2. Auflage 2018

© Annette Dragun

Umschlagdesign: © Susanne Schlott / www.grafikers.de

Fotos, soweit nicht anders angegeben: © Annette Dragun

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3746084695

Inhalt

Einleitung

Sie gehen wegen Juckreiz oder Durchfall zum Tierarzt, nichts Schlimmes, und dann... Immer mehr Hundebesitzer werden mit der Diagnose Allergie konfrontiert. Für viele beginnt eine Odyssee von Tierarzt zu Tierheilpraktiker auf der Suche nach einer Behandlung, die wirklich hilft. Andere Besitzer überschauen auch nach jahrelanger Allergie-Karriere nicht, womit sie es zu tun haben. Der eine fragt zu wenig, der andere bekommt keine verständlichen Auskünfte. Früher oder später wird jedem Halter klar, dass ihn die Krankheit durch das Hundeleben begleiten wird. Viele Fragen und ständige Unsicherheit bleiben.

Deswegen habe ich dieses Buch geschrieben, eine Sammlung von Erfahrungen aus vielen Jahren Praxis und etlichen Stunden intensiver Recherche. Es wird dennoch nicht oder nur kurz vollständig sein. Durch die steigende Zahl vierbeiniger Allergiker besteht viel Interesse in Medizin und Industrie, lindernde oder heilende Mittel zu finden - oder zumindest solche, die man mit Heilversprechen teuer an den Tierhalter bringen kann. Die Entwicklung geht weiter und ich werde sie aufmerksam beobachten.

Vielleicht hast auch du schon diverses probiert und viel Zeit und Geld investiert. Gut möglich, dass sich deine Erfahrungen nicht hundertprozentig mit meinen decken. Oder dass dein Therapeut eine andere Meinung vertritt. Das ist ganz natürlich, denn wir dürfen nie vergessen: Unsere Hunde sind Individuen, ein jeder ist ein Unikat, und bei jedem äußert sich die Allergie auf ihre eigene Art. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Resonanz auf Therapien. Es gibt schlichtweg keine, die grundsätzlich und jedem Betroffenen helfen wird. Ich kann und werde in diesem Buch kein Wundermittel nennen. Was ich liefere: eine umfassende Beschreibung von Behandlungsmöglichkeiten, die eine gute Chance auf Linderung bringen, sowie bewährte Ratschläge, mit welchen Maßnahmen du dein Leben mit deinem vierbeinigen Allergiker besser gestalten kannst. Der Schwerpunkt liegt - selbstverständlich für mich als Tierheilpraktikerin - bei den Angeboten aus der Naturheilkunde.

Dabei geht es mir nicht darum, schulmedizinische Therapien oder Medikamente zu verteufeln. Es gibt Hunde, bei denen die Alternativen Therapien nicht (mehr) anschlagen. Ich werde in diesem Buch immer wieder darauf pochen, dass einem Hund mit Allergie geholfen werden muss, unter allen Umständen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Mein Ziel ist es aber natürlich, durch sachliche Information den Leser zu überzeugen, nicht gleich oder nicht nur zu kurzzeitig lindernden Medikamenten zu greifen, die unter Umständen schwere Nebenwirkungen verursachen und dauerhaft die Problematik sogar verschlimmern (können). Die richtige Reihenfolge ist immer, mit den Alternativen zu beginnen. Denn: Man kann jahrelang natürliche Therapien einsetzen und hat immer noch uneingeschränkt die Option, auf die Schulmedizin zurückzugreifen. Umgekehrt aber ist es schwieriger. Wenn bei einem Allergiker jahrelang Symptome und damit das Immunsystem unterdrückt wurden, ist der Zugang über die "sanfte" Medizin nicht mehr so einfach.

Ich hoffe, ich kann dir mit diesem Buch eine kleine oder sogar große Hilfe sein. Hoffentlich verstehst du nach dem Lesen besser, womit du es zu tun hast, sicher kannst du einige meiner Ratschläge umsetzen und euer Leben verbessern. Ich hoffe es stört dich nicht, dass ich gelegentlich in einen saloppen Ton verfalle. Ich meine, auch ein so ernstes Thema darf unterhaltsam präsentiert werden, mag so vielleicht noch verständlicher sein..

