Friedrich Rückert: Rostem und Suhrab

 

 

Friedrich Rückert

Rostem und Suhrab

Eine Heldengeschichte in 12 Büchern

 

 

 

Friedrich Rückert: Rostem und Suhrab. Eine Heldengeschichte in 12 Büchern

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Unbekannter Künstler, Persische Miniatur, undatiert

 

ISBN 978-3-7437-1031-3

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-7437-0944-7 (Broschiert)

ISBN 978-3-7437-0945-4 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: Erlangen: Theodor Bläsing 1838. Hier nach der zweiten Auflage, Stuttgart, Verlag von S. G. Liesching 1846.

 

Dieses Buch folgt in Rechtschreibung und Zeichensetzung obiger Textgrundlage.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Erstes Buch

1.

Laß aus dem Königsbuch der Perser dir berichten

Von Rostem und Suhrab die schönste der Geschichten,

Von Heldenruhm, wie leicht er Frauenlieb erwarb,

Und wie der eigne Sohn, erlegt vom Vater, starb!

Held Rostem sprach, als er am Morgen war erwacht:

Auch heute hab ich nicht zu reiten in die Schlacht.

Afrasiab, der Fürst von Turan, läßet ruhn

Die Waffen, friedlich blüht das Reich von Iran nun;

Doch in der Friedensruh was soll ich selber thun?

Da rüstet' er sich schnell zur Jagd, er band in Eile

Den Gürtel fest, und hieng den Köcher um voll Pfeile.

Den Bogen prüft' er, ob er nicht die Kraft verlor;

Dann zog er aus dem Stall den edlen Hengst hervor.

Dem war die Weile dort wie seinem Herren lang;

Er wieherte vor Lust, als er ihn setzt' in Gang.

Er schwang sich auf den Rachs, und sagte nicht ein Wort

Den Seinigen im Haus, in Eile ritt er fort.

Der Mark von Turan zu wandt er sein lockig Haupt,

Alswie ein Löwe, der nach seiner Beute schnaubt.

Wie zu der Turanmark er hingekommen war,

Die Haide nam er da voll wilder Elke war.

Wie eine Rose war erblüht des Helden Wange

Vor Lust, er tummelte den Rachs mit raschem Gange.

Mit Pfeil und Bogen bald, mit Keul und Fangeschnur,

Ein Dutzend Stücke warf er nieder auf die Flur.

Aus Dornen und Gesträuch und manchem Baumesast

Entzündet' er darauf ein Feur von starkem Glast.

Und als zu Kolenglut war eingebrant die Flamm,

Erkor der Recke sich zum Bratspieß einen Stamm.

Der Elke feistesten steckt' er an diesen Baum,

Der wog in seiner Hand nicht eines Vogels Flaum.

Er drehte wohl den Spieß, daß fein der Braten briete

Auf allen Seiten gleich, und nirgend ihm misriete.

Und als er gaar nun war, nam er ihn vor, und saß

Am grünen Boden hin mit guter Lust und aß,

Wobei er auch das Mark im Knochen nicht vergaß.

Gesättigt, schritt er nun hin wo ein Waßer lief,

Zur Gnüge trank er auch, dann legt' er sich und schlief.

Am Rand des Baches lag der Held, den heißen Tag

Ausschlafend, und sein Ross gieng weidend frei im Hag.

 

2.

Als Rostem lag und schlief, und an sein Ross nicht dachte,

Da kamen Türken her, ein sieben oder achte.

Die sahn ein edles Ross frei weiden in dem Bann

Von Turan, und zu sehn zum Rosse war kein Mann.

Worauf sie sich alsbald das Ross zu fangen schickten:

Sie hättens nicht gewagt, wo sie den Mann erblickten!

Da kamen sie dem Rachs mit ihrer Fangschnur nah;

Aufschnaubt' er wie ein Leu, da er die Fangschnur sah.

Nicht wollte sich der Rachs geduldig laßen fangen,

Es wäre schlimm zuvor erst einigen ergangen.

Den Kopf vom Rumpfe riß dem einen sein Gebiß;

Derweil ein Hufschlag zwei zu Boden hinten schmiß.

Der kühnen Türken so getödtet lagen drei,

Das kriegerische Ross war noch von Banden frei.

