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Michael Lorenz

Lichter über der Wüste

Sie sind längst da





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

1. Kapitel – Schatten der Vergangenheit

Seit dem rätselhaften Unfall seiner Eltern schlief Michael sehr schlecht. Vor drei Wochen begann sein persönlicher Alptraum. Er erinnerte sich noch deutlich an jede Minute dieses verhängnisvollen Abends. Ein großartiger Tag lag hinter ihm, er hatte seine Villa voller Freunde, um mit ihnen zu feiern. Am Nachmittag hatte er das Geschäft seines Lebens gemacht und sein gutgehendes Software-Unternehmen für einen dreistelligen Millionenbetrag an einen Mitbewerber verkauft. Sogar sein bester Freund Nick hatte es geschafft, zu seiner Party zu kommen. Selbstverständlich war auch ihre gemeinsame Freundin aus Kindergartenzeiten erschienen. Sandy war nicht nur eine hübsche junge Frau, sondern auch mit einem genialen Verstand gesegnet. Mit ihren 24 Jahren hatte sie es geschafft, sich zwei Doktortitel und einen Master anzueignen. Neben den Doktorgraden in Mathematik und Physik durfte sie sich Master of Science in Biologie nennen. Wahrscheinlich war ihr Verstand auch der Grund, warum weder er noch Nick jemals versucht hatten, sie zu erobern. Das tat ihrer abgrundtiefen Freundschaft aber keinen Abbruch.

Die Feier war in vollem Gang, als plötzlich ein Polizeiauto vorfuhr und zwei ernst blickende Beamte die Auffahrt heraufkamen. Michael überlegte noch, dass sie mit der Musik keinen gestört haben konnten, da seine Villa in einem riesigen Park lag und die Nachbarn zu weit entfernt wohnten. Freundlich empfing er die beiden Männer und fragte, was er für sie tun könne.

„Sind sie Mr. Strong?“ fragte der ältere der zwei Officers.

„Ja, der bin ich. Was gibt es denn? Hat sich einer meiner Nachbarn über unseren Lärm beschwert?“ erwiderte Michael.

„Nein, darum geht es leider nicht. Wir haben eine schlechte Nachricht für sie. Ihre Eltern hatten vor einer halben Stunde einen Autounfall. Es tut mir leid, sie sind beide ums Leben gekommen!“ offenbarte ihm der Polizist.

Michael hatte das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren. Er hatte sich schon gewundert, wo seine Eltern blieben. Normalerweise war zumindest sein Vater ein überaus pünktlicher Mensch. Selbstverständlich hatte er sie zu seiner Feier eingeladen und sie bereits länger erwartet. Allmählich gewann er seine Fassung wieder und fragte die zwei Streifenpolizisten: „Wo ist es denn geschehen und was war überhaupt los?“

„Wir wissen noch nicht allzu viel. Die Umstände sind überaus merkwürdig. Der Wagen ihrer Eltern kam auf gerader Straße von der Fahrbahn ab und überschlug sich mehrfach. Aufgrund der Unfallstelle kommen unsere Spezialisten zu dem Ergebnis, dass das Auto mit mindestens 200 km/h unterwegs gewesen sein musste. War ihr Vater ein Fahrer, der gerne schnell fuhr?“ fragte der jüngere Officer.

„Um Gottes willen, nein. Das kann gar nicht sein. Mein Dad war immer überaus besonnen und Raserei hasste er. Das muss eine Verwechslung sein. Das sind niemals meine Eltern“, atmete Michael innerlich auf. Diese Schilderung widersprach allen Verhaltensmustern, die seinem Vater entsprachen.

„Würden sie uns dann bitte begleiten, damit wir den Vorgang aufklären können?“ forderte wiederum der Jüngere.

„Ja, klar. Ich sage nur noch schnell meinen Freunden Bescheid, dann können wir los“, erwiderte Michael.

Voller Sorge rannte er die Auffahrt hoch und suchte nach Nick. Nachdem er ihn gefunden hatte, erzählte er ihm von dem Unglück und dass er kurz mit den Polizisten wegfahren müsse. Er bat seinen Freund, sich um die Gäste zu kümmern und vorerst noch nichts zu erzählen. Nick widersprach sofort heftig: „Du gehst jetzt nirgendwo alleine hin. Ich komme selbstverständlich mit, keine Widerrede. Ich sage nur schnell Sandy Bescheid, die wird das Kind schon schaukeln. Und du beruhigst dich jetzt erst einmal, das wird sich alles aufklären. Dein Vater und zu schnell gefahren, unmöglich. Du wirst sehen, in einer Stunde lachen wir über die Geschichte.“

Im Polizeiwagen überlegten die zwei Freunde, wie es zu diesem Missverständnis gekommen sein konnte. Wieso waren Michaels Eltern nicht zur Party gekommen und warum hatte ihr Auto einen Unfall gehabt. Der Wagen musste gestohlen worden sein und die Diebe waren die Unfallopfer. Das war die Lösung des Rätsels. Mit dieser Überzeugung trafen sie am Unfallort sein. Überall standen Einsatzfahrzeuge mit eingeschaltetem Blaulicht. Mit einem Blick erkannte Michael das Auto seines Vaters. Es lag auf der Seite und die obere Tür war offen, die Windschutzscheibe fehlte völlig. Nick konnte seinem Freund kaum folgen, als der Polizeiwagen endlich anhielt. Im Laufschritt hastete er zum Krankenwagen, der mit geöffneten Hecktüren am Straßenrand stand. Davor standen zwei Krankenliegen, die abgedeckt waren. Einen Beamten, der sich ihm in den Weg stellte, fegte er mit einer schnellen Bewegung zur Seite. Dann stand er vor den Krankentragen und riss die dunkle Decke zur Seite. Entsetzt taumelte er zwei, drei Schritte zurück, als er in das Gesicht seines Vaters sah.

