Vorwort

Ich werde Ihnen eine authentische Geschichte erzählen die ich selber erlebt habe. Da ich als Schlosser in einer Straßenbahnwerkstatt arbeite, versuche ich mit einfachen Worten, diese genau zu beschreiben - eine wahre Geschichte, die ich miterleben musste. Ich nenne, wenn es möglich ist, keine Namen oder habe sie geändert, keinen genauen Ort und keine Person, um niemanden zu verletzen. Über 12 Jahre meines Lebens, die ich mit dieser Krankheit meiner Frau gelebt habe, eben an meiner Seite, immer bei der Krankheit. Man kann sich überhaupt nicht zurückziehen oder ausweichen. Man kann sich dieser überhaupt nicht entziehen, auch wenn man es nur für eine Stunde ist, man hat so gut wie keine Freizeit, manchmal verfolgt einen die Krankheit selbst im Traum. Ich berichte, über meine Gefühle, Ängste, Sorgen und Hoffnungen. Selbstvorwürfe gehören dazu: Habe ich etwas falsch gemacht? Das Leben: Fast immer zwischen Krankenhaus und zu Hause; selbst die Polizei gehört dazu. Immer neue Niederlagen und Situationen und der ewige Kampf mit Psychologen und dem eigenen Gewissen. Die Sehnsucht nach einem normalen, geregelten Leben. Alleingelassen mit allen Problemen. Zwischen glauben und nicht glauben. Einsamkeit, denn viele Bekannte und sogenannte Freunde distanzieren sich. Ein Leben im Streit, mit Eltern, Schwiegereltern und anderen Verwandten.

Depressionen, Schizophrenie und psychosomatische Schmerzen haben alles in einem kurzen Moment verändert und ich erkannte die Vorzeichen nicht. Andere erkannten sie.

Ich glaubte ihnen nicht. Ich werde meine Gedanken, welche Auslöser und Ursachen die Krankheit hat, in diesem Buch beschreiben, denn man kommt immer auf neu Theorien und Ursachen, denn man kennt und versteht seine eigene Frau oft nicht mehr, ich will ihr helfen und weiß nicht, wie. Manchmal könnte man glauben, es hätte ein Dämon oder ein Teufel ihren Körper übernommen. Wie besessen ein Mensch sein kann, sich selbst zu zerstören und sich umzubringen, ohne Rücksicht auf seinem Partner, egal, was passiert. Es ist ein Kampf, mein persönlicher. Die Nerven sind oft dem Zerreißen nah.

Was passiert mit ihr, mit einem Menschen, den man ganz genau gekannt hat, immer blind gewusst hat, was sie machte. Dem Menschen, den man liebt und geheiratet hat und mit dem man Kinder bekommen wollte, eine eigene Familie gründen wollte.

Dann kommt der Moment, da versteht man die Welt nicht mehr. Da kommen Momente, da zweifelt man selbst am eigenen Verstand, denn man kann kaum glauben, was da vor sich geht. Das kann sie nicht mehr sein, meine Frau hat sich total verändert, wie wenn eine andere Persönlichkeit sie übernommen hat. Wie wenn ein anderes Wesen ihren Körper übernommen hat.

Man hat seinen eigenen Psychotriller. Nur wusste ich die Handlung nicht in voraus, man kann den Text nicht vorherstimmen.

Warum???

Das Leben bietet viele Überraschungen,

aber das Leben mit einem psychisch Kranken,

hat noch mehr Überraschungen.

Peter Fischer

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Die Vorzeichen - bis 1996

Ich beginne mit einem gemeinsamen glücklichen Leben, wir waren noch nicht verheiratet, hatten viele gemeinsame Freunde. Wir waren glücklich, wir hatten ein sehr harmonisches Leben, hatten beide eine gute Arbeit. Mein Name ist Peter, ich arbeite in einer Straßenbahnwerkstatt in der Wartung als Schlosser. Meine Frau Brigitte arbeitete in einer großen Rentenanstalt als Registratorin. Gelernt hatte sie Friseurin. Wir waren beide mit unserer Arbeit sehr zufrieden. Meine Brigitte war sogar sehr stolz auf ihre Arbeit. Ich bin 1959 geboren, meine Frau 1962, wir sind beide gleich groß ca. 1,70 m. Ich bin blond, meine Frau ist von Natur aus dunkelbrünett, hatte ihre Haare aber meistens schwarz gefärbt, was ihr aber auch sehr gut gestanden hat.

Wir sind immer zusammen mit unseren besten Freunden Motorrad gefahren, auch in den Urlaub. Meistens nur weite Strecken, größere gezielte Touren die wir zusammen planten.

Am 8.8.88 war die Hochzeit mit meiner Frau Brigitte. Ich lernte meine Frau kennen da war sie 17 Jahre alt. Wir waren bis zur Hochzeit sehr lange zusammen. Hatten auch sehr früh eine gemeinsame Wohnung.

Im April 1992 zogen wir von unserer Mitwohnung in unsere gemeinsame 3 Zimmer Eigentumswohnung 68 qm, mit einem schönen Eckgarten, der circa 100 qm ist. Die Terrasse zeigt nach Westen, der Garten geht von Westen um die Ecke zur Nordseite zur Hauseingangstür. Die Wohnung hat einen kleinen Flur, circa 3,53 qm, links geht es ins Bad ohne Fenster, nur mit einem elektrischen Abzug, rechts ist eine kleine Nische, da steht die Waschmaschine, dann die Toilette, dahinter das Waschbecken und ganz am Ende, an der Rückseite des Bades, eine Badewanne. Vom Flur geradeaus geht es ins Wohnzimmer, 22,47 qm der Mittelpunkt der Wohnung mit 4 Türen und der Terassentür, gerade durch geht es auf die Terrasse, circa. 7 qm, ich habe aber noch 2 Reihen Platten dazugelegt. Rechts davon ist eine Nische mit einem großen Fester, hier steht eine Eckcouch, links geht es in ein kleines Kinderzimmer, 8,95 qm, es dient als Computerzimmer und hat einen kleinen zusätzlichen Kleiderschrank und ein großes Fenster mit Terrassentür. Es ist 2 m breit, aber lang wie das ganze Wohnzimmer. Rechts vom Wohnzimmer geht es in die Wohnküche, 9,58 qm, quadratisch mit einem Fenster zur Nordseite auf unseren Garten. Ausgestattet mit einer Eckküchenzeile und einem Tisch mit 4 Stühlen. Anschließend zur Westseite: auch die Türe rechts vom Wohnzimmer, das Schlafzimmer, ca. 12,3 qm, Fenster zur Westseite zu unserem Garten. An der Wand zur Küche, gegenüber vom Fenster ein 3 m großer weißer Kleiderschrank, dazwischen das Ehebett. An der Küche ist noch ein kleiner Abstellraum, 2 qm, der wiederum an den Flur grenzt. Im Wohnzimmer steht ein zweiteiliger heller Schrank an der Wand, hier steht auch der Fernseher. In der Mitte steht ein gemütlicher Sessel. Beheizt wird mit einer Fußbodenheizung. Es sind keine Heizkörper im Weg beim Aufstellen von Möbeln. Ich würde es als kleine helle, gemütliche Wohnung mit einem schönen Ziergarten bezeichnen.