Doch unverdroßen stürmt herbei der andre Tross,

Und warfen übers Haupt mit Müh die Schnur dem Ross.

Gebändigt führen sies zur nahen Stadt in Eil,

Es wär um vieles Gold ihr Fang nicht ihnen feil.

Es sei von hoher Art, ersahn sie an den Zeichen;

Jedweder wollte Teil am edlen Hengst erreichen.

Sie fürchteten, der Raub werd ihnen bald entführt,

Nicht lange bliebe solch ein Schatz unaufgespürt.

Da brachten sie geschwind ihn zu der Stuterei,

Daß seines Samens doch teilhaftig jeder sei.

Ich hörte, daß er dort auf zwanzig Stuten sprang,

Die alle seiner Wucht erlagen beim Empfang.

Und nur von einer ward getragen Leibesfrucht;

Zu Großem war bestimmt das Folen edler Zucht.

 

3.

Doch Rostem, wie er dort von seinem Schlaf erwachte,

Das erste war sein Ross, an das er wieder dachte.

Er blickt' umher, und sah sein Ross nichtmer im Hag;

Verlaufen hatt es ihm sich nie vor diesem Tag.

Laut rief er ihm; sonst kams auf leisen Ruf herbei;

Nun kam es nicht; da sprang er auf mit lautem Schrei.

Er suchte rings im Hag, er spähte durch die Flur,

Von seinem Rosse fand er hier und dort die Spur,

Es selber fand er nicht, und rief: O weh! verloren

Hab ich, derweil ich schlief, mein Ross gleich einem Toren.

Was soll ich ohne Ross mit dieser Rüstung thun?

Des Rittes lang gewohnt, geh ich zu Fuße nun?

Was werden Türken, wenn sie mir begegnen, sagen,

Daß ich den Sattel muß, statt mich der Sattel, tragen?

Verlaufen hat sichs nicht, das ist nicht seine Art;

Nun desto schlimmer, wenn es mir gestolen ward!

Doch lang bleibt nicht der Rachs des Rostem unbekant;

Auffinden werd ich ihn, der mir den Rachs entwandt!

Kam wol, derweil ich schlief, ein ganzes Türkenheer?

Denn einem einzgen ist der Rachs zu fangen schwer.

Doch den Gedanken ist vergebens nachzuhangen;

Auf, rüste dich zum Gang, weil dir dein Ross entgangen!

So sprach er unmutsvoll, und schwieg, und schaute stumm

Noch eine Weile sich nach seinem Rösslein um;

Denn immer dacht er noch, es müßte wieder kommen:

Wer auf der Welt sollt ihm haben den Rachs genommen?

Als aber doch der Rachs nicht wiederkommen wollte,

Macht' er sich endlich an den sauren Gang, und grollte.

Mit Waffen und Geschirr belud er sich, und sprach

Noch viel mit sich, indem er gieng den Spuren nach.

Die Spuren leiteten zur Stadt Semengan ihn,

Die dort im Abendstral zu ihm herüber schien.

 

4.

Er sprach: Das ist die Stadt, in der ein König sitzt,

Der es mit Turan jetzt und hält mit Iran itzt,

Der wie die Wage schwank sich nach der Seite neigt,

Wo sich ein Perser hier und dort ein Türke zeigt.

Den Rostem kennen sie, wenn er zu Pferde steigt!

Doch fehlt mir ja der Rachs, daß ich zu Pferde steige!

Ob ich zu Fuße denn mich in Semengan zeige?

Ich geh in ihre Stadt zu Fuß mit meinen Waffen,

Und seh, ob meinen Rachs sie dort mir wieder schaffen!

Ich sag es ihnen gleich, daß sie ihn schaffen sollen,

Und denke nicht, daß sie ihn vorenthalten wollen!

Ich werb um Gastherberg in dieser Stadt der Grenzen,

Und sehe, was beim Schmaus dem Rostem sie kredenzen!

So sprach er unterm Gehn, doch aus den Augen ließ

Er nie dabei die Spur, die sich am Boden wies;

Bis die in Schilf und Rohr am Fluße sich verlor;

Da ließ er sie, und gieng grad auf Semengans Tor.

Nun in Semengan ward dem König angesagt:

Held Rostem kommt, er hat im Türkenforst gejagt.

Zu Fuße geht einher die lichte Kronenzier,

Weil ihm entlaufen ist der Rachs im Jagdrevier.

