Karl Simrock: Doctor Johannes Faust

 

 

Karl Simrock

Doctor Johannes Faust

Puppenspiel in vier Aufzügen

 

 

 

Karl Simrock: Doctor Johannes Faust. Puppenspiel in vier Aufzügen

 

Neuausgabe.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Wilhelm Hamm, Das Puppenspiel vom Doktor Faust, 1850

 

ISBN 978-3-7437-1148-8

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-7437-1105-1 (Broschiert)

ISBN 978-3-7437-1106-8 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: Frankfurt am Main (Brönner) 1846. »Eduard Böcking gewidmet«.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Puppenspiel in vier Aufzügen, Frankfurt am Main: H.L. Brönner, 1846.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

 

Vorrede

Nächst Goethes Faust hat ohne Zweifel das alte Puppenspiel von Faust unter allen Gedichten, wozu die Faustsage Veranlaßung gegeben hat, das gröste poetische Verdienst. Es stellt die Faustsage anziehender dar, als das Volksbuch und reiner als Goethe, der sich nach dem Grundgedanken seines Gedichts von der Sage, der Fausts Höllenfahrt wesentlich ist, entfernen muste. Von dem Werk des großen Meisters wird es nicht in Schatten gestellt; es ist in seiner volksmäßigen Art ebenso kühn und geistreich erfunden und durchgeführt; als Bühnenspiel runder und von stärkerer, wenn auch nicht so tiefgreifender Wirkung. Außerdem hat es als die nächste Quelle Goethes, so wie Lessings und Maler Müllers, eine große Bedeutung. Es ist daher zu verwundern, daß man es nicht früher herzustellen versucht hat.

Von der Schütz- und Dreherschen Gesellschaft, die noch in den zwanziger Jahren mit ihrem Casperle-Theater mehrmals nach Berlin kam (sie war in Oberdeutschland zu Hause und zuletzt in Potsdam angesiedelt), hatte ich dieß Puppenspiel wiederholt aufführen sehen. Sehr zu Statten kamen mir außerdem bei der nachstehenden Aufzeichnung Franz Horns bekannter Bericht, die beiden Mittheilungen Von der Hagens, und Emil Sommers Skizze einer noch 1844 in Berlin gesehenen Aufführung. Keine dieser Meldungen stimmt in allen Stücken mit der andern. Als Sommer seine Skizze niederschrieb, war der alte Schütz, der jener Gesellschaft zuletzt allein vorstand, schon todt; Franz Horn scheint aber Schütz zu folgen und von Von der Hagens erster Probe steht dieß fest. Am abweichendsten ist dessen zweite Probe, die sich auf ein Manuscript des Puppenspielers Geißelbrecht gründet, welches 1832 durch den Herrn Obersten von Below in 24 buchstäblichen, nur zu Geschenken bestimmten Abdrücken vervielfältigt worden ist. Es führte den Titel: Dr. Faust oder der große Negromantist, Schauspiel mit Gesang in fünf Aufzügen. Berlin, ganz neu gedruckt. 12. 24 Blätter ohne Seitenzahl. Merkwürdigerweise hatte Geißelbrecht am Schlusse seines Manuscripts beigeschrieben: »(Alles was unterstrichen ist beweget mich, daß ich Fausten nie wieder aufführen werde.)« Herr Von der Hagen bemerkt[6] hierüber: »Diese Stellen, im Drucke gesperrt, sind theils Beschwörungen und Missbrauch heiliger Namen, theils Kaspars Schilderung seiner lästerlichen und verbrecherischen Sippschaft, als Wagner ihn in Dienst nimmt.«

Keiner dieser abweichenden Meldungen konnte ich allein folgen; keine ist unbenutzt geblieben: die besten Züge muste ich aus ihnen allen zusammenlesen. Einzelnes verdanke ich meiner eigenen Erinnerung. Wesentliches habe ich nicht hinzugethan. Daß der Dialog, die Ausführung überhaupt, gröstentheils Mir gehört, und alle Verse auf meine Rechnung kommen, brauche ich nicht erst zu sagen. Wer genauere Auskunft begehrt, mag die Quellen vergleichen, aus welchen ich geschöpft habe.

Bekanntlich lehnte Schütz alle Anfragen über das Manuscript seines Puppenspiels mit der Versicherung ab, daß es nur im Gedächtniss aufbewahrt würde. Sollte gleichwohl einmal eine schriftliche Aufzeichnung zu Tage kommen, so wird sie von der meinigen schwerlich in Hauptzügen abweichen.

Ich kann diese Gelegenheit nicht vorübergehen laßen, ohne den Wunsch auszusprechen, daß man den Puppentheatern, die vormals einen Schatz guter alter Stücke besaßen, doch mehr Aufmerksamkeit schenken möchte. Das Meiste wird freilich jetzt schon untergegangen und durch moderne[7] Opern und gehaltlose Possen verdrängt sein; aber das Wenige, was sich hier und da noch erhalten haben mag, verdient um so mehr aufgezeichnet und veröffentlicht zu werden. Schon bloße Berichte über Inhalt und Verlauf der Stücke würden unsern Dank verdienen. Lebte ich selbst an einem Orte, wo ein Casperletheater oder ein s. g. Henneschen, wie sie am Niederrhein heißen, noch altüberlieferte Stücke gäbe, so würde ich mir dieß Verdienst nicht entgehen laßen. Volkslieder, Volksmärchen und Volkssagen fängt man endlich an eifrig zu sammeln, der deutschen Volksbühne hat man bisher noch fast gar nicht gedacht.