Das Immunsystem

Ich gebe zu, es ist ein wenig unglücklich, ein Buch ausgerechnet mit dem trockenen Teil, mit der blanken Theorie zu beginnen. Lass dich nicht verschrecken, denn da müssen wir durch. Es braucht ein wenig Grundwissen über die Funktion des Immunsystems, um die Problematik Allergie zu verstehen, und um einschätzen zu können, welche Form der Therapie erfolgsversprechend ist. Also, lass uns tapfer sein und gleich ganz tief in die Materie einsteigen - die gar nicht so anstrengend ist und schon gar nicht langweilig. Im Gegenteil: Was in unserem Körper los ist, kann man als mega spannend betrachten, und deswegen will ich auch versuchen, dir die Vorgänge verständlich und unterhaltsam zu servieren. Dabei gehe ich nicht mehr als nötig ins Detail - versprochen! (Das ist reiner Selbstschutz... Man kann über das Immunsystem mehrbändige Bücher verfassen, aber ich will ja hier über Allergien schreiben!)

Die äußere Abwehr

Täglich, nein, sekündlich, wird unser Körper mit den verschiedensten Stoffen konfrontiert. Wir atmen Gase oder Bakterienschwärme oder Pollen ein und Viren... Auf unsere Haut treffen Flüssigkeiten, Pflegemittel, Staub, Schmutz... Mit dem Mund nehmen wir Nahrung auf, und mit ihr Vitamine und Mineralien, doch trägt sie auch Keime und Chemikalien mit sich... Vielleicht nimmst du Medikamente oder Nahrungsergänzung ein... Unzählige Substanzen suchen und viele finden den Weg in unseren Körper. Doch nicht alle sind gut für uns. Und damit startet der Krimi.

Unser körpereigener Schutz beginnt außen. Unsere Haut zum Beispiel hat ihren pH-Wert nicht zum Spaß. Der liegt nämlich bei 5,4 bis 5,9 und gilt daher als leicht sauer. Schon mal den Begriff Säureschutzmantel gehört? Der hilft, schädliche Mikroorganismen und negative Umwelteinflüsse abzuwehren, und damit die Haut vor Infektionen, Reizungen und Austrocknung zu schützen. Viele Bakterien und Hautpilze werden schon beim ersten Kontakt abgeschreckt oder eliminiert. Bei jedem Waschen mit Seife wird übrigens der pH-Wert auf bis zu 9 angehoben, also in den basischen oder alkalischen Bereich, und da ist logischerweise von Säureschutz nichts mehr übrig. Das gilt nicht nur für unsere Haut, sondern auch für die unserer Hunde (deren pH-Wert bei 7,5 liegt, dafür haben sie ein schützendes Fell). Wer bisher meinte, dass seinem vierbeinigen Liebling ein wöchentliches Bad gut tut, möchte jetzt vielleicht seine Meinung ändern. Faustregel von mir, der Tierheilpraktikerin deines Vertrauens: Ein gesunder Hund braucht kein Bad. Außer, er hat sich in Sch... Tschuldigung, in etwas Ekligem, Stinkendem, Schleimigen gewälzt und möchte auf die Couch. Zum Thema medizinische Schampoos kommen wir später noch. Und bevor jetzt Hysterie ausbricht: Die Haut regeneriert ihren pH-Wert innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden - solange sie gesund ist.

Zurück zur Abwehr. Weitere äußere Barrieren, die als Abfangjäger möglichst alles Schädliche von uns fernhalten sollen, sind die Nasenhaare und die Flimmerhärchen der Bronchien. Erstere halten gröbere Partikel, die die Atemluft enthalten kann (z.B. Staub, Insekten), schon im Naseneingang zurück. Die Kollegen im Bronchialtrakt bilden ebenfalls eine Partikelsperre, zusätzlich transportieren sie unerwünschte Teilchen sanft und kompromisslos nach draußen.