Die Wohnanlage selbst besteht aus 10 Häusern, 2 x 5 Häusern, 7 davon haben 12 Wohnungen, 3 davon 16 Wohnungen. In der Mitte der Wohnanlage ist ein großer Spielplatz mit Parkbänken und Bäumen. Um den Spielplatz geht eine kleine Straße mit Besucherparkplätzen. Unter dem Spielplatz und teils unter den Häusern ist die Tiefgarage. Hier haben wir auch einen Stellplatz gekauft. Wir können direkt durch den Keller zum Auto gehen. Die kleine Straße ist nur für Besucher und zu Be- und Entladen. Hier ist es sehr ruhig, auf der Ostseite der Anlage ist die Wertach. Unser Haus ist das vorletzte zur Wertach. Dazwischen sind nur ein Weg und viele Schrebergärten. Westlich ist eine kleine Straße, über die mit vielen Schrebergärten ein Weg zu einer Hauptstraße geht, vielleicht 10 Minuten entfernt, gibt es eine Straßenbahn, die direkt in die Innenstadt fährt, circa eine Viertelstunde. Auch eine Busverbindung in eine angrenzende Stadt. Auch gute Einkaufsmöglichkeiten sind da über der Hauptstraße. Zehn Minuten an der Wertach entlanggelaufen und man kann sehen, wie die Wertach und Lech zusammenfließen. Wir haben es sehr ruhig, wie auf dem Land und sind doch schnell in der Innenstadt und das ohne Auto.

Wir wollten Kinder, aber es sollte nicht sein, 4 - mal hatte sie leider eine Fehlgeburt. Schlimm genug, die letzte und schlimmste, da wären es Zwillinge geworden, wenn sich nicht ein Embryo im Eileiter eingenistet hätte und dort gewachsen wäre, somit das Gesunde mit zerstört hätte. So kam es, dass meine Frau im letzten Moment, im 4 Monat schwanger, mit dem Notarzt in das Klinikum kam und operiert wurde. Ihr Vater sagte ihr, nachdem sie gerade aus der Narkose aufgewacht war und ich gerade in ihr Zimmer dazu kam, dass Sie nicht mehr seine Tochter sei, wenn sie kein Kind bekäme. Sein Hund, ein kleiner Yorkshireterrier sei dann sein Enkelkind. Das erzählte sie mir ganz entsetzt und sie war nervlich am Ende, diese Sätze bekam ich leider nicht mehr ganz mit. Ich hätte auch zu diesem Zeitpunkt keinen Streit im Zimmer meiner Frau heraufbeschworen. Was ist das für ein Vater, der seiner frisch operierten Tochter so was an den Kopf wirft. Ist sie nicht genug bestraft, dass sie gerade ihre Kinder verloren hat und dazu noch einen Eileiter. Dazu habe ich gespürt, dass Sie sich nicht gerade als vollwertige Frau gefühlt hat. Wie soll ich meine Frau aufbauen, wenn ihr Vater schon früher als ich im Krankenhaus war und solche Worte gewählt hat. Besser hätte er ein paar aufmunternde Worte gewählt. Was machte ihre Mutter, als sie das hörte, sie machte gar nichts.

So hatte ich erst recht ein Häuflein Elend vor mir, ich konnte mir gut vorstellen wie es in ihr ausschaute. Ich erzählte es später meiner Mutter, sie war ganz entsetzt und sie besuchte Brigitte daraufhin und versuchte, sie mit guten Worten aufzubauen. Das schaffte sie anscheinend.

Ich redete später mit ihr, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Dass es für sie besser wäre, es nicht mehr zu versuchen, Kinder zu bekommen. Ich wolle sie nicht verlieren, ich wolle nicht, dass sie so etwas noch einmal durchmachen müsse. Wir könnten es uns so schön machen. Aber irgendwie wollte sie es ihren Vater doch beweisen, dass sie Kinder bekommen könne. Aber es funktionierte jetzt Gott sei Dank überhaupt nicht mehr. Sie wurde überhaupt nicht mehr schwanger.

Etwas später kauften wir uns dann einen Yorkshireterrier. Dieser spielte eine große Rolle in unserem Leben. Es war ein Weibchen und viel größer als die normalen Standard - Yorkshireterrier. Darum wollte sie keiner. Aber wir. „Nelli“ haben wir sie genannt. So kam es, wie es kommen musste. Da der Schwiegervater schon in Rente war und Nelli sonst zu lange allein gewesen wäre, haben wir ihrem Vater einen Wohnungsschlüssel gegeben, um mit unserem und seinen Hund gleichzeitig Gassi zu gehen. Er wollte es liebend gerne machen, er hatte viel Zeit und sonst nichts zu tun. Aber was wir nicht vereinbart hatten, dass die Schwiegereltern sich buchstäblich in unsere Eigentumswohnung untertags einquartierten, aus und eingingen oder sogar oft noch da waren, wenn wir von der Arbeit kamen. Sie veränderten einiges in der Wohnung, ohne uns zu fragen, z.B. haben Sie einfach hässliche Fliegengitter an sämtliche Fenster genagelt, an unseren fast neuen Holzfensterrahmen. Ich machte sie natürlich sofort weg. Sie meinten, ihr kleiner Hund bekomme Angst, wenn eine Fliege in der Wohnung sei. Sie müssten unbedingt wieder an die Fenster und ich meinte: „An unsere Fenster kommen die hässlichen Dinger nicht.“ Was zur Folge hatte, dass ich heftigen Streit mit ihnen bekam. Was meine Frau sehr belastete, sie saß immer zwischen zwei Stühlen und wusste nicht, zu wem sie halten sollte. Wir bekamen daraufhin immer öfter Streit. Ich flehte sie an, wir hätten doch so ein schönes Leben, sie müsse doch nicht immer auf Ihre Eltern hören und sich dabei kaputt machen.

Immer mehr bekam sie gesundheitliche Probleme; Sie hatte immer rote Augen, dann bekam sie angeblich einen roten Strich in der rechten Gesichtshälfte, Brigitte nannte ihn Balken, der Schmerzen verursachte. Deswegen gab sie dann ihre Arbeit bei einer großen Elektrofirma auf, dort hatte sie bis dahin Leiterplatten kontrolliert. Wir fuhren viele Kilometer zu einigen Augenkliniken, auch in anderen Städte, was letztendlich nichts brachte. Sie fing dann als Registratorin in einer Rentenanstalt zu arbeiten an, was vorher schon große Probleme brachte. Sie hatte große Angst, dort anzufangen, ob Sie es schaffen würde, fragte sie sich immer. Natürlich versuchte ich sie aufzubauen und musste ihr gut zureden, dass sie doch nicht dumm sei. Sie hatte doch ihre Lehre gut geschafft. Aber dann war sie sehr stolz auf ihre Tätigkeit. Nach einiger Zeit kam es dann doch zu neuen gesundheitlichen Problemen, es war der Nacken, auch hatte sie irgendwie Probleme mit der Arbeit. Ich glaube, es wurde ihr zu viel und geistig zu schwer. Sie steigerte sich immer mehr von Tag zu Tag in die Krankheit hinein. In ihre Krankheit!

