Inhalt

  1. Cover
  2. Impressum
  3. HERZASS-BOYS GREIFEN EIN
  4. DIE ABRECHNUNG - Teil 8
  5. Vorschau
  6. Wissenswertes

BASTEI ENTERTAINMENT

Liebe Western-Leser, liebe Unger-Freunde!

Das Werk von G.F. Unger, einem der größten und beliebtesten Wildwest-Autoren über die Grenzen Deutschlands hinaus, ist umfangreich. Dazu zählen auch seine Beiträge zu den Serien BILLY JENKINS, TOM PROX, JOHNNY WESTON und PETE in den 50er-Jahren.

Als »sein« Verlag wollen wir Ihnen – zusätzlich zur Sonder-Edition, in der wir Ungers Taschenbücher ungekürzt im Heftformat auflegen –, in einer Classic-Edition jetzt auch diese Romane präsentieren, die neben ihrem nostalgischen Reiz nichts von ihrer Dramatik verloren haben. Wir beginnen mit seinen Billy-Jenkins-Romanen – 71 Hefte und 8 Leihbücher. Die Serie wurde erstmals im Werner-Dietsch-Verlag in den Jahren 1934–1939 veröffentlicht und zwischen 1951 und 1958 vom Uta-Verlag neu aufgelegt und fortgeführt. G.F. Unger stieg bei Band 50, mit dem wir auch die Classic-Edition begonnen haben, in die Serie ein.

Wir wünschen allen Sammlern und Lesern viel Vergnügen und spannende Unterhaltung bei dieser Zeitreise!

Ihre G.F Unger-Redaktion

PS: Einige Bezeichnungen in den Romanen wie »Neger« gelten heutzutage als diskriminierend. Sie waren zur Zeit der Romanhandlung aber gebräuchlich und sollten im historischen Kontext verstanden werden, weshalb sie im Text belassen wurden.

Herzass-Boys greifen ein

Nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins

Erzählt von G.F. Unger

Schon zwei Tage lang wird Alaska-Ben durch die Berge gehetzt. Dass er noch lebt und immer wieder seinen Verfolgern ein Schnippchen schlagen konnte, verdankt er nicht nur seinem Geschick: Die Berge sind seine besten Verbündeten, und er versteht es, seine Vorteile zu nützen. Tiefe Canyons, Steilhänge, Löcher, Talkessel und hochragende Schroffen erwecken den Eindruck, als habe eine Riesenhand hier alles durcheinandergeworfen. Anderer Meinung wird man hingegen, wenn man plötzlich auf eins der großen Täler trifft, die mit ihrem saftigen Gras wie weltverlorene Paradiesflecken anmuten.

Alaska-Ben ist ein harter Mann, der in seinem langen Leben immer nur Kampf gekannt hat: Kampf mit wilden Tieren, Kampf mit Naturgewalten – und auch Kampf mit Menschen, die ihm ans Leben wollten.

Schon im Alter von zwanzig Jahren trieb er sich als Trapper in der Wildnis umher, kämpfte unter General Custer gegen die berühmten Dakota-Häuptlinge Sitting Bull und Crazy Horse und war einer der wenigen, die in der blutigen Schlacht am Little Bighorn-River den hasserfüllten Rothäuten entkam. Später ging er in den hohen Norden und machte den Goldrun in Alaska mit. Ja, er hat stets ein abenteuerliches Leben geführt und hat mit seinen fünfundsiebzig Jahren allerhand Erfahrungen gesammelt. Sein Haar ist weiß, und seine eisgrauen Augen vermögen Geschriebenes nur zu lesen, wenn er es weit von sich weghält, doch an körperlichen Kräften nimmt er es immer noch mit jedem Vierzigjährigen auf. Er gleicht einem alten, zähen Puma, den so leicht nichts mehr umbringen kann.

Seit wenigen Stunden weiß Alaska-Ben, dass er jetzt seine letzten Spuren zieht. Er blutet aus mehreren Wunden. Es sind nur kleine, kaum lebensgefährliche Wunden, über die er sonst gelacht hätte, wenn er nicht gehetzt würde – gehetzt von einer Bande unerbittlicher Mörder.

Mit zusammengebissenen Zähnen hinkt der alte Trapper in einen Canyon hinein. Er weiß, dass diese Schlucht in das Blue-Mountains-Valley führt, in ein weitläufiges Tal, wo Rinder über Weideland ziehen. Dort müssen auch Reiter sein, Cowboys, die ihm helfen könnten. Aber wird er aus den Bergen herauskommen? Er ist sich dessen nicht sicher, aber er tut, was er kann, tut es vor allem für seine Partner, deren Leben von ihm abhängt.