Dann spürte er die starken Arme seines besten Freundes, der ihn eisern festhielt.

„Zu der anderen Tragbahre gehst du nicht!“ sagte er mit fester Stimme. Nick wusste nur zu gut, dass Michael seine Mutter über alles liebte und deshalb wollte er ihm ihren Anblick ersparen. Er merkte, wie Michael in seinen Armen erschlaffte und zog ihn weg von dem Krankenauto. Abseits der Szene setzte er ihn auf dem Boden ab und ging zurück, um einen Blick unter die zweite Plane zu werfen. Wie er befürchtet hatte, lag dort die Mutter seines Freundes. Der Unfall hatte sie ziemlich verunstaltet und er war froh, dass er Michael diesen Anblick ersparen konnte.

Obwohl er ein harter Mann war und der Tod zu seinem alltäglichen Geschäft gehörte, fühlte er einen dicken Knoten im Hals. Hilflos sah zu dem Bündel Elend am Straßenrand hinüber und überlegte angestrengt, wie er Michael helfen könnte. So ein Schicksalsschlag war nicht leicht zu verdauen. Einen geliebten Menschen vor seiner Zeit durch ein Unglück zu verlieren war schon schwer, aber beide Eltern gleichzeitig, war eine einzige Katastrophe. Er liebte Michael wie einen Bruder und dessen Eltern waren auch irgendwie seine gewesen. Seine eigenen Eltern waren Junkies und hatten sich niemals um ihn gekümmert. So verbrachte er seine Jugend mehr bei Michaels Familie, als bei seiner eigenen. Deshalb traf ihn der Unfall genauso so hart, wie seinen Freund.

Kurz entschlossen griff er nach seinem Handy und rief seinen Stützpunkt an. „Major Hartley am Apparat. Ich muss mit dem Chef reden, sofort.“ Nur wenige Sekunden später berichtete er dem General von dem Unfall und bat um Sonderurlaub. Sein direkter Vorgesetzter war ein Mensch mit viel Herz, deshalb bewilligte er diesen Urlaub ohne Zögern. Eigentlich hätte Nick übermorgen wieder zu einer heiklen Mission aufbrechen sollen, aber Familie ging auch dem alten Soldaten vor. „Danke Sir, sie haben was gut bei mir!“ beendete Nick das Telefonat.

Er wusste auch um den Auftrag, aber er war sich sicher, dass seine Kameraden das Problem auch ohne ihn lösen würden. Innerlich hatte er schon lange gekündigt. In seinem Alter sollte man langsam sesshaft werden und nicht ständig in der Welt herumreisen. Seine Arbeit war zwar wichtig für sein Land, aber nun sollten die anderen auch mal ran. In diesem Moment nahm er sich vor, nach Ende des Urlaubs darüber mit dem General zu reden. Sondereinheit hin, Weltpolizei her, er hatte genug. Er konnte froh sein, dass er seinen Job so gut verkraftete. Anderen Kameraden ging es da wesentlich schlechter, sie schafften es manchmal nicht, die Einsätze mit ihrem Gewissen zu vereinbaren. Nick hatte zum Glück die Gabe, es aus weiter Entfernung zu sehen. Nicht, dass er kein Gewissen gehabt hätte. Aber irgendjemand musste seine Arbeit schließlich machen, dessen war er sicher.

Mit viel Überredung gelang es Nick schließlich, Michael auf den Beifahrersitz zu platzieren. Schweigend setzte er sich ans Steuer und fuhr zurück zur Villa mit den unwissenden Partygästen. Den Wagen stellte er in der Tiefgarage ab und brachte seinen Freund im Aufzug nach oben. Am Wohnbereich fuhren sie vorbei und hielten erst bei Michaels Privaträumen. Besorgt betrachtete Nick den gezeichneten Mann neben sich, der sich wie in Trance zum Sofa bringen ließ. Als er dort in sich zusammensank, griff sich Nick den Telefonhörer und berichtete Sandy von dem schrecklichen Unfall. Auch sie verstand sofort, dass es nun an ihnen war, ihrem besten Freund zur Seite zu stehen und ihm Halt zu geben. Nick bat die junge Frau die Gäste, möglichst ohne von der Katastrophe zu erzählen, nach Hause zu schicken. Immer ein Auge auf Michael gerichtet, ging er zur Hausbar und goss sich und dem Trauernden ein Glas Whisky ein. Bester Scotch im höchsten Preisniveau dachte er und überlegte weiter, dass es jeder billige Alkohol in der momentanen Situation auch getan hätte. Aber Geld war Michaels geringste Sorge. Davon besaß er mehr als genug.

Schweigend setzte er sich neben seinen Kameraden und legte ihm den Arm um die Schulter. Er fühlte sich hilflos und überfordert. Michaels Reaktion zeigte ihm aber, dass er genau das Richtige tat. Er hörte ihn weinen und war einfach nur da, ohne sinnlose Worte zu verlieren.