Der König, wie er dieß vernam, war er geschürzt,

Daßnicht ein solcher Gast an Ehren sei verkürzt.

Da zogen aufs Gebot des Königs alle Degen,

Die Edlen all des Hofs, dem Edelsten entgegen.

Entgegen zog ihm, wer aufs Haupt nur einen Helm

Zu setzen hatt, und wer zurückblieb, war ein Schelm.

Sie reihten feierlich sich um den Heldenglanz,

Wie um der Sonne Haupt der Abendwolke Kranz.

So führten sie zur Stadt das Licht der Ehren ein,

Als eben über ihr erlosch des Tages Schein.

 

5.

Der König trat zu Fuß hervor aus dem Palast,

Der Hofstaat um ihn her, entgegen seinem Gast.

Er grüßt' und neigte sich: Woher durch Wald und Feld,

Und kein Begleiter ist mit dir, o Kampfesheld?

Hast du den Tag vollbracht mit Jagd im Jagdrevier,

Und suchest nun zur Nacht bei Freunden Nachtquartier?

Wir alle sind hier nur auf deinen Wunsch bedacht,

Und zu Befehle steht Semengan deiner Macht.

Die Leben stehen dir und Güter zu Befehle;

Die Edeln, Edelster, sind dein mit Leib und Seele.

Was wünschest du? es soll geschehen, o Pehlewan!

Gebeut, was wir dir thun, und denk, es sei gethan!

Held Rostem hörte gern die Rede sanft und zahm,

Wol merkt' er, ihnen sei die Hand zum Bösen lahm.

Er sprach: Abhanden kam der Rachs mir auf der Flur,

Und hier bis an die Stadt geht seiner Tritte Spur.

Wenn du mir diese Nacht ihn wieder schaffen kannst,

So wiße, daß du Dank von mir und Preis gewannst.

Doch wenn ihr mir den Rachs nicht werdet wieder schaffen,

So sollen durch mein Schwert hier breite Wunden klaffen.

Der König sprach erschreckt: Held ohne Furcht und Zagen,

Wer dürfte wol den Rachs dir zu entwenden wagen?

Sei du mein Gast, laß dir den Ehrenbecher spenden

In Frieden, und nach Wunsch wird sich die Sache wenden.

Von Rostems Rosse bleibt die Fährte nicht verborgen;

Wir schaffen dir den Rachs; gedulde dich bis morgen!

Mit ungestümer Hast gelangt man nicht zum Fange;

Mit sanften Worten lockt man aus dem Loch die Schlange.

Drum sänfte deinen Zorn, kehr ein, und laß beim Wein

Mit Herzen sorgenfrei die Nacht uns fröhlich sein!

Wir bringen dir den Rachs, o tapfrer Kampfgesell,

Wir bringen ihn, bevor der Morgen tagt, zur Stell;

Uns sei die Hall indes vom Licht des Weines hell!

 

6.

Der Löwenmutige ward dieser Rede froh,

Davon aus seiner Brust so Groll als Unmut floh.

Es dünkt' ihm gut, daß er zum Königshause gienge,

Als wolgemuter Gast zu Fest und Schmause gienge.

Ihm gab den Ehrensitz der König im Palast,

Auf Füßen dienstbereit stand er vor seinem Gast.

Die Häupter aus der Stadt, die Häupter aus dem Heer,

Berief und pflanzt' er beim Gelag um Rostem her.

Den Köchen er befal, von allen guten Dingen

Gerichte zu der Wal des Helden herzubringen.

Da ward hereingebracht ein ausgesuchtes Mal,

Der Silberschüßeln Pracht und goldner Schaalen Zal;

Aus China war beim Fest chinesischer Pokal.

In diesem ward kredenzt Wein unter Lautentönen

Von rosenwangigen gasellenaugigen Schönen.

Sie mengten Saitenspiel und Wein mit Schmeichelei,

Damit nicht ungemut der Hochgemute sei.

Er hörte seine Lust, und schaute sein Vergnügen,

Und trank den frohen Mut dazu in langen Zügen.

Mit allen Sinnen so schöpft' er des Festes Wonne,

Ihm stralte sein Gesicht bei Nacht wie eine Sonne.

Und allen, welche da das helle Angesicht

Des Helden leuchten sahn, wards in der Seele licht.