Seinen Waffengürtel hat sich Alaska-Ben um den Hals gehängt. So hindert ihn der schwere Colt nicht beim Laufen. Die Büchse hat er schon vor einer Weile weggeworfen, da er keine Munition mehr für sie hatte. Auch für den Revolver verfügt er nur noch über elf Patronen. Hinkend, ein wenig taumelnd vor Müdigkeit, läuft er in den halbdunklen Canyon hinein.

Hier in den Bergen ist es um diese Jahreszeit schon ziemlich kühl, und der alte Mann knöpft sich fröstelnd den Lumberjack zu.

Der zähe Alte will gerade um einen Felsen biegen, da pfeift es heran, schlägt splitternd gegen die Steinwand. Der Knall ertönt unmittelbar darauf. Aber Alaska-Ben ist noch rechtzeitig in Deckung gelangt. Diesmal haben ihn die Mörder noch nicht erwischt. Keuchend liegt er hinter dem Felsen und hat den schweren Colt in der harten Faust. Vorsichtig späht er um die Ecke. Wenige Minuten vergehen. Endlich wagen sich die Verfolger in die Schlucht herein. Vorsichtig und mit schussbereiten Gewehren kommen sie näher.

Der alte Trapper wartet. Drei Mann zählt er, aber er weiß, dass es insgesamt fünf sein müssen. Zwei von ihnen liegen gewiss auf der Lauer, um ihren Kumpanen Feuerschutz zu geben. Die drei werden sorgloser, je näher sie dem Felsen kommen. Sicher denken sie, dass der Alte sofort weitergelaufen ist.

Jetzt hält Alaska-Ben seine Zeit für gekommen. Er schiebt den Colt um die Ecke und zeigt den halben Kopf sowie den rechten Arm und ein Stück Schulter.

Dann kracht der Schuss. Der vorderste Verbrecher macht noch zwei Schritte, stürzt dann vornüber aufs Gesicht. Die anderen beiden können sich noch rechtzeitig hinter herumliegenden Steinen in Deckung bringen. Die zweite Kugel des Trappers pfeift um Haaresbreite an der Stirn des einen Banditen vorbei. In der nächsten halben Sekunde krachen die Gewehre der auf der Lauer liegenden Schützen am Ausgang der Schlucht. Alaska-Ben ist zwar blitzschnell zurückgezuckt, doch eine Kugel war noch schneller. Sie streifte ihn an der rechten Schulter.

Nun lehnt der alte Mann an der Felswand und weiß, dass er erledigt ist. Mit dieser Wunde wird er keine fünf Meilen mehr laufen können. Das Blut läuft schon an seinem Arm herunter. Der Schmerz wallt in Stößen durch den ganzen Körper. Der Trapper beißt die Zähne zusammen und bindet das Halstuch ab. Er knüllt es zusammen und stopft es ins Hemd auf die Wunde. Als er sich nähernde Schritte hört, greift er wieder zum Colt und lauert.

Jetzt taucht einer der Verfolger auf. Alaska-Ben schießt sofort. Der Getroffene wird herumgewirbelt und verschwindet. Mühsam kriecht der Trapper bis an die Ecke, hält nur die Mündung der Waffe herum und schießt die Trommel leer. Er will nur erreichen, dass die Verfolger sich zurückhalten. Dann lädt er die letzten vier Patronen nach, richtet sich taumelnd auf und hastet davon, in die Schlucht hinein. Da er indianische Mokassins trägt, können die Banditen seine Schritte nicht hören.

Jim Chester und Dick Hanson suchen schon seit zwei Tagen in den Schluchten und Seitentälern des Blue-Mountains-Valley nach verirrten und entlaufenen Rindern. Sie lassen sich Zeit, denn ihr Aufenthalt auf der Herz-Ranch gilt als kurzer Urlaub vom anstrengenden Polizeidienst. Jim und Dick haben bereits zweiunddreißig Rinder aufgespürt und ziehen nun mit dieser kleinen Herde durch die Schluchten. Gegen Mittag erreichen sie einen kleinen Talkessel, der mit spärlichem Gras bedeckt ist und von einem spärlichen Wasserlauf durchflossen wird.

»Hier wollen wir rasten!«, sagt Jim und gleitet aus dem Sattel.