„Sandy und ich bleiben heute Nacht bei dir“, brach er das Schweigen, nachdem Michael sich ein wenig beruhigt hatte. „Wenn du etwas brauchst, melde dich einfach, egal was es auch sein mag. So, nun trinkst du deinen Whisky in einem Zug aus und lässt den Alkohol seine Arbeit tun. Der Schlaf wird dir guttun. Morgen besprechen wir dann die weiteren Schritte. Für die nächsten Wochen habe ich mir Urlaub genommen und lasse dich keine Sekunde allein!“ Deutlich war seiner Stimme die Angst um seinen Freund anzuhören.

„Ich danke dir und Sandy. Das werde ich euch nie vergessen. Es ist alles so seltsam. Ich begreife nicht, warum dieser Unfall geschehen ist. Dad war zeit seines Lebens so ein vorsichtiger Mensch. So ein Verhalten passt gar nicht zu ihm. Und Mom hätte es doch niemals zugelassen, dass er so sinnlos rast.“ Seiner Stimmung konnte man anhören, dass er wieder um Fassung rang. „Versprich mir, dass du mir hilfst, dieses Rätsel zu lösen“, sagte er auf dem Weg zum Schlafzimmer.

„Versprochen. Aber jetzt geht’s ab ins Bett. Morgen fahren wir zuerst zur Polizei und hören uns deren Version an. Danach sehen wir weiter“, erwiderte Nick.

Inzwischen hatte Sandy die erstaunten Partygäste nach Hause geschickt. Über die Gründe für den plötzlichen Abbruch hatte sie aber geschwiegen. Michael sollte erst wieder zur Ruhe kommen, bevor ihn alle Welt zu trösten versucht. Die beiden wichtigsten Menschen waren jetzt bei ihm, die anderen konnten warten. Die Aufregung hatte sie so wachgemacht, dass an Schlaf gar nicht zu denken war. Da es Nick ebenso ging, setzten sie sich zusammen und er erzählte ihr von der Unfallstelle und dem unerklärlichen Hergang. Natürlich kannte sie Michaels Eltern auch schon ewig und konnte sich deshalb keinen Reim auf die merkwürdigen Umstände machen. Bis zum Sonnenaufgang redeten sie über gemeinsame Erlebnisse und erzählten sich gegenseitig Anekdoten über Michaels Eltern.

Kurz nach 5 Uhr hörten sie Geräusche im Flur. Ihr Freund war auch schon auf den Beinen und ging gerade ins Badezimmer. Ein wenig später überraschte er sie mit unerwartetem Elan.

„Auf geht’s, wir machen uns ein anständiges Frühstück und fahren anschließend zu den Cops“, forderte er seine Freunde auf. Zufrieden erkannte Nick, dass Michaels Verhalten nicht aufgesetzt war, sondern ehrlich. Natürlich war er nicht in Feierlaune, aber bereits wieder gefasst und zurück im Leben. Alle drei machten sich in der Küche an die Arbeit und bereiteten gemeinsam ein typisches amerikanisches Frühstück. Pfannkuchen, Eier mit Speck und Toast. Dazu ein echt starker Kaffee, den sie alle nach dieser langen Nacht vertragen konnten. An der langen Küchentheke nahmen sie das Frühstück ein. Gewohnheitsmäßig schaute Michael währenddessen auf sein Handy.

Er hatte zwar sein Unternehmen verkauft, war aber viel zu rege, um ohne Beruf sein zu können. Im Kaufvertrag war festgelegt, dass er weiterhin an der Entwicklung seines Programmes mitwirken sollte, sofern es nötig war. Was Michael in relativ kurzer Zeit vor Jahren programmiert hatte, war eine Revolution im Bereich von Sicherheitssoftware. Antivirus und Firewall-Programme gab es in allen Qualitätsstufen, richtig gut, d. h., unüberwindbar war keine davon. Bis Mr. Strong eine geniale Idee hatte. Auslöser war damals ein Hackerangriff auf seinen Privat-PC gewesen, bei dem er viele wichtige Dokumente unwiederbringlich verlor. Darüber war er so verärgert, dass er sich sofort an die Tastatur setzte und einen Quellcode eingab. Zuerst machte er sich Gedanken über den Ist-Zustand. Wie der Hacker bewiesen hatte, gab es keine 100%ige Sicherheit. Irgendwo saß immer ein noch schlauerer Kopf und knackte alle Sperren auf dem Weg in den fremden Computer. Und genau das war Michaels Lösungsansatz. Aufbauend auf der vorhandenen Struktur schrieb er zusätzliche Routinen in die Antiviren- und Firewall-Software. Einfach ausgedrückt verfügten Michaels Weiterentwicklungen über eine geniale Technik. Die Regel zu deren Ausführung lautete einfach: „Wenn du einen Gegner nicht besiegen kannst, dann lasse ihn ins Leere laufen!“ Diese Weisheit hatte er aus seiner Kampfsporterfahrung adaptiert. Wurde beispielsweise die Firewall attackiert, wehrte sie die Angriffe erst einmal mit der üblichen Strategie ab. In dem Moment, wo feststand, dass diese Strategie versagte, schaltete sie um, leitete den Angreifer in eine virtuelle Welt, so täuschend echt, dass dieser es nicht bemerken konnte. Im Hintergrund protokollierte eine andere Software aber das Verhalten des Eindringlings und ermöglichte dadurch die permanente Fortentwicklung des Produkts. Selbst ohne große Fantasie war jedem klar, welch gefragtes Produkt Michael damit erschaffen hatte. Weltweit standen die Kunden Schlange, allerdings verweigerte er anfangs den Verkauf an x-beliebige Interessenten. Durch Einsicht in den Quellcode konnten andere gute Programmierer durchaus Hintertüren finden und somit den Wert der Programme vernichten. Nach langen Verhandlungen landeten Michaels Sicherheits-Suites ausschließlich auf amerikanischen Computer, die nur in extrem geheimen und wichtigen Einrichtungen standen.

