2. Ausgabe
Erschienen im JOY-Edition Verlag für Wort und Bild
www.joyedition.ch
Alle Rechte vorbehalten
© 2018 Doris Richter, CH - 6330 Cham, Schweiz
Lektorat, Graphik und Gestaltung: Eva Pant
ISBN 9783746021461
Herstellung: Books on Demand GmbH, D-Norderstedt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Widmung
Diese Märchen widme ich allen kleinen und großen Kindern Gottes.
Es sind jene, die sich nicht verwehren lassen, eins mit ihrer
grenzenlosen Phantasie zu sein.
„Die Lebendigkeit einer Mythologie liegt in der metaphorischen Kraft ihrer Symbole. Symbole vermitteln ihrem Wesen nach mehr als bloß gedankliche Vorstellungen, nämlich ein Gefühl von tatsächlicher Teilhabe an einem Durchbruch zur Transzendenz. Das metaphorisch angereicherte Symbol vermittelt also nicht einfach eine Idee des Unendlichen, sondern eine echte Ahnung davon.“
Joseph Campbell, Zitat/Quelle:Das bist Du, Ansata Verlag
Doris Richter
Im Traum war mir, als sah ich eine wundersame Fee. Sie kam aus den Wäldern und ich fragte sie, ob es die Einhörner denn in Wahrheit gäbe.
Du weisst, es sind diese wunderbaren herrlichen Pferde, die so scheu geblieben sind, dass niemand sie wirklich festhalten könnte.
Es sind diese herrlichen Geschöpfe, die frei über Wiesen und Täler fliegen und in geheimnisvollen, dunklen Wäldern und Auen zuhause sind!
Jene, die mit einem goldenen Horn als besonderes Zeichen auf ihrer Stirn jenseits von Raum und Zeit geboren sind.
Wir alle sprechen von ihnen, schon seit Anbeginn. Wir glauben wohl an sie, doch können wir sie nicht begreifen. Denn sie sind so scheu, so frei und unbegrenzt in ihrem lichten mystischen Wesen.
Die weise Fee antwortete mir freundlich und sagte: „Natürlich gibt es sie, denn alles was wir uns vorzustellen vermögen, dass ist beinahe schon geboren und hier.
Doch bedenke auch, in Wahrheit ist das Einhorn noch drüben, in einem anderen Raum, unbegrenzt, bar jeder Grenzen, auch jener der Zwänge und hinderlichen Kräften, die dort in jenem Garten des HERRN nicht zu finden sind.“
Aspekte:
„Wo geht ihr hin!“, rief das Eichhörnchen aufgeregt den Zwergen zu, welche in einer Kolonne hintereinander geschäftig durch den Wald schritten. Jeder von ihnen trug eine große Schaufel auf der Schulter. Doch bei der Frage, die durch den Wald schallte, blieben die Zwerge stehen und schauten sich um, woher wohl diese Stimme kam.
Der Regen tropfte von ihren Filzhüten herunter und im letzten Licht des zuende gehenden Tages schimmerten ihre Werkzeuge, als sie sich umwendeten.
„Wir haben heute einen schweren Gang vor uns“, antwortete einer der acht Zwerge und schaute dabei unter seinem tropfenden Hut hervor. „Oh“, rief betroffen das Eichhörnchen aus, „wie soll ich das verstehen?“
„Heute müssen wir einen unserer Brüder zu Grabe tragen“, antwortete ein anderer der Zwerge.
Dem Eichhörnchen schossen Tränen der Trauer in die Augen. Schnell wischte es sich das linke Auge trocken und die Zwerge konnten nicht erkennen, ob es ein Regentropfen oder gar eine Träne war. Sie drehten sich traurig um und gingen weiter ihres Weges.
Das Eichhörnchen schaute ihnen nach. Im gleichen Moment erschien ein Reh, auf dessen Rücken eine Elfe saß.
Die Elfe sprang herab, und zusammen mit dem Reh setzte sie sich neben das Eichhörnchen und hielt ihm das Pfötchen zum Trost.
„Lange ist es her“, sprach die Elfe, „da konnten alle Geschöpfe des Waldes, die Zwerge, die Elfen, alle anderen Tiere sowie alle fleissigen Bienen, leuchtenden Blumen und kleinen Pilze, ja alles, was lebte, unendlich lange sein. Keiner von ihnen spürte das Alter. Keiner spürte, wie die Arbeit den Rücken beugte. Keiner spürte, wie der Wind und das Wetter an ihnen nagten. Auch die Sonne hinterließ keine Spuren des Alters in ihren Gesichtern, die jung waren und jeden Tag aufs neue die Sonne, den Regen und den Wind begrüßten.
So vergingen ungezählte Jahre und unendliche Zeiten. Niemand hinterfragte, niemand fragte nach dem Morgen und auch nicht nach dem Gestern, und alle waren sehr, sehr glücklich, - bis zu dem Tage, als unter den Zwergen einer geboren wurde, der über alles nachdenken wollte. So fragte er den lieben langen Tag nach dem Warum hinter den Dingen. Von jeder Elfe, jedem Zwerg, ja von jedem Lebewesen im Wald, das er traf, wünschte er eine Antwort auf sein Warum.