Hugo von Hofmannsthal: Der Turm. Neue Fassung
Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Henri Martin, Landschaft bei Collioure (Ausschnitt), um 1900
ISBN 978-3-7437-1840-1
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-7437-1664-3 (Broschiert)
ISBN 978-3-7437-1770-1 (Gebunden)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Entstanden 1926/27. Erstdruck: Berlin (S. Fischer) 1927. Uraufführung am 4.12.1928 in München (Prinzregententheater).
Der Text dieser Ausgabe folgt: Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Band 2–5: Dramen, Herausgegeben von Bernd Schoeller in Beratung mit Rudolf Hirsch, Frankfurt a.M.: S. Fischer, 1979.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.
König Basilius.
Sigismund, sein Sohn.
Julian, der Gouverneur des Turmes.
Anton, dessen Diener.
Bruder Ignatius, ein Mönch, ehemals Kardinal-Minister.
Olivier, ein Soldat.
Ein Arzt.
Der Woiwode von Lublin.
Der Palatin von Krakau.
Der Großkanzler von Litauen.
Der Oberste Mundschenk.
Graf Adam, ein Kämmerer.
Der Starost von Utarkow.
Der Beichtvater des Königs.
Simon, ein Jude.
Ein Reitknecht.
Ein Offizier.
Eine Bauernfrau.
Der tatarische Aron,
Der Schreiber Jeronim,
Indrik der Lette, Aufrührer.
Gervasy,
Protasy, Spione des Königs.
Herren vom Hof, Kämmerer, Pagen, ein Stelzbeiniger, ein Kastellan, Soldaten, ein Pförtner, ein Bettler, Mönche, Aufrührer.
Vor dem Turm. Vorwerke, halb gemauert, halb in Fels gehauen. Zwischen dem Gemäuer dämmerts, indessen der Himmel noch hell ist.
Olivier, der Gefreite, und ein paar invalide Soldaten, unter ihnen Aron, Pankraz und Andreas, sind beisammen.
OLIVIER ruft nach ihnen. Rekrut! Hierher!
REKRUT ein flachshaariger Bauernbursch, springt herzu.
OLIVIER. Spring, Rekrut, und hol mir Feuer zur Pfeife!
REKRUT. Ja, Herr!
Will weg.
ARON. Zu Befehl, Herr Gefreiter, hast du zu sagen!
OLIVIER. Hols Feuer! Marsch!
REKRUT. Ja, Herr!
Nach einer Pause.
ANDREAS. Ist das wahr, Gefreiter, daß du ein Student gewesen bist?
OLIVIER gibt ihm keine Antwort.
Pause.
PANKRAZ. So bist du demnach unser neuer Wachkommandant?
OLIVIER gibt keine Antwort.
REKRUT kommt und bringt eine glimmende Lunte.
OLIVIER. Von wo kommt der Wind?
REKRUT. Weiß nicht, Herr.
OLIVIER. Stell dich zwischen die Pfeifen und den Wind, Bestie.
REKRUT. Ja, Herr!
OLIVIER zündet sich eine Pfeife an. Das verdammte Klopfen soll aufhören. Marsch hin, Aron. Ich befehls, Holzhacken wird eingestellt. Es alteriert mich.
PANKRAZ. Es hackt niemand Holz. Es ist der dahinten: der Gefangene.
OLIVIER. Der Prinz, der nackig geht, mit einem alten Wolfsfell um den Leib?
PANKRAZ sieht sich um. Sprich: der Gefangene. Nimm das andere Wort nicht auf die Zunge. Es bringt dich vor den Profosen.
Olivier lacht lautlos.
ARON. Die Zeitläufte sind nicht darnach, daß sie einen, wie den, schurigeln könnten.
OLIVIER sieht nach links. Was treibt die Bestie? Was rumort er in seinem Käfig?
ARON. Er hat einen Pferdsknochen ausgescharrt, damit schlägt er unter die Ratten und Kröten, wie ein Hirnschelliger.