Die Ablenkung seitens des Handys tat Michael offensichtlich gut. Er begann schon wieder, die eingegangenen Nachrichten zu kommentieren und sich darüber lustig zu machen. Plötzlich erstarrte er. Sein Gesicht wurde aschfahl und Nick vernahm die Stimme von Michaels Vater.

„Michael, wir sind gerade auf dem Weg zu dir. Deine Party wollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Es dauert nur ein bisschen länger, du weißt ja, wie Frauen so sind. Schön und unpünktlich. Aber keine Panik, wir kommen auf jeden Fall noch zu dir, versprochen.“

Wie hypnotisiert schaute Michael auf das Telefon. Das waren also die letzten Worte seines Vaters an ihn gewesen. Es klang so alltäglich, keineswegs aufgeregt oder gestresst. Warum nur war dann der Unfall passiert? Eine berechtigte Frage, deren Beantwortung schon in Michaels Hand lag. Bislang unentdeckt schlummerte die Erklärung im Speicher des Gerätes. Michael las noch eine Anfrage vom Pentagon, als er eine weitere Botschaft seiner Eltern auf dem Apparat entdeckte. Dieses Mal handelte es sich offensichtlich um ein Video. Was sollte das denn bedeuten? Neugierig öffnete er die Datei und sah sich den Stream an. Mit jeder Sekunde wurde er aufgeregter. Fassungslos verfolgte er den knapp 20 Sekunden langen Clip. Dann warf er Nick das Handy hin und sagte: „Schau dir das Video an. Ich weiß jetzt, warum meine Eltern den Unfall hatten. Sie wurden gejagt und sind deshalb viel zu schnell unterwegs gewesen.“

Nick traute seinen Ohren kaum und schnappte sich hastig das Mobil-Telefon und startete den Film. Obwohl der Bildschirm klein war und die Aufnahmen bei Nacht von einem nervösen Menschen gemacht wurden, erkannte er zwei Dinge sofort. Michael hatte recht, das war der Beweis. Und zweitens war der Verfolger zwar zu sehen, aber nicht zu identifizieren. Durch die Heckscheibe erkannte er ein helles Licht, ohne die Umrisse des darin verborgenen Objekts ausmachen zu können. Das Licht näherte sich mit hoher Geschwindigkeit und senkte sich zum Fahrzeug herab. Wie ein herabstoßender Falke stürzte es sich immer wieder auf das Auto herunter und bedrängte die Strongs.

Der erfahrene Soldat konnte sich auf dieses Verhalten keinen Reim machen. Ein Hubschrauber hätte es keineswegs riskiert, das fahrende Auto zu berühren und dadurch abzustürzen. Angreifen ja, aber dann mittels Bordkanone oder durch einen mitfliegenden Soldaten. Auf der anderen Seite konnte ein Kampfjet derartige Manöver nicht ausführen. Die einzig übrigbleibende Erklärung war für ihn deshalb eine Drohne. Aber wieso sollte das Militär Michaels Eltern angreifen? Außer dem Militär besaß niemand diese Fluggeräte. Die Lösung schien zum Greifen nah, aber die Variablen ergaben keinen Sinn. Erst Sandys wissenschaftlicher Verstand brachte mehr Licht in das Dunkel.

Sie schaute sich das Filmmaterial ebenfalls an. Anders als die beiden Männer vor ihr tat sie es aber mit der ihr eigenen Neugier. Nach dem ersten Durchlauf startete sie die Aufnahme erneut, nahm aber dieses Mal Zettel und Stift dazu. Mehrfach stoppte und startete sie die Bilder und sah dazwischen auf ihre Uhr. Ihre Freunde verstanden plötzlich, was sie tat. Sie analysierte den Ablauf und machte Berechnungen über die Geschwindigkeit und die dabei zurückgelegte Strecke.

„Und was hast du herausgefunden?“ Fragte Nick.

„Moment“, entgegnete sie, „ich muss das noch einmal nachrechnen. Da stimmt was nicht. Ich muss einen Fehler gemacht haben. Die Zahlen erscheinen mir unglaubwürdig.“

Widerwillig hielt sich Nick zurück und versuchte einen Blick auf Sandys Notizen zu werfen. Allerdings hatte sie eine derart schreckliche Handschrift, dass er nichts davon entziffern konnte. Deshalb fragte er genervt erneut nach, wie denn das Ergebnis lautete.

„Okay, Jungs. Meine Berechnungen sind korrekt. Nur ergeben sie keinen Sinn. Die Fakten lauten: Michael, deine Eltern waren zu Beginn des Videos mit knapp 110 km/h unterwegs. Wenn man genau hinsieht, erkennt man den Verfolger schon viel eher im Hintergrund. Da ich die Straße kenne und weiß, wie lang sie bis zum Horizont ist, habe ich errechnet, dass das Objekt sich mit über 3.000 Stundenkilometern deinen Eltern nähert. Und dann bremst es auf maximal 190 – 200 km/h herunter, und zwar im Bruchteil einer Sekunde. Nichts und niemand kann das, deshalb halte ich den Film für gefälscht. Du solltest ihn durch Experten überprüfen und gegebenenfalls kopieren und vergrößern lassen. Mit besserem Material könnte ich vielleicht eine genauere Auswertung erreichen. So gibt es jedenfalls keinen logischen Sinn.“

Michael riss ihr förmlich das Mobil-Telefon aus der Hand und eilte hinaus. Nick musste sich anstrengen, um mit seinem Freund Schritt zu halten. Gerade noch rechtzeitig schwang er sich ins Auto, bevor sein Freund losfuhr.