Die Becher ließ er nicht die ungetrunknen säumen;

Und als er trunken war, dacht er den Sitz zu räumen.

Da war bereit für ihn, gewölbet kühl und luftig,

Ein Schlafgemach, von Musk und Rosenwaßer duftig.

Im kühlen Schlafgemach verschlief auf seidnen Decken

So Müdigkeit als Rausch Rostem, der Feinde Schrecken.

 

7.

Um Mitternacht, wenn sich des Poles Wagen drehn,

Ward leises Wort gesagt bei leiser Tritte Gehn.

Geräuschlos aufgetan ward Rostems Ruhgemach,

Mit Staunen ward der Held beim Glanz von Fackeln wach.

Tehmina stand vor ihm, bestralt von Stein und Gold,

Die Königstochter von Semengan wunderhold.

Ihr standen beiderseits mit Fackeln Dienerinnen;

Sie stralte hell vom Glanz der Fackeln und der Minnen.

Der Reiz der Jugend war in den der Scham getaucht,

Der Wangen Lilien von Rosen überhaucht.

Doch im Rubinenschloß des Mundes lag bewart

Geheimnis liebliches, für diese Nacht gespart.

Er richtete sich auf, und staunte lang und tief,

Indem er Preis ob ihr und ihrem Schöpfer rief.

Er fragte sie und sprach: Wie, Holde, nennst du dich?

Und was in finstrer Nacht zu suchen kommst du, sprich!

Zur Antwort gab sie ihm: Tehmina ist mein Name,

Gespalten ist mein Herz von einem tiefen Grame.

Ich bin des Schahes von Semengan einzig Kind,

Von Kindheit auf, im Lauf, der Neid von Hirsch und Hind;

Sie holen mich nicht ein, mich holt nicht ein der Wind.

Allein die Sehnsucht kam mich heimlich einzuholen,

Die führt mit diesem Gram mich her zu dir verstolen.

Wie eine Wundersag hab ich aus jedem Munde

Gehört zu jeder Stund, an jedem Ort die Kunde,

Wie du so tapfer bist, und trägest keine Scheu

Vor Tiger, Elefant und Krokodil und Leu.

Du schirmest ganz allein Iran mit deiner Kraft,

Und Turan zittert, wenn sich rührt dein Lanzenschaft.

Du reitest ganz allein bei Nacht in Turan ein,

Und streifest dort umher, und schläfest dort allein.

Dergleichen Kunde ward mir vom Gerücht vertraut;

Lang wünscht ich dich zu sehn, heut hab ich dich geschaut.

Wenn du zu Weibe mich begehrst, bin ich dein Weib;

Nie Mond- noch Sonnestral berührte diesen Leib.

Vom Schleier meiner Zucht erwuchs ich tief umfangen;

Den Zügel der Vernunft entzog mir dieß Verlangen:

Ich bitte Gott, von dir zu tragen einen Sproß,

Der einst, an Kraft dir gleich, beherrsche dieses Schloß.

Zur Mitgift will ich jetzt, o Held, dieß Schloß dir bringen,

Zur Morgengab alsdann, Rostem, dein Ross dir bringen!

 

8.

So endet' ihren Gruß das Mondglanzangesicht;

Der Löwenkühne hört' aufmerksam den Bericht.

Wie sie der Held so schön, so perlgleich sie sah,

An Sinn so hoch und an Verstand so reich sie sah,

Und daß sie noch dazu vom Rachs ihm gab die Kunde;

Von lauter Frölichkeit sah er erfüllt die Stunde.

Er rief die wandelnde Zipress' an sich heran;

Hold tauschte Blick und Wort mit ihr der Pehlewan.

Er rief ins Vorgemach, daß einen der Mobeden

Sie brächten ihm herbei, der wüßte wol zu reden.

Den sendet' er alsbald, den Weisen tugendvoll,

Daß er die Tochter ihm vom Vater fordern soll.

Der Wolverständige, dahin zum Schahe schritt er,

Und that die Werbung kund von Irans edlem Ritter.

Der Schah ward freudenvoll, da dieser Gruß erscholl;

Er fühlte, wie sein Herz von hohem Mute schwoll.

Er richtete sich stolz, der Zeder gleich, empor;

Das Band mit Rostem kam ihm wert und theuer vor.