PANKRAZ. Sie kujonieren ihn, kujoniert er sie wieder.
REKRUT. Er hat einen Wolfsleib, aus dem ist ein Menschenkopf gewachsen. Er reckt fünffingerige Händ und faltets wie ein Mensch.
OLIVIER. Sieht das Vieh so kurios aus? Den muß ich sehen. Schmeiß einen Stein, Rekrut, und jag ihn auf.
Er nimmt eine Pike und geht hin.
ARON. Er hält seinen Blick nicht aus! Da schaut, wie er sich verkriecht, der Wolfsmensch.
ANDREAS tritt dicht an Olivier heran. Ich warn dich, Gefreiter. Denk an die scharfe Instruktion.
OLIVIER. Weiß von keiner.
ANDREAS. Da sind zehn verbotene Artikel – auf die wird hier jedermann vereidigt.
ARON. Auf die pfeift er dir! Gelt, Olivier?
ANDREAS. Nicht auf zehn Schritt dem Gefangenen nahe. Kein Wort mit ihm, kein Wort über ihn, bei Leib und Leben.
PANKRAZ. Die hat hier der Gouverneur erlassen, dem wir allesamt untergeben sind.
ANDREAS. Der hat das schleunige Recht. Dem ist Gewalt gegeben über unsere Hälse.
ARON. Gewalt gegeben! Über alte Kaschbettler vielleicht, über solche Marodierer, wie ihr seid! Nicht über eine Person wie den da!
OLIVIER. Wo ist der Gouverneur? Ich will ihn sehen!
PANKRAZ. Den siehst du nicht. Wenn der uns Ordre zu geben hat, läßt er dreimal Habt acht blasen. Dann schickt er seinen Bedienten.
ARON. Seinen rotzigen Bedienten an dem seine martialische Person? Hast du gehört?
OLIVIER. Halts Maul, bis Zeit ist. – Horcht, da! Der Dudelsack. Jetzt spielts wieder. Und jetzt still. Signale sinds. Juden, Schmuggler.
ARON. Da sollten wir streifen.
OLIVIER. Laß die. Ist uns grad recht, was die schmuggeln.
ARON. Was denn?
OLIVIER leise. Waffen, Pulver und Blei, Piken, Morgenstern, Äxte. Aus Ungarn herauf, aus Böhmen herüber, aus Litauen herunter.
ARON. Verfluchte Juden!
OLIVIER halblaut. Die spüren, was los ist. Riechen im voraus den roten Hahn aufm Dach.
ARON nahe bei ihm. Sind die alle mit einverstanden, sag mirs, gestrenger Kapitän!
OLIVIER. Wirst es erfahren, bis Zeit ist.
REKRUT geheim, ängstlich. Ein dreibeiniger Has hat sich sehen lassen, ein hageres Schwein ist dahergekommen, ein glühäugiges Kalb rennt durch die Gassen.
OLIVIER nur zu Aron. Alle gehen gegen alle. Es bleibt kein Haus. Die Kirchen werden sie mit dem Kehrichtbesen zusammenkehren.
ARON. Und was wird mit denen werden, die heute die Herrenleut sind?
OLIVIER. Die werden kopfunter in den Abtritt fahren.
ARON. Das geht mir in den Leib wie ein Schnaps. Und unser werden so viele sein, daß wir die gewältigen werden?
OLIVIER halblaut. Zehntausend in den Häusern, zehntausend in den Wäldern, hunderttausend unter der Erden.
DER STELZBEINIGE der bisher geschwiegen hat. Sie werden ihn hervorziehen, und das Unterste wird zuoberst kommen, und dieser wird der Armeleute-König sein und auf einem weißen Pferde reiten.
ARON. Halts Maul, böhmischer Bruder.
DER STELZBEINIGE. In den feuchten Bergen wird von ihm ein Reich gegründet werden.
ARON. Halt dein Maul!
OLIVIER halblaut, zu Aron. Auch solche wie den da werden wir brauchen. Und den da hinten auch. Den richt ich mir ab wie ein Hund; der soll mir apportieren.