„Willst du mir bitte mal erklären, was das soll? Wo rasen wir denn hin und warum muss ich dir hinterher hecheln wie ein Idiot?“ schnaubte Nick.

„Aus meinem Geschäftsleben kenne ich den besten Mann für eine derartige Videobearbeitung. Normalerweise arbeitet er für die Geheimdienste oder Hollywood. Und – er schuldet mir noch mindestens einen Gefallen“, lautete Michaels Erklärung.

„Bestimmt wird er entzückt sein, wenn du zu dieser unchristlichen Zeit bei ihm zuhause aufschlägst!“ Konnte sich Nick nicht verkneifen zu sagen.


2. Kapitel – Spurensuche

Michaels Haus lag im Nordwesten von Las Vegas in Branch, einem Vorort der Spielerhochburg. Wenn es sich vermeiden ließ, machte er einen großen Bogen ums Zentrum der Metropole. Egal wann man in die City kam, sie war 24 Stunden mit Touristen gefüllt, und das war ganz und gar nicht sein Fall. Zum Glück war sein alter Bekannter in der entgegengesetzten Richtung zuhause. Ben, so hieß der Videofachmann, wohnte einige Kilometer südlich von Indian Springs auf einer kleinen Farm. Für die Männer bedeutete das eine Fahrt von rund 70 km. Sie fuhren Richtung Norden auf der Route 95. Nick saß am Steuer des weißen Mercedes und ließ das Auto auf dem Highway im mäßigen Verkehr mitschwimmen. Die meisten Autos fuhren nach Las Vegas hinein, die wenigsten nach Norden in die Wüstengegend.

Keine 50 Minuten später setzte er den Blinker und bog nach links auf einen Feldweg ab. Jetzt lagen nur noch 2 Kilometer vor ihnen, bis sie am Ziel angekommen waren. Nick war noch nie in dieser Gegend gewesen und schaute sich aufmerksam um. Die Landschaft war für Nevada typisch - trocken und karg. Hinter einer Rechtskurve erreichten sie die Farm. Er erkannte ein Hauptgebäude, eine Scheune und davorliegende Pferdekoppeln, allerdings ohne Tiere. Im Schatten einer großen Eiche stellte er das Fahrzeug ab und ging hinter Michael über die Veranda zur Haustür. Sein Freund betrat das Haus, ohne anzuklopfen, und ging geradewegs ins Wohnzimmer. Scheinbar war niemand daheim.

„Ben, ich bin’s, Michael. Wo steckst du?“ rief Michael laut. Keine Antwort. Er wiederholte seinen Ruf. Plötzlich erhielt er eine Antwort.

„Da schau an, Michael Strong beehrt mich mit seiner Anwesenheit. Wie lange ist es her, dass wir uns gesehen haben? 2 oder doch schon 3 Jahre?“ erklang eine fremde Stimme. Der Hausbesitzer stand in der Tür zur Küche und grinste seine Besucher freundlich an.

Nick war erstaunt. Noch wenige Augenblicke zuvor hatte er in die Küche geschaut und niemanden entdeckt. Wo kam der Typ jetzt so plötzlich her? Während Ben und Michael sich freundschaftlich umarmten, warf er einen Blick in den Raum. Im Fußboden tat sich ein großes Loch auf und gewährte Zugang zu einem darunterliegenden Raum. Damit war geklärt, wo der Mann hergekommen war. Vielleicht hatte er seine Computeranlage dort unten stehen, dachte Nick.

Durch diese Ablenkung war ihm das kurze Gespräch der anderen entgangen. Offensichtlich hatte Michael sein Anliegen bereits angebracht und Ben sich bereit erklärt zu helfen. Auf dem Weg in den Keller schenkte er sich und seinen Gästen noch einen Kaffee ein und ging vor ihnen die Stiege hinunter. Überrascht stieß Nick einen anerkennenden Pfiff aus, als er die Kellerräume einsehen konnte. Es herrschte peinliche Sauberkeit und weit und breit war kein üblicher Erdboden zu sehen. Der Fußboden bestand aus Beton, ebenso die Wände, in denen sich mehrere Ventilatoren drehten. Selbstverständlich fehlte auch der muffige Geruch eines normalen Kellers. Stattdessen tat sich ein High-Tech-Raum vor ihm auf. Unzählige Monitore und beinahe ebenso viele Tastaturen wiesen darauf hin, dass hier mit modernster Technik gearbeitet wurde.

„Gib mir zuerst dein Smartphone und setzt euch irgendwo hin“, sagte Ben. Er steckte das Handy in eine Docking-Station und drückte einige Tasten auf einem Keyboard. Aufmerksam beobachteten seine Gäste sein Vorgehen. Dann erschien auch schon der Film auf einem der großen Bildschirme über ihren Köpfen. Die wenigen Sekunden des Videos liefen ab und Ben setzte sich erstaunt zurück. Er stieß sich mit den Füßen am Schreibtisch ab und rollte einen Meter zurück.

„Ich kann dir nicht helfen, Michael“, sagte er, „wo habt ihr das überhaupt her?“

„Was heißt du kannst mir nicht helfen? Du willst mir nicht helfen, scheint da eher zu stimmen?“ Michael hörte man den Ärger deutlich an und Nick ergriff seinen Unterarm, um ihn zu beruhigen.