Hier, in den oberen Atemwegen, steht als nächste wachhabende Instanz die Schleimhaut bereit. Im gesunden Zustand liegt ihr pH-Wert zwischen 5,5 und 6,5, und derart sauer ist sie ebenfalls allzeit bereit, potentiellen Krankheitserregern die Laune zu verderben. Das saure Milieu hält die Keimzahl gering: Nicht nur Pilze und Bakterien mögen es lieber neutral oder leicht basisch, auch Viren fällt in nicht-saurer Atmosphäre das Andocken und Eindringen in die Zellmembrane leichter. Aus dem gleichen Grund wurden übrigens saure Konservierungsmethoden zur Haltbarmachung von Lebensmitteln entwickelt. Und moderne Hände-Desinfektionsmittel senken gezielt den pH-Wert der Haut, eben auch, um säureempfindliche Viren und Bakterien zu vergrämen.

Der böse Bube, der es via Nahrung oder durch Tröpfcheninfektion (wenn man sich z.B. anniesen lässt - igitt) an der Mundschleimhaut vorbei bis in den Magen schafft, hat erst richtig den Schwarzen Peter gezogen. Denn hier trifft der Immigrant auf einen dickflüssigen Schleim, der einen gehörigen Teil an Salzsäure enthält und damit den pH-Wert im nüchternen Zustand auf nahezu 0 drückt. Ganz schlechte Umweltbedingungen für Bakterien und Viren...

Arbeitet das Immunsystem gegen eine Infektion, kann der Hund ein reduziertes Allgemeinbefinden zeigen foto: garisquehago, pixabay

Was ist der letzte Teil der äußeren Abwehr? Der Darm! Ich weiß, das hört sich seltsam an, weil ja der Darm irgendwie innen ist. Er hat aber eine gute Anbindung zur Außenwelt, nämlich oben durch Magen, Speiseröhre und Mund, und unten durch Enddarm und Anus. Außerdem stellt er eine kontrollierende Instanz für die Aufnahme von Stoffen in den Blutkreislauf dar, und ist damit eben doch noch eines der äußeren Schutzschilder. Und der Darm hat ja ebenfalls eine Schleimhaut, die in Sachen Abwehr echt was bieten kann.

Erst in den letzten Jahrzehnten ist der Darm mit seiner wundersamen Darmflora und seiner wichtigen Rolle für das Immunsystem in den Fokus gerückt, wenn es um das Thema der körpereigenen Abwehr geht. Davor war es irgendwie nicht hip, seine wichtige Rolle zu würdigen. Das liegt einerseits an den Fortschritten in der Immunologie, andererseits ist ein deutlicher Zeitgeist-Wandel zu beobachten: Natürliche Heilmethoden wurden so beliebt, dass sich sogar ganz normale Menschen mit der alternativen Medizin angefreundet haben. Blicken wir mal zurück: Bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts war das Vertrauen in den Schulmediziner grenzenlos, und seine Arbeit nach dem Kontraritätsprinzip - mit Anti-biotika, Anti-phlogistika, Antispasmolytika... - wurde kaum in Frage gestellt. Doch immer mehr Patienten (allen voran viele chronisch Kranke) erkannten die Notwendigkeit, die Lebenskraft und damit das Immunsystem zu stärken, anstatt um den Preis von Kollateralschäden Krankheitserreger zu vernichten. Plötzlich wurden Nebenwirkungen wahrgenommen, und nach und nach verstanden Hinz und Kunz, dass ein Antibiotikum nicht nur die bösen Bakterien vernichtet, sondern dass bei seinem Einsatz auch viele gute Helferlein über die Wupper gehen. Und zwar vor allem im Darm.

Die Darmflora, auch Mikrobiom genannt, besteht unter anderem aus gigantischen Bakterienstämmen, die bei der Erregerabwehr eine wichtige Rolle spielen. Ein Antibiotikum nimmt auf gute Bakterien nur bedingt Rücksicht. Eine Darmsanierung nach einer antibiotischen Behandlung ist daher kein neumodischer oder esoterischer Firlefanz, sondern macht durchaus Sinn - und das nicht erst, wenn nach der erfolgreichen Eliminierung der Bronchitis ein Durchfall verdeutlicht, wie sehr die Darmflora durch das Medikament gestört wurde.