Mein Schwiegervater besuchte einen angeblich guten Orthopäden, der gut einrenken kann. Zu dem nahm er Brigitte, meine Frau, mit und siehe da: Es ging ihr viel besser. Aber nach einigen Wochen ging es wieder von vorne los. Und sie suchte den Arzt von Neuem auf, er ging um sie herum, packte sie fest von hinten und machte einen kräftigen Ruck, dass die Knochen leicht krachten, das war alles. Meine Frau war schon fertig mit der Untersuchung. Ihr ging es danach besser. Ich dachte: „Hoffentlich hält es jetzt länger oder für immer an.“ Nach einiger Zeit war es wieder soweit, sie hatte Schmerzen und sie besuchte den Orthopäden noch einmal, er machte die gleichen Griffe ohne weitere Untersuchung. Aber diesmal ging es ihr nicht besser, sie hatte immer noch große Schmerzen. Und er machte das Gleiche sofort noch einmal. Aber die Schmerzen blieben. Der Arzt sagte: Das dauert jetzt einige Zeit, bis die Schmerzen nachlassen. Aber Sie blieben, stattdessen hatte ich den Eindruck, dass die Schmerzen immer schlimmer wurden.

Viele weitere Orthopäden haben wir dann besucht, die nur normale Abnutzungen feststellten. Sie wollte das nicht glauben und immer wieder suchte sie einen neuen Arzt auf. Eines Tages sagte Sie am Abend nach der Arbeit, ihr Kopf halte nicht mehr, sie habe das Gefühl, dass er ihr herunterfalle. Mir kam es komisch vor, aber ich redete es ihr immer wieder aus. Aber wenn sie mit ihrem Vater über das Thema redete, gab er ihr meistens recht. Ich glaubte schon, die beiden redeten sich wie in einen Rausch, wenn es um ihre Krankheit drehte. Wenn ich das sah und mitbekam, konnte ich es nicht glauben, es war schon fast wie eine Begeisterung, wie sie über Schmerzen redeten. Und der Arzt war an allem schuld, der sie immer einrenkte. Machte er das mit Fleiß, um bei ihr gut dazustehen? Und so war ich sozusagen der Lügner.

Der Schwiegervater meinte auch noch, es gäbe in Günzburg einen sehr guten Neurologen in einer Klinik, wenn Sie dahin käme, der würde bestimmt herausfinden, was mit meiner Frau los sei. Aber wir bräuchten gute Beziehungen, um da eine stationäre Behandlung zu bekommen. Ich fand das selbst gar nicht so schlecht und hörte mich intensiv um. Ich bekam dann die nötige Beziehung und bekam eine schnelle Einweisung in die Klinik. Sie musste dann 14 Tage in der Klinik bleiben. Ich fuhr jeden Tag hin, um zu erfahren, ob es etwas Neues gab; sie untersuchten wirklich alles. Sie röntgen alles, die Nerven wurden alle gemessen. Wirklich alles, was nötig war. Nachdem der Arzt alles untersucht hatte, führte ich ein Gespräch mit dem sehr bekannten Neurologen. Er war sehr nett und höflich zu mir. Er meinte, bei meiner Frau sei alles soweit in Ordnung; bis auf ein paar Kleinigkeiten, das seien alles normale Verschleißerscheinungen, die aber nie die großen Schmerzen verursachen könnten. Sie sei nicht in der richtigen Station. Sie würde eher in der psychischen Abteilung gut aufgehoben sein. Ich stutzte erst einmal und konnte es absolut nicht glauben. „Nein, das kann nicht sein, meine Frau in einer psychischen Abteilung? Niemals!“

Wie recht er hatte, wusste ich leider zu dieser Zeit nicht. Mein Schwiegervater hatte mit demselben Arzt das gleiche Gespräch, er muss mit dem Arzt eine furchtbar heftige Auseinandersetzung gehabt haben, wie ich von Brigitte erfahren habe. Sie war dabei und sie hat sich sehr für ihn geschämt. Sie meinte, er muss froh sein, wenn er keine Anzeige bekäme. Er bekam auch keine. Brigitte wurde danach entlassen und bekam alle Untersuchungsunterlagen mit. Wir entschuldigten uns noch für das heftige Gespräch mit ihrem Vater und gingen dann zum Auto. Da kamen wir bei der Psychischen, einer sehr bekannten Abteilung vorbei, hier werden alle sehr lange eingesperrt, auch besonders harte Fälle. Ich schaute es ganz genau an und beim Vorbeilaufen bekam ich ein ganz komisches Gefühl. Da wusste ich noch nicht, dass ich mit so einem Haus bald zu tun haben würde. Wir waren dann aber froh, als wir Zuhause ankamen. Am meisten freute sich unser Hund Nelli.

Dann vergingen einige Wochen mit Diskussionen und weiteren Orthopädie - Besuchen. Sogar ein sehr guter Arzt, der von unserem besten Fußballclub der Mannschaftsarzt war, wurde miteinbezogen. Es wurde immer schlimmer. Ich hatte den Eindruck mit jedem Arztbesuch würden die Schmerzen und Probleme immer größer. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf und dachte: „Irgendwann muss es doch besser werden oder irgendein Arzt muss doch helfen können.“

Kapitel 2

Der grausame Alptraum beginnt - 1996

Eigentlich fing der Tag ganz gut an. Es war ein schöner Sommertag, keine Wolke am Himmel, wir waren zusammen am Nachmittag mit Nelli an einem großen Baggersee schwimmen und hatten am Abend gegrillt auf der Terrasse. Ein Wochenende 1996, ein ruhiger Tag, keine besonderen Vorkommnisse. Wir hatten sogar noch viel Spaß den ganzen Tag zusammen. Am Abend nach dem Essen sagte Brigitte zu mir, sie wolle alleine zu Ihren Eltern fahren. Sie müsste mit ihnen etwas besprechen. Ich sagte zu Ihr, sie solle es nicht tun, denn es gäbe danach immer Ärger und sie müsse sich nur aufregen. Sie fuhr aber trotzdem mit unserem Auto weg. Ich war der Meinung, sie sei bei ihren Eltern - wer würde das nicht glauben. „Na gut,“ habe ich mir gedacht, „dann kann ich mir inzwischen ein Bierchen gönnen.“ Es wurde immer später und ich wurde ein wenig unruhig und nervös. Ich machte mir gerade vor Nervosität noch ein Bierchen auf, dann hörte ich auf, denn das Schloss an der Eingangstür ging. Ich freute mich, dass sie endlich zu Hause war, es war aber trotzdem ruhig und sie sagte nichts. Aber was jetzt kam, da traute ich meinen Augen nicht.