„Pass auf, ich will ehrlich zu dir sein, weil wir schon so lange befreundet sind. Ein ähnliches Video habe ich schon einmal gesehen. Es stammte von dem Einsatz eines Kampfpiloten und hat dem Mann richtig Probleme bereitet. Er hatte damals gegenüber seinem Vorgesetzten auf einer offiziellen Meldung bestanden. Anfangs haben seine Vorgesetzten noch versucht, ihm dies auszureden. Aber der Kerl war stur wie ein Maulesel, sodass ich den Streifen zur Bearbeitung bekam. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe das Original so verfälscht, dass der Inhalt harmlos wurde. Sie haben mich derart unter Druck gesetzt und auch bedroht, dass ich nicht anders konnte. Der Pilot wurde daraufhin wegen psychischer Probleme aus der Army entlassen. Wenige Wochen später fand man ihn tot auf. Angeblich war er an einer Überdosis Heroin gestorben. Du wirst verstehen, dass ich keine Lust habe, in so etwas wieder hineingezogen zu werden.“

„Jetzt ist’s aber gut. Ich bin nicht irgendein Pilot, sondern Michael Strong, ein Mann mit Kontakten in allerhöchste Ebenen. Mein Einfluss und mein Status sind völlig anders als bei dem armen Kerl. Du schuldest mir noch einen Gefallen und den fordere ich jetzt ein!“ Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu.

„Eh Mann, das kannst du doch nicht machen. Glaub mir, die Sache ist gefährlich und wahrscheinlich auch für dich eine Nummer zu groß. Du hast keine Ahnung, mit wem du dich anlegst!“ Ben versuchte alles, um Michael aufzuhalten. „Zwing mich bitte nicht uns alle in Gefahr zu bringen. Lass die Sache auf sich beruhen und wühl nicht im Dreck. Vielleicht gefällt dir nicht, was dann zum Vorschein kommt.“

Es folgte eine schier endlose Diskussion, an deren Ende Michael die Oberhand behielt. Nachdem er Ben in die Hand versprochen hatte, ihn aus allem herauszuhalten, willigte dieser in die Bearbeitung des Videos ein. Mit routinierten Handgriffen erledigte er seine Arbeit und kopierte den überarbeiteten Film auf einen USB-Stick. Michael verstaute ihn in seiner Brusttasche und hatte es danach eilig wegzukommen. Nick hatte schon wieder Mühe seinem Freund ins Auto zu folgen. Die Heimfahrt verbrachte er auf dem Beifahrersitz und musste seinen Freund mehrfach ermahnen, dass dieser nicht zu schnell und zu riskant fuhr. Nach wesentlich kürzerer Fahrzeit als auf dem Hinweg trafen sie wieder vor Michaels Villa ein, mit einem dicken Strafzettel im Gepäck. Eine Motoradstreife der Highway-Patrol hatte sie unterwegs gestoppt und Michaels Fahrstil mit 100 $ Strafe belegt.

Sandy war in ihrer Abwesenheit auf der Couch eingeschlafen und wurde nun von ihnen geweckt. Voller Ungeduld bedrängte sie Michael, sich schnellstens das bessere Filmmaterial anzusehen. Nick hatte seiner Freundin einen frischen Kaffee aus dem Automaten geholt und ihr Michaels Notebook auf den Tisch gestellt. Gespannt schauten sie über ihre Schulter, als sie sich das bearbeitete Video erneut ansah. Dieses Mal ließ sie sich mehr Zeit und begutachtete den Film sogar in Zeitlupe. Zwischendurch notierte sie sich immer mal ein paar Zahlen und rechnete damit.

„Also Jungs“, sagte sie nach etlichen Minuten, „obwohl ich es nicht verstehe, stimmen meine Berechnungen. Wie gesagt, das Objekt, das Michaels Eltern verfolgte, widerspricht jeder Physik. Es ist viel zu schnell und entschieden zu wendig, als das es dem momentanen Stand unserer Technik entstammen könnte.“

Überrascht sahen sich die beiden Männer fragend an. Ausgerechnet Sandy hatte keine Lösung für ein Problem, das waren sie nicht gewöhnt. Zuerst fand Michael seine Sprache wieder.

„Ja, und das war es jetzt? Keine Idee, worum es sich bei dem Licht handelt? Keinen Ansatz, in welche Richtung ich weiter recherchieren könnte? Schau es dir bitte noch einmal an und gib mir dann wenigstens einen kleinen Hinweis!“

„Das ist sinnlos. Wenn ich spekulieren soll, was da passiert ist, fallen mir nur zwei denkbare Lösungen ein. Zum einen handelt es sich um ein geheimes Fluggerät der Navy oder, und das meine ich durchaus ernst, ist es ein UFO!“ Erwiderte die Wissenschaftlerin.

„Dann nehme ich das Erste. Du glaubst doch nicht, dass da draußen UFOs herumfliegen und friedliche Leute von der Straße katapultieren? Das alles ergibt nur einen Sinn, wenn das Pentagon dahintersteckt. Denen traue ich schon eher zu, dass sie unliebsame Zeugen aus dem Weg schaffen! Oder was meinst du, Nick?“ wandte er sich an den schweigsamen Freund.