»Okay!«, stimmt Dick zu. »Mach ein Feuer an! Ich werde inzwischen die beiden Karnickel abzieh’n!« Er nimmt die beiden Tiere, die er unterwegs geschossen hat, vom Sattelhorn und macht sich daran, sie zuzubereiten, während Jim die Pferde absattelt und dann ein Feuer entfacht. Eine halbe Stunde später drehen sich die Braten bereits am Spieß über den Flammen, und ein verlockender Duft verbreitet sich. Der Speck, mit dem die Tiere gespickt sind, brutzelt.

»Die sind ganz jung und zart!«, brummt Dick und schnuppert mit seiner Kartoffelnase. »Brauchen höchstens ’ne halbe Stunde Bratzeit. Ist bloß ’n bisschen wenig für uns beide, Mann!«

»Mir genügen zwei Schenkel«, erwidert Jim schmunzelnd und füllt die Wasserflaschen am Bach neu auf. »Weiß wohl, dass die Tierchen für dich nur ’n Kosthappen sind – aber wir können ja nicht gut eine Kuh schlachten. Dir täte es übrigens ganz gut, wenn du auf schmälere Kost gesetzt würdest, Freundchen! Du hast nicht genügend Ausarbeitung, schätze ich. Wenn die Saure-Gurken-Zeit bei der Special-Police noch lange anhält und wir nicht bald wieder ’n Auftrag kriegen, musst du dir bald von anderen Leuten die Stiefel anziehen lassen!«

»Hä? Warum denn?«, knurrt Dick.

»Well … Magenerweiterung hast du ja schon immer – damit bist du anscheinend auf die Welt gekommen. Aber dein Bauch wird von Tag zu Tag dicker, Junge! Du wirst dich bald nicht mehr bücken können!«

»Was ist los?« Dick öffnet den Lumberjack und schlägt sich mit der flachen Hand auf den Bauch. Es knallt, als würden zwei Bretter zusammengeschlagen. »Kein Fett, mein Sohn – nur Muskeln! Es kann ja nicht jeder so ’n dünner Hering sein wie du, sag ich!«

»Kein Grund zur Aufregung«, lächelt Jim und zieht den Tabaksbeutel aus der Fellhose. Er dreht sich eine Zigarette, zündet sie an und raucht.

Später sind dann beide damit beschäftigt, die lecker gebratenen Kaninchen zu vertilgen. »Wirklich gut!«, lobt Jim.

»Well, kochen kann ich, was?«, schmunzelt Dick und schmatzt. »Das lernt sich auch nicht von heute auf morgen – und es gehört schon viel Liebe dazu.«

»Liebe zum Bauch meinst du!«, sagt Jim grinsend. »Ich halt’s mehr mit hübschen Mädchen, die zum Anbeißen süß sind!«

Dick wirft den letzten, sauber abgenagten Knochen weg und brummt. »Du bist bloß zu faul zum Essen, das is es. Du musst … horch! Was war ’n das?«

Die beiden Cowboys horchen auf. In der Ferne, irgendwo in den Canyons, fallen Schüsse. Es klingt nur schwach herüber.

»Komisch!«, knurrt Dick. »Das klingt nicht wie Jagd …«

»Gewehrschüsse, und Colts knallen dazwischen! Die schießen viel zu schnell hintereinander. Da ist was los, Dick! Komm, wollen satteln!«

»Und die Rinder?«

»Die geh’n sowieso nicht so schnell vom Wasser weg. Come on!« Jim ist schon aufgestanden und trägt seinen Sattel zum Pferd hin.

Alaska-Ben ist inzwischen bis zu einem Quer-Canyon gekommen. Er weiß nun, dass er es nicht mehr lange machen wird. Die letzten Meter taumelt er nur noch und bricht hinter einem großen Stein zusammen. Fliehen kann er nicht mehr. Nun will er wenigstens noch einen harten Kampf liefern und so viel Feinde wie möglich ins Reich der Schatten mitnehmen. Vier Patronen hat er noch, und jede Kugel soll treffen.

Keuchend liegt der alte Mann am Boden. Er denkt jetzt nicht an sich, sondern nur an seine sechs Partner, für die er Hilfe holen wollte. Es sind gute Freunde, die er schon lange kennt. Sie verlassen sich fest darauf, dass er, der Älteste und Gerissenste dieser Gemeinschaft, es schaffen wird. Aber er hat es nicht geschafft. Diese Erkenntnis nagt ihm am Herzen und macht ihm das Sterben so schwer.

Plötzlich zuckt der alte Trapper zusammen. Hufschläge klingen im Quer-Canyon auf. Alaska-Ben stützt sich auf den linken Arm und richtet sich etwas auf.