Sie stand vor mir, was ich sah, werde ich in meinem ganzen Leben nicht mehr vergessen. Es stockte mir den Atem und ich glaubte, mein Blut wiche aus meinem Körper, ich war so geschockt. Ihr T-Shirt war am Bauch total mit Blut getränkt. Ich glaube, mein Alkohol war auf einmal wie weggeblasen. Ich ging sofort zu Ihr und fragte, was los sei und setzte sie auf unsere Wohnzimmercouch. Sie roch unwahrscheinlich nach Alkohol. Sie antwortete, sie habe sich ein Messer in den Bauch stoßen wollen. Das heißt, sie wollte sich das Leben nehmen. Daraufhin bin ich sofort zum Telefon und habe einen Notruf losgeschickt und alles beschrieben, so gut ich konnte. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum wollte Sie das machen? Ich dachte: „Ja nichts anmerken lassen, wie es mir selbst dabei geht.“ Warum sprach sie nicht darüber? Als nächstes holte ich einen Verbandskasten und versuchte, die Blutung etwas zu versorgen, damit sie nicht unnötig viel Blut verlor. Sie war leichenblass und ihre Haare hingen total verschwitz herunter. Kalter Schweiß war auf der Haut.

Als Erstes kam ein paar Minuten später zu meiner Überraschung die Polizei. „Warum die Polizei, ich habe sie nicht gerufen.“ Die Ereignisse überschlugen sich. Kurz darauf der Notarzt. Es ging alles rasend schnell, ich kam momentan nicht mit, was so alles geschah. Ich ließ alle herein, der Notarzt ging zu meiner Frau und die Polizei schnappte sich mich und ich begriff, was die Polizei glaubte und warum sie mitkam. Ich bekam panische Angst. Sie befragten mich und ich bemerkte, die glauben mir kein einziges Wort. Klar, was sollen sie denken, meine Frau mit blutigen Bauch mit mir zu Hause. Inzwischen kam der Krankenwagen und noch weitere Polizei. Meine Gedanken, so glaube ich, würden sich überschlagen, meine Nerven waren dem Zerreißen nah. Bis ein Notarzt zur Polizei sagte, es sind keine richtigen Messerstiche vorhanden, aber viele kleinere und sie hätte wahrscheinlich sehr viel Alkohol in sich. Jetzt ging ein junger Polizist zu mir, drehte mir den Arm nach hinten, was furchtbar weh tat und sagte, dann gehen wir mal das Auto anschauen. Ich dachte: „Wenn das so weitergeht, lande ich noch im Knast und meine Frau so und so im Klinikum.“ Auf dem Weg zum Auto durch die ganze Wohnanlage mit nach hinten gedrehtem Arm und dem Polizisten schauten alle Leute auf mich. Obwohl ich dem Polizisten immer wieder sagte, ich habe meiner Frau nichts getan und ich laufe nicht weg, hörte er nicht auf, mir den Arm festzuhalten. Ich spürte die Blicke der Anwohner richtig und was sie über mich dachten. Ich war ein Täter. Ich war der Bösewicht. Ich war ein Verbrecher und vielleicht ein Mörder. Ein weiterer Polizist folgte uns. Dieser sperrte das Auto auf, anscheinend hatte er den Schlüssel von meiner Frau geholt. Das hatte ich gar nicht mitbekommen, kein Wunder. Oh, mein Gott, der ganze Fahrersitz war voller Blut. Was anscheinend den jungen Polizisten veranlasste, meinen Arm kräftiger nach oben zu drücken, so dass ich schrie. Der ältere Polizist schrie aber den jüngeren jetzt an, er solle das lassen, ich könne es nicht gewesen sein, er solle mal nachdenken. Meine Frau musste selbst gefahren sein und im Fahrersitz die Stiche selbst gemacht haben. Er glaubte mir vorerst. Danach musste er von meiner Frau wissen, wo sie es getan hatte und sofort hinfahren. Ich musste mich dann morgen früh auf seiner Dienststelle melden. Wir gingen dann inzwischen wieder zurück, ich glaube, alle Fenster waren auf und ich spürte sämtliche Blicke auf mich gerichtet, ich wäre am liebsten im Boden versunken. Ein Polizist fragte meine Frau etwas, die anscheinend abfahrtbereit gemacht worden war und sie trugen sie zum Krankenwagen.

Beide Polizeifahrzeuge fuhren Gott sei Dank gleich darauf weg und meine Frau ein paar Minuten später. Ich konnte ihr gar nichts mehr sagen, ich konnte mich gar nicht verabschieden und sagen, dass ich nachkommen würde. Ich konnte nicht mal mit ihr mitfahren. „Was mach ich jetzt nur“. Ich zitterte am ganzen Körper und war total durcheinander. Ich konnte noch gar nicht begreifen, was da auf einmal passiert war. Alles in mir war ein totales Chaos.

Ich ging in die Wohnung, die sperrangelweit aufstand und sah erst ein Chaos, überall lagen Spritzen und Verbandsmaterial vom Notarzt herum, mein Hund lag ganz verstört in einer Ecke. „Was mach ich jetzt als Erstes?“ Ich rief beide Eltern an, ließ mir nebenbei einen Kaffee durch, damit ich erst mal einen klaren Kopf bekam und etwas zur Ruhe kam. Danach rief ich die Schwiegereltern an und trank meinen Kaffee nebenbei. Danach kümmerte ich mich um meine arme Nelli, die immer noch zitterte und ging mit ihr dann raus. Unsere Eltern waren sehr schnell da, mir kam es jedenfalls so vor, ich war noch gar nicht lange mit Nelli zurück, hatte noch gar nicht richtig mit Aufräumen begonnen, nur das Nötigste. Natürlich hatten die Schwiegereltern die erste Frage an mich, ob wir gestritten hätten oder ob es irgendetwas anderes gäbe. Ich hätte doch merken müssen, dass etwas nicht stimmte. Bei ihnen wäre so etwas nicht passiert. Da müsse doch vorher irgendetwas gewesen sein. Sie könnten sich es so nicht vorstellen. „Mein Gott, das hätte ich erwarten können, jetzt gehen die auch noch auf mich los. Zuerst die Polizei und dann die Schwiegereltern. Jetzt fehlt nur noch, dass mir meine Eltern noch Vorwürfe machen. Dann ist das Maß voll.“

Wir fuhren dann gemeinsam ins Krankenhaus. Ich natürlich bei meinen Eltern, ich konnte ja nicht mit unserem Auto fahren mit dem Fahrersitz. In der Notaufnahme angekommen, musste ich erst Aufnahmepapierkram erledigen und dann durften wir zu ihr. Es vergingen Stunden, bis ihre Wunden versorgt waren und sie auf ihr Zimmer kam. Ein Psychologe kam dann dazu. Wir wollten dann einen Arzt sprechen. Ein Notarzt kam zu einem kurzen Gespräch. Der Notarzt meinte, die Wunden seien nicht so schlimm, es könnten höchstens ein paar kleine Narben bleiben. Aber wahrscheinlich habe sie Glück und es bleiben keine. Sie habe zwar viel Blut verloren, aber so, dass es sich wieder selbst regenerieren könne. Das andere sei das Seelische, das müsse erst noch behandelt werden, er meinte da würden Narben bleiben. Da hakte der Schwiegervater ein und fragte, ob seine Tochter in das Bezirkskrankenhaus eingewiesen werde. Der Arzt meinte, wenn diese Wunden verheilt seien, komme sie ins Bezirkskrankenhaus. Sie sei polizeilich eingewiesen worden, deswegen müsse sie hin. Der Schwiegervater meinte, dass er das nicht zulassen würde. Der Arzt meinte, das habe schon die Polizei geregelt und angewiesen. Der Arzt verabschiedete sich freundlich und meinte, wir sollten jetzt besser nach Hause fahren, meine Frau sei jetzt bestens versorgt und morgen könnten wir wieder kommen.