Hat ein Erreger es glücklich durch die vorherigen Fallen bis in den Darm geschafft, erwartet ihn also die nächste Herausforderung. Hier wird allerdings nicht mit Säure gearbeitet. In der Darmwand liegt das sogenannte darmassoziierte Immunsystem, das gut 70 Prozent aller antikörperproduzierenden Zellen bereitstellt. Es erkennt, markiert und vernichtet Keime und Fremdstoffe. Die guten Bakterien des Mikrobioms helfen bei der Abwehr mit, indem sie die Besiedelung fremder Keime erschweren. Dafür werden sie vom darmassoziierten Immunsystem toleriert, genau wie unschädliche Nahrungsmittelbestandteile.

Jetzt schwirrt dir der Kopf? Ganz sicher tauchen schon längst die ersten Fragen auf, aber bleib bitte geduldig. Fast alles, was du bis hierher erfahren hast, wird im weiteren Inhalt des Buches wieder auftauchen, und es werden sich dir viele interessante Zusammenhänge erschließen.

Das innere Immunsystem

In unserem Körperinneren toben pausenlos unzählige Schlachten. Und normalerweise merken wir davon überhaupt nichts! Unsere innere Abwehr ist eine potente Streitmacht zum Schutz unserer Gesundheit. Viele verschiedene Organe und Gewebe kümmern sich um die allgemeine Abwehr, andere haben sich spezialisiert. Dabei greifen alle Mechanismen ineinander und unterstützen sich gegenseitig dabei, die potenziellen Schädlinge zu vernichten, die es durch die äußeren Schutzschilder ins Leibesinnere geschafft haben.

Dort ist es warm und gemütlich, und so fühlen sich bei kuscheligen 38 bis 38,5 Grad Celsius (wir reden jetzt nur noch über Hunde) nicht nur gesunde Zellen wohl, auch potentielle Krankheitserreger und Parasiten haben sich an diese Temperatur angepasst und richten sich hier ein. Zumindest versuchen sie es, denn jetzt kommt sie: Die Armee der weißen Blutkörperchen!

Ihre Soldaten lauern im Blut und in der Lymphflüssigkeit auf alles, was ihrem Organismus Schaden zufügen könnte. Fresszellen und Killerzellen vernichten, was als feindlich identifiziert wurde: Bakterien und Viren, Tumorzellen und Toxine, Würmer, Pilze und Protozoen. Spezial-Kräfte spüren ihnen bekannte Gegner auf, deren Struktur sie sich bei einem früheren Angriff ins Gedächtnis eingeprägt haben. Es ist ein mörderischer Kampf um die Gesundheit.

Aber der Reihe nach: Die Leukozyten, die weißen Blutkörperchen, werden auch Fresszellen oder Phagozyten genannt. Gebildet werden sie im Knochenmark. Danach gehen aber unterschiedliche Zelltypen in unterschiedliche Schulen. Ihre Ausbildung findet unter anderem im Lymphsystem, im Knochenmark, in Milz und Mandeln statt, und hier entwickeln sie sich zu Zellen mit unterschiedlicher Funktion und Gestalt. Die Übersicht in Tabelle 1 zeigt, wer im Blut bei der Immunabwehr wofür zuständig ist.

Weiße Blutkörperchen machen also für den Organismus unverträgliche Stoffe bzw. Krankheitserreger unschädlich. Auf der einen Seite arbeitet die unspezifische Abwehr mit den Phagozyten, bestehend aus Makrophagen, Monozyten und Neutrophilen Granulozyten (kleine Fresszellen). Sie nehmen Fremdmaterial auf und vernichten es. Fresszellen eben.