„Im Prinzip würde ich dir gerne recht geben“, erwiderte dieser, „aber ich habe die höchste Sicherheitsstufe und noch niemals ein Wort über ein solches Projekt gehört. So geheim, wie du denkst, sind die Army-Labore nun auch wieder nicht. Immerhin arbeiten sie eng mit der Wirtschaft zusammen. Wenn so viele Menschen beteiligt sind, kannst du auf Dauer nichts wirklich geheim halten. Falls da unsere Leute tatsächlich ihre Finger drin haben sollten, dann kommt es aus einer ganz anderen Richtung. Es klingt mehr nach einem unserer Geheimdienste, die wieder mal einen Alleingang unternehmen. Diese Erklärung passt dann auch wieder gut zu dem seltsamen Tod des armen Piloten, von dem Ben erzählt hat.“ Meinte Nick zu der Analyse.

„Egal, wer es auch sei, ich finde die Wahrheit heraus und werde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.“ Stellte Michael kategorisch fest.

Nick hatte bereits eine Idee, wo sie anfangen konnten. Aus seiner Grundausbildung kannte er einen Mann, der heute an maßgeblicher Stelle im Verteidigungsministerium saß. Soweit er wusste, war er direkt dem Verteidigungsminister unterstellt und zuständig für militärische Forschung. Wenn jemand Zugriff zu einem Projekt dieser Größenordnung hat, dann er. Er teilte seine Gedanken den anderen mit. Sofort war Michael begeistert und wollte Nicks Bekannten unverzüglich anrufen.

„Das geht doch nicht telefonisch“, widersprach Nick, „da muss ich persönlich hin und mit ihm unter vier Augen reden. Da kann ich dich auch nicht gebrauchen. Das ist meine Welt. Du solltest in der Zwischenzeit hier vor Ort alles zusammentragen, was du über den Unfall finden kannst. Sandy kann dir helfen und nachgrasen, ob es solche Unfälle schon früher gegeben hat. Und wenn ich aus Washington wieder da bin, schmeißen wir alles in einen Topf und finden heraus, wie das Mosaik zusammengesetzt werden muss.“

Michael sah schweren Herzens ein, dass Nick recht hatte. Das war dessen Aufgabe, bei der er nicht helfen konnte. Selbstverständlich finanzierte er aber die Aktion und bestellte sofort einen Lear-Jet für den nächsten Morgen. Obwohl er unglaublich reich war, besaß er selbst keinen eigenen Flieger. Luxus war für ihn nie wichtig gewesen. Das einzig teure Hobby waren seine Autos und Motorräder. Alles andere bezahlte er lieber bei Bedarf.

Während Nick nach Hause ging, um noch ein wenig zu schlafen und sich mit seinem Freund im Pentagon zu verabreden, machten sich die beiden anderen auf die Suche nach Antworten. Michael fuhr zur Polizei und Sandy suchte im Internet nach ähnlichen Vorkommnissen. Auf der Polizeistation bekam Michael keine neuen Details mitgeteilt. Anhand der Unfallstelle gingen die Officers von menschlichem Versagen aus. Eine ausführliche Obduktion seiner Eltern war auch nicht geplant und wurde erst auf Michaels Drängen veranlasst.

Sandy hatte allerdings mehr Erfolg. Zu ihrer Verwunderung waren schon einige andere Menschen mit diesen ominösen Lichtern zusammengetroffen. Meist gingen die Begegnungen glimpflich aus, aber einen Schrecken hatten alle Beteiligten davongetragen. Sie notierte sich Namen und Zeiträume der Betroffenen und der Ereignisse. Anschließend erweiterte sie die Suche auf das ganze Land. Tatsächlich erhöhte sie damit ihre Trefferquote noch einmal. In den Vereinigten Staaten gab es Hunderte ähnlicher Vorfälle. Mit der Zeit kristallisierten sich aber bestimmte Schwerpunkte heraus, die sie auf eine Landkarte der USA übertrug. Aufgrund dieser Statistik zeigte sich, dass die Phänomene auf einige wenige Gegenden beschränkt waren. Das wiederum widersprach dem Prinzip des Zufalls. Es war vielmehr der Beweis, dass sie es nicht mit einer natürlichen Erscheinung zu tun haben, sondern mit einer von Menschen gemachten. Die Häufung von Zwischenfällen an einer Handvoll Plätzen konnte kein Zufall sein. Ihr wurde klar, dass ihre Untersuchungen noch viel Arbeit für sie alle bringen würde.

Den Abend verbrachten Michael und sie angeregt diskutierend über die vorläufigen Ergebnisse. In der jungen Wissenschaftlerin keimte allmählich der Verdacht, dass sie es mit einem sehr weitreichenden Geheimnis zu tun hatten, dessen Aufdeckung schwierig sein würde. Sie teilte keineswegs Michaels Ansicht, dass das Militär oder die Regierung hinter all dem stecken müsse. Falls dies doch der Fall sein würde, dann mit Sicherheit keine offizielle Behörde, so dachte sie. Es klang ziemlich nach Verschwörern à la Illuminati. Sie glaubte nicht, dass selbst höchste Stellen derartige Geheimnisse hüteten. Hier waren andere Kräfte am Werke.

Am folgenden Tag, kurz nach 7 Uhr morgens, befand sich Nick bereits in der Luft. Der georderte Jet hatte nicht nur eine luxuriöse Ausstattung, er besaß scheinbar auch Sonderrechte. Erstaunt erkannte Nick, dass er auch militärische Anlagen überflog, für die normalerweise ein großzügiges Sperrgebiet galt. Sie waren auf geradem Weg in Richtung Washington unterwegs. Zudem flog das kleine Passagierflugzeug noch in relativ geringer Höhe, wozu es ebenfalls Sondervollmachten benötigte. Scheinbar hatte sein bester Freund doch ziemlich viel Macht, sonst wäre dies nicht möglich gewesen. Auch am Washingtoner Flughafen widerfuhr ihnen eine Sonderbehandlung. Ihre Landung wurde sofort genehmigt und sie erhielten exklusiv einen Stellplatz, der nahe am Ausgang lag. Ebenso wenig interessierte sich irgendjemand für den Passagier. Kein Zollbeamte und keinerlei anderes Sicherheitspersonal wollte wissen, wer oder was da gelandet war. Vollkommen unbehelligt verließ Nick den Flugplatz binnen weniger Minuten und fuhr mit einem Taxi zum Pentagon.