Darauf fuhren mich meine Eltern nach Hause, es war schon weit nach Mitternacht. Ihre Eltern fuhren auch gleich nach Hause, hatten aber mit mir noch einen kurzen Wortwechsel mit ihrem Vater wegen des Bezirkskrankenhauses: Ich dürfe meine Frau hier nicht hinbringen lassen, sonst bekäme ich ein Problem mit ihm. Oder er würde sie mit einem Anwalt herausholen.

Als ich zur Haustüre reinkam, stand mein Hund da. Sie schaute mich fragend an und ich sagte zu ihr, wir müssten wohl eine ganze Zeit ohne Frauchen auskommen. Ich hätte am liebsten losgeheult und ging mit dem Hund erst Gassi. Danach erst in den Abstellraum, machte ein Bier auf, setzte mich auf die Couch und heulte erst richtig los. Dabei überlegte ich, was habe ich wohl falsch gemacht. „Warum?“ hat sich meine Brigitte das angetan. Ich wollte eigentlich gar nicht gleich ins Bett gehen, denn das neben meinem war ja leer. Die ganze Nacht ging mir immer wieder alles wie im Film durch den Kopf. Ganz gerädert fuhr ich dann am Morgen zur Polizei, habe aber vorher einen Plastiksack auf den Fahrersitz gelegt.

In der Polizeistation erfuhr ich dann, dass sie an der Stelle die meine Frau beschrieben hat, mehrere blutige Messer gefunden hatten und eine ganze Menge von leeren Bierflaschen. Sie musste sich gut Mut angetrunken haben und es dann ausgeführt haben. Ich musste noch ein Protokoll mit Ihnen machen. Dann war für mich die Angelegenheit mit der Polizei erledigt. Aber leider nicht für immer. Danach fuhr ich ins Krankenhaus und versuchte beruhigend mit ihr zu reden. Sie war immer noch ein Häuflein Elend. Ich versuchte aber ruhig herauszufinden, warum sie das gemacht hatte. Sie sagte nur, dass es wegen der Nackenschmerzen sei. Und dass der Arzt, der Sie eingerenkt hat, schuld daran sei. Die ganzen Muskeln da oben wären jetzt weg. Daraufhin fuhr ich nach Hause, man, stank es im Auto, selbst bei offenem Fenster musste ich mich zusammenreißen, dass ich nicht ins Auto kotzte. „Was mach ich als Erstes, wenn ich nach Hause komme?“

„Die Wohnung sieht aus, das Auto, der Hund muss raus.“ Als Erstes ging ich mit unserem Hund raus, danach räumte ich richtig die Wohnung auf. Und dann kam die übelste Arbeit: der Fahrersitz. Ich suchte mir das kräftigste Putzmittel, das noch dazu gut roch. Ich holte das Auto und stellte es abseits bei den Schrebergärten an der Wertach hinter unserer Wohnanlage hin. Ich schruppte den Sitz, was meine Kraft hergab. Mir war richtig übel vom Geruch, der hoch kam, und richtig sauber wurde er auch nicht. Das Blut war zu tief im Sitz eingedrungen. Ich dachte: „Da muss wohl ein neuer Sitz her.“ Aber wo soll ich schnell einen günstigen und dazu passenden bekommen. „Heute am Sonntag, brauche ich nicht mehr zu schauen und mache Feierabend.“ Aber was mich am meisten ärgerte war, wenn Personen von meiner Wohnanlage vorbeiliefen. Wenn sie mich sahen, bemerkte ich, wie sie über mich redeten und zu mir hersahen. Ich konnte mir denken, was sie über mich redeten. Ich war der, über den sich die ganze Wohnanlage den Mund zerriss. Ich war die Sensation der Wohnanlage. Ich würde zu gerne wissen, was ich in den Augen der Menschen war. Wer weiß, was für ein Bösewicht. Es war unerträglich, wo ich mich bewegte, ich wurde immer beobachtet und sofort wurde über mich geredet, nur keiner wollte mit mir reden. Ich fühlte mich richtig aussätzig. Wie ein fremdes Wesen. Dann fuhr ich das Auto in die Tiefgarage und danach machte ich einen großen Spaziergang mit meinem Hund. Kaum am Abend zu Hause, klingelte das Telefon, Freunde und Verwandte riefen an, ich kam zu nichts anderem mehr, immer wieder klingelte das Telefon und ich musste immer das Gleiche erzählen. In der Familie hatte es schon die Runde gemacht. Nur meinem besten Freund hatte ich es selber erzählt und ihn angerufen. Eigentlich wollte ich mir mal eine Kleinigkeit zu Essen machen. Mit dem vielen Telefonieren wurde es dann weit nach 22 Uhr, ich habe bis dahin nur Flüssignahrung zur mir genommen. Ich wollte eigentlich heute nur meine Ruhe, aber ich schaffte es nicht zur Ruhe zu kommen. Ich konnte nicht abschalten, durch das Immer- Wieder-Erzählen von Brigittes Selbstmordversuch wurde ich immer aufgewühlter, sodass ich schon selbst depressiv wurde und mir wieder zum Heulen war. Also ging ich noch mit dem Hund raus und dann ab ins Bett, ein Trostdrink nahm ich noch mit ins Bett und danach machte ich das Licht aus. In der Nacht ging mir wieder alles im Kopf um. „Warum das alles, habe ich etwas übersehen oder falsch gemacht?“ Wie hatte meine Frau unbemerkt die ganzen Messer beschafft und es muss doch einen anderen Grund geben, warum sie so etwas gemacht hatte. Auch im Traum kam mir alles noch einmal wie in einem Film. Ich fand keine Ruhe mehr.