Monozyten Vorläufer der Makrophagen
Makrophagen (Große Fresszellen) Phagozytose in Gewebe und Lymphflüssigkeit
Antigenpräsentierende Zellen (z.B. Makrophagen und B-Zellen) markieren Antigene und starten damit die Immunantwort
Granulozyten
Neutrophile Granulozyten Phagozytose im Blut
Eosinophile Granulozyten Abwehr von Parasiten, beteiligt an allergischen Reaktionen
Basophile Granulozyten Wie Eosinophile, verursacht bei der allergischen Reaktion mehr Entzündungsreaktionen und Juckreiz
B-Zellen
B-Lymphozyten Vorläufer der Plasmazellen
Plasmazellen Auf Antikörperproduktion spezialisiert
B-Gedächtniszellen Langlebige B-Zellen mit Antigengedächtnis
T-Zellen
T-Helferzellen Aktivieren Plasma- und Killerzellen, erkennen markierte Antigene
Regulatorische T-Zellen oder T-Supressorzellen Bremsen die Immunantwort, kontrollieren die Funktion von B- und anderen T-Zellen
T-Gedächtniszellen Langlebige T-Zellen mit Antigengedächtnis
T-Killerzellen Erkennen und zerstören virusinfizierte Zellen sowie Tumorzellen
Natürliche Killerzellen Greifen unspezifische Tumorzellen und virusinfizierte Zellen an

Tabelle 1: Aufgabenverteilung im Immunsystem

Auf der anderen Seite kämpft die spezifische Abwehr, die spezialisierte Einsatzgruppe des Immunsystems, nämlich die Bund die T-Lymphozyten. Nach einer Stimulation produzieren sie gegen ganz bestimmte Feinde (Antigene) gerichtete Antikörper, die Immunglobuline. Sie merken sich die Beschaffenheit einzelner, potenziell gefährlicher Erreger durch ihre Gedächtniszellen über sehr lange Zeit und bieten damit langjährigen Schutz. Diese Fähigkeit macht man sich in der Medizin zum Beispiel bei Impfungen zu Nutze. Die Sensibilisierung der B-Lymphozyten auf ihren Lieblings-Feind dauert einige Zeit, weswegen nach einer Impfung nicht sofort der gewünschte Schutz besteht.

Diese spezifische Abwehr mit ihrem Elefanten-Gedächtnis ist mal eine feine Sache, oder? Leider ist so ein Immunsystem vor Irrtümern nicht geschützt, und in diesem Fall können die Gedächtniszellen eher nervig sein. Und schon sind wir mitten im Thema Allergie.

Allergie - Was ist das?

Ich hatte oben schon aufgezählt, mit welchen Angreifern sich das körpereigene Abwehrsystem plagen muss: Bakterien und Viren, Tumorzellen und Toxine (Gifte), Würmer, Pilze und Protozoen (Einzeller). Aber in den Körper treten ja, was ebenfalls schon besprochen wurde, viel mehr Stoffe ein. So ein Lebewesen wie der Hund, um den es hier geht, kommt tagtäglich in Kontakt mit tausenden unterschiedlichen Substanzen.

Von klein auf lernt das Immunsystem, zwischen guten und schlechten Stoffen zu unterscheiden. Einen Teil seines Wissens, die unspezifische Immunabwehr, bekommt es schon vom Muttertier mit, und gleich nach der Geburt trainiert es die spezifische Abwehr.

Versagt dieses komplexe Schutzschild, kommt es zur Gesundheitsstörung oder Krankheit. Das ist schon bei einer kleinen Entzündung der Fall, etwa wenn Bello sich die Pfote geschnitten hat und dort Bakterien eintreten. Nun hört sich Krankheit und Entzündung immer gleich schlimm an. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber um effektive Abwehrmechanismen. Eine Entzündung verursacht Hitze, und die erhöhte Körpertemperatur, das Fieber, kann man als eine generalisierte Entzündungsreaktion betrachten. Ein toller Selbstschutz! Denn wie wir schon erfahren haben, fühlen sich auf Hunde spezialisierte Krankheitserreger bei normalen 38 bis 38,5 Grad pudelwohl. Wenn sie aber massiv in den Körper eindringen oder sich hier vermehren, dann setzt sein Immunsystem Hitze dagegen und macht es den Eindringlingen sehr, sehr ungemütlich. Ein guter Grund, warum man nicht gleich bei einer leicht erhöhten Temperatur mit Fiebersenkern arbeiten sollte. Damit verhindert man die Arbeit des Immunsystems - und nimmt ihm eine wichtige Trainingseinheit.