Dem Ritter in der Nacht gab er der Tochter Hand;

Und wie die Kund erscholl, war Freud in Stadt und Land.

Von Freuden war erwacht ein Aufruhr in der Nacht,

Zu Rostem sei als Braut des Königs Kind gebracht.

Da war der Jubel laut die ganze Nacht ums Schloß,

Wo seine holde Braut der starke Held umschloß.

Still tauschte drin das Paar die Lust der Seelen aus,

Und draußen ließ die Schaar die Kraft der Kehlen aus:

»Daß dieser neue Mond lang dein Behagen sei!

Daß deiner Feinde Haupt ewig geschlagen sei!

Aus diesem Bunde müß ein Heldensproß entspringen,

Der mög an Tapferkeit mit seinem Vater ringen!«

Sie meinten ihr Gebet zum Segen und zum Heil,

Der Himmel aber nam es an zum Gegenteil.

 

9.

Nach kurzer Freudennacht als an der Morgen brach,

Wand aus Tehminas Arm sich Rostem los, und sprach,

Indem vom Arm er nam ein goldenes Gespang,

Von dem erschollen war der Ruhm die Welt entlang;

Sie glaubten, daß daran sei Rostems Heil gebunden,

Und unverletzlich sei, wen dieses Band umwunden:

Das gab er ihr und sprach: Liebtraute! dieß bewar!

Wenn eine Tochter dir nun bringen wird das Jahr,

So nimm dieß Goldgespang, und schling es ihr ins Haar!

Als welterleuchtenden Glückstern soll sie es tragen,

Der ihr soll und der Welt von ihrem Vater sagen.

Wenn aber einen Sohn dir die Gestirne reichen,

So bind ihm um den Arm, wie ich es trug, das Zeichen.

Des Vaters Zeichen sei an seinem Arm bewart,

Und wachsen wird er selbst nach seines Vaters Art.

Gleich seiner Ahnen Stamm wird der aus Heldensamen

Erzeugte sein, es bleibt nicht ungenant sein Namen.

Ist er erwachsen, send ihn mir nach Iran zu!

Nun aber naht der Tag, ich geh, wol lebe du!

Zum Abschied faßt' er sie an seine starke Brust,

Auf Aug und Haupt gab er ihr manchen Kuss voll Lust.

Mit Weinen wandte sich von ihm die zarte Braut;

Sie ward nach kurzer Lust mit langem Weh vertraut.

Zu Rostem aber kam der König hochgemut,

Den Eidam fragt' er da, wie er die Nacht geruht?

Ihm gab er Kunde dann vom Rachs, er sei gefunden;

Und aller Sorgen war das Heldenherz entbunden,

Er gieng, und streichelt' ihn und sattelt' ihn sogleich,

Dann von Semengan ritt er froh und freudenreich.

Gen Sistan auf dem Rachs als wie ein Wind er flog,

Indem er die Geschicht in seinem Sinn erwog.

Von Sistan ritt er heim nach Sabulistan gar,

Und keinem sagt' er dort, was ihm begegnet war.

 

Zweites Buch

10.

Neun Monde waren schon Tehminen hingegangen,

Als sie gebar den Sohn wie eines Mondes Prangen.

Die Mutter sah ihn an mit Lust und schmerzenreich,

Er war in jedem Zug wol seinem Vater gleich.

Sie nannte Suhrab ihn, und nam ihn an die Brust;

Das Kind war auf der Welt nun ihre einzge Lust.

So zärtlich pflegte sein die Mutter, die ihn nährte,

Daß keines Dinges er zu keiner Stund entbehrte.

Der Knabe weinte nie; er hatte neugeboren

Gelächelt schon, als sei er nicht zum Weh geboren.

Er wuchs so wunderbar: als er ein Monat war,

Da war er anzusehn, alsob er wär ein Jahr.

Drei Jahr alt, ließ er schon zur Rennbahn sich gelüsten,

Im fünften sah man ihn zum Löwenkampf sich rüsten.

Wie er zehn Jahr alt war, da war im ganzen Land

Nun kein gestandner Mann, der ihm zum Kampfe stand.

Von Leib ein Elefant, von Wangen Milch und Blut,

Rasch wie ein Hirsch gewandt, im Auge dunkle Glut,

Von Wuchse schlank, die Brust gewölbt von hohem Mut.