ARON. Ich verstehs nicht, aber ich weiß, daß du kommandieren wirst. Denn du schaust auf Menschen, wie einer auf Steine schaut.
OLIVIER. Der wird kommandieren, dem die politische Fatalität sich anvertraut.
ARON. Ist die so großmächtig, die Fatalität?
Ein Hornsignal. Gleich wieder eines. Ein drittes.
PANKRAZ leise. Da habt ihrs. Er läßt dreimal Habt acht blasen. Und da kommt der Bediente.
Anton erscheint auf einer hölzernen Brücke überm Vorwerk und schickt sich an herunterzukommen. Die Soldaten, außer Oliver, verziehen sich.
ANTON tritt von hinten auf Olivier zu. In hohem Auftrag!
Grüßt.
OLIVIER gibt keine Antwort.
ANTON. In hohem Auftrag Seiner Exzellenz!
Grüßt abermals hinter Oliviers Rücken.
OLIVIER dreht sich um, mißt Anton mit einem verächtlichen Blick.
ANTON grüßt abermals, sehr freundlich. Dem Herrn Wachkommandanten einen guten Tag zu wünschen. – In hohem Auftrag: Der Herr zieh Seine Wach hier ab und besetz die Zugäng. Aber seine Wachposten sollen den Rücken kehren und dabei alles im Aug behalten. Es bekümmert den Herrn nichts, was hier vorgehen wird, aber ich sags Ihm: der Gefangene wird zur ärztlichen Visite vorgeführt. Hat der Herr verstanden? Ich bitt den Herrn, daß Er den Befehl ausführt.
OLIVIER spuckt aus und geht weg.
ANTON ihm nachsehend. Ein freimütig soldatischer junger Herr. Mit dem einen Moment beisammenstehen, ist wie mit einem anderen eine Stund diskurieren.
OLIVIER außen. Wache antreten! Wache rechts um!
Kurzer Trommelwirbel.
ARZT kommt den gleichen Weg wie Anton auf die Bühne. Wo find ich den Kranken?
ANTON. Der Herr will sagen: den Gefangenen. Gedulde sich der Herr. Ich führ Ihm die Kreatur heraus.
ARZT. Wo ist das Zimmer?
ANTON. Was für ein Zimmer?
ARZT. Nun, das Verlies, der Gewahrsam.
ANTON deutet nach hinten. Dort!
ARZT. Wie dort? Wendet sich hin. Ich sehe einen kleinen, offenen Käfig, zu schlecht für einen Hundezwinger. – Du willst mir nicht sagen, daß er dort – oder hier ist ein Verbrechen begangen, das zum Himmel schreit!
ANTON zuckt die Achseln.
ARZT. Dort? Tag und Nacht?
ANTON. Winter und Sommer. Im Winter wird eine halbe Fuhr Stroh zugeschmissen.
ARZT. Seit wie lange?
ANTON. Vor vier Jahren ist alles verschärft worden. Von da ab schläft er auch nachts im Zwinger da, hat keinen freien Ausgang, die Füß an der Kette, eine schwere Kugel dran, die stinkende Wildschur am Leib, ob Sommer ob Winter, sieht die Sonn nicht mehr als im hohen Sommer zwei Stunden lang.
Man hört wieder die dumpfen Schläge, wie am Anfang.
ARZT tritt näher hin. Mein Auge gewöhnt sich. Ich sehe ein Tier, das an der Erde kauert. Tritt zurück.
ANTON. Das ist schon der Betreffende.
ARZT. Das! – Ruf ihn. Führ ihn her vor mich.
ANTON sieht sich um. Ich darf vor keiner fremden Person mit ihm reden.
ARZT. Ich trage die Verantwortung.
ANTON. Sigismund! – Er gibt keine Antwort. – Achtung! Er leidet nicht, daß man ihn angeht. Er hat sich einmal mit einem Fuchs verbissen, den die Wächter ihm zur Kurzweil übers Gitter werfen taten.