Im pulsierenden Washingtoner Verkehr brauchten sie noch etwas mehr als 30 Minuten, bevor Nick durch eine Seitentür ins Verteidigungsministerium eintrat. Hier war für ihn wieder alles wie gewohnt. Es standen bewaffnete Posten an unterschiedlichsten Stellen und beäugten ihn trotz seiner Uniform argwöhnisch. Gelassen ging er zur Info und meldete sich an. Die junge Dame nahm sein Anliegen zur Kenntnis und verständigte seinen Freund von seinem Eintreffen.

„Warten sie bitte hier, bis sie abgeholt werden.“ Sagte sie zu ihm.

Wenig später erschien ein junger Lieutenant, salutierte kurz vor ihm und sagte im Umdrehen: „Folgen sie mir bitte, Sir!“

Sie bestiegen einen Fahrstuhl und fuhren 10 Stockwerke nach unten. Künstliches Licht empfing sie auf einem klinisch sauberen Flur. Nachdem sie an unzähligen unbeschrifteten Türen vorbeigegangen waren, hatten sie endlich ihr Ziel erreicht. Der Lieutenant öffnete nur die Tür für Nick und war gleich danach verschwunden.

„Hallo Nick, alter Haudegen! Gute Reise gehabt?“ ertönte vom Schreibtisch her die ihm bekannte Stimme seines alten Freundes.

Nick ließ den Raum in aller Kürze auf sich einwirken. Keine alltägliche Ausstattung, vielmehr ein gehobenes Niveau. Die Büromöbel machten den Eindruck, dass sie deutlich mehr als der Durchschnitt gekostet hatten. Und die drei Fernseher an der Wand zeigten, dass Nick sich im Büro eines wichtigen Mannes befand.

„Respekt, du hast es scheinbar geschafft, Jim!“ Mit diesen Worten begrüßte Nick den sitzenden Mann.

„Kann man so sagen. Es könnte mir durchaus schlechter gehen“, lachte Jim zurück.

Nach dem üblichen Smalltalk kam Nick gleich zur Sache.

„Ich habe hier ein Video, von dem ich gerne wissen möchte, was du dazu zu sagen hast“, sagte er und hielt seinem Gegenüber den USB-Stick mit dem Film entgegen. Jim schob den Datenträger in den USB-Slot und schaute sich den Streifen schweigend an. Danach sagte er sehr ernst zu Nick.

„Das sage ich dir nur, weil du ein sehr guter Freund bist. Wir haben uns heute nicht gesehen. Du warst nicht hier und ich war nicht hier. Das Video habe ich nie gesehen. Und wenn du klug bist, vernichtest du es und kümmerst dich um andere Sachen!“

„So leicht kommst du mir nicht davon. Ich will auf der Stelle wissen, was du mir darüber sagen kannst. Immerhin sind die Eltern meines besten Freundes deswegen ums Leben gekommen“, forderte Nick mit fester Stimme.

„Du wirst mir nicht in meinem eigenen Büro drohen, mein Freund. Anderenfalls lasse ich dich vom Sicherheitspersonal hochkant hinauswerfen. Hast du das verstanden?“ Reagierte der Beamte heftig. „Einen Rat noch, aufgrund unserer alten Freundschaft. Hinter alldem könnte eine Organisation stecken, die noch über der Regierung und außerhalb unserer Gesetze tätig ist. Das sage ich dir hinter vorgehaltener Hand und absolut inoffiziell. Selbst ich weiß nur gerüchteweise, dass sie existiert. Ich habe keine Ahnung, was sie dort tun und will es auch nicht wissen. Besser du gehst jetzt!“

Nick erhob sich und verließ den Raum. Draußen stand noch der Lieutenant und brachte ihn zurück zum Ausgang. Ein Taxi bekam er sofort und war schon bald wieder am Flughafen. Sein Jet stand noch, wo er ihn verlassen hatte und der Pilot lehnte lässig an der Gangway. Nick passierte ihn und forderte ihn zum unverzüglichen Heimflug auf.

In der Luft machte er sich so seine Gedanken und wurde dabei von einem schlechten Gefühl überfallen. Er hatte zwar keine Fakten zutage gebracht, aber die Warnung und die nebulösen Gerüchte beunruhigten ihn ziemlich. Vielleicht war das alles doch zu gefährlich für Michael und für ihn. Jedenfalls sollten sie schnellstens Sandy aus dem Spiel heraushalten.

Noch am selben Abend traf er sich mit seinen Freunden und berichtete Wort für Wort von seinem Gespräch im Pentagon. Für Sandy passte das genau mit ihren Vermutungen zusammen. Michael glaubte eher an ein Komplott innerhalb höchster Regierungsstellen. Viel weiter waren sie nach einem Tag noch nicht gekommen. Allerdings hatten sich etliche neue Ansatzpunkte ergeben. Aufgeben würde Michael auf gar keinen Fall, das wussten seine Freunde ohnehin.