Zurück zu den unterschiedlichen Angreifern. Ein funktionierendes Immunsystem weiß, wann es tätig werden muss. Es nutzt seine Kraft bei einem Angriff via Tröpfcheninfektion von krankmachenden Viren, doch es bleibt ruhig und entspannt, wenn Bello an einer Blüte schnuppert und ein paar Pollen in die Nase bekommt. Frisst Bello frisches Fleisch, wird dieses korrekt verdaut und das darmassoziierte Immunsystem freut sich über ein Stück Lebenskraft. Nimmt der Hund aber etwas Verdorbenes zu sich oder gar Gift, schrillen die Alarmglocken und die Abwehrarmee in Darm und Blut startet durch.

Soweit der Idealfall. Bei einer Allergie geht etwas gründlich schief. Eine Allergie heißt nichts anderes als eine Überreaktion des Immunsystems. Ausführlicher: Eine überschießende krankhafte Abwehrreaktion des Immunsystems auf bestimmte, normalerweise harmlose Umweltstoffe. Hier handelt es sich um von außen kommende Stoffe. Es gibt noch die Variante, dass der Körper auf eigene Stoffe reagiert - das ist die Autoimmunreaktion. Außerdem gibt es andere Unverträglichkeitsreaktionen und Intoleranzen, die es zu unterscheiden gilt.

Bei Eintritt von körperfremden Erregern, den Antigenen, schüttet das Immunsystem spezielle Antikörper aus, die schon kurz angesprochenen Immunglobuline (Ig). Es gibt sie in unterschiedlicher Ausführung und Funktion. Bei einer akuten Infektion durch einen neuen Erreger steigt zunächst explosionsartig die Menge von IgM. Nach einigen Wochen übernimmt das IgG die führende Rolle im Kampf. Auch wenn nach verlorener Schlacht besagter Angreifer irgendwann zurück kehrt, steht das inzwischen darauf spezialisierte IgG sehr schnell und sehr massiv bereit, um den Ausbruch einer Erkrankung erneut zu verhindern.

Ein anderes stark spezialisiertes Immunglobulin ist das IgE. Es spielt bei der Abwehr von Wurminfektionen eine Rolle - und bei Allergien. Obwohl es nur einen winzigen Bruchteil aller Immunglobuline ausmacht, ist das IgE bei über 90 Prozent aller allergischen Prozesse beteiligt. Zu finden ist es vor allem in der Haut und in den Schleimhäuten. Wenn hier die Allergene mit dem IgE in Berührung kommen, manipuliert es die Funktion verschiedener lokaler Zellen, was zur Ausschüttung von Stoffen führt, die eine Entzündungsreaktion hervorrufen. Der bekannteste dieser sogenannten Mediatoren ist das Histamin. Du hast sicher schon einmal von Anti-Histaminika gehört: Diese Medikamente blockieren die Produktion des Histamins und werden deswegen häufig bei (menschlichen) Allergikern eingesetzt.

Wir werden im weiteren Verlauf noch mehrmals von den Immunglobulinen hören, sowohl beim Thema Diagnostik als auch im Zusammenhang mit Therapien. Zunächst aber machen wir weiter mit der Typisierung der Allergien.

Allgemein unterscheidet man Allergien aufgrund ihrer Reaktionsschnelligkeit.

Wir hatten einen schönen Spaziergang gemacht im Campo auf Mallorca, in unbebautem, verwildertem Land. Früh am Morgen, bevor die Sommerhitze Mensch und Tier lähmt, ließen wir unsere Hunde ganz sie selbst sein. Weitab von Straßen und Menschenmengen durften sie frei rennen und ausgiebig schnüffeln. Auf dem Weg nach Hause saß Naddel auf meinem Schoß (natürlich auf dem Beifahrersitz) und plötzlich fiel mir auf, wie unruhig sie war. Ständig rieb sie sich mit den Pfoten im Gesicht. Ich sah sie an - Schockschwerenot! Ihr Gesicht war aufgedunsen, sie konnte kaum aus den Augen schauen, die sonst schmale Nase ähnelte der eines Rottweilers.