ARZT. Kannst du ihn nicht rufen? nicht zureden? Ist er denn ohne Vernunft?
ANTON. Der? Kann Latein und wird mit einem dicken Buch fertig, wie wenns eine Speckseiten wär. Nähert sich dem Zwinger, sanft anrufend. Komm der Sigismund. Wer wird dann da sein? Der Anton ist da. Er öffnet die Tür mit der Pike, die an der Mauer gelegen hat. Da, jetzt leg ich meinen Stecken weg. Er legt die Pike auf die Erde. Jetzt sitz ich aufm Boden. Jetzt schlaf ich. Leise zum Arzt. Geb der Herr Achtung. Erschrecken darf er nicht, sonst wirds bös.
ARZT. Hat er denn eine Waffe?
ANTON. Immer einen Roßknochen. Sie müssen früher in dem Winkel das Vieh verscharrt haben. – Es ist innerst eine gute Kreatur, geb ihm der Herr was ein, daß er wieder sanft wird.
ARZT. Wo die ganze Welt auf ihm liegt. Es ist alles zusammenhängend.
ANTON. Pst! er rührt sich. Er schaut die offene Tür an. Das ist nichts Gewohntes!
SIGISMUND tritt aus dem Zwinger hervor, in einer Hand einen großen Stein.
ANTON winkt ihm. Geh, da setz dich zu mir.
SIGISMUND redet nach. Setz dich zu mir!
ANTON auf der Erde sitzend. Ist ein Herr kommen.
SIGISMUND gewahrt den Arzt, zuckt zusammen.
ANTON. Nicht fürchten. Ein guter Herr. Was denkt der Herr von dir? Leg den Stein weg. Er denkt, du bist ein Kind. Bist aber zwanzig Jahr.
Steht auf, geht langsam hin, windet ihm sanft den Stein aus der Hand.
ARZT ohne den Blick von Sigismund zu verwenden. Ein ungeheurer Frevel! Nicht auszudenken ist das.
ANTON. Grüß den Herrn! oder was soll der Herr denken? Der Herr ist weither kommen.
ARZT tritt näher. Möchtest du anderswo wohnen, Sigismund?
SIGISMUND schaut zu ihm auf, dann wieder weg, spricht dann schnell vor sich hin wie ein Kind. Vieher sind vielerlei, wollen alle los auf mich. Ich schrei: Nicht zu nah! Asseln, Würmer, Kröten, Feldteufel, Vipern! Sie wollen alle auf mich. Ich schlag sie tot, sinds erlöst, kommen harte schwarze Käfer, vergrabens.
ARZT. Hol ein Licht, ich muß ihm ins Auge sehen.
ANTON. Ich laß den Herrn nicht allein mit ihm, darfs nicht! Ruft nach hinten. Einen Kienspan daher!
ARZT geht hin, legt Sigismund die Hand auf die Stirn. Hornsignal draußen. Was ist das?
ANTON. Es heißt, daß jetzt niemand heran darf, oder es wird scharf geschossen.
SIGISMUND sehr schnell. Deine Hand ist gut, hilf mir jetzt du! Wo haben sie mich hingetan? Bin ich jetzt in der Welt? Wo ist die Welt?
ARZT für sich. Die ganze Welt ist gerade genug, unser Gemüt auszufüllen, wenn wir sie aus sicherem Haus durchs kleine Guckfenster ansehen. Aber wehe, wenn die Scheidewand zusammenfällt!
Ein Soldat kommt und bringt einen brennenden Kienspan.
ANTON. Da ist die Kienfackel!
Reicht sie dem Arzt.
ARZT. Ich muß sein Auge sehen. Drückt Sigismund, der an seinen Knien lehnt, sanft gegen sich und leuchtet ihm von oben ins Gesicht. Bei Gott, kein mörderisches Auge, nur unermeßlicher Abgrund. Seele und Qual ohne Ende. Er gibt die Kienfackel zurück, Anton tritt sie aus.