Zwei Arme schwang er um sich her den Keulen gleich,

Und unten standen fest zwei Füße Seulen gleich.

Wo er im Ringspiel rang, wo er den Schlägel schlug,

War keiner der davon den Ball des Sieges trug.

Er gieng zur Löwenjagd, da ward der Löw ein Fuchs;

Die Zeder rüttelt' er, sie bog sich wie ein Buchs.

Windfüßigem Renner rannt er sturmgeflügelt nach,

Beim Schweif ergriff er ihn, der Renner stand gemach.

Es war alsob zum Kampf die Welt er fordern wollte,

Alsob er selbst bestehn den eignen Vater sollte.

 

11.

Zu seiner Mutter kam der Knabe, sie zu fragen:

Verwegen sprach er da: Mutter, du sollst mir sagen!

Denn unter meinen Spielgenoßen rag ich hoch

Hervor, mein Haupt empor zum Himmel trag ich hoch.

Wes Samens, welches Stamms ich bin, will ich erkennen;

Wenn nach dem Vater man mich fragt, wen soll ich nennen?

Wirst du mir Antwort nicht auf diese Frage geben,

Am Leben bleib ich nicht, und du bleibst nicht am Leben!

Die Mutter, da sie dieß vom jungen Pehlewan

Vernommen, sah zugleich mit Stolz und Furcht ihn an:

Er war entwachsen ihr, und nicht mehr untertan.

Sie faßte sich und sprach begütigend: Vernimm

Ein Wort, des freue dich, und laße deinen Grimm!

Du bist des Rostem Kind, des Perserpehlewanen,

Und seine Ahnen sind in Iran deine Ahnen.

Drum übern Himmel trägst du hoch dein Haupt hinaus,

Weil du entsproßen bist aus solchem Heldenhaus.

Denn was an Heldentum nun in der Welt erscheint,

Das ist in Rostems Stamm, in Rostem selbst vereint.

Sieh dieses Goldgespang, nimm hin und halt es fein!

Zum Abschied gab mir das für dich dein Väterlein.

Erfährt er, daß sein Sohn erwuchs zum tugendreichen,

Nach Iran ruft er dich, und kennt dich an dem Zeichen;

Dann bricht mein Herz vor Leid, wann ich dich seh entweichen!

O Sohn! Afrasiab, der Schah von Turan, soll

Nicht wißen dein Geschlecht; das brächt uns seinen Groll.

Denn Niemand auf der Welt ist ihm wie Rostem feind,

Rostem, um welchen Blut in Turan wird geweint.

Witwen in Turan macht sein Schwert in jeder Schlacht;

Und ohne Schwertstreich hat er mich dazu gemacht.

Drum vor Afrasiab beware dieß im Stillen!

Den Sohn verderben möcht er um des Vaters willen.

Den Vater hab ich schon verloren, liebes Kind,

Verlör ich auch den Sohn, so wär ich sänfter blind.

Sei stolz, doch sag es nicht, wer deine Ahnen sind!

 

12.

Doch Suhrab sprach: Wer birgt die Sonn im Weltenring?

Unmöglich wird geheim gehalten solches Ding.

Von einer Heldenabkunft, Mutter, dieser gleich,

Zu schweigen, wäre dir und mir nicht ehrenreich.

Was, Mutter, hast du selbst gehalten lange Zeit

Geheim die Abkunft mir von solcher Herrlichkeit?

Denn alle Kämpen jetzt, die jungen und die alten,

Nur Rostem ists von dem sie Kampfgespräche halten.

Von allen Namen ward zuerst mir seiner kund,

Ich hörte seinen Ruhm aus seiner Feinde Mund.

Wer jenen Riesen schlug? dieß Zauberschloß zerstörte?

Nur Rostem, was ich frug, Rostem war, was ich hörte,

Stets mit Bewunderung, und oft mit Neide gar,

Mit Ärger! wußt ich denn, daß er mein Vater war?

Nun aus Semengan hier, und dort aus Turans Marken,

Versamml' ich all ein Heer der Mutigen und Starken.

Nach Iran will ich ziehn und von dem dunkeln Staube

Der Schlacht dem lichten Mond aufsetzen eine Haube.

Aufrütteln von dem Thron will ich den Keikawus,

Und schlagen aus dem Feld den alten Feldherrn Tus.