Bonn im Januar 1846.

K. S.[8]

 

 

Personen

Doctor Johannes Faust.

 

Christoph Wagner, sein Famulus.

 

Herzog von Parma.

 

Die Herzogin, seine Gemahlin.

 

Don Carlos, Seneschall am Hofe zu Parma.

 

Casperle, Fausts Diener, dann Nachtwächter.

 

Gretl, seine Frau.

 

Mephistopheles,

Auerhahn,

Astarot,

Megära,

Haribax,

Polümor,

Asmodeus,

Vitzliputzli,

Xerxes, höllische Geister.

 

Fausts Schutzgeist.

 

Zwei Frauenzimmer, ein junges und ein altes.

 

Erscheinungen

König Salomon.

 

Simson und Delila.

 

Judith und Holofernes.

 

Goliath und David.

 

Helena, die Trojanerin.

 

Der Schauplatz ist abwechselnd in Mainz und in Parma.[2]

 

Erster Aufzug

Erster Auftritt

FAUST in seinem Studierzimmer vor einem Tisch mit aufgeschlagenen mächtigen Folianten.

So weit hab ichs nun mit Gelehrsamkeit gebracht,

Daß ich allerorten werd ausgelacht.

Alle Bücher durchstöbert von vorne bis hinten

Und kann doch den Stein der Weisen nicht finten.

Jurisprudenz, Medicin, Alles umsunst,

Kein Heil als in der negromantischen Kunst.

Was half mir das Studium der Theologie?

Meine durchwachten Nächte, wer bezahlt mir die?

Keinen heilen Rock hab ich mehr am Leibe

Und weiß vor Schulden nicht wo ich bleibe.

Ich muß mich mit der Hölle verbünden

Die verborgenen Tiefen der Natur zu ergründen.[5]

Aber um die Geister zu citieren

Muß ich mich in der Magie informieren.

STIMME ZUR LINKEN Baß.

Verlaß das Studium der Theologie

Und ergieb dich dem Studium der Magie,

Wenn du glücklich willst auf Erden

Und im Wißen vollkommen werden.

STIMME ZUR RECHTEN Discant.

Faust! Faust! laß dich nicht verblenden!

Ergieb dich nicht der Magie!

Bleibe bei der Theologie,

So wird noch alles glücklich enden.

FAUST aufspringend.

Stimme zur Linken, Stimme zur Rechten!

Wem soll ich glauben, wer räth mir zum rechten?

Ich muß doch näher fragen beede:

Stimme zur Rechten, wer bist du, rede!

STIMME ZUR RECHTEN.

Dein Schutzgeist![6]

FAUST.

Das kann Jeder sagen.

Stimme zur Linken, laß Du dich fragen:

Wer bist du?

STIMME ZUR LINKEN.

Ein Abgesandter

Aus Plutos Reich, hiehergekommen

Dich glücklich zu machen und vollkommen.

FAUST.

Vielleicht des Teufels Anverwandter.

Doch machst du mich glücklich und vollkommen,

Das ist mein Wunsch, das muß mir frommen.

Stimme zur Rechten, laß ab von mir;

Stimme zur Linken, ich folge dir:

Mache mich glücklich und ohne Fehle.

STIMME ZUR RECHTEN.

Weh deiner armen Seele!

MEHRERE STIMMEN ZUR LINKEN.

Hahahaha![7]

FAUST.

Sonderbar!

Mein Schutzgeist weint, die Andern lachen.

Doch jetzt genug von diesen Sachen,

Mein Famulus kommt.[8]

 

Zweiter Auftritt

Faust. Wagner.

 

WAGNER. Verzeihen Euer Magnificenz. Eben komme ich von der Post. Es sind für heute keine Briefe angekommen; aber gerade stiegen drei Studenten aus dem Postwagen, welche Ew. Magnificenz ein Tractätlein überreichen wollen.

FAUST. Geht, Wagner, und sagt ihnen, daß ich keine Tractätlein mehr annehme. Ich bin der kopfbrechenden Arbeit müde, bei der ich das tägliche Brot nicht verdiene.

WAGNER. Verzeihen Ew. Magnificenz, es ist keine Doctordissertation, die Ihr übersetzen und zustutzen sollt. Es ist gedruckt. Ich habe das Titelblatt gelesen, es heißt: Clavis Astarti de Magica.[9]

FAUST. Wie? Was? Spricht der Engel aus euch, oder wollt ihr mich zum Besten haben?

WAGNER. Nein, nein! Ich kann Ew. Magnificenz versichern.

FAUST. Nun, so geht, Wagner, ladet sie ein, bewirthet sie aufs Beste, setzt ihnen Wein und Knaster vor.

WAGNER. Sehr wohl, Ew. Magnificenz!

FAUST allein.