SIGISMUND. Licht ist gut. Geht herein, machts Blut rein. Sterne sind solches Licht. In mir drin ist ein Stern. Meine Seele ist heilig.
ARZT. Es muß einmal ein Strahl in ihn gefallen sein, der das Tiefste geweckt hat. So hat man doppelt an ihm gefrevelt.
Julian, der Gouverneur, von einem Soldaten begleitet, der eine Laterne trägt, erscheint droben auf der hölzernen Brücke, sieht herab.
ANTON. Seine Exzellenz sind selbst hier. Es wird gewinkt von oben. Da soll die Untersuchung zu Ende sein.
ARZT. Das bestimme ich. Er fühlt Sigismund den Puls. Was gebt ihr ihm zu essen?
ANTON leise. Es ist für einen räudigen Hund zu gering. Leg der Herr ein Wort ein!
ARZT. Ich bin zu Ende.
ANTON. Jetzt geht der Sigismund schön hinein.
Sigismund zuckt, kniet am Boden. Anton nimmt die Pike auf, öffnet ganz die Tür zum Zwinger. Sigismund bleibt auf den Knien, streckt die Hand aus.
ARZT verhält sich die Augen. O Mensch! o Mensch!
Sigismund stößt einen klagenden Laut aus.
ANTON. Sollen sie mit Stangen kommen, dich eintreiben?
ARZT. Ich bitte dich, geh für heute an deine Stätte. Ich verspreche dir, daß ich tun werde, was ich vermag.
SIGISMUND steht auf, verneigt sich gegen den Arzt.
ARZT vor sich. O mehr als Würde in solcher Erniedrigung! Das ist eine fürstliche Kreatur, wenn je eine den Erdboden trat.
SIGISMUND ist in den Zwinger zurückgegangen.
ANTON hat den Zwinger von außen verschlossen. Der Herr erlaubt, daß ich vorangeh. Der Herr ist sogleich droben im Turm erwartet.
Sie gehen hinauf.
Gemach im Turm, eine größere, eine kleinere Tür. Julian, Anton.
JULIAN. Ist der Simon herein? Er soll gesehen worden sein. Sobald er sich blicken läßt, wirds mir gemeldet.
ANTON deutet hinter sich. Der Herr Doktor.
JULIAN. Eintreten.
ANTON öffnet die kleine Tür.
Der Arzt tritt ein, verneigt sich.
Anton tritt ab.
JULIAN. Ich bin dem Herrn für die beschwerliche Herreise sehr verbunden.
ARZT. Eure Exzellenz hatten zu befehlen.
JULIAN nach einer kleinen Pause. Ihr habt die Person in Augenschein genommen?
ARZT. Mit Schrecken und Staunen.
JULIAN. Wie beurteilt Ihr den Fall?
ARZT. Als ein grausiges Verbrechen.
JULIAN. Ich frage nach dem ärztlichen Befund.
ARZT. Der Ausgang wird ergeben, ob man, unter anderem, den Arzt nicht zu spät gerufen hat.
JULIAN. Ich will nicht hoffen! Der Herr gebrauche seine gepriesene Überlegenheit. Es sollen keine Kosten gescheut werden.
ARZT. Vom Leib aus allein kann nur Pfuscherei den Leib heilen wollen. Es geht um mehr. Der ungeheure Frevel ist an der ganzen Menschheit begangen worden.
JULIAN. Wie kommt der Herr zu solchen Divagationen? Es ist von einer einzelnen privaten Person die Rede, die unter meiner Obhut steht.
ARZT. Mitnichten. An der Stelle, wo dieses Leben aus den Wurzeln gerissen wird, entsteht ein Wirbel, der uns alle mit sich reißt.
JULIAN sieht ihn an. Ihr nehmt Euch viel heraus. – Ihr seid eine berühmte Persönlichkeit. Die Fakultät feindet Euch an, aber das hat Euch nur noch mehr in Evidenz gebracht. Ihr habt ein großes Gefühl von Euch selbst.