Um 4,45 Uhr schellt der Wecker, schweißgebadet wachte ich auf, total gerädert. Mit dem Hund raus, frühstücken und ab in die Arbeit. Da kam der nächste Hammer, ein Kollege fragte mich, was bei mir passiert sei. Ich glaube, ich war in dem Moment wie versteinert. Er wisse, was bei mir zu Hause passiert sei, er arbeite nebenberuflich als Fahrer beim Notdienst. Ich dachte: „Das kann doch nicht wahr sein: Ich bin noch keine 5 Minuten in der Arbeit und alle wissen schon über alles Bescheid. Jetzt habe ich natürlich auch in der Arbeit keinen Frieden mehr. Stellt sich alles gegen mich?“ Es war aber nicht so schlimm, wie ich angenommen hatte. Nach der Arbeit bin ich gleich mit dem Auto heim und mit dem Hund raus. Aber der nächste Schreck kam: der Schwiegervater war noch da. An den hatte ich nicht mehr gedacht. Er berichtete, dass meine Frau, seine Tochter, verlegt worden sei ins Bezirkskrankenhaus, in eine geschlossene psychiatrische Anstalt. Das war mir eigentlich klar. Bloß er wollte das nicht wahrhaben. Ich solle mit den Ärzten reden und sie herausholen. Sie könnten sonst nichts machen, weil ich ja der Ehemann sei. Ich sagte dann nur, dass ich dann hinfahren würde. Das tat ich auch und er fuhr zu sich heim. Ich packte nur schnell ein paar Sachen zusammen und fuhr los.

So betrat ich das erste Mal das Bezirkskrankenhaus, das war für mich ein komisches Gefühl. Ich fragte am Empfang nach, wo sich meine Frau befinde und machte mich auf den Weg durch die Gänge. Dann Stand ich am Eingang vor einer Glastür mit einer Klingel. Dahinter noch eine Türe. Ich klingelte, nach einiger Zeit hörte ich ein Aufsperren, eine Krankenschwester kam durch die hintere Tür, machte diese wieder zu und schloss dann erst die, vor der ich stand, auf. Ich dachte in dem Moment schon: „Wo ist da meine Frau bloß gelandet?“ Die Schwester fragte mich, wer ich sei und wen ich besuchen wolle. Sie durchsuchte die Sachen, die ich meiner Frau mitgebracht hatte und erklärte, dass ich keine Glasflaschen, Gürtel, Kopfhörer und einiges mehr hereinbringen dürfe, damit sich die Patienten nichts antun könnten und sich nicht verletzten. Ich antwortete ihr, dass ich in Zukunft darauf achten würde und sie sagte darauf, dass der behandelte Arzt mich sprechen wolle. Und sie würde mich beim Arzt anmelden, dass ich da wäre. Was ich da zu sehen und zu hören bekam, hätte ich mir nie vorstellen können, auch nicht in meinen schlimmsten Albträumen. Ich betrat jetzt einen großen Raum, darin war noch in der Mitte ein Glaskasten mit Stühlen und Tischen. Das war ein Raucherraum, darin saß meine Frau. Ich stutzte denn wir hatten vor 10 Jahren gemeinsam damit aufgehört. Ich ging sofort zu ihr und fragte nach ihrem Befinden und warum sie zu rauchen angefangen hatte. Sie sagte, sie müsse viele Tabletten nehmen und alle würden da drinnen rauchen. Gleich darauf holte mich der Arzt zu sich herein. Es war ein sehr langes und nerviges Gespräch. Ich müsse mit mindestens einem viertel Jahr Aufenthalt rechnen, denn Sie sei sozusagen mit der Polizei eingeliefert worden. Ich musste von unserer Ehe erzählen und den Fehlgeburten, von den Schwiegereltern und ihrer Kindheit, was ich da wusste. Da erzählte ich, dass der Schwiegervater früher Vollalkoholiker gewesen war. dass meine Frau eine große Narbe am Rücken hat, über die sie nie eine genaue Geschichte erzählt hatte. Der Arzt wollte wissen, welche Medikamente sie eingenommen hatte. Ich hatte ein Medikament von ihr mitgenommen, dass sie immer vom Schwiegervater bekam und zeigte es dem Arzt. Er schaute in einem Buch nach und war ein bisschen entsetzt, da dieses Medikament Depressionen auslösen konnte. Er notierte alles sehr aufmerksam und überlegte. Ich bekam eine innerliche Wut. Dann kamen wir zu der Behandlung, dass es gut wäre, wenn ich jeden Tag käme, später wird sie dann Ausgang bekommen, den ich dann auch mit ihr nutzen sollte. Ich sollte meinen Schwiegereltern ausrichten, dass er mit ihnen ein Gespräch führen wolle. Er würde sie aber morgen anrufen. Somit war das erste Gespräch beendet und ich ging zu meiner Frau. Wie ich sie genauer betrachtete, fiel mir auf, dass sie ruhiggestellt war, sie stand total neben sich, sie hatte sogar Mühe richtig zu reden. „Was haben Sie dir angetan.“

„Was hast du dir angetan, wo bist du nur gelandet.“ Aber Sie fragte mich sofort, ob ich ihr ein paar Schachteln Zigaretten holen könne, sie habe bei anderen Patienten einige geschnorrt. Okay, was sollte ich machen, ich konnte nicht zulassen, dass sie laufend andere anbettelte. Ich verließ kurz die geschlossene Anstalt und holte ein paar Schachteln Zigaretten. Aber leider, nach dem Erlebten, überkam mich selber die Sucht nach einer Zigarette, ich meinte, dass eine schon ginge und ich zündete mir eine an. Als ich im Raucherraum ankam und übergab ihr die 2 Schachteln, eine behielt ich selbst und zündete mir mit ihr noch mal eine an. Sie schaute mich nur etwas erstaunt an, sagte aber nichts. Ich glaubte es würden nur ein paar am Tag sein, aber schnell wurden es von Tag zu Tag mehr und ich war wieder bei meinem alten Zigarettenkonsum. Ich verabschiedete mich dann um 20 Uhr - bis dahin ist Besuchszeit. Ich sagte ihr, dass es am nächsten Tag später werden würde, ich musste mich um einen anderen Fahrersitz kümmern. Es war ein Münztelefon vorhanden. Bis zu dieser Zeit konnte man sie anrufen und derjenige, der das Telefon abhob, musste meine Frau herbeirufen. Da hatte ich mit ihren Mitpatienten einige komische Situationen erlebt. Einige haben einfach aufgelegt oder gesagt: „kenne ich nicht“ oder „sie ist nicht hier.“ Da habe ich mir gesagt: „Ich vermeide es anzurufen oder tue es nur, wenn es wichtig ist. Oder meine Brigitte ruft an, wenn sie möchte und ich rufe dann zurück, dann weiß ich, dass sie selbst daneben steht.“ Ja, sie durften auch hinausrufen. Sie brauchte dafür ein wenig Kleingeld. Ich fuhr danach zum nächsten Mc Donald´s und verspeiste schnell 2 Cheeseburger, dann fuhr ich heim und machte einen größeren Spaziergang mit unserem Hund. Es folgten: Hausarbeit, für die Arbeit etwas herrichten, paar Minuten Computer und fertig war der Tag. Mit den Schwiegereltern telefonierte ich auch noch. Da musste ich mir mal wieder einiges anhören, sie wollten auf keinen Fall ihre Tochter in dem Irrenhaus lassen. Ihre Tochter ist nicht blöd. Dementsprechend verlief das Arztgespräch. So dominant sich der Schwiegervater gab, so verhielt er sich anscheinend beim Arzt, er meinte, er könne dem Arzt Vorschriften machen, zum Beispiel, welche Tabletten er zu geben habe. Das klappte nicht. Dann brachte er sie selber mit und gab die seiner Tochter heimlich. Und wurde dabei erwischt. So bekamen ihre Eltern Besuchsverbot. Und für sie war ich der Schuldige, weil ich meine Frau nicht aus der Anstalt holte. So ungefähr lief es ein paar Wochen ab, bis sie Ausgang bekam, zuerst eine Stunde, da durften wir eine Stunde auf dem Gelände verbringen. Dann 2 Stunden und nach circa sechs Wochen durfte Sie für vier Stunden nach Hause. Schön, aber ich hatte auch den doppelten Weg zu fahren und musste was zum Essen machen. Der Vorteil dabei war, so dachte ich mir, dass ich in der Zeit wenigsten ein paar Kleinigkeiten im Haushalt oder Garten machen konnte. Ja, das muss ich noch erwähnen, mit dem Fahrersitz hatte ich wenigsten etwas Glück, mein Autohändler hatte ein Unfallfahrzeug da, das genau den passenden Sitz hatte und noch in Ordnung war. Ich brauchte ihn nur auszubauen und in meinen einzubauen. Den Alten brachte ich gleich zum Schrottplatz.

Brigitte ging es schon viel besser. Sie bekam die letzten 8 Wochen, bis sie entlassen wurde, am Wochenende 8 Stunden Ausgang. Ach, ich hätte bald vergessen, die letzten 2 Wochenenden musste sie mit den Öffentlichen fahren, so wollte es der Arzt. Aber mich beschäftigte es immer wieder, welche Ursache oder welchen Grund es war, der sie zum Selbstmord getrieben hatte. Waren es die Tabletten, die 4 Fehlgeburten, etwas in ihrer Kindheit, etwas in ihrer Verwandtschaft bei Omas oder Opas, habe ich irgendetwas übersehen oder gemacht? Die Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis. Ich hatte natürlich noch einige Gespräche beim Arzt und er fand keine genaue Ursache. Nur eine Vermutung war: Da sie keine Kinder bekommen kann und ihr Vater sie obendrein noch verurteilt, hat sie Gewalt auf ihren Unterleib ausgeübt. Das Entlassungsgespräch verlief sehr positiv. Sie müsse noch vier Wochen in eine Tagklinik Beschäftigungstherapie machen und selbst mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinfahren und danach einen Arbeitsversuch machen. Sie musste einmal die Woche zu einen Ambulanten Psychologen im Bezirkskrankenhaus. Die vier Wochen Tagklinik verliefen sehr gut, ich holte sie nur am Abend um 17 Uhr ab. Sie musste noch immer eine Menge Tabletten nehmen, sechs Stück am Tag, die sie jeden Tag am Abend in eine Tablettenbox einsortierte. Zuerst machte sie dann eine Wiedereingliederung und konnte dann wieder voll in die Arbeit gehen.

Kapitel 3

Ägypten: Urlaub mit Schwierigkeiten
Herbst 1996 bis Sommer 1997

Wir konnten fast wieder ein normales Eheleben führen, wieder gemeinsam etwas machen oder planen. Nur ihre Eltern mischten sich immer mehr in unsere Ehe ein und ihrem Vater war sie jetzt vollkommen hörig. Früher hatten wir oft wochenlang von Ihnen nichts gehört und gesehen, jetzt so gut wie täglich. Dann, eines Tages, riefen uns unsere besten Freunde, ein verheiratetes Paar mit einem Sohn im Teenageralter an, wir sollten sie besuchen kommen. Wir besuchten sie am darauffolgenden Samstag, es war ein sehr schöner, lustiger Abend und sie sagten uns, dass sie nach Ägypten fliegen wollten mit Nilkreuzfahrt. Es wäre schön, wenn wir mitreisen würden. Sie hätten alles herausgesucht und wir bräuchten nur noch zu buchen. Eine Studienreise: 3 Tage Kairo ,7 Tage Nilkreuzfahrt, 3 Tage Assuan. Wir besprachen das zu Hause, denn es war für uns viel Geld, 5000 DM sollten wir zusammen bezahlen und unsere Wohnung mussten wir auch noch abbezahlen. Wir entschieden uns doch für die Reise, denn nach der Krankheit meiner Frau sollten wir mal wieder etwas Schönes erleben und auf andere Gedanken kommen. Unsere Freunde meinten, wenn etwas wäre, seien sie ja dabei und könnten helfen. Weil sie merkten, dass ich unsicher war, wegen dem Selbstmordversuch. Also gingen wir zusammen zum Buchen für den Spätherbst und das Reisebüro machte alles fertig, auch das Visum. Doch bei unserem Freund erfuhren wir ein paar Wochen vor Abreise, dass etwas mit dem Visum nicht stimmte und er keines bekam. So sprang die Schwiegermutter ein, die noch schnell ein Visum bekam. Was mich aber wieder am meisten beunruhigte war, dass sich bei meiner Frau wieder die komischen Nackenschmerzen einstellten. Ihr Kopf halte nicht und er würde gleich runterfallen. Es war nicht so, dass ich ihr die Schmerzen nicht glaubte. Es waren die Symptome und wie sie es einem erklärte und dass noch kurz vor dem Ägyptenurlaub. Und dann kamen noch Angstzustände dazu in der Art, dass sie den Urlaub nicht schaffen oder nicht mitfliegen können würde. „Fliegt ihr alleine, ihr braucht mich nicht dazu.“ Ich und unsere Freunde redeten natürlich auf sie ein, dass der Urlaub nur positiv auf sie einwirken könne, die fremden Eindrücke und die vielen großen Sehenswürdigkeiten. Die Freunde meinten dazu: „Wir, die Freundin mit ihrem Sohn und ihre Mutter, sind ja auch dabei. Da kann ja so gut wie nichts passieren.“

Kurz darauf erwischte ich den Schwiegervater, wie er meiner Frau wieder einfach seine Tabletten übergab und sie gleich eine schluckte. Ich stellte ihn gleich zur Rede, das könne er doch nicht einfach so machen. Das sei unverantwortlich, zu den Tabletten, die das Bezirkskrankenhaus ihr verschreibt, diese noch dazugeben, man wisse doch nicht, ob sich diese zusammen vertragen würden. Er sagte darauf, dass er sich da auskennen würde, er wüsste, was er täte und diese Tabletten seien gut. Natürlich meinte ich, als Mülllastwagenfahrer habe man das Wissen und die Ausbildung. Ein Streit war unvermeidlich. Später redete ich ruhig auf sie ein und schmiss diese Tabletten weg, ich wusste aber, sie würde diese immer wieder bekommen und nehmen. Ich glaube nicht umsonst war der Arzt im BKH (Abkürzung von Bezirkskrankenhau) so besorgt um diese Tabletten. Ich hatte wieder eine große Sorge: „Was kann ich gegen diesen dominanten und von sich eingebildeten Mensch machen?“ Ich redete mit unserer Freundin. „Im Urlaub müssen wir Einfluss auf Sie nehmen, damit sie wieder die Hörigkeit ablegt und wieder ihr eigenes Leben führt.“ Ich hatte große Sorge und das zu Recht. Der Abflug war, wie ich erwartet hatte. Meine Frau flippte buchstäblich aus. Sie sagte immer wieder, sie schaffe es nicht, sie kann nicht mitfliegen.

Aber mit gemeinsamen Zureden schafften wir alle, dass sie in den Flieger einstieg. Und je mehr wir Kairo näherkamen, umso entspannter kam sie mir vor. Wir hatten in ein Zimmer im Sheridon - Hotel im 30 Stock. Vom Balkon aus sahen wir sehr weit über Kairo. Der Nil mit einer sehr großen Brücke war direkt vor uns. Es lief alles perfekt und entspannt ab, die Tage in Kairo, sogar sehr lustig: das besichtigen vom Kairo Museum, den Gizeh Pyramiden, dem Basar und dem Kairo Turm. Sie ging sogar mit in das Innere der Pyramiden. Danach flogen wir nach Luxor, besichtigten die riesigen Sehenswürdigkeiten und gingen dann aufs Schiff. Es lief alles sehr gut bis zum Tal der Könige, da hatten wir alle so schlimmen Durchfall, dass wir uns zur Besichtigung zwingen mussten. Wir wollten unbedingt das Grab von Tutanchamon sehen. Obwohl wir so aufgepasst hatten mit Essen und Trinken, zum Beispiel kein Eis, keine Salate und keine offenen Getränke, nur alles aus Flaschen tranken. Aber wir schafften es zusammen. Das Grab bekamen wir doch zu sehen. Wir bekamen dann vom Schiffsarzt Tabletten, dann war alles sehr schnell vorbei. Unsere Tabletten, die wir sicherheitshalber mitgenommen hatten, halfen kein bisschen. Sogar der Ausflug nach Abu Simbel war möglich, eine Fahrt durch die Wüste zu einem gigantischen Bauwerk. Wir sahen eine Fata Morgana. Alles was wir gesehen haben, war gigantisch und schön, nicht umsonst gehören sie zu den 7 Weltwundern. Wir alle waren mächtig beeindruckt und haben alles sehr genossen. Wir fuhren dann ganz entspannt bis Assuan, zum großen Staudamm und kamen dann in ein sehr schönes Mövenpick - Hotel mit großen Pool zum Schwimmen.

Auf einmal ging es meiner Frau schlecht, sie hatte die gleichen Symptome wie immer, sie hatte dazu eine richtige Panik, bloß waren sie wesentlich schlimmer. „Was mach ich bloß, das kann es doch nicht sein. Bis dahin lief doch alles so gut, sie war eigentlich wie ausgewechselt. Jetzt auf einmal die Situation.“ Wir besprachen uns und setzten uns mit der Reiseleitung in Verbindung, sie kamen in unser Hotel und wir setzten uns zusammen. Die meinten, wir sollten gleich nach Kairo fliegen und dort dann 4 Tage bleiben, das wäre so möglich, da wären wir der Heimat schon etwas näher. Wir machten das so und komischer Weise waren die Tage in Kairo dann sehr schön. Wir unternahmen sehr viel. Wir gingen in den großen Zoo, er ist wie ein Park, da verbringen viele Familien den ganzen Tag, es ist der größte und die einzige grüne Oase mitten in Kairo. Wir konnten da einen großen lebendigen Löwen im Käfig streicheln. Natürlich war ein Wärter dabei. Einige Basare besuchten wir ohne Reiseleitung. Aber große Mühe hatten wir, die mehrspurigen Straßen zu überqueren. Trotz Ampel. Die Ägypter fahren wie in anderen südlichen Ländern auch bei Rot durch; wenn uns die Polizei nicht ein paar Mal geholfen hätte; wir würden noch heute an der Ampel warten.

Danach flogen wir wieder nach Deutschland zurück und meinten unser normales geregeltes Leben würde einkehren. Es ging ein paar Wochen gut, dann ging es wieder los. Nachdem sie von der Arbeit kam, klagte sie über Nackenschmerzen, ihr Kopf halte nicht oder würde runterfallen. Es wurde immer schlimmer und intensiver. Stundenlang wollte sie nur immer über ihre Schmerzen reden. Ich bekam dann nur von ihr zu hören, dass ich ihr ihre Schmerzen nicht glauben würde und dass ihr Kopf gleich runterfallen würde. „Schau mal her, da am Hals sind keine Muskeln mehr, jetzt fällt er gleich runter.“ Aber das Krankenhaus sollte ich nicht anrufen, die könnten ihr auch nicht helfen. Das war schon so nervenaufreibend, den ganzen Abend nur darüber zu reden.

Aber am nächsten Samstag sollte es noch heftiger werden. Es begann schon am Nachmittag. Wieder ihre üblichen Schmerzen, nur jetzt ging sie noch in den Abstellraum, holte sich Bier und holte gleich ein großes Messer heraus. Sie wollte es sich wieder in den Bauch stoßen, Ich rannte sofort zur ihr und nahm es weg. Sie sagte: „Ich halte es nicht mehr aus, ich bring mich jetzt um.“ Sie nahm einen großen Schluck vom Bier und dann fing sie lange zu stöhnen an. Ein ganz langer, komischer Ton und dabei tänzelte sie mit den Füßen. Mir kam die Frage, ob sie ihre Tabletten richtig eingenommen hatte und ich schaute nach, Ihre Handtasche war in der Wohnküche, ich machte sie auf und holte die Box heraus, da fiel mir noch eine weitere Tablettenbox auf. Aber ich schaute erst in die Wochenbox. Sie war nicht richtig befüllt. Da zu viel, da zu wenig. Danach nahm ich mir die andere Box zur Hand, ich hatte es vermutet, der Schwiegervater hatte ihr eine ganze Box gegeben. Jetzt wollte ich es wissen, ob sie von den Tavor-Tabletten mehr als eine am Tag genommen hatte. Sie gab zu, dass sie geschludert hatte und jedes Mal, wenn es ihr schlecht ging, nahm sie von den anderen Tages-Tabletten eine ein. Ich habe im Innersten gekocht und doch tat sie mir leid. Sie sagte jetzt immer wieder nur, „Hilfe, Hilfe, Hilfe“ in einem Stück immer wieder und stand im Eck der Küchenzeile, trank immer wieder ein Bier und holte gleich daneben aus der Schublade wieder ein Messer und sagte dabei: „Ich halte es nicht aus, ich muss es tun.“ Ich war so verzweifelt und konnte nichts anderes tun, als erneut das Messer weg zu tun. Das BKH wollte ich selbst nicht anrufen, sie wäre ja wieder eine Ewigkeit darin. Ich machte einen großen Fehler und machte aus innerer Verzweiflung selbst ein Bier auf, der Druck wurde immer größer und so vergingen der ganze Nachmittag und Abend. Ich kam mit ihr nicht mehr aus der Küche raus und musste immer wieder ein Messer wegnehmen. Immer wieder musste ich mir anhören, „Ich muss mich jetzt umbringen,“ dann das stöhnen und das „Hilfe-Hilfe-Hilfe.“