbröseln. Die meisten Gemälde alter Meister wurden auf „Leinwand“ gemalt, die aus Hanffasern oder einer Mischung aus Leinen und Hanf bestand.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die „normale Nutzpflanze“ Hanf nach und nach als gefährliche Droge stigmatisiert und verboten. Der Begriff Hanf (engl. hemp) bzw. die lateinische Bezeichnung Cannabis sativa war dafür aber zu „harmlos“. Daher wurde nach einem anderen, „gefährlicheren“ Begriff gesucht, den man in den USA bald mit dem mexikanischen Slangwort Marihuana gefunden hatte. Federführend war in diesem Zusammenhang einerseits der Medientycoon William Randolph Hearst (1863–1951), einer der wohlhabendsten und einflussreichsten Männer seiner Zeit, der rassistisch motivierte große Medienkampagnen gegen Latinos und Schwarze sowie gegen linke Künstler führte, in deren Kreisen Marihuana konsumiert wurde. Darüber hinaus war Hearst Besitzer zahlreicher Wälder und Papierfabriken und wollte auf diese Weise das Konkurrenzprodukt Hanf aus dem Markt schießen, da dessen Ernte durch verbesserte Maschinen immer einfacher und billiger geworden war. Aus Hanffasern konnte man ebenso Papier erzeugen wie aus Holz, allerdings zu weit geringeren Kosten.
Der zweite Mann, der sich als einflussreicher Gegner des Hanfs positionierte, war der US-Diplomat Harry Jacob Anslinger (1892–1975). Er wurde 1930 Leiter des Federal Bureau of Narcotics 1942 auch pharmazeutische Cannabis-Produkte